- Vereinigte Staaten von Nordamerika
Vereinigte Staaten von Nordamerika (United States of America, Nordamerikanische Union), die große Bundesrepublik in Nordamerika, wird begrenzt von Kanada im N., dem Atlantischen Ozean im O., dem Golf von Mexiko und der Republik Mexiko im S. und dem Stillen Ozean im W., liegt zwischen 24°30'-49° nördl. Br. und 66°50' bis 124°31' westl. L. und hat ohne Alaska ein Areal von 7,839,385 qkm, wovon auf Seen 23,900 qkm kommen. Das 1867 durch Kauf von Rußland erworbene Nebenland Alaska (jetzt Territorium) enthält außerdem 1,297,290 qkm, der überseeische Kolonialbesitz (Philippinen, Hawaï, Guam, Tutuila [Samoa], Porto Rico und als Interessensphäre: Panamagebiet) 326,490 qkm, das Gesamtreich also 9,463,164 qkm. – Hierzu 5 Karten: Übersichtskarte, Staaten der östlichen und Staaten der westlichen Hälfte, Nordoststaaten und Geologische Karte, mit Textblatt.
[Küstengestalt und Lage.] Die Küsten haben eine Länge von 22,680 km, wovon 11,260 auf den Atlantischen, 5950 auf den Stillen Ozean, 5470 auf den Mexikanischen Meerbusen kommen. In bezug auf den Seeverkehr stehen demgemäß nach allen Richtungen sehr freie und gerade Verbindungen zur Verfügung. Im NO. ist die Küstengliederung zugleich eine sehr reiche, da dort die Passamaquoddybai, die Cascobai, die Buchten von Portsmouth und Salem, die Massachusettsbai, die Narragansettbai, der Long Islandsund und die New Yorkbai, die Delawarebai und die Chesapeakebai eingeschnitten sind und großen Seeschiffen guten Zugang und Ankergrund bieten. Wichtig ist es auch, daß hier eine Anzahl von Inseln, wie Mount Desert, Marthas Vineyard und Nantucket, Long Island (s. d.) sowie ausgedehnte Fischerbänke (George's Bank, Brown's Bank, Banquereau Bank, Misaine Bank) vorgelagert sind. Weiter südlich ist die atlantische Küste durchgängig flache Dünenküste und arm an guten Naturhäfen. Die langgestreckten Nehrungen vor dem Albemarle- und Pamphicosunde sind nur von seichten Kanälen (Inlets) durchbrochen, die selbst der Durchfahrt von Fischerboten Schwierigkeiten bereiten. Nur in den Mündungsbuchten des Cape Fear River (bei Wilmington), des Cooper und Ashley River (bei Charleston), des Broad River (bei Port Royal), des Savannah River (bei Savannah) und des Turtle River (bei Brunswick) ließen sich durch Ausbaggerung und Seedammanlagen brauchbare Häfen für den großen Seeverkehr schaffen, in den Mündungen des St. Mary's River (bei Fernandina) und St. John River (bei Jacksonville) wenigstens für kleinere Seeschiffe. In die Küstenlagunen Ojisloridas führen nur seichte Inlets, und auch in der Biscaynebai (bei Miami) können nur flachgehende Fahrzeuge verkehren. Auch die vereinsstaatliche Golfküste ist in ihrer ganzen Länge flache Dünen- und Lagunenküste, die ursprünglich nur bei Pensacola einen tiefen Zugang hatte, so daß die für größere Schiffe tauglichen Seehäfen der Tampabai, der Mobilebai, der Mississippimündung und der Galvestonbai ebenfalls erst künstlich geschaffen werden mußten. Die pazifische Küste ist steil und hafenarm, die durch das Goldene Tor geöffnete Bucht von San Francisco (s. d.) bildet aber einen der besten Naturhäfen der Erde, während südlich davon die Bucht von San Diego durch künstliche Nachhilfe der großen Seeschiffahrt zugänglich gemacht ist. Die reiche Fjordengliederung der pazifischen Küste nördlich vom Kap Flattery kommt dem Hauptgebiet der Union nur durch die Verzweigungen der Fucastraße und des Pugetsundes (bei Port Townsend, Taroma. Seattle, Everett und Whatcom) zugute. Für das Nebengebiet Alaska (s. d.) mindert sich aber der Wert der weit landein greifenden Fjordbuchten (Lynn Channel, Prince Williamssund, Cook Inlet u. a.) dadurch, daß dahinter allenthalben steile, hohe und stark vergletscherte, großenteils vollkommen unübersteigliche Bergwälle liegen.
[Bodengestalt.] Hinsichtlich der Bodenbildung kommt der durchgreifende Gegensatz, der zwischen der appalachisch laurentischen Osthälfte und der kordilierischen Westhälfte des nordamerikanischen Erdteiles besteht, zu seiner vollen Geltung, und zwar umfaßt die Union von beiden Erdteilhälften das eigentliche Hauptstück. Das waldreiche Appalachische Gebirge mit seinen Parallelketten (im Mount Mitchell der Black Mountains 2048 m) fällt zum weitaus größten Teile in das Gebiet und bildet in der Osthälfte das hauptsächlichste Verkehrshindernis. Ebenso gehört das in die großen Strombecken des Ohio, des oberen Mississippi und des Lorenzstroms gegliederte Hügelland westlich von den Appalachen fast ganz der Union, damit zugleich aber die davon eingeschlossenen ungeheuren Kohlenfelder (das appalachische 185,000 qkm, das Wabashfeld 150,000 qkm, das Missourifeld 170,000 qkm) und Erzlagerstätten (Eisenerze am Oberen See, in Wabama etc., Kupferlager am Oberen See) ebenso wie reiche Petroleum-, Naturgas- und Salzquellen und fruchtbare Talstrecken (Bottoms) für den Ackerbau. Die von NO. nach SW. an Breite zunehmende Atlantische Niederung sowie die Golf- und Mississippiniederung nebst der Halbinsel Florida bilden den dritten natürlichen Abschnitt der appalachischen Landeshälfte, der durch seinen Boden ebenso wie durch sein Klima vor allem dem Baumwollenbau günstige Bedingungen bietet. Von hoher Bedeutung für die Gliederung der Osthälfte ist es, daß die Gegend nördlich vom Ohio und untern Missouri beinahe allenthalben die Spuren einer umfassenden quartären Vergletscherung zeigt, die Gegend südlich von jener Linie aber nicht. Im S. ist der Boden aus diesem Grunde durchgängig Verwitterungs- und Schwemmlandböden, und die Flüsse sind ausgeprägte Rinnenströme mit regelmäßig ausgefeilten Betten und Tälern, im N. aber herrscht Geschiebemergel vor, während in den Flußläufen Seen und seenartige Weitungen mit Stromengen, Schnellen und Wasserfällen regellos wechseln. Die Wasserkräfte sind im N. durch die vorhandenen natürlichen Staubecken sehr nachhaltig und verhältnismäßig gleichförmig, während im S. das Gegenteil der Fall ist. Die kordillerische Landeshälfte umfaßt vor allem die Hochgebirgsketten von Colorado (Sangre de Cristokette im Blanca Peak 4409 m, Coloradokette im Gray's Peak 4371 m, Sawatchkette im Mount Elbert 439591) und Wyoming (Fremonts Peak 4203 m), die Tafel- und Hochbeckenlandschaften von Arizona, Utah und Nevada (1500–2000 m ü. M.) und die Sierra Nevada (im Mount Whitney nach neuer Triangulation 4419 m) nebst dem Kaskadengebirge (Mount Tacoma 4370 m). Ebenso ist ihr aber auch die ganze gegen O. abfallende Prärientafel nebst dem texanischen Llano Estacado und dem Coteau des Missouri zuzurechnen, desgleichen die tiefen Täler von Kalifornien und Oregon und die pazifischen Küstengebirgsketten. Mit den vielfachen Brüchen, Verwerfungen und jungen Störungen, von denen der Gebirgsbau der vereinsstaatlichen Kordilleren betroffen worden ist, hängt der große Reichtum des Gebirges an nutzbaren Mineralien zusammen: der ungeheure Golderzstock des Comstock Lode von Nevada, des kalifornischen Mother Lode und der kalifornischen Goldseifen, die Gänge von Cripple Creek, die Blei- und Silbererzlager von Leadville, die Kupfererzlager von Butte und Anaconda in Montana, von Bisbee, Clifton und Jerome in Arizona, die Quecksilberfundstätten der kalifornischen Küstenketten und in gewisser Weise auch die Petroleumvorräte von Südkalifornien, Colorado und Wyoming. Die gewaltigen Borax-, Soda- und Salzlager des Westens stehen dagegen mit dem trockenen Wüstenklima der dortigen Hochflächen im Zusammenhange. Man hat die mittlere Höhe der Vereinigten Staaten zu 792 m berechnet; etwa 39 Proz. liegen unter 300,37 Proz. über 300 bis 1500 m, 16 Proz. über 1500 m und beinahe 8 Proz. über 2000 m. Das über 1000 m hoch liegende Land kommt aber fast ausschließlich auf die Westhälfte, da sich in der Osthälfte kaum 1/10 Proz. der Fläche über diese Höhe erhebt. Die Wegsamkeit erschweren im W. ganz besonders die tief eingegrabenen Canonschluchten des Colorado, Snake River, Platte, Arkansas u. a. (vgl. Artikel »Cañons«).
Hinsichtlich der geognostischen Verhältnisse sowie wegen Klima, Pflanzen- und Tierwelt verweisen wir auf den Artikel »Nordamerika« und die Textbeilage zur beifolgenden »Geologischen Karte von den Vereinigten Staaten und Mexiko« (bei S. 54).
Zu dem Unionsgebiet ist seit dem Kriege mit Spanien (s. unten, S. 68) noch der Besitz überseeischer Kolonien getreten: Philippinen, Hawaï, Guam, Porto Rico, ein Teil der Samoainseln sowie als Interessensphäre das Panamagebiet. Über sie vgl. die Einzelartikel und C. H. Forbes-Lindsay, America's insular possessions (Philad. 1907, 2 Bde.).
Die Volkszahl der Union ist in erstaunlicher Weise gewachsen; 1688 betrug dieselbe erst 200,000; 1780: 2,945,000,1800 in den auf 21 angewachsenen Staaten 5,308,483,1850: 23,191,876,1890: 62,831,900,1900: 76,149,386, während sie für 1907 auf rund 87,4 Mill. geschätzt wird. Diese, besonders in den mittlern, südlichen und Präriestaaten schnelle Zunahme dankt die Union zum großen Teil der überaus starken Einwanderung. Bis 1820 schätzt man die Einwanderung (Ausweise fehlen) auf 250,000 Köpfe. Seit jenem Jahre sind bis 1906 eingewandert 24,699,888 Personen, wobei seit 1885 die Nachweise über die Einwanderung aus Britisch-Nordamerika und Mexiko fehlen. Von den bis 1896 Eingewanderten kamen 16,128,539 aus Europa (über die Hälfte aus Deutschland und Irland), und zwar 6,825,590 aus Großbritannien (3,750,183 aus Irland), 4,990,357 (bis 1900: 5,009,280) aus Deutschland, 1,166,147 (bis 1900: 1,246,312) aus Schweden und Norwegen, 735,463 (bis 1900: 1,027,195) aus Österreich-Ungarn, 694,260 (bis 1900: 1,040,457) aus Italien, 664,175 (bis 1900: 926,902) aus Rußland, 395,461 aus Frankreich, 199,938 aus der Schweiz, 185,774 aus Dänemark, 128,539 aus den Niederlanden etc.; von den außereuropäischen Einwanderern kamen 1.047,080 aus Kanada, 304,064 aus China. Größern Umfang nahm die Einwanderung namentlich seit 1847 an und erreichte ihre größte Höhe 1905 mit 1,027,421,1882 betrug sie bereits 788,992,1898 nur 229.299. 1906 wanderten 1,100,735 Menschen ein, darunter 273,120 aus Italien, 265,138 aus Österreich-Ungarn, 215,665 aus Rußland, 51,332 aus England und Wales, 37,564 aus Deutschland, 34,995 aus Irland, 23,310 aus Schweden, 21,730 aus Norwegen, 19,489 aus Griechenland, 15,866 aus Schottland, 13,835 aus Japan, 9510 aus der europäischen Türkei, 9386 aus Frankreich, 1514 aus China. Vgl. P. F. Hull, Immigration and its effects upon the U. S. (New York 1906) und John R. Commons, Races and immigrants in America (das. 1907). Der Geburtenüberschuß ist ein ziemlich großer, nimmt aber beständig ab; am geringsten ist derselbe in den Neuenglandstaaten, New York, Pennsylvanien und den Territorien, am bedeutendsten in allen jüngern, aber schon seit mehreren Generationen besiedelten Gebieten. Die Zahl der Todesfälle beträgt auf 1000 Einw. im Durchschnitt 17,6. Die besten Gesundheitsverhältnisse zeigt Arizona (7,9 und 1,9 Todesfälle auf je 1000 Weiße, bez. Schwarze) die schlechtesten für die Weißen New Mexico (22 für das Tausend), für die Schwarzen der Columbiadistrikt (85 für das Tausend). – Im übrigen hat auch von den Vereinigten Staaten zeitweise eine Rückwanderung in die Heimatländer stattgefunden, besonders zu Zeiten großer wirtschaftlicher Depression, wie z. B. gegenwärtig (1907/08).
Nach dem Geburtsland zählte man 1900: 65,843,302 Eingeborne der Vereinigten Staaten und 10,460,885 im Auslande Geborne, unter letztern 2,669,164 Deutsche, 1,619,469 Irländer, 843,491 Engländer, 787,798 englische und 395,427 französische Kanadier, 574,625 Schweden, 484,703 Italiener, 424,372 Russen, 338,426 Norweger, 276,702 Österreicher, 234,699 Schotten. 156,999 Böhmen, 154,424 russische Polen, 145,815 Ungarn, 150,232 deutsche Polen, 115,959 Schweizer, 106,659 Chinesen, 105,998 Holländer, 93,744 Welsche, 81,590 Japaner etc. Danach und nach dem oben Gesagten stammt die große Mehrzahl der Bürger der Vereinigten Staaten von Einwanderern, die aus England, Deutschland, Irland und Schottland kamen, sie schließt also auch eine beträchtliche Zahl von Kelten ein. Am zahlreichsten, im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. sind die Ausländer in Norddakota, Minnesota, Montana, Nevada, Arizona, Wisconsin, Kalifornien u. a., am schwächsten vertreten in Alabama, Georgia, Mississippi und den beiden Carolinas. Die Bevölkerungsdichte ist naturgemäß in den einzelnen Staaten sehr verschieden, in den alten östlichen Staaten wohnen auf 1 qkm in New York 58, in Pennsylvanien 54, in Connecticut 70, in New Jersey 92, in Massachusetts 130, in Rhode Island 156, dagegen in New Mexico nur 0,6, in Wyoming und Arizona 0,4, in Nevada 0,1 Menschen. (Vgl. die Karte »Bevölkerungsdichtigkeit der Erde« in Bd. 2.) Der Rasse nach unterschied man 1900: 66,990,802 Weiße, 8,840,789 Neger und Mulatten, 119,050 Chinesen, 85,986 Japaner und 236,760 Indianer. Während die Zahl der Weißen und Neger in fortwährendem Wachsen ist, bei letztern ohne nennenswerte Zuwanderung, nimmt die Zahl der zum größten Teil in Kalifornien und Oregon lebenden Chinesen infolge von Repressivmaßregeln wenig zu, die der Indianer stetig ab. Wie groß die Zahl der Indianer vor dem Erscheinen der Europäer gewesen ist, läßt sich heute auch nicht annähernd bestimmen; 1880 zählte man (ohne Alaska) 306,543,1890 nur 248,253. Am zahlreichsten sind sie im frühern Indianerterritorium (1900: 52,500), dann in Alaska (29,536), Arizona (26,480), Süddakota (20,225), Kalifornien (15,377), New Mexico (13,144), Oklahoma (11,945), Montana (11,343), Washington (10,039), Minnesota (9182), Wisconsin (8372), Norddakota (6968), Michigan (6354) etc. Eine große Anzahl ist auf eigens für sie bestimmten Ländereien (Reservationen, 1900: 172), die 305,000 qkm umfassen, aber immer mehr von Weißen besetzt werden, untergebracht und unter die Obhut von Agenten der Regierung gestellt worden. Volles Bürgerrecht hatten 1890 bereits 64,871, und diese Zahl wächst beständig. Die jährlichen Geldbewilligungen des Kongresses für die Indianer sind bedeutend (1905: 14,2 Mill. Doll.), leider erreicht aber nur ein Teil die Indianer, der andre bleibt in den Händen ungetreuer Beamter (vgl. Indianer, S. 792). Neger und Mulatten finden wir in allen Teilen der Union, vornehmlich in den ehemaligen Sklavenstaaten Georgia (1,034,893), Mississippi (907,630), Alabama (827,307), Südcarolina (782,321), Virginia (660,722), Louisiana (650,804), Nordcarolina (624,469), Texas (620,722), Tennessee (480,243), Arkansas (366,866), Kentucky (284,706), Maryland (235,064). Aber trotz ihrer bedeutenden Zahl (1900: 6,840,789) ist ihre gesellschaftliche Stellung eine niedrige. Im S. zeigen sie sich als tüchtige Arbeiter auf Plantagen und in Fabriken, im N. arbeiten sie als Kellner, Handwerker, Barbiere, Diener; hervorragendere Stellungen nehmen nur wenige ein. Vgl. Washington und Du Bois, The Negro in the South (Philad. 1907). Gesellschaftliche Gleichberechtigung wird ihnen selbst in den Nordstaaten nur selten zugestanden. Auch die Mulatten bilden kein Bindeglied zwischen den beiden Rassen, die sich immer mehr gegeneinander abschließen und so vielleicht einst zur gewaltsamen Lösung eines der bedenklichsten Probleme im wirtschaftlichen Leben der Union führen werden.
Das spezifische Anglo-Amerikanertum ist am reinsten vertreten in den Neuenglandstaaten, die noch großenteils von Nachkommen der englischen und schottischen Puritaner bewohnt sind. Die Neuengländer, die Yankees, bilden eine Art Geburts- und Geldaristokratie, die auf alle übrigen Amerikaner vornehm und voll Selbstgefühl herabblickt. Dabei ist der Nordamerikaner auf Erwerb unablässig bedacht, von praktischem Sinn, scharfem Verstand und ungemeiner Energie, im Umgang ernst und wenig mitteilsam und von geradem, kurz angebundenem Wesen. Sein Äußeres charakterisiert sich durch hagere, schlanke, aber kräftige Leibesform, blasse Gesichtsfarbe und frühzeitige Entwickelung in leiblicher wie geistiger Beziehung, für die bildenden Künste und für Poesie hat er wenig Sinn. Das weibliche Geschlecht besitzt eine ungemeine Zartheit und Anmut und zeichnet sich durch freies, dabei würdiges und angenehmes Benehmen aus. Im Genuß größerer Vorrechte als anderswo hat es mehr Gelegenheit zur geistigen Ausbildung und findet von Jahr zu Jahr neue sich ihm öffnende Erwerbszweige. Dagegen ist der mit romanischen Elementen versetzte Südländer weniger arbeitsam, weniger ausschließlich auf das Nützliche gerichtet, dabei gastfrei, tapfer und oft ritterlich, aber auch aufbrausend und zur Selbsthilfe geneigt. Der gesellschaftliche Ton ist im S. freier und ansprechender als im N. Die Deutschen bilden in geistiger und materieller Beziehung einen wichtigen Faktor der Bevölkerung. Als Einwanderer werden sie schon 1626 erwähnt, seit 1709 wanderten viele Tausende nach Pennsylvanien, dann nach Georgia. Sie lassen sich zum großen Teil auf dem platten Lande nieder, sind aber auch zahlreich in allen größern Städten und ganz besonders hervorragend als Landwirte, Techniker und Industrielle. Das deutsche Element überhaupt, einschließlich der Österreicher, Luxemburger und Schweizer und ihrer Abkommen, ist auf 11 Mill. Seelen zu veranschlagen und ähnlich wie das skandinavische Element (etwa 1,5 Mill. Seelen) am zahlreichsten in den nördlichen Staaten. Nach der Zählung von 1900 waren die Deutschen am stärksten vertreten in folgenden Staaten:
Von der starken britischen Einwanderung entfallen seit 1821 fast zwei Drittel auf die Iren, die sich mit Vorliebe in den großen Städten (in den östlichen bilden sie die große Masse des Pöbels) und an den Mittelpunkten der Industrie festsetzen und seit langem einen übeln Einfluß auf das politische Leben der Städte und Staaten ausüben. Dagegen sind die mit den Amerikanern in Sprache, Sitten und politischen Einrichtungen am nächsten verwandten Engländer und Schotten, denen man die Einwanderer aus Kanada anschließen kann, sehr achtbare Teile der Bevölkerung. Sehr rasch ist in den letzten Jahren die Zahl der Italiener, Skandinavier, Russen, Böhmen und Polen gewachsen. Nachkommen französischer Einwanderer, oft mit Indianerblut gemischt, finden sich als Einwanderer aus Kanada im N. und in Louisiana, solche der ebenfalls vielfach gemischten alten spanischen Bevölkerung in den ehemals spanischen Landesteilen, namentlich in New Mexico, Kalifornien und Texas.
Dem Berufe nach waren 1900 beschäftigt in: Landwirtschaft 10,438,219, Industrie, Bergbau, Fischerei 7,112,987, Handel und Verkehr 4,778,233, persönlicher Dienstleistung 5,691.746, andern Berufen 1,264,737, ohne Beruf 28,938,678. Von letztern waren 22,94 Mill. weiblich.
Die Städte nehmen von Jahr zu Jahr steigende Prozentsätze der Gesamtbevölkerung in Anspruch; in Städten mit mehr als 8000 Einw. lebten 1790 nur 3,3,1840 aber 8,5,1860: 16,1,1880: 22,5,1890: 29,12 und 1900: 32,9 Proz. Mehr als 100,000 Einwohner hatten 1900: 39 Städte, mehr als 250,000 die folgenden (15):
Für 1907 wird die Einwohnerzahl der größten Städte wie folgt geschätzt: New York 4,152,860, Chicago 2,050,000, Philadelphia 1,500,596, St. Louis 750,000, Boston 607,340, Baltimore 560,000, Cleveland 525,000, Buffalo und Detroit 400,000, San Francisco 375,000.
[Geistige Kultur.] Wie die körperliche, so weicht auch die geistige Konstitution des Nordamerikaners von der der Europäer nicht unwesentlich ab. Der Amerikaner ist viel beweglicher und nervöser, er denkt und handelt rascher als der Teutone, und seine geistige Tätigkeit wird von der sinnlichen Seite her in geringem Grade gehemmt. Der Nordamerikaner erkennt sehr richtig den praktischen Wert der Kenntnisse. Die Unwissenheit der Masse ist gering, Leute von verfeinerter Bildung sind jedoch selten. Aber so gut die Leistungen der Volksschule, so lückenhaft sind die der höhern Unterrichtsanstalten, mit gewissen Ausnahmen in neuester Zeit, die in einigen vortrefflichen Beispielen an deutsche Hochschulen heranreichen. Die Union unterhält nur eine große Kadettenanstalt in Westpoint und eine Marineakademie in Annapolis sowie die Schulen für Indianer. Im übrigen haben die einzelnen Staaten die Leitung des öffentlichen Unterrichts, in denen ein Teil der öffentlichen Ländereien für Schulzwecke bestimmt und großartige Schenkungen Privater für höhere Schulen gemacht worden sind. Schulzwang besteht in 28 Staaten und in New Mexico, doch beschränkt sich derselbe meist darauf, den Schulbesuch für 12–16 Wochen zu fordern, leider ist das Gesetz oft ein toter Buchstabe. Nach dem Zensus von 1900 konnten von der über 21 Jahre alten Bevölkerung insgesamt nicht lesen und schreiben: 10,9 Proz., von der eingebornen Bevölkerung dieses Alters aber nur 4,9 Proz., von der eingewanderten Bevölkerung 11,5 Proz. und von der farbigen Bevölkerung 46,7 Proz. Die öffentlichen Elementarschulen zählten 1905: 460,269 Lehrer und 16,468,300 eingetragene Schulkinder, im Tagesdurchschnitt aber nur 11,481,531 tatsächliche Schulbesucher. Von den Lehrern waren 1900: 73,4 Proz. weiblich. Für den mittlern und höhern Unterricht sorgen verschiedene Klassen von Lehranstalten, die zwischen den deutschen Gymnasien und Hochschulen stehen: High Schools, Academies, Normal Schools (Seminare), Colleges und Universities. Von den beiden letzten bestanden 1905: 453 mit 15,847 männlichen und 2247 weiblichen Dozenten und 147,296 männlichen und 44,467 weiblichen Studierenden. Die hervorragendsten unter ihnen sind: Harvard University (s. d.), Yale University (Newhaven) und die Columbia University (New York), dann Princeton College (Princeton), die Universitäten von Kalifornien (Berkeley und Palo Alto), Chicago, Michigan (Anu Arbor), Minnesota (Minneapolis). Pennsylvanien (Philadelphia) und Wisconsin (Madison), Pratt Institute (Brooklyn) u. a. Zu vielen derselben werden auch Frauen zugelassen; Harvard University hat für diese ein besonderes Gebäude. Allein für Frauen bestimmt sind: Vassar College (Poughkeepsie), Wellesley College (Wellesley, Mass.), Holyoke College (South Hadley), Smith College (Northampton) u. a. Militärschulen gibt es in Westpoint, Fort Leavenworth, Monroe und Willets-Points. Außerdem bestehen 156 theologische Schulen (1094 Dozenten und 7411 Studierende), 96 juristische (1190 Dozenten und 14,714 Studierende), 120 medizinische (4532 Dozenten und 24,012 Studierende), 18 homöopathische (1129), 54 zahnärztliche (7149), 67 pharmazeutische (4944), 12 tierärztliche (1269), 862 Hebammenschulen (19,824), ferner Taubstummenanstalten (11,952 Insassen), Blindenanstalten (4441) und Anstalten für Blödsinnige (16,240), Besserungsanstalten (36,580), Waisenhäuser (15,000). Der Negerrasse gehören (1900) 21,267 Lehrer an, und 16 Universitäten und Colleges dienen der höhern Bildung der Farbigen. Indianerschulen gibt es (1903) 257 mit 24.347 eingetragenen Kindern, der Indianerrasse angehörige Lehrer (1900) 384. Vgl. Chancellor, American Schools, their administration and supervision (Lond. 1905); Dexter, History of education in the U. S. (das. 1904); Thwing, A history of higher education in America (New York 1906). In ganz vorzüglicher Weise ist, besonders durch private Fürsorge (Carnegie u. a.), das öffentliche Bibliothekwesen entwickelt, so daß es demjenigen der europäischen Kulturländer als Muster vorgehalten werden kann. Die bedeutendsten sind die Kongreßbibliothek (1,2 Mill. Bände und 100,000 Handschriften) und Smithsonian Library (250,000 Bände) zu Washington, die öffentlichen Bibliotheken in New York (1,2 Mill. Bände), Boston (850,000), Chicago (300,000), Philadelphia (240,000) und St. Louis (175,000 Bände), die Universitätsbibliotheken zu Cambridge (750,000 Bände), Newhaven (475,000), Chicago (450,000), New York (380,000), Ithaca (330,000), Philadelphia (245,000), Berkeley (216,000), Princeton (210,000 Bände). Die erste Zeitung soll 1690 in Boston erschienen sei u; 1740 gab es erst elf Zeitungen, 1906 aber 22,326, davon 2465 täglich, 55 dreimal, 588 zweimal, 16,782 einmal wöchentlich, 287 vierzehntägig, 2960 einmal monatlich etc. In nichtenglischen Sprachen erscheinen über 1000, darunter gegen 800 deutsche, ferner dänische, schwedische, spanische, französische, tschechische, polnische. holländische, italienische, hebräische, auch arabische, armenische, griechische, irische. Die meisten Colleges geben eigne Zeitungen heraus, für Temperenzler bestehen 170, für Sport 93, für Sonntagsschüler 60, für Kinder 53, für Taubstumme 29, für Erlangung des Frauenstimmrechts 10. Wissenschaftliche Zeitschriften erscheinen an vielen Universitäten. Der Wert des Ertrags in der Zeitungsindustrie betrug 1905: 309 Mill. Doll., die Zahl der dabei Beschäftigten über 100,000. Vgl. J. Thomas, History of printing in America (Albany 1874, 2 Bde.); F. Hudson, Journalism in the United States (New York 1873); »American Newspaper Directory« (das., jährlich); »American Newspaper Annual« (Philad., jährlich).
[Religionsbekenntnisse.] Eine Staatskirche gibt es nicht, eine jede der zahlreichen religiösen Denominationen (1900: 150) hat selbst für die Erbauung von Kirchen und Bethäusern sowie für die Besoldung ihrer Geistlichen und Beamten zu sorgen. Im ganzen zählte man 1906: 31,148,445 irgendwelcher Gemeinde angehörige Mitglieder. Die bei weitem größte Zahl der Einwohner bekennt sich zum protestantischen Glauben in der einen oder der andern Form. Gezählt werden nur die erwachsenen Mitglieder, Kommunikanten, Konfirmierten etc. Danach waren 1906: 6,429,815 Methodisten, 4.974,047 Baptisten, 1.723,871 Presbyterianer, 1,841,346 Lutheraner, 827,127 Episkopale (Anglikaner, unter 88 Bischöfen), 687,042 Kongregationalisten, 344,247 Mormonen, 143,000 Juden etc. Damit stehen die zahlreichen Sonntagsschulen in Verbindung, von denen es 1905: 140,519 gab mit 1,451,855 Lehrern und Lehrerinnen und 11,329.253 Schülern. Religiöse mit sozialen Zwecken vereinigen die 1868 Christlichen Vereinigungen junger Männer mit 405,789 Mitgliedern und die 552 Christlichen Vereinigungen junger Frauen mit 100,252 Mitgliedern, von denen die ersten 552 eigne, zum Teil sehr stattliche Gebäude, 555 Bibliotheken mit 580,774 Bänden etc. im Werte von 30,857,430 Doll. besitzen. Mit der religiösen Bewegung sind auch die Temperenzvereine verbunden. wie denn das kirchliche Leben sehr rührig ist. Das zeigt sich auch im Missionswesen, das in allen Teilen der Welt tätig ist (s. Mission). Die katholische Kirche zählte 1907: 13,089,353 Katholiken in 14 Kirchenprovinzen mit 76 Suffraganbistümern, 15,093 Priester, 12,148 Kirchen und Kapellen.
Erwerbszweige, Industrie, Handel
Das Wirtschaftsleben und der allgemeine Wohlstand hat sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. sehr glänzend entwickelt. Auf den Kopf der Bevölkerung betrug etwa diese Zunahme in den Neuenglandstaaten 28,30, in den Mittelstaaten 38,50, in den Südstaaten 14,50, in den Weststaaten 49,10 Doll. Im ganzen Lande hat er sich versechsfacht. Die Landwirtschaft bildet bei weitem den wichtigsten Erwerbszweig; 1900 waren 10,381,765 Menschen auf 5,739,372 Höfen mit 335,6 Mill. Hektar dabei beschäftigt, doch waren nur 166 Mill. Hektar Kulturfläche (improved). Das noch verfügbare Areal wird auf 3,5 Mill. qkm berechnet, worin aber die der Kultur völlig unzugänglichen Wüsteneien eingeschlossen sind. Der Boden in den östlichen Staaten ist teilweise erschöpft und bedarf der Verbesserung durch Zufuhr künstlicher Dungmittel, so daß der Schwerpunkt der Produktion sich immer mehr westwärts verlegt hat. Nach dem Heimstättegesetz (s. d.) hat jeder amerikanische Bürger Anspruch auf 65, bez. 321/2 Hektar Land, wenn er sich auf demselben niederläßt, es bebaut und 200 Doll. dafür zahlt. Großgrundbesitz ist wenig vertreten, vielmehr herrscht der mittlere Besitz vor. Ackerbau ist östlich vom 100.° westl. L. fast überall möglich, dagegen weiter westlich meist nur bei künstlicher Bewässerung aus Staubecken, Flüssen und artesischen Brunnen. Hauptprodukt des Ackerbaues ist der Mais, von dem 1906 auf etwa 40 Mill. Hektar mehr als 2927 Mill. Bushels geerntet wurden, die größtenteils im Lande selbst zum Verbrauch kommen. Hauptproduzenten sind Iowa, Illinois, Missouri, Kansas, Nebraska, Indiana und Texas. Weizen, vornehmlich in Minnesota, den beiden Dakotas, Kalifornien, Ohio, Kansas, Indiana, Washington und Pennsylvanien gebaut, beanspruchte 22 Mill. Hektar und ergab im besten Erntejahre (1901) 748,5 Mill. Bushels, Hafer (1902: 987 Mill. Bushels auf 12 Mill. Hektar) wird vornehmlich in Iowa, Minnesota, Illinois, Wisconsin und New York, Roggen (1902: 33,6 Mill. Bushels auf 800,000 Hektar) vornehmlich in New York, Pennsylvanien und Wisconsin, Gerste (1906: 179 Mill. Bushels auf 180,000 Hektar) besonders in Kalifornien, Minnesota, Iowa, Wisconsin, den beiden Dakotas und New York gebaut. Der Wert der Ausfuhr von Brotstoffen betrug 1906: 186,5 Mill. Doll. Der Baumwollenbau ergab 1905 auf etwas über 11 Mill. Hektar 13,6 Mill. Ballen, davon Texas 3,2, Georgia gegen 2, Mississippi 1,7, Alabama 1,5, Südcarolina 1,2, Louisiana 1,1 Mill. Die Ausfuhr schwankt zwischen 66 und 71 Proz. der Ernte und hatte 1906 einen Wert von 401 Mill. Doll. Hauptgebiet für Tabakbau (1906: 682 Mill. Pfund) ist Kentucky, dann folgen Virginia, Nordcarolina, Tennessee, Ohio, Pennsylvanien etc.; die Ausfuhr betrug 34,2 Mill. Doll. Zuckerrohr wird vornehmlich in Louisiana gebaut (1902: 310,000 Ton.), sonst noch in Texas und Florida, Sorghum in Kansas, Nebraska etc., Zuckerrüben (1905: 223,000 Ton. Zucker) in Colorado, Michigan und Kalifornien, Ahornzucker hauptsächlich in Vermont, dann in New York, Pennsylvanien, Ohio u. a. Reis wird in Louisiana, Südcarolina etc. gebaut (Produktion 1904: 900 Mill. Pfund). Für Wein ist Kalifornien das Hauptproduktionsland, dann folgen New York, Virginia, Ohio, Missouri u. a., die Gesamtproduktion betrug 1903: 34 Mill. Gallonen. Die Kartoffelernte ergab 1904: 332,8 Mill. Bushels, die von Hopfen in New York, Oregon, Washington etc., der auch ausgeführt wird, 1906: 385,000 Ballen. Der Obstbau ist in den meisten Gegenden, vor allem in Kalifornien, New York, Ohio, Maryland etc. hoch entwickelt, 1900 mit 201,8 Mill. Stück tragbaren Apfelbäumen, 99,9 Mill. Pfirsichbäumen, 30,8 Mill. Pflaumenbäumen, 17,7 Mill. Birnbäumen, 11,9 Mill. Kirschbäumen und 5 Mill. Aprikosenbäumen. Orangen gedeihen besonders gut in Florida und Kalifornien, in Kalifornien dazu auch Oliven, Mandeln etc. Von Tomaten wurden 1900: 40,1 Mill. Pfund, von eingemachtem Mais, vornehmlich im Staate New York, 2,6 Mill. Pfund verpackt.
Der Viehstand betrug 1906: 18,7 Mill. Pferde, 3,4 Mill. Maulesel, 66,9 Mill. Rinder, 50,6 Mill. Schafe und 52,1 Mill. Schweine, und der Gesamtwert der Farmtiere wurde für dieses Jahr auf 3675 Mill. Doll. veranschlagt. Durch den immer weiter sich ausbreitenden Ackerbau verliert die Viehzucht mehr und mehr ihren frühern durchaus extensiven Charakter und zieht sich immer mehr nach dem Westen. Rinder sind am zahlreichsten in Texas, New Mexico und im Indianergebiet, Schafe in Texas, Montana, Ohio, Kalifornien, Oregon, New Mexico, Utah, Michigan, Wyoming, Colorado und Idaho, Pferde im östlichen Oregon und in Idaho. Die Ausfuhr von Produkten der Viehzucht bewertete sich 1906 auf 211 Mill. Doll. Von Schweinen wurden geschlachtet und verpackt 30,977,639 (davon in Chicago 6,138,063, in Kansas City 3,108,172, in Omaha 2,197,295), Rinder 7,147,835, Schafe 10,875,339, Kälber 1,568,130. Die Wollproduktion der besonders in den Felsengebirgsstaaten verbreiteten Schafzucht (Montana mit 62, Wyoming mit 5,1, New Mexico mit 4,9 Mill. Stück) ist sehr bedeutend, doch wird zu der einheimischen Wolle (1905: 299 Mill. Pfund) noch viel fremde Wolle (1906 für 39,1 Mill. Doll.) eingeführt. Die Erzeugung von Butter und Käse ist sehr bedeutend (1900: 1492, 7, bez. 299 Mill. Pfund), ebenso die Ausfuhr davon sowie von lebenden Tieren. Auch die Geflügelzucht und der Eierhandel ist sehr umfangreich (Eierproduktion 1900: 144,3 Mill. Doll.). Vgl. Sewell und Pell, Bericht über den Agrikulturzustand der Vereinigten Staaten (deutsch, Berl. 1881); Sering, Die landwirtschaftliche Konkurrenz Nordamerik. is (Leipz. 1887); Oetken, Die Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten (Berl. 1893); Wohltmann, Landwirtschaftliche Reisestudien über Chicago und die Vereinigten Staaten (Bresl. 1894); von Halle, Baumwollenproduktion und Pflanzungswirtschaft in den nordamerikanischen Südstaaten (in Schmollers »Staats- und sozialwissenschaftlichen Forschungen«, 1. u. 2. Teil, Leipz. 1897 bis 1906); »United States Census 1900«; »Cyclopedia of American agriculture« (hrsg. von Bailey, New York 1907 ff.).
Die Fischerei ist namentlich in Massachusetts. Maryland, New York, New Jersey, Virginia. Kalifornien, Oregon, Alaska und Maine von hoher Bedeutung (Gesamtertrag 1900: 49,4 Mill. Doll.). Die Austernfischerei ist besonders in der Chempeakebai und am Long Island-Sund sehr umfangreich, der Stockfisch-, Herings- und Makrelenfang auf den Bänken bei Maine und Neufundland. Wal-, Seehunds- und Otternfang wird bei Kalifornien, Alaska und Washington, Schwammfischerei bei Florida betrieben. Von der Fischerei auf den Großen Seen (2,5 Mill. Doll.) entfällt der Hauptanteil (1 Mill.) auf Michigan.
Der Waldbestand der Union ist noch bedeutend, derselbe wird (ohne Alaska) auf 196 Mill. Hektar geschätzt. Da es aber kein gesetzlich geregeltes Forstwesen gibt, die Waldungen meist Privateigentum sind und der Raubbau gewaltig ist, so ist das gänzliche Verschwinden der wertvollsten Holzarten (Weißkiefer des Nordwestens und Neuenglands, Long Leaf Pine des Südens, Esche, Walnuß- und Tulpenbaum) zu befürchten. Allerdings hat sich der Bund in neuester Zeit ausgedehnte Walddistrikte als Forstreservationen uno Nationalparke (1904 insgesamt 39 Mill. Hektar) vorbehalten, so den Yellowstone National Park (s. d.), das Yosemitetal (s. d.), den Sequoia National Park (45,000 Hektar) und andre Distrikte in Colorado, New Mexico, Kalifornien, Arizona, Wyoming, Oregon, Washington u. a. Der Verbrauch an Holz im Lande selbst (für Eisenbahnen, Holzkohle, Bergwerke u. a.) wird auf 25,000 Mill. Kubikfuß, der Wert der Sägemühlenproduktion (1900) auf 566,8 Mill. Doll. geschätzt (in Wisconsin 57,2, in Michigan 54,3, in Minnesota 43,6 Mill.), während der durch Waldbrände verursachte Schade allein für Minnesota und Wisconsin jährlich auf 12 Mill. Doll. veranschlagt wird. Vgl. H. Mayr, Die Waldungen von Nordamerika (Münch. 1890); Bruncken, North American forests and forestry (New York 1900).
Die gesamte Bergbauförderung bewertete sich 1905 auf 1651, 5 Mill. Doll. und ist namentlich hinsichtlich der Kohlen (352,7 Mill. metr. Ton. oder 532,7 Mill. Doll.) und des Eisenerzes (29,5 Mill. T. oder 51,6 Mill. Doll.) viel bedeutender als in irgend einem Lande der Erde, ebenso in bezug auf Kupfer (1905: 901,9 Mill. Pfd. Feinkupfer), Blei (290,000 metr. T.), Petroleum (176 Mill. hl) und Naturgas (256,645 Mill. Kubikfuß), während die Förderung von Gold (87,9 Mill. Doll.), Silber (35,9 Mill. Doll.), Quecksilber (1,2 Mill. Doll.) und Zink (180,000 T.) von derjenigen andrer Länder ebenfalls mir unwesentlich übertroffen wird. Über die Gewinnung nutzbarer Mineralien vgl. die Textbeilage zur beifolgenden geologischen Karte; ferner außer den jährlichen amtlichen Berichten »Mineral resources of the United States« (seit 1894 in dem »Annual report of the United States Geological Survey«): Day, Mineral resources of the United States (Washingt. 1893–1894); Kemp, The ore deposits of the United States (New York 1893); Rothwell, The mineral industrie in the United States (das. 1895–1907, 15 Bde.); »Special Census Reports« (Washingt. 1902); Ries, Economic geology of the United States (Lond. 1906).
Die Industrie, noch um die Mitte des 19. Jahrh. von der europäischen sehr abhängig, hat seitdem, besonders infolge des zur Herrschaft gekommenen Schutzzollsystems, gewaltige Fortschritte gemacht, so daß viele Erzeugnisse die gleichartigen Europas bereits übertreffen. Ein Vergleich zwischen den letzten Zensusaufnahmen ergibt:
Doch erstrecken sich diese Zahlen nicht nur mit auf den Bau von Häusern und Eisenbahnen, sondern auch auf sämtliche kleinere Gewerbe. Die industriereichsten Staaten sind New York und Pennsylvanien, deren Erzeugnisse 2488, 3, bez. 1955, 6 Mill. Doll. betrugen, dann Illinois, Massachusetts und Ohio (1410, 3, 1124, 1 und 960,8 Mill.), New Jersey, Missouri, Michigan, Wisconsin, Connecticut, Indiana, Kalifornien. Unter den zahlreichen Industriezweigen sind die bedeutendsten nach dem Werte der Fabrikate 1906 die folgenden:
Für Sägemühlen sind am wichtigsten Wisconsin, Michigan und Washington, für Kornmühlenbetrieb Minneapolis, für Großschlächterei und Fleischverpackung Chicago und Kansas City, für die Eisen- und Stahlindustrie Pittsburg, Chicago und Birmingham in Alabama, für Baumwoll-, Woll- und andre Webwaren Massachusetts und Pennsylvanien: 1905 zählte man in der Baumwollindustrie 23,7 Mill. Spindeln und 560,000 Webstühle, in der Wollindustrie 3,747,934 Spindeln, 63,867 Webstühle und 36,924 Strickmaschinen, in der Seidenindustrie 2,453,588 Spindeln und 60,058 Webstühle. Kleider werden besonders in New York und Philadelphia angefertigt, Schuhe, Stiefel und Leder in Massachusetts (Lynn) und Newark, Tabak in Kentucky, Nordcarolina u. Virginia, Zigarren in New York und Key West, Bier in New York, Milwaukee, St. Louis, Zucker in der Umgebung von New York, Philadelphia, Boston, Branntwein (Whisky) in Kentucky, Illinois, Peoria, Chemikalien namentlich in New York. Neuerdings sind die einzelnen Zweige der Industrie mehr und mehr zu großen Vereinigungen zusammengetreten, die für gewisse Produkte für sich Monopole geschaffen haben, wie dies die American Tobacco Company für Zigaretten, die Standard Oil Company für Petroleum, die American Sugar Refining Company für Zucker, die United States Steel Corporation (mit 197,000 Arbeitern) für Stahl- und Eisenverarbeitung (vgl. Levy, Die Stahlindustrie der Vereinigten Staaten, Berl. 1905) getan. Früher war die Industrie fast ganz auf die östlichen Nordstaaten beschränkt, namentlich der Süden lieferte nur Rohprodukte, in den letzten Jahren ist derselbe jedoch mit den Erzeugnissen seiner Hochöfen, Gießereien und Baumwollspinnereien in erfolgreiche Konkurrenz mit dem Norden getreten.
Der Handel, namentlich der Binnenhandel, wird gefördert durch eine Anzahl bedeutender schiffbarer Flüsse und Kanäle sowie durch ein großartig entwickeltes Netz von Eisenbahnen, die Einfuhr ist aber seit 1861, noch mehr in jüngster Zeit, durch die Mac Kinley- und die Dingley-Bill, durch gewaltige Erhöhung der Einfuhrzölle schwer beeinträchtigt worden. In den letzten Jahren gestaltete sich der Handel (ohne Edelmetalle) wie folgt (in Dollar):
Dazu kommen noch 1906 von Edelmetallen bei der Einfuhr 140,7, bei der Ausfuhr 104,4 Mill. Doll. Als wichtigste Ein- und Ausfuhrwaren sind für das Fiskaljahr 1905/06 zu nennen (in Millionen Dollar):
Außerdem sind noch wichtig bei der Einfuhr: Ton- und Porzellanwaren, Fische, Glas und Glaswaren, Edelsteine, Zinn, Wein, Pelzwerk, Kunstgegenstände, Spirituosen, Papier- und Papierwaren, Bücher; bei der Ausfuhr: Fische, Früchte, vegetabilisches Öl, Butter und Käse, Pelze und Pelzwerk. Nach den Hauptländern verteilen sich Ein- und Ausfuhr (nur die einheimische) 1905/06 wie folgt (in Millionen Dollar):
Verkehrswesen.
Die Handelsflotte hatte ihre glänzendste Zeit 1861, als ihr Tonnengehalt 5,539,813 betrug, wovon 2,642,628 T. auf die Schiffahrt mit dem Auslande kamen. Damals vermittelte dieselbe 75 Proz. des Außenhandels, jetzt nur 11,4 Proz. Der Bürgerkrieg vernichtete einen großen Teil dieser Flotte, die sich unter der Herrschaft der Schutzzölle nicht wieder erholen konnte. Auch die seit 1891 bewilligten hohen Vergütungen für Beförderung der überseeischen Post (vier Linien von New York nach La Guayra, Tuxpan, Havana, Southampton) haben geringen Erfolg gehabt. Die gesamte Handelsflotte zählte 30. Juni 1905: 9488 Dampfer von 3,970,751 Ton. und 13,958 Segelschiffe sowie Kanalboote von 2,631,759 T., davon waren im auswärtigen Handel beschäftigt: 394 Dampfer von 586,749 T. und 1007 Segler von 341,717 T., in der Küsten- und Binnenschiffahrt 9094 Dampfer, 12,951 Segelschiffe und Kanalboote. Der gesamte Schiffsverkehr in Häfen der Union betrug 1903: 24,697,692 T. im Eingange, wovon 20,816,656 T. unter fremder und nur 3,881,036 T. unter vereinsstaatlicher Flagge, und 24,823,164 T. im Ausgange, wovon 20,892,226 T. unter fremder und 3,930,938 T. unter vereinsstaatlicher Flagge. Nach der Tonnenzahl waren am Schiffsverkehr beteiligt: England mit 30, Deutschland mit 9,6, Belgien und Niederlande mit je 4, Frankreich mit 3,8, Italien mit 3,4, Spanien mit 1,4 Proz. Amerikanische Schiffe waren an der Einfuhr aus Europa mit 3,95, an der Ausfuhr dahin mit 1,89 Proz. beteiligt. Der Küstenhandel ist aber fast ganz in amerikanischen Händen. Die Eisenbahnen (die erste wurde 1827 in Massachusetts gebaut) sind sämtlich Privatbahnen und hatten 1906 eine Länge von -349,750 km. Unter ihnen sind die bedeutendsten die Pacificbahnen (s. d.), die Trunk-Eisenbahnen (s. d.) zwischen dem Atlantischen Ozean und den Großen Seen, die Boston- und Maine-Eisenbahn (2288 engl. Meilen), Maine-Central- (824 engl. Meilen), Baltimore und Ohio- (4486 engl. Meilen), die New York-Central- und Hudson River- (3374 engl. Meilen), die Eriebahn (2161 engl. Meilen), Cleveland-Columbus-Cincinnati-St. Louis- (2330 engl. Meilen), Chicago-Burlingtonbahn (8824 engl. Meiten), Chicago-Northwestern- (1698 engl. Meilen), Chicago-Milwaukee-St. Paul- (7056 engl. Meilen), Chicago-Rock Island-Pacific- (7728 engl. Meilen), Louisville-Nashvillebahn (4279 engl. Meilen), Missouri-Kansas- und Texas- (3072 km), Denver-Rio Grandebahn (1820 km). Mehrere Eisenbahngesellschaften haben von der Regierung bedeutende Landschenkungen erhalten, dennoch ist der finanzielle Stand vieler Bahnen kein günstiger, und der Übergang der Verwaltung an Massenverwalter hat bei den einen stattgefunden, während andre zwangsweise zum Verkauf gekommen sind. Ende 1875 befanden sich Eisenbahnen in Länge von 63,381 km wegen Zahlungsunfähigkeit in den Händen gerichtlich bestellter Verwalter. Die neueste Zeit hat auch im amerikanischen Eisenbahnwesen eine ausgesprochene Neigung zur Vereinheitlichung in den Händen weniger großer Kapitalisten gebracht, und 1906 beherrschte das System der Familie Vanderbilt nicht weniger als 21,353 engl. Meilen (in New York, Michigan), das des Eisenbahnmagnaten Hill 20,246 engl. Meilen (im Nordwesten), das Pennsylvaniabahnsystem 16,836, das Gouldsystem 16,520 (in Colorado, Texas, Utah etc.), das Harrimansystem 14,725 engl. Meilen (in Kalifornien, Oregon, Arizona etc.). Der vom Zensusbureau der Vereinigten Staaten ermittelte, aber zum Teil infolge der großen Schwierigkeit der Bereitung einer Schätzung gleichkommende Kapitalwert des zum Betrieb benutzten Eisenbahneigentums, das einen wichtigen Teil des Volksvermögens darstellt, beträgt 30. Juni 1904 11,244,9 Mill. Doll. Unter den einzelnen Staaten steht obenan Pennsylvanien mit 1420 Mill. Doll., den geringsten Betrag weist auf Alaska mit 100,000 Doll. Hinsichtlich der Länge der Gleise übertrifft alle Texas mit 11,848 Meilen. Die Länge der elektrischen Straßenbahnen betrug 1904: 38.430 km, die der Pferdebahnen 452 km. Vgl. Poor, Manual of the railroads of the United States (New York, jährlich), und Literatur bei Artikel »Eisenbahn« (S. 505).
Die Kanäle haben eine Länge von 4048 km, darunter als die namhaftesten der Eriekanal (s. d.), der Chesapeake- und Ohiokanal (294 km), der Miami- und Eriekanal (400 km), der Ohiokanal (494 km) und der Pennsylvaniakanal (398 km); der letzte liegt jedoch, wie viele andre vor ihm, als wenig brauchbar so gut wie unbenutzt. Dagegen wurde 1895 ein Kanal vom Hudson durch den Spuyten Devil Creek und den Haarlem River zum Long Island-Sund für Seeschiffe eröffnet. Von höchster Bedeutung ist der kurze Saint Mary's Falls. – Kanal (2 km lang und 6,3 m tief), durch den sich 1905: 36,617,699 Reg. – Ton. bewegten, in gewissem Umfang auch der Ohioschnellenkanal bei Louisville und der Portage-Lake-Kanal (auf der Keweenawhalbinsel des Obern Sees). Vgl. Hulbert, The great American canals (Cleveland, O., 1904, 2 Bde.).
Die Telegraphen sind, wie die Eisenbahnen, meist Privatunternehmungen, und zwar zum großen Teil Eigentum der Western Union Telegraph Company. Dieselbe beförderte 1906 durch 24,323 Ämter und 202,000 km Drähte 71,5 Mill. Telegramme. Die Einnahmen betrugen 30.6 Mill., die Ausgaben 23,6 Mill. Doll. Die Telephonanlagen hatten 1906 4,778,282 km Draht und 5,698,258 Apparate. Auch das Telephonwesen ist durch Gesellschaften gegründet worden; insbes. durch die American Bell Telephon Company zu Boston, der die meisten Telephonanlagen gehören. Die Post (s. unten, Verwaltung) beförderte 1906 durch 65724 Ämter 11,361,090,610 Sendungen. Die Einnahmen betrugen 167,932,782, die Ausgaben 178,449,778 Doll.
Kreditwesen. Eine Staatsbank besteht nicht, dagegen 6137 Nationalbanken, die ein Kapital von 839,934,775 Doll. im Umlauf hatten. Zu gleicher Zeit befanden sich im Umlauf 684,268,074 Doll. in Goldmünzen, 81,662,707 Silberdollars, 116,001,510 andre Silbermünzen, 541,857,929 Doll. Goldzertifikate, 474,338,310 Doll. Silberzertifikate, 342,858,538 Doll. Bundesstaatsnoten und 564,148,004 Doll. Nationalbanknoten. Gleichzeitig lagerten im Schatzamt 273,831,835 Doll. in Gold und 5,060,433 Doll. in Silber. In 1319 Sparbanken waren 1906 durch 8,027,192 Personen eingezahlt 3,482,137,198 Doll. Infolge der ungünstigen wirtschaftlichen Lage haben besonders 1902–05 viele Zahlungseinstellungen stattgefunden, 1903: 12,069,1904: 12,199,1905: 11,520. Der Umsatz der Clearinghäuser betrug 1903: 114,068,837,569, 1901: 102,150,313,982, 1905: 140,501,841,957, 1906: 157,749,328,913 Doll.
Maße und Gewichte sind von England überkommen, weichen aber von den britischen teilweise ab, wie man sich denn auch seit 1866 der metrischen bedienen darf. Für das duodezimal eingeteilte American Foot nimmt man 30,48006 cm an; das Rod zu 51/2 Yards von 3 Feet = 502,921 cm, das Furlong = 220 Yards, das American Mile zu 8 Furlongs = 1609,347 m. Flächenmaße: das Acre of land = 40,47179 Ar, das Township von 36 Sections oder Miles of land zu 640 Acres = 93,247 qkm; für Bretter gilt der Quadratfuß von 1 Zoll Dicke; cm Cord Holz = 128, ein Ton of shipping meistens = 40 Kubikfuß. Normales Hohlmaß ist das Gallon, das im Spiegel des Meeres bei mittlerm Luftdrucke 10 Pfund Wasser größter Dichtigkeit enthält, = 3,7854 Lit.; 1 solches (Wein) Gallon hat 4 Quarts zu 2 Pints von 4 Gills; 1 Ale Gallon = 4,621 L., 8 im Firkin Ale und 9 im Firkin Porter. Trockene Substanzen werden so gehäuft gemessen, wie sie es zulassen, das (Winchester) Bushel von 2150,42 Cubic Inches oder 35,237 L. = 4 Pecks zu 2 andern Gallons; 1 Ton = 10 Quarters zu 8 Bushels. Gewichtseinheit ist das engl. Handelspfund = 453,593 g, von dem 621/8 in Messinggewichten einem Kubikfuß Wasser größter Dichtigkeit im luftleeren Raum entsprechen; 1 Pound hat 16 Ounces zu 16 Drams; 1 (short) Ton = 20 Centals von 100 Pounds neben dem »long Ton« von 2240 Pfund. Münzgewicht ist das Pound Troy von 240 Pennyweights zu 23 Grains = 373,24195 g, für Silberscheidemünzen jedoch das Gramm. Rechnungs und Landesmünze ist der Dollar von 100 Cents. In Gold gibt es Stücke zu 20 Dollar, 10 (Eagle, s. Tafel »Münzen V«, Fig. 17) = 41,979 Mark, 5, 3, 21/2 und 1 Dollar; Abweichungen sind gestattet beim Feingehalte bis 1, beim Gewichte des ganzen und halben Eagle bis 1,938 Tausendstel, des doppelten halb, des 3-Dollarstücks 12/3mal, des viertel Eagle doppelt und des Dollarstücks 5mal soviel; 43 Unzen Barrengold von 9/10 Feinheit berechnen sich auf 800 Dollar, und nach dem Gesetz vom 14. Jan. 1875 zahlt die Münze für die Unze solcher Legierung 18,6, für das Kilogramm also 664,55 Doll.; eine Abnutzungsgrenze ist nicht vorgeschrieben. Der Silberdollar = 4,83 Mk. der deutschen Talerwährung darf in Feinheit um 3 und im Gewicht um 31/2 Tausendstel abweichen; Scheidemünzen von 9/10 Feinheit gibt es zu 1/2, 1/4, 1/5 Doll. und 10 Cents (Dime; s. Tafel »Münzen VI«, Fig. 9 u. 10). Münzen zu 5 und 3 Cents aus 3/4 Kupfer und 1/4 Nickel, sowie zu 1 Cent aus 95 Teilen Kupfer, 4 Zinn und 1 Zink brauchen nur bei Zahlungen bis 25 Cents angenommen zu werden. Bedürfnisse des Umlaufs zwangen das Schatzamt, im August 1906 den seit 1893 unterlassenen Kauf von Silberbarren mit monatlich 100,000 Unzen behufs Prägung von Scheidemünzen wieder aufzunehmen. Zur Landeswährung gehören noch Bundespapiergeld (s. Greenbacks), Zertifikate für hinterlegtes Edelmetall, Schatzanweisungen und Noten der Nationalbanken. In Gold brauchen gesetzlich nur die Zinsen der Nationalschuld und die Einfuhrzölle entrichtet zu werden; jedoch gilt Gold als wahre Unterlage der Währung. Vgl. Del Mar, History of money in America (New York 1900); Hepburn, History of coinage and currency in the United States (das. 1903); Hasenkamp, Die Geldverfassung und das Notenbankwesen der Vereinigten Staaten (Jena 1907).
Staatsverfassung und Verwaltung
Was die Grundlage der Verfassung anlangt, so kennt die Union als Land der freien Menschenrechte keine Geburtsstände, keinen Adel, keinen Bürger- und Bauernstand. Die politische Gleichberechtigung ohne Unterschied von Rasse und Bildungsgrad besteht aber erst (zum Teil nur nominell) seit Aufhebung der Sklaverei 1865 und seit Verleihung der Bürgerrechte an die Neger 1870. Vom Ausland Eingewanderte erhalten das Bürgerrecht auf ihr Ansuchen nach fünfjährigem Aufenthalt im Lande. Das Stimmrecht ist durch die einzelnen Staaten verschieden geregelt, in den meisten erfolgt es erst nach Erlangung des Bürgerrechts, in manchen sind Eingewanderte nach ihrer Erklärung, daß sie Bürger werden wollen, schon nach drei Monaten bei allen Wahlen stimmberechtigt. Vgl. Howard, Das amerikanische Bürgerrecht (Leipz. 1904).
Die Konstitution der Vereinigten Staaten datiert vom 17. Sept. 1787, wurde aber fünfmal umgestaltet durch 15 Abänderungen (amendments), zuletzt 30. März 1870, als man den ehemaligen Sklaven das Stimmrecht verlieh. Nach derselben bilden die Vereinigten Staaten von Nordamerika einen Bund (Union) von jetzt 46 Staaten (Republiken), 3 Territorien (Arizona, New Mexico und Hawaï) und 2 Distrikte (Bundesdistrikt Columbia und Alaska). Diese Staaten sind, bis auf bestimmte an die Bundesregierung abgetretene Rechte, souverän. Die Konstitution ordnet eine gesetzgebende, eine richterliche und eine exekutive Gewalt an. Die gesetzgebende Gewalt ist dem Kongreß der Vereinigten Staaten übertragen, der aus einem Senat und einem Hause der Repräsentanten besteht und sich wenigstens einmal im Jahr in Washington versammeln muß. Der Senat besteht aus 92 (je zwei von den besondern gesetzgebenden Versammlungen der einzelnen Staaten) auf sechs Jahre gewählten und alle zwei Jahre zu einem Drittel neu ergänzten Vertretern der Staaten, die 30 Jahre alt und seit 9 Jahren Bürger der Vereinigten Staaten sein müssen. Präsident des Senats ist der Vizepräsident der Union, der aber nur, wenn die Stimmen gleich geteilt sind, eine Stimme hat. Die vom Präsidenten (s. unten) ernannten Staatsbeamten und die von ihm abgeschlossenen Verträge bedürfen der Bestätigung von seiten des Senats, der auch ausschließlich befugt ist, bei Klagen über Staatsbeamte (impeachment) zu entscheiden. Wird Anklage gegen den Präsidenten der Union erhoben, so nimmt der Präsident des obersten Bundesgerichts den Vorsitz ein. Ein Angeklagter wird vor diesem Gericht nur für überführt erachtet, wenn er durch Übereinstimmung von zwei Dritteln der Mitglieder desselben verurteilt worden ist. Der Senat darf zwar nur auf Entfernung vom Amte und auf Unfähigkeit, ein solches fortan wieder zu bekleiden, erkennen, doch kann der Überführte zur weitern Prozedur und Bestrafung den gewöhnlichen Gerichten übergeben werden. Das Repräsentantenhaus besteht aus 386 allgemein und direkt in jedem Staat auf zwei Jahre gewählten Vertretern des Volkes, die 25 Juhre alt und seit sieben Jahren Bürger der Vereinigten Staaten sein und in dem Staate wohnen müssen, in dem man sie wählt, die Territorien werden im Repräsentantenhaus nur durch nicht stimmberechtigte Delegierte vertreten. Das aktive Wahlrecht ist in den einzelnen Staaten verschieden geregelt. In Wyoming, Colorado und Utah haben Frauen Stimmrecht bei allen Wahlen, in vielen Staaten bei einigen, namentlich bei den Schulwahlen. Senatoren und Repräsentanten erhalten seit 18745000 Doll. jährlich, 20 Cents für 1 engl. Meile Reisegelder und 125 Doll. für Schreibmaterialien und Zeitungen. Keiner von ihnen darf während seiner Wahlperiode von der Unionsregierung zu einem Staatsamt berufen werden, das in dieser Zeit neu errichtet und höher dotiert worden ist. Auch kann kein Beamter der Unionsregierung zugleich Senator und Repräsentant sein. Alle Gesetzentwürfe (bills) zur Erhebung von Staatseinkünften müssen von dem Hause der Repräsentanten ausgehen; doch kann der Senat, wie bei andern Gesetzentwürfen, Amendements dazu machen. Ein von beiden Häusern genehmigter Gesetzentwurf kann vom Präsidenten genehmigt oder mit einem Veto (s. d.) zurückgesandt werden; stimmen dann in beiden Häusern je zwei Drittel für den Entwurf, so erhält er ohne weiteres Gesetzeskraft. Dasselbe gilt von Anträgen, gegen die der Präsident nicht binnen zehn Tagen seine Einwendungen dem Hause übermacht. Der Kongreß legt Abgaben, Gefälle, Steuern und Zölle auf, bezahlt Schulden und sorgt für die Landesverteidigung, macht Anleihen, regelt den Handel, gibt Gesetze über Naturalisation und Bankrott, prägt Geld, bestimmt Maß und Gewicht, errichtet Postämter, legt Poststraßen an, sichert Patente auf Erfindungen, setzt Gerichte ein zur Bestrafung von Seeraub und Verletzungen des Völkerrechts, erklärt Krieg, stellt Briefe für Kaper, über Repressalien und Prisen aus, errichtet und unterhält die Land- und Seemacht, fordert die Miliz ein zur Aufrechthaltung der Gesetze der Union, zur Unterdrückung von Aufständen und Abwehr feindlicher Einfälle, hat die ausschließliche Gerichtsbarkeit über den Bundesbezirk und erläßt Gesetze, die nötig sind, um alle diese Befugnisse zu handhaben. Der Präsident und Vizepräsident werden durch so viele direkte Wahlmänner, als jeder Staat Mitglieder zum Senat und zum Repräsentantenhause stellt, auf vier Jahre gewählt. Diese Wahlmänner, die überall von sämtlichen stimmfähigen Bürgern ernannt werden, stimmen durch Wahlzettel (ballots) ab. Das Resultat der Wahl wird von den Einzelstaaten dem Präsidenten des Senats nach Washington gesandt, der in öffentlicher Sitzung beider Häuser die Wahlurkunden entsiegelt und die Stimmen zählt. Hat keiner unter den Kandidaten die erforderliche Mehrheit, so wählt das Repräsentantenhaus durch Stimmzettel den Präsidenten aus den drei Kandidaten, welche die höchste Stimmenzahl haben. Bei dieser Wahl hat die Repräsentation jedes Staates nur eine Stimme. Ergibt sich bei der Wahl des Vizepräsidenten keine Mehrheit, so wählt der Senat ihn unter den beiden Kandidaten, welche die meisten Stimmen erhielten. Um zum Präsidenten oder Vizepräsidenten gewählt werden zu können, muß man 35 Jahre alt und geborner Bürger der Vereinigten Staaten sein. Der Präsident hat als Amtswohnung das »weiße Haus« zu Washington und bezieht 50,000 Doll., der Vizepräsident 8000 Doll. Gehalt. Der Präsident hat die vollziehende Gewalt; Verträge mit andern Staaten darf er nur dann genehmigen, wenn zwei Drittel des Senats ihre Zustimmung geben; auch hat der Senat die von ihm ernannten höhern Beamten zu bestätigen und kann Ernennungen verwerfen. Der Präsident ist höchster Befehlshaber der Land- und Seemacht und vertritt den Bundesstaat nach außen hin. Er kann wieder gewählt werden, doch ist es von jeher Gebrauch, daß eine Wiederwahl nur einmal stattfindet. Stirbt der Präsident, so folgt ihm bis zur nächsten Wahl der Vizepräsident. Vgl. Schlief, Die Verfassung der nordamerikanischen Union (Leipz. 1880); v. Holst, Staatsrecht der Vereinigten Staaten (Freiburg 1885); Hare, American constitutional law (Boston 1889, 2 Bde.); Rentner, Die Verfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika, erläutert (Tübing. 1901).
Was die Staatsverwaltung betrifft, so stehen dem Präsidenten acht von ihm ernannte Staatsbeamte zur Seite, ein Staatssekretär (Minister des Auswärtigen), Sekretäre für Finanzen, Armee, Flotte, Inneres, Ackerbau, ein Generalpostmeister und ein Generalstaatsanwalt (Justizminister). Jeder dieser Minister bezieht einen Gehalt von 8000 Doll.
[Rechtspflege.] Die Gerichtsverfassung zerfällt in diejenige für die ganze Union und die der einzelnen Staaten. Für die Gerichtsverfassung der Union ist der leitende Chef der Generalstaatsanwalt, der zugleich als rechtskundiger Beistand des Präsidenten und der Departementschefs Rechtsausbrüche etc. prüft und die Rechtsstreitigkeiten führt, bei denen die Regierung beteiligt ist. Ihm stehen 3 Assistentstaatsanwälte zur Seite. Das Gericht zur Aburteilung über Staatsverbrechen von Unionsbeamten ist der Senat (s. oben). Das oberste Bundesgericht (Supreme Court of the United States) besteht aus einem Oberrichter (chief justice) mit 13,000 Doll. Gehalt und 8 beigeordneten Richtern (associate justices) mit 12.500 Doll. Gehalt und hält jährlich eine Sitzung in Washington, gleichzeitig mit der regelmäßigen Session des Kongresses (vgl. Carson, The history of the Supreme Court of the U. S., Philad. 1904, 2 Bde.). Die Richter werden vom Präsidenten und Senat auf Lebenszeit ernannt und können nur vom Kongreß angeklagt und ihrer Stellen entsetzt werden. Dies gilt auch für alle Richter der Unionsgerichte. Als Gerichte mittlerer Instanz gelten die Kreisgerichte (circuit courts) für 9 Gerichtskreise, in die sich jährlich zweimal ein Richter des obersten Gerichtshofs begibt, um mit dem stets im Kreise wohnenden Kreisrichter Gericht zu halten. An Bezirksgerichten (district courts), bestehend aus einem Einzelrichter, dem ein Staatsanwalt und ein Vereinigte Staaten-Marschall zur Seite stehen, gibt es in jedem Staat eins, in den größern Staaten aber zwei oder drei. Jedes Territorium hat eine eigne Unionsgerichtsbehörde (einen Oberrichter, 2 associate justices, einen Staatsanwalt, einen Vereinigte Staaten-Marschall). Endlich besteht noch ein Beschwerdenhof (court of claims), der über Ansprüche und Beschwerden gegen die Regierung entscheidet und aus 5 Richtern, sämtlich in Washington, gebildet ist. Die Gerichtsverfassung der Staaten unterscheidet sich von der Union namentlich dadurch, daß die Richter nicht von der Regierung auf Lebenszeit und pflichtmäßiges Verhalten hin angestellt, sondern von den vom Volk erwählten Gouverneuren oder vom Volke direkt auf 4–12 Jahre ernannt oder gewählt werden. Die Beamtung als Richter wird dadurch zur politischen Parteifrage. Wenn eine andre Partei aus Ruder kommt, werden die Beamten entlassen, die nicht den Regeln der Zivildienstkommissionen unterworfen sind und kein Examen bestanden haben. Daher stehen weder jene noch die Volksvertretung im Kongreß im Rufe der Ehrenhaftigkeit. Korruption herrscht bis in die höchsten Regierungskreise. Vgl. Andrews, American law (Chicago 1900); Schnitzler, Wegweiser für den Rechtsverkehr zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten (2. Aufl., Berl. 1903).
[Finanzen.] Bis zum Bürgerkriege gab es keine direkten Steuern, die Einnahmen flossen aus Zöllen und den Landverkäufen, dann aber machte sich nicht nur die Einführung von Zöllen, die in den letzten Jahren gewaltig gestiegen sind, sondern auch die von innern Steuern auf Spirituosen, Tabak, Bier u. a. notwendig. Nach der Abrechnung für das am 30. Juni 1906 schließende Finanzjahr betrugen in Millionen Dollar:
Das Finanzjahr 1906 schließt mit einem Überschuß von 25,669,323 Doll.
Die Staatsschuld betrug bei Beginn des Bürgerkrieges nur 80 Mill. Doll., 1866 aber 2773 Mill. Doll., 1907: 2,467,869,991 Doll., davon 858,685,510 verzinslich und 1,600,911,936 unverzinslich. Dem steht jedoch ein Kassenbestand von 1,709,871,167 gegenüber, so daß die wirkliche Schuld sich auf 757,998,624 Doll. beziffert. Die Gesamtschuld der Einzelstaaten belief sich 1902 auf 234,908,873, die der Grafschaften auf 196,564,619, die der Gemeinden auf 1,387,316,976 Doll. Durch gewissenlose Verwaltung sind nach Beendigung des Bürgerkrieges den unterlegenen Südstaaten Alabama, Arkansas, Florida, Georgia, Louisiana, Nord- und Südcarolina, Texas und Virginia gewaltige Schuldbeträge (Carpetbag-Schulden, vgl. Carpet-bagger) aufgebürdet worden, die sich 1871 auf 291,626,015 Doll. beliefen. Vgl. Bolles, Financial history of the United States (New York 1883–86, 3 Bde.); Bogart, Die Finanzverhältnisse der Einzelstaaten der nordamerikanischen Union (Jena 1897); Dewey, Financial history of the United States (Lond. 1903); »Special Reports of the Census Office« (Washingt. 1907).
Heerwesen, Kriegsflotte, Wappen und Flagge
Heerwesen: Das der Bundesregierung unterstellte stehende Heer, dessen Stärke nach Gesetz vom 2. Febr. 1901 vom Präsidenten zwischen 58,924 und 96,766 Mann (ohne Offiziere) bestimmt wird, im Herbst 1906 aber nur 54,659 zählte, ergänzt sich durch Werbung. Friedensgliederung: 30 Infanterieregimenter zu 3 Bataillonen zu 4 Kompanien, 15 Kavallerieregimenter zu 3 Eskadrons, bei jedem Infanterie- und Kavallerieregiment eine Maschinengewehrabteilung zu 2 Gewehren, 30 Feldartilleriebatterien (2 reitende, 22 fahrende, 4 Gebirgs-, 2 Belagerungsbatterien), in Abteilungen (battalions) zu 2–3 Batterien, 126 Küstenartilleriekompanien einschließlich 4 Torpedokompanien, ein Ingenieurkorps von 3 Bataillonen zu 4 Kompanien, 12 Kompanien Signalkorps; außerdem das Porto Rico Provisional-Regiment und die Philippine Scouts (50 Kompanien Eingeborne). – Die den Einzelstaaten unterstehende Miliz umfaßt nach dem Gesetz vom 21. Jan. 1903 alle tauglichen Bürger von 18–45 Jahren in zwei Alassen: Nationalgarde und Reservemiliz; erstere kann bei Bedarf vom Präsidenten auf 9 Monate einberufen werden. Nach jenem Gesetz sollte die Miliz in engem Anschluß an und in gemeinsamen jährlichen Übungen mit dem stehenden Heer bis 1908 neu organsiert werden, so daß sie im Kriegsfalle mit diesem gemeinsam verwendet werden könnte. Dies ist aber nur in wenigen Staaten (New York, New Jersey, Massachusetts) erreicht worden. Der kriegerische Wert der Miliz ist daher gering. Sie umfaßt 1670 in verschieden starke Regimenter und Bataillone zusammengestellte Infanteriekompanien, 84 Kavallerietroops, 2 Maschinengewehrbatterien, 58 leichte Batterien, 2 Küstenartilleriekompanien, 29 Kompanien schwerer Artillerie, 17 Pionierkompanien, 29 Signalkorps-, 51 Hospitalkorpseinheiten mit 119,501 Köpfen. Zur schnellen Komplettierung im Kriegsfalle soll aus entlassenen Leuten eine Armeereserve von 50,000 Mann zur Küstenverteidigung und eine Nationalreserve von 100,000 Mann gebildet werden. Mit der organisierten Miliz kämen dann 250,000 Mann Kriegsstärke heraus. Geplant, bez. im Gange sind ferner: Trennung der Feld- und Küstenartillerie und Zusammenfassung der erstern in 6 Regimentern zu 2 Abteilungen, Errichtung einer Luftschifferkompanie, Schaffung einer Traintruppe, Zusammenfassung der Truppen in Brigaden, deren jede in einem der neu zu errichtenden?großen Militärposten liegen soll, während bisher die 9 Militärdepartements, in die das Staatsgebiet zerfällt, auf 4 Divisionen verteilt waren (außer der Philippinendivision). Oberste Behörden sind Kriegsministerium und Generalstab. Bewaffnung: Infanterie: 7,62 mm Gewehr M/03, Feldartillerie 7,62 cm-Rohrrücklaufgeschütze.
Militärerziehungs- und Bildungswesen. Die Militärakademie in Westpoint im Staate New York bildet 400 Kadetten im Alter von 17–22 Jahren in vierjährigem Kursus zu Offizieren aus; jeder Zögling ist zu achtjährigem Dienst im Heer verpflichtet. In den Garnisonschulen (Post Schools), die jeder Offizier unter 10 Jahren Dienstzeit besuchen muß, werden die Offiziere in dreijährigem Kursus (November bis März) militärwissenschaftlich weitergebildet (entsprechend die Post Schools für Unteroffiziere und Mannschaften). Die Special Service Schools besorgen die weitere Ausbildung der Offiziere in ihrer Waffengattung: Fort Leawenworth (allgemeines Dienst- und Stabskollegium) für Infanterie und Kavallerie (1 Jahr), Fort Riley für Kavallerie und Feldartillerie (3 Jahre), Fort Monroe (1 Jahr) für Küstenartillerie, Washington für Genie (2 Jahre, auch für technische Versuche) und Sanitätswesen (8 Monate), Fort Totten für unterseeische Verteidigung. Die Signalschule in Leawenworth bildet Offiziere des Signalkorps, der Infanterie, Kavallerie und Artillerie im Signaldienst aus (1 Jahr). Die Generalstabsschule (Staff College) in Leawenworth bildet Offiziere zum Dienst im Generalstab aus (1 Jahr); in Washington besteht eine Kriegshochschule (Army war College).
Landesbefestigung: Die Küstenbefestigung ist ungenügend; es sollen 27 Häfen neu befestigt werden, zuerst New York, San Francisco, Boston, Lake Ports, Hampton Roads, New Orleans, Philadelphia, Washington, Baltimore, Portland, Rhode Island, ferner die wichtigsten Inselhäfen, zunächst Hawai, Philippinen, Cuba, Porto Rico. Im Innern einzelne Forts gegen Kanada, Mexiko und die Indianer. Vgl. »Loebells Jahresberichte über das Heer- und Kriegswesen« (Berl.); le Juge, Das Heer der Vereinigten Staaten von Amerika (das. 1907).
Die Kriegsflotte der Vereinigten Staaten bestand Anfang 1907 aus 22 Linienschiffen von 277,000 Ton., 10 Küstenpanzerschiffen von 36,000 T., 11 Panzerkreuzern von 132,700 T., 24 geschützten Kreuzern von 87,600 T., 16 ungeschützten kleinen Kreuzern und Kanonenbooten, 29 Torpedobootszerstörern, 20 Torpedobooten, 13 Unterseebooten, außerdem 22 Schulschiffen, 1 Präsidentenjacht, 1 Werkstättenschiff, 12 Kohlendampfern, 19 alten (spanischen) Kanonenbooten. Im Bau waren 8 Linienschiffe (von 13,200 bis 20,500 T.), 4 Panzerkreuzer (14,000–16,000 T.), 3 kleine geschützte Kreuzer, 3 Torpedobootszerstörer, 3 Unterseeboote. Das Personal zählt 1473 Seeoffiziere und Marineingenieure, 258 Sanitätsoffiziere, 189 Zahlmeister, 24 Geistliche, 1046 Seeoffizieraspiranten, 31,346 Mannschaften der Schiffsbesatzungen, 7448 Mann Marineinfanterie, zusammen 41,784 Mann. Marineausgaben 1906/07: 418,6 Mill. Mk. Kriegswerften sind in Portsmouth, Charlestown, Brooklyn, League Island (Philadelphia), Washington und Newport News. Werften für Reparaturen in New London, Norfolk, Pensacola und San Francisco (Mare Island). Vgl. Maclay, History of the United States navy (New York 1894, 2 Bde.); Spe ars, History of our navy (das. 1897, 4 Bde.); Bertin, La marine des États-Unis (Par. 1896, 2 Bde.), und die Karte »Seestreitkräfte etc.« beim Artikel »Marine«.
Das Wappen der Union (s. Tafel »Wappen III«) besteht aus einem goldbewehrten Adler, der in der einen Klaue einen Ölzweig, in der andern 13 goldgespitzte, silberne Pfeile hält, und dessen Brust mit einem Schild belegt ist, der unter einem blauen Schildhaupt sechs rote Pfähle in Silber zeigt. Der Adler hält im Schnabel ein goldenes Band mit der Inschrift: »E Pluribus Unum« und ist von 13 silbernen Sternen, der Zahl der ersten Staaten der Union, überhöht. Die Flagge besteht aus sieben roten und sechs weißen horizontalen, miteinander abwechselnden Streifen; in der obern Ecke ist ein kleines blaues Viereck mit so vielen weißen Sternchen, als die Union gegenwärtig Staaten zählt (s. Tafel »Flaggen I«). Bundesstadt ist Washington im Distrikt Columbia.
[Geographisch-statistische Literatur.] Außer den bei den betreffenden Abschnitten angeführten Werken vgl. Ratzel, Die Vereinigten Staaten von Nordamerika (Münch. 1878–80, 2 Bde.; Bd. 2 in 2. Aufl. 1893) und Städte- und Kulturbilder aus Nordamerika (Leipz. 1876); Hellwald, Amerika in Wort und Bild (das. 1885); v. Hesse-Wartegg, Nordamerika (2. Aufl., das. 1885, 4 Bde.); I. D. Whitney, The United States (Bost. 1889; Supplement 1894); L. R. Brockett, Our western empire (Philad. 1882); Mac Coun, Historical geography of the U. S. (New York 1889); J. H. Patton, Natural resources of the United States (neue Ausg., das. 1894); Kings »Handbook of the United States« (illustriert, Lond. 1892); Deckert, Die neue Welt, Reiseskizzen (Berl. 1892) und Nordamerika (in Sievers' »Allgemeiner Länderkunde«, 2. Aufl., Leipz. 1904); Blum, Die Entwickelung der Vereinigten Staaten von Nordamerika (Ergänzungsheft 142 zu »Petermanns Mitteilungen«, Gotha 1903); Diercks, Kulturbilder aus den Vereinigten Staaten (Berl. 1893); Shaler, The United States of América (Lond. 1894, 2 Bde.); J. Bryce, The American Commonwealth (3. Aufl., das. 1893–95, 2 Bde.); Fisk, Die handelspolitischen u. Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten (Stuttg. 1897); Gannett, The United States (in Stanfords »Kompendien«, Lond. 1898); J. E. Russell, North America (das. 1904); Goldberger, Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten (Berl. 1903); W. v. Polenz, Das Land der Zukunft (das. 1903, 5. Aufl. 1904); Münsterberg, Die Amerikaner (das. 1904, 2 Bde.); Oppel, Wirtschaftsgeographie der Vereinigten Staaten (Halle 1907); Appleton, Guide to the United States and Canada (1894); Bädeker, Nordamerika (2. Aufl., Leipz. 1904); »The World Almanac« (jährlich), die amtlichen Zensusberichte (alle 10 Jahre erscheinend) und das vom Statistischen Bureau zu Washington herausgegebene statistische Jahrbuch der Union (»Statistical Abstract of the United States«).
Karten. »Post-route maps« der einzelnen Staaten von W. L. Nicholson, Wheelers Atlas der Gebiete westlich vom 100. Meridian v. Gr. (in 95 Blatt, 1: 506,800; noch nicht vollendet); die neue Karte vom »United States Geological Survey« des ganzen Gebietes in verschiedenen Maßstäben (1: 62,500 bis 1: 500,000), erscheint seit 1887 (s. Textbeilage zum Artikel »Landesaufnahme«); Petermanns Karte in 6 Blatt (Gotha 1874); Walker, Statistical atlas of the United States (Washingt. 1876) und desgleichen von Hewes und Gannett (New York 1884); Me. Gees geologische Karte (1: 6.500,000, im 5. Report der geologischen Landesaufnahme 1885); »Geological atlas of the C. S.« (Washingt., seit 1892).
Geschichte.
(Vgl. hierzu die »Karten zur Geschichte Amerikas« im 1. Bd.)
[Die englische Herrschaft.] Das Gebiet der heutigen Vereinigten Staaten war zwar schon um 1000 n. Chr. von den Normannen aus Grönland besucht worden, diese Entdeckung jedoch wieder verloren gegangen. Nachdem Kolumbus den Kontinent wieder entdeckt, hat sich besonders der in englischen Diensten stehende Giovanni Gabotto (Cabot) 1497 Verdienste um die Entschleierung des Nordens erworben. Ansiedelungsversuche, aber ohne dauernden Erfolg, wurden nur in Florida (s. d.) gemacht. Erst unter der Königin Elisabeth wurden die Fahrten wieder aufgenommen; 1584 sandte Walter Raleigh zwei Schiffe nach Amerika, die von der Küste von Nordcarolina Besitz ergriffen; Elisabeth nannte das Land ihrem jungfräulichen Stand zu Ehren Virginia. Die ersten Versuche, dauernde Niederlassungen zu gründen, scheiterten an der Feindseligkeit der Eingebornen. Erst unter Jakob I. bildeten sich in England die London- und die Plymouthgesellschaft zur Förderung der Kolonisation, die 1606 Freibriefe für ihre Ansiedelungen erhielten. Die Londonkompanie erhielt Virginia, die Plymouthgesellschaft Neuengland zugewiesen. Nicht ohne Schwierigkeiten und Kämpfe mit den Indianern drangen nun die Ansiedler in das Innere vor, aber sie stählten darin ihre Kraft und ihr Selbstvertrauen und gediehen durch emsigen Fleiß allmählich zu Wohlstand und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Dieser glückliche Fortgang der Kolonisation, dazu die Bürgerkriege und Religionsverfolgungen in England zur Zeit der Stuarts, veranlaßten viele Briten, in der Neuen Welt eine Freistätte zu suchen, zumal Virginia 1621 eine ziemlich freie Verfassung erhielt. Auf Grund eines Freibriefs, den sein Vater von König Karl I. erhalten hatte, gründete Cecil Calvert 1634 mit katholischen Auswanderern an der Chesapeakebai eine Kolonie, die er zu Ehren der Königin Maryland nannte. Eine kleine Schar aus England vertriebener Puritaner landete 1620 an der Küste von Massachusetts, dessen Besiedelung die Plymouthkompanie unterlassen hatte, und gründete Neuplymouth. Sie behaupteten nicht nur den gewonnenen Boden, sondern erweiterten ihn auch durch Friedens- und Kaufverträge mit den indianischen Häuptlingen. Von Massachusetts aus wurden Connecticut, Rhode-Island, New Hampshire, Vermont und Maine gegründet und 1643 zu der Union der Kolonien von Neuengland vereinigt, die 50 Jahre bestand. Als im Frieden von Breda (1667) Neuniederland mit der Hauptstadt Neuamsterdam am Hudson, die fortan New York hieß, ferner New Jersey und Delaware an England abgetreten, 1681 von W. Penn die Quäkerkolonie Pennsylvanien begründet worden, war der Zusammenhang der südlichen Kolonien mit Neuengland hergestellt. 1663 verlieh Karl II. das Land südlich vom 36. Breitengrad acht Edelleuten, die für die neue Ansiedelung Carolina durch den berühmten Philosophen Locke eine feudale Verfassung ausarbeiten ließen, die sich zwar als unhaltbar erwies, der Kolonie aber im Gegensatz zu den Neuenglandstaaten ein aristokratisches Gepräge vernoch verschärft wurde, seitdem der Asientovertrag von 1713 einer englischen Gesellschaft das Monopol des Negerhandels zugestand, und dadurch die Anlage großer Plantagen ermöglichte.
Die britische Krone hatte anfangs den Kolonien eine gewisse Selbständigkeit eingeräumt, suchte sie aber allmählich unter ihre unmittelbare Botmäßigkeit zu bringen. Wiederholt wurden früher erteilte Freibriefe aufgehoben und königliche Gouverneure mit unbeschränkter Machtvollkommenheit ernannt. Auch nach dem Siege des parlamentarischen Systems im Mutterland 1688 wollte die britische Regierung jenseit des Ozeans eine direkte Herrschaft ausüben und die materielle Entwickelung der Kolonien nur insoweit zulassen, als sie England zum Vorteil gereichte. Nur englische Schiffe durften mit den Kolonien Handel treiben; der Verkehr derselben untereinander war durch hohe und lästige Abgaben erschwert, sie sollten nur Rohstoffe erzeugen, um selbst zahlungsfähig zu bleiben und zugleich dem Konsum und der Industrie Englands das erforderliche Material zu liefern. Gleichzeitig stieß die Ausbreitung der englischen Ansiedelungen in Amerika selbst auf Schwierigkeiten. Das germanisch-protestantische Kolonialgebiet, das sich unter Georg II. noch um Georgia vergrößerte, sah sich von einem Gürtel katholischer Pflanzstätten der Franzosen und Spanier umgeben, die sich von dem Mündungsgebiete des St. Lorenz bis zu den Großen Seen im Innern und den Mississippi abwärts an der Küste des Mexikanischen Meerbusens bis Florida erstreckten. Namentlich die Franzosen, deren koloniale Bestrebungen eine Zeitlang bei dem Adel und der Geistlichkeit lebhafte Förderung fanden, bemühten sich, die englischen Besitzungen von dem Binnenland abzuschneiden. 1690 kam es darüber zu dem ersten Zusammenstoß (König Wilhelms-Krieg) zwischen Engländern und Franzosen um Acadia, das die erstern an sich zu reißen strebten. Im Frieden von Ryswyk (1697) behaupteten die Franzosen den Besitz Acadias; nach dem Königin Anna Krieg (1701–13) mußten sie aber das Land an Neuengland abtreten, doch vermochte sich dies bloß in den Besitz des südlichen Teiles zu setzen. Der nördliche Teil blieb den französischen Ansiedlern auch nach dem ersten König Georgs-Krieg (1744–48); erst 1755 wurden sie durch einen brutalen Gewaltakt der englischen Regierung vertrieben. Hiermit begann der zweite König Georgs-Krieg (1755–63). Die Kolonien, durch das hochherzige Vertrauen, das ihnen Pitt schenkte, gewonnen, wetteiferten in Hingebung und Opferwilligkeit mit dem Mutterland, und ihre Anstrengungen wurden reich belohnt. 1758 wurden Cape Breton und die Prinz Edward-Insel besetzt und das Fort Duquesne (Pittsburg) von Washington erobert; 1759 siegte General Wolfe über die Franzosen unter Montcalm bei Quebec, das am 18. Sept. kapitulierte, und bald fiel auch Montreal in die Hände der Engländer, denen im Frieden von Paris (10. Febr. 1763) Kanada von Frankreich und Florida von Spanien abgetreten wurde. Hiermit war der Sieg der germanisch-protestantischen Rasse über die romanisch-katholische in Nordamerika entschieden.
Der Freiheitskrieg gegen England
Während die Kolonien als Lohn für ihre Dienste und Opfer im letzten Kriege die Verleihung der Selbstverwaltung in ihrem innern Staatsleben erwarteten, strebten im Gegenteil Georg III. und die leitenden Staatsmänner nach straffer Zusammenfassung aller britischen Besitzungen unter Ministerium und Parlament in London und betrachteten die Kolonien nur als Kanäle, die England Reichtum und Kräfte zuzuführen hätten. Überdies hatte sich während des langen, kostspieligen Krieges die englische Staatsschuld fast verdoppelt, und die Kolonien sollten zur Deckung der Zinsenlast durch erhöhte Zölle und Steuern herangezogen werden. Wenn diese nun auch die höchste gesetzgebende Gewalt des Parlaments nicht bestritten, so verlangten sie doch, daß ihre Landesvertretungen bei innerer Besteuerung um ihre Zustimmung angegangen werden müßten. Die Erhöhung der Eingangszölle für mehrere Handelsartikel und das verschärfte Verbot des Schleichhandels wurden daher noch geduldig ertragen, obwohl die Erklärung, daß die Macht der Krone und des Parlaments über die Kolonialstaaten unumschränkt sei, entschiedenen Widerspruch hervorrief und demgegenüber von Männern wie J. Otis und J. Adams die unveräußerlichen natürlichen Menschenrechte verfochten wurden. Der Erlaß der Stempelakte (22. März 1765) jedoch sowie einer Bill, die den Kolonien die Verpflichtung auferlegte, den königlichen Truppen Wohnung und Verpflegung zu gewähren, machte die Opposition zu einer allgemeinen. Im Herbst versammelten sich in New York Bevollmächtigte fast aller Provinzen, welche die beiden Parlamentsbeschlüsse für ungültig erklärten und sich auf die natürlichen Rechte des Volkes beriefen; ihre Beschlüsse wurden in Adressen dem König und dem Parlament kundgegeben. Das Stempelgesetz konnte 1. Nov. gar nicht in Kraft treten, da niemand das gehässige Amt des Stempelvertreibers auszuüben wagte. und wurde 18. März 1766 wieder aufgehoben, aber das Militärverpflegungsgesetz blieb bestehen, und eine Deklarationsbill behielt ausdrücklich dem Parlament die höchste gesetzgebende Gewalt in Amerika vor und erklärte die Beschlüsse der amerikanischen Legislaturen und Kolonialkongresse für null und nichtig. Dadurch wurde der beschwichtigende Eindruck der Beseitigung der Stempelakte wieder aufgehoben. Der Gegensatz zwischen den Kolonien und dem Mutterlande war schon so geschärft, daß eine neue Zollbill, die der Schatzkanzler Townshend 1767 erließ, und die für nur wenige Artikel niedrige Hafenzölle festsetzte, zahlreiche Proteste hervorrief und die Amerikaner veranlaßte, sich völlig von englischen Waren zu enthalten. 1770 wurde daher auch die Townshendsche Zollbill wieder aufgehoben und nur ein sehr niedriger Teezoll beibehalten, aber die Gerüchte von der Absicht der Regierung, die freie Verfassung von Massachusetts aufzuheben, steigerten die Aufregung, und als 1773 die Ostindische Kompanie die amerikanischen Häfen mit einer Masse Tee überschwemmte, wurde 18. Dez. im Hafen von Boston ein Teeschiff von einer Schar als Mohawkindianer verkleideter Bostoner erstiegen und seine Ladung ins Meer geworfen. Das Parlament beschloß hierauf, daß der Hafen von Boston vom 1. Juni 1774 ab gesperrt und die bisherige Verfassung von Massachusetts aufgehoben werden solle. Zugleich wurde General Gage mit vier Regimentern abgeschickt, um Boston zu besetzen. Er fand zwar keinen Widerstand, aber der Bund der Söhne der Freiheit rief alle Amerikaner zur Verteidigung ihrer Rechte auf, und im September 1774 versammelten sich in Philadelphia die Vertreter der 13 Kolonien: Massachusetts, New York, Rhode-Island, New Hampshire, Pennsylvanien, Maryland, Virginia, Nord- und Südcarolina, Connecticut, Georgia, New Jersey und Delaware zu einem Kongreß, der am 26. Okt. eine Petition an den König und eine Erklärung an das britische Volk erließ, in der er zwar die Vereinigung mit dem Mutterland als seinen Wunsch betonte, aber die Aufhebung einer Reihe von Parlamentsakten als Bedingung derselben bezeichnete und Freiheit und Gerechtigkeit für die Kolonien forderte; zugleich verpflichteten sich die Kolonien, vom 1. Dez. ab nichts mehr von England und Irland einzuführen und nichts dahin auszuführen, bis ihren Beschwerden abgeholfen wäre. In England erregte dies energische Auftreten die höchste Entrüstung. Die Petition an den König wurde nicht beantwortet, dagegen beschloß das Parlament 9. Febr. 1775, Massachusetts in Aufruhrzustand zu erklären und jeden Handelsverkehr mit Neuengland zu untersagen. So begann der Kampf.
Zum ersten blutigen Zusammenstoß kam es 19. April 1775 bei Lexington, als General Gage ein von der Legislatur von Massachusetts angelegtes Kriegsmagazin wegnehmen wollte. Nicht lange darauf, 17. Juni, bestanden die Amerikaner das blutige, aber ehrenvolle Gefecht von Bunker Hill bei Boston. Der zweite Generalkongreß der Kolonien, der am 10. Mai 1775 in Philadelphia zusammentrat, beschloß darauf die Errichtung einer gemeinsamen Armee und ernannte 16. Juni Washington zum Oberbefehlshaber derselben, vermied es aber, die Losreißung von England offen auszusprechen. Die erste Unternehmung der amerikanischen Truppen, ein Einfall in Kanada, hatte freilich keinen Erfolg; sie erlitten 31. Dez. vor Quebec eine entschiedene Niederlage, in der ihr Anführer Montgomery fiel, und mußten im Frühjahr 1776 das Land wieder räumen. Die englische Regierung hatte inzwischen mit aller Macht gerüstet und schickte im Frühjahr 1776 eine große Flotte unter Admiral Howe mit 40,000 Mann (ein großer Teil waren deutsche Mietstruppen) nach Amerika, die in drei Abteilungen in das Innere vordringen sollten. Demgegenüber vermochte Washington keine ebenbürtige Streitmacht aufzustellen. Im Süden herrschte Uneinigkeit: hier waren die Gegner der Losreißung vom Mutterland besonders stark. Aber nun vereinigte sich die Mehrheit des Kongresses von Philadelphia 4. Juli 1776 zu der von Jefferson entworfenen Unabhängigkeitserklärung, die nach Darlegung der natürlichen Grundrechte aller Menschen verkündete, daß »die Vereinigten Kolonien freie und unabhängige Staaten seien und von Rechts wegen sein müßten«, und daß sich die versammelten Vertreter zur Aufrechterhaltung dieser Erklärung gegenseitig ihr Leben, ihren Besitz und ihre heilige Ehre verbürgten. Allerdings mußte Washington nach dem Verlust New Yorks über den Delaware zurückweichen, der Kongreß nach Baltimore flüchten; aber die englischen Generale wußten ihre militärische Überlegenheit nicht auszubeuten. Der in allem Mißgeschick unerschütterliche Washington erfocht 26. Dez. 1776 bei Trenton und 3. Jan. 1777 bei Princeton Siege über die Engländer, unter deren Eindruck ihm der Kongreß diktatorische Vollmacht zur Bildung einer Nationalarmee von 88 Bataillonen und zur Beschaffung der erforderlichen Geldmittel und Kriegsbedürfnisse erteilte. Im Laufe des Sommers 1777 mußte er zwar wieder vor Howes Übermacht zurückweichen und erlitt am Brandywine (11. Sept.) und bei Germantown (3. Okt.) empfindliche Niederlagen; selbst Philadelphia wurde von den englischen Truppen besetzt. Dagegen scheiterte der Feldzug der Engländer im Norden gänzlich, und Bourgoyne wurde 17. Okt. mit 6000 Mann und 42 Geschützen von Gates zur Kapitulation von Saratoga gezwungen.
Dieser Erfolg bewog Frankreich, wo die Sache der Amerikaner aus Begeisterung für die Freiheit und aus Eifersucht gegen England bei allen Ständen lebhafte Sympathien fand, und von wo ihnen unterderhand bereits bedeutende Unterstützungen (besonders unter Lafayette) zugeflossen waren, 6. Febr. 1778 mit den Vereinigten Staaten einen Freundschafts- und Handelsvertrag zu schließen, dem sich 12. April 1779 auch Spanien anschloß. Dieses Bündnis kam den Amerikanern sehr zustatten; denn wenn auch Washington 1778 und 1779 die Alleghanies gegen die Engländer behauptete, so drohten doch der Geist der Selbstsucht in den einzelnen Staaten, der geringe Kredit des Kongresses, besonders aber die Unbotmäßigkeit und Unfähigkeit der Unterbefehlshaber auch Washingtons Standhaftigkeit zu erschüttern. Die Engländer boten dagegen alle ihre Kräfte zu Land und zur See auf, um die Rebellen zu unterdrücken. Seit 1779 richteten sie ihre Hauptmacht nach Georgia und Carolina, wo sich zahlreiche Royalistenhausen ihnen anschlossen; sie eroberten Savannah und Charleston, und 16. Aug. 1780 siegte Cornwallis bei Camden über Gates, dessen Unterfeldherr, der deutsche Baron Kalb, hier tödlich verwundet wurde. Inzwischen war aber 10. Juli 1780 ein französisches Hilfskorps von 6000 Mann unter Rochambeau auf Rhode-Island gelandet, und Washington war durch 16 Mill. Livres, die Frankreich teils schenkte, teils lieh, instand gesetzt worden, sein Heer zu ergänzen und mit Hilfe Steubens, eines ehemals preußischen Offiziers, feldtüchtig zu machen. Die vereinigte amerikanisch-französische Armee rückte hierauf im September 1781 in Eilmärschen nach Virginia, nahm die von Cornwallis bei Yorktown errichteten Verschanzungen und zwang den englischen General mit 7247 Mann zur Kapitulation. England verzweifelte nun an einem Erfolg des Krieges und zeigte sich zu Friedensverhandlungen geneigt. Nachdem 30. Nov. 1782 bereits die sogen. Provisionalartikel die Republik der Vereinigten Staaten als unabhängig anerkannt, ihr vorteilhaftere Grenzen nach Norden und Westen und das Recht der Fischerei in den Gewässern von Neufundland zugestanden hatten, kam 19. April 1783 der definitive Friede von Versailles zustande.
Die Begründung der Union
Nachdem die Unabhängigkeit errungen worden, galt es, sie auch dauernd zu sichern und die einzelnen Staaten, deren bisherige gemeinschaftliche Regierung, der Kongreß, nur eine Vereinigung von Vertretern ohne verbindliche Vollmacht gewesen war, durch eine Unionsverfassung zu einem Gesamtstaate zu vereinigen. Aber es schien unmöglich, die von den einzelnen Staaten eifersüchtig gewahrte Souveränität mit einer förmlich konstituierten Zentralregierung in Einklang zu bringen. Da schlug Alexander Hamilton, Mitglied der Legislatur von New York, vor, daß die Einzelstaaten mit ihren Eigentümlichkeiten und Rechten als souverän weiter bestehen, zugleich aber für alle gemeinsamen Interessen eine einheitliche Regierung und Gesetzgebung geschaffen werden solle. Ihm schloß sich die Partei der Föderalisten an, während der Vorschlag von den Antiföderalisten oder Republikanern heftig bekämpft wurde. Im Mai 1787 trat endlich zu Philadelphia unter Washingtons Vorsitz ein Verfassungsrat zusammen, der die noch bestehende Verfassung der Vereinigten Staaten zustande brachte (s. oben), allerdings unter großen Kämpfen und Schwierigkeiten; den Südstaaten mußte das Zugeständnis gemacht werden, daß die Sklaverei nicht aufgehoben (allerdings auch nicht anerkannt) und bei der Zuteilung der Vertreter im Repräsentantenhaus drei Fünftel der Zahl der Sklaven der Bevölkerungszahl zugerechnet wurden.
Zum ersten Präsidenten ward Washington gewählt und trat 30. April 1789 sein Amt an, das er, 1792 wiedergewählt, acht Jahre lang bekleidete. Er bemühte sich, die Einheit im Innern zu befestigen, ordnete die Verwaltung und Rechtspflege, regelte und fundierte die Staatsschuld, indem er einige Zölle zu diesem Zweck einführte, sicherte ein Staatseinkommen durch eine Erwerbs- und Vermögenssteuer und schuf eine Nationalbank. 1791 ward der Distrikt Columbia in Maryland zum Sitze der neuen Bundeshauptstadt Washington bestimmt. Das Gebiet und die Bevölkerung der Union mehrten sich rasch. 1791 wurden Vermont, 1792 Kentucky, 1796 Tennessee als Staaten in die Union aufgenommen, die nun mehr als 4 Mill. Einw. zählte. Nach außen hin suchte Washington durch Abschluß von Handelsverträgen freundschaftliche Beziehungen anzuknüpfen und hielt sich von den europäischen Händeln völlig fern. Beim Ausbruch des ersten Koalitionskrieges gegen Frankreich erließ er 22. April 1793 eine Neutralitätserklärung, die in Frankreich sehr übel aufgenommen wurde, und als er trotzdem einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit England (19. Nov. 1794) einging, brach Frankreich den diplomatischen Verkehr mit der Union ab, so daß es nahe am Kriege war.
Die französisch gesinnten Antiföderalisten benutzten diesen Vorfall, um die Zentralregierung und Washington aufs heftigste zu bekämpfen, und dieser lehnte daher bei der dritten Präsidentenwahl eine Wiederwahl ab. Noch wurde diesmal, 1797, ein Föderalist, John Adams, Präsident, Vizepräsident aber ein Antiföderalist, Thomas Jefferson, und dieser folgte 1801 (bis 1809) als Präsident. Unter ihm wurde 1802 Ohio als 17. Staat in die Union aufgenommen und 1803 Louisiana für 15 Mill. Doll. von Frankreich gekauft, wodurch die Vereinigten Staaten sich die Ausbreitung über das ganze Mississippigebiet sicherten. Da Handel und Schiffahrt während des Krieges zwischen Frankreich und England einen großen Aufschwung nahmen, weil der ganze Kolonialverkehr Frankreichs, Hollands und Spaniens den amerikanischen Schiffen zufiel, so befahl die englische Regierung 1805, die amerikanischen Schiffe auf feindliches Gut zu visitieren und wegzunehmen. Dies bewog den Kongreß, durch die Embargoakte vom 22. Dez. 1807 die Sperrung aller Unionshäfen zu befehlen und den Amerikanern alle Schiffahrt nach fremden Ländern zu untersagen, wodurch zwar die Industrie gefördert, der Handel aber empfindlich geschädigt wurde. Die Bundesregierung sah sich daher bald veranlaßt, einzulenken: die Nichtverkehrsakte (Nonintercourseact) vom 1. März 1809 erlaubte wieder den Verkehr mit fremden Häfen, mit Ausnahme der französischen und englischen. wie sie denn auch den Schiffen dieser Länder die Unionshäfen verschloß. Der neue Präsident, Madison (1809–17), hob schon 1811 die Nichtverkehrsakte für Frankreich auf, aber die Spannung mit England wuchs. Die franzosenfreundliche antiföderalistische Partei, welche die Mehrheit im Kongreß besaß, trieb nun absichtlich zum Bruche mit England, indem sie nach der Aufnahme Louisianas in die Union als 18. Staat (1812) die Besetzung des spanischen Florida und, als England gegen diese Vergrößerung drohend Einspruch erhob, 18. Juni 1812 die Kriegserklärung an England durchsetzte.
Der Verlauf des Krieges (1812–15) entsprach freilich keineswegs den Erwartungen. Wenn die amerikanischen Kaper auch zahlreiche (1400) englische Prisen aufbrachten, so behaupteten die Engländer doch die Herrschaft zur See und blockierten sämtliche Häfen der Union. Mehrere Unternehmungen der Unionstruppen zur Eroberung Kanadas scheiterten und endeten im Dezember 1813 mit der Erstürmung des Forts Niagara durch die Engländer, die 1814 in das Gebiet der Union einfielen, 25. Juli bei den Niagarafällen einen großen Sieg erfochten und 24. Aug. sogar Washington besetzten. Zwar gelang es Jackson, die Engländer bei New Orleans 8. Jan. 1815 entscheidend zu schlagen; aber inzwischen war bereits 24. Dez. 1814 in Gent Friede geschlossen worden, in dem beide Teile ihre Eroberungen zurückgaben, die Amerikaner den Streit über den Grundsatz »Frei Schiff, frei Gut« fallen ließen und sich verpflichteten, zur Unterdrückung des Negerhandels mitzuwirken. Der Friede brachte dem Handel und Gewerbe einen großartigen Aufschwung, so daß die Bundesregierung aus dem Ertrag der Zölle alle ihre Ausgaben bestreiten und die innern Zölle und Steuern aufheben konnte. Indiana schloß sich 1816 als 19., Mississippi 1817 als 20., Illinois 1818 als 21., Alabama 1819 als 22., Maine 1820 als 23. Staat der Union an; 1819 trat Spanien gegen 5 Mill. Doll. die beiden Floridas ab, die 1822 der Union einverleibt wurden. Nach außen hin blieb die Union dem Prinzip der Nichteinmischung treu; als die spanischen Kolonien vom Mutterlande abfielen, erfuhren sie keinerlei ernstliche Unterstützung, und als Bolivar einen panamerikanischen Kongreß in Panama anregte, lehnte Präsident Monroe ab. In diesem Zusammenhange erfolgte die seither berühmt gewordene Erklärung, daß die Union in der Besetzung amerikanischen Gebietes durch europäische Staaten eine unfreundliche Handlung erblicken müsse; sie war aber damals nur gegen etwaige Bundesgenossen Spaniens gerichtet und wollte diesem Lande selbst im Kampfe mit seinen Kolonien durchaus freie Hand lassen. Den heute gültigen Sinn hat die sogen. Monroedoktrin erst viel später untergelegt erhalten.
Parteikämpfe im Innern
Im Innern bewirkten der Aufschwung von Handel und Industrie und die bedeutende Vermehrung der Bevölkerung im Norden der Union eine durchgreifende Veränderung der Verhältnisse. Hier entstand neben dem handel- und gewerbtreibenden Mittelstand eine zahlreiche, nach politischer Gleichberechtigung strebende Arbeiterbevölkerung, während in den Südstaaten nur die Sklavenbevölkerung sich erheblich vermehrte (auf 11/2 Mill.) und neben der reichen Grundaristokratie eine Mittelklasse sich nicht behaupten konnte. Der Süden sah durch die großartige Entwickelung der Nichtsklavenstaaten seinen bisher maßgebenden Einfluß mehr und mehr bedroht; nach dem Zensus von 1820 fielen von 223 Repräsentanten nur noch 90 auf den Süden. Damit nicht auch im Senat die Sklavenstaaten zur Minderheit herabgedrückt würden, betrieben diese die Aufnahme von sklavenhaltenden Staaten und bekämpften die von Nichtsklavenstaaten. Dieser Streit brach besonders heftig 1818–1820 bei der Aufnahme von Maine und Missouri im Kongreß aus, bis auf Clays Antrag das sogen. Missourikompromiß geschlossen wurde, wonach die Sklaverei in Zukunft nur südlich von 36°30' nördl. Br. erlaubt sein solle. Bei der Wahl von 1824 erhielt, wenn auch mit knapper Mehrheit, zum erstenmal ein Mann des Nordens den Sieg. Quincy Adams regierte 1825–29 im allgemeinen ganz nach den Grundsätzen seiner Vorgänger, nur versuchte er durch einen neuen Zolltarif (vom 1. Sept. 1828) der Industrie des Nordens größern Schutz zu gewähren. Fortwährend hatte er mit einer systematischen erbitterten Opposition im Kongreß zu kämpfen; in den Südstaaten verfochten die Nullifiers das Recht des Einzelstaates, Beschlüsse der Zentralregierung für ungültig zu erklären. Bei der Präsidentenwahl 1828 siegte denn auch die vereinigte Opposition, die sich die demokratische Partei nannte, glänzend: mit 178 gegen 83 Elektoratstimmen wurde General Jackson erwählt, der, 1832 wiedergewählt, von 1829–37 an der Spitze der Regierung stand.
Jackson fügte sich von Anfang an den Forderungen der Partei, die ihn auf den Präsidentenstuhl erhoben hatte; die Interessen des Nordens wurden von ihm ebenso entschieden bekämpft, wie die der Sklavenstaaten begünstigt. Im Dezember 1835 wurde dem Kongreß ein Gesetz gegen die Verbreitung aufreizender, an die Leidenschaften der Sklaven gerichteter Schriften vorgelegt und 26. Mai 1836 vom Kongreß beschlossen, alle Petitionen und Vorschläge, die sich auf die Sklaverei bezögen, unbeachtet zu lassen. Nur als Virginia, Kentucky und Südcarolina den 1829 erlassenen schutzzöllnerischen Tarif für null und nichtig erklärten, wies der Präsident (im Dezember 1832) die Nullifikationstheorie energisch zurück, bewog aber gleichzeitig den Kongreß, den Tarif in mehreren Punkten herabzusetzen und ein allmähliches Sinken der Zollskala anzuordnen. Er duldete, daß mehrere Südstaaten, um neues Land für ihren Raubbau zu gewinnen, die Indianer aus ihrem Gebiet vertrieben und die Union in den langwierigen Seminolenkrieg (bis 1842) verwickelten. Als die Vereinigte Staaten-Bank sich weigerte, die Anstellung ihrer Beamten der Parteipatronage zu unterwerfen, die von Jackson zuerst systematisch zur Anwendung gebracht wurde, begann er einen förmlichen Krieg gegen dies Institut, das als Hauptstütze der Nordstaaten den südlichen Sklavenhaltern besonders verhaßt war. Die alte gemäßigte Partei, die sich unter Clay und Webster als Partei der »Whigs« neu konstituiert hatte, leistete energischen Widerstand, und der Kongreß bewilligte der Bank 1832 die Erneuerung ihres Privilegiums; aber Jackson legte sein Veto ein und erlangte 1836 im Kongreß die Verweigerung des Bankprivilegiums und die Auflösung der Nationalbank.
Dennoch ward 1836 wieder ein Demokrat, van Buren, gewählt, der sich verpflichtet hatte, jedem Versuch der Aufrollung der Sklavenfrage unbedingten Widerstand entgegenzusetzen. Die durch englisches Kapital beförderte Überspekulation, namentlich die fieberhaft hastige Anlegung von Plantagen und die übermäßige Baumwollproduktion, führte unter van Burens Präsidium (1837–41) eine schwere Finanznot in der Union herbei, die das Ansehen der demokratischen Partei erheblich schwächte. Bei der neuen Präsidentenwahl 1840 wurde General Henry Harrison als Kandidat der Whigs proklamiert und zum Präsidenten, John Tyler zum Vizepräsidenten gewählt. Harrison starb aber schon einen Monat nach seinem Amtsantritt (4. April 1841), und Tyler ward nun Präsident. Obwohl von den Whigs gewählt, zerfiel er bald mit dieser Partei, indem er gegen die Wiedererrichtung der Nationalbank sein Veto einlegte, und schloß sich der Demokratie an, die auch im Kongreß bald wieder die Mehrheit erlangte. Um durch Vermehrung der Sklavenstaaten den Einfluß der demokratischen Partei zu befestigen, erlangte Tyler vom Kongreß, nachdem 1836 ein Sklavenstaat, Arkansas, und ein freier Staat, Michigan, aufgenommen worden, 1845 die Zustimmung zur Aufnahme von Florida und Iowa als selbständiger Staaten und zur Einverleibung des von Mexiko abgefallenen Texas, dessen Erwerbung für den Süden von der größten Wichtig leit war. Der neue Präsident, James Polk, der 1845 auf Tyler folgte, ließ im Juli bereits eine kleine Streitmacht unter General Taylor in Texas einrücken, um das Land bis zum Rio Grande zu besetzen, und 29. Dez. 1845 bestätigte der Kongreß die Aufnahme von Texas als eines Staates in die Union. Mexiko erklärte zwar sofort den Krieg, aber innere Unruhen schwächten seine Widerstandskraft (s. Mexiko, Geschichte, S. 737 f.). Taylor rückte über den Rio Grande und siegte im September 1846 bei Monterey und 22.–23. Febr. 1847 bei Buena Vista. Gleichzeitig besetzten amerikanische Truppen New Mexico und Kalifornien. Die Entscheidung im Kriege führte General Scott herbei, der am 9. März 1847 in Veracruz landete und 14. Sept. in die feindliche Hauptstadt einzog. In dem Frieden von Guadelupe Hidalgo 2. Febr. 1848 trat Mexiko Texas bis zum Rio Grande, New Mexico und Kalifornien gegen eine Entschädigung von 15 Mill. Doll. an die Union ab, deren Gebiet nun vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean reichte.
Im März 1849 ward General Taylor als Kandidat der Whigpartei Präsident, starb jedoch schon 9. Juli 1850 und hatte den Vizepräsidenten Fillmore zum Nachfolger, der, obwohl ebenfalls Whig, sich zum Werkzeug der demokratischen Partei machte und dieselbe zu einem Hauptschlag gegen die Abolitionisten und die Freibodenmänner (freesoilers) ermutigte. Die rasche Vermehrung der Bevölkerung im obern Mississippigebiet hatte 1848 wiederum die Bildung eines Nichtsklavenstaates (Wisconsin) zur Folge. Als nun 1850 Kalifornien Aufnahme in die Union als Staat verlangte, beantragten die Sklavenhalter, daß diesem sowie jedem neukonstituierten Staate auch nördlich vom 36. Breitengrad, entgegen dem Missourikompromiß von 1820, das Recht zustehen solle, über Einführung oder Abschaffung der Sklaverei selbst zu bestimmen, und drohten im Falle der Ablehnung ihres Antrags mit Auflösung der Union. Die Whigpartei wagte nicht, den angebotenen Kampf aufzunehmen; ihr Führer Clap ließ sich zu einem neuen Kompromiß (7. Sept. 1850) herbei, wonach Kalifornien zwar als freier Staat aufgenommen, auch der Sklavenhandel im Bundesdistrikt verboten, aber den Territorien Utah und New Mexico die Entscheidung über Einführung oder Verwerfung der Sklaverei überlassen und gleichzeitig ein Gesetz gegeben wurde, das die Auslieferung der in die freien Staaten geflüchteten Sklaven gebot. Da auf Fillmore 4. März 1853 Franklin Pierce, ein blinder Anhänger der demokratischen Partei, folgte, konnte diese nun ihre Ziele rücksichtslos verfolgen. Einer ihrer Führer, Douglas, brachte noch 1853 eine Bill im Kongreß ein, wonach die Gebiete Kansas und Nebraska als Territorien organisiert und frei über die Sklaverei entscheiden sollten, obwohl beide Länder nördlich von 36°30' nördl. Br. lagen. Die Kansas-Nebraskabill wurde wirklich 31. Mai 1854 vom Kongreß genehmigt.
Nun raffte sich endlich der Norden zu entschlossener Tätigkeit auf. Tausende, namentlich aus Neuengland, wanderten nach Kansas und suchten den Plan der Sklavenhalter zu vereiteln. Die alten Whigs, die Freibodenmänner und ein Teil der nördlichen Demokraten taten sich unter der Führung von Sumner und Stevens zu einer neuen »republikanischen Partei« zusammen, die bei der Präsidentenwahl 1856 den Obersten Fremont als Kandidaten aufstellte und beinahe den Sieg über den demokratischen, Buchanan, errungen hätte. Dieser trat 4. März 1857 sein Amt an und begünstigte ganz offen das Bestreben der südlichen Aristokratie, entweder den Norden ihrem Willen zu unterwerfen oder die Union zu sprengen. Der Aufstandsversuch des eifrigen Abolitionisten Brown zu Harper's Ferry in Virginia (im Oktober 1859) endete mit dessen Hinrichtung durch den Strang. Als durch die Aufnahme von Minnesota und Oregon die Zahl der freien Staaten wiederum wuchs, machten die Sklavenhalter den Versuch, durch die sogen. Leromptonbill Kansas um jeden Preis zu einem Sklavenstaat zu machen. Aber diese Bill wurde von der nördlichen Demokratie nicht gebilligt, die Partei spaltete sich während der Vorbereitungen zur neuen Präsidentenwahl, und indem sie zwei demokratische Kandidaten aufstellte, verhalf sie selbst dem Republikaner Abraham Lincoln zum Siege. Die Südstaaten schreckten nun auch vor der Sprengung der Union nicht zurück. Schon 20. Dez. 1860 sagte sich Südcarolina vom Bunde los; ihm folgten Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana, Texas, Virginia, Arkansas und endlich Nordcarolina (21. Mai 1861). Ein am 4. Febr. 1861 in Washington zusammengetretener Friedenskongreß löste sich ohne Resultat auf. Bereits 6. Febr. versammelte sich in Montgomery ein Kongreß der abgefallenen Staaten, der am 11. März der sogen. Konföderation eine neue Verfassung gab, deren Eckstein die Sklaverei bildete, und Jefferson Davis zum Präsidenten wählte. Lincolns versöhnliche Erklärung bei seinem Amtsantritt (4. März 1861) war erfolglos, und mit der Eroberung des Forts Sumter durch die südstaatlichen Truppen (12. April 1861) begann der offene Krieg zwischen der Union und der sezessionistischen Konföderation.
Der Bürgerkrieg 1861–64
Die Südstaaten wurden von einer energischen, zweckbewußten, staatsmännisch geschulten Aristokratie geleitet; die meisten und talentvollsten Offiziere des Heeres und der Flotte, wie Beauregard, Johnston, Bragg, Lee, Jackson u. a., schlossen sich, weil aus dem Süden stammend, diesem an und organisierten die Streitmacht der Konföderation, was noch dadurch erleichtert wurde, daß Kriegsminister Floyd 1860 fast alle Waffen und Geschütze in die südlichen Arsenale geschickt, die Unionsflotte aber über alle Meere zerstreut hatte. Daher waren die Südstaaten im Anfang des Krieges dem Norden entschieden überlegen. Die Bevölkerung des letztern (die Grenzstaaten Maryland, Kentucky, Tennessee, Missouri u. a. verhielten sich schwankend) war allerdings für die Erhaltung der Union begeistert. Als Lincoln 15. April 75,000 Freiwillige unter die Waffen rief, waren diese sofort zur Stelle; aber es fehlte an aller Organisation. Die Truppen wurden von den Einzelstaaten auf Zeit gestellt; das Oberkommando war ganz vom Kriegsministerium abhängig. Ausrüstung und Verpflegung waren höchst mangelhaft und wurden erst allmählich besser. Daher erlitt der Norden trotz seiner numerischen Überlegenheit anfangs Mißerfolge; doch ließ er sich dadurch nicht entmutigen, steigerte seine Anstrengungen mit jedem Jahr, und als sich mit der Zeit auch tüchtige Feldherren heranbildeten, errang er endlich den Sieg.
Beim ersten Vordringen der Bundestruppen unter Mae Dowell gegen die Konföderierten bei Manassas-Junction erlitten sie am Bull-Run 21. Juli 1861 eine vollständige Niederlage. General Mae Clellan schlug daher am Potomac ein Lager auf und verwandte Herbst und Winter dazu, aus den von den Staaten gestellten Freiwilligen und Milizen (über 500,000 Mann) eine Feldarmee zu bilden. Währenddessen wurden durch eine schnell geschaffene Kriegsflotte die Häfen der Südstaaten blokiert, einige auch besetzt. Gleichwohl gelang es den Konföderierten oft, die Blockade zu brechen und sich vom Ausland Kriegsbedürfnisse zu verschaffen, während südstaatliche Kreuzer. zum Teil (wie die Alabama) in England ausgerüstet, das den Süden begünstigte, die amerikanische Handelsflotte empfindlich schädigten. 1862 kam es besonders im Westen zu wichtigen Entscheidungen. Nachdem es 1861 gelungen war, Missouri der Union zu erhalten, entrissen die Generale Thomas und Grant im Februar 1862 auch Kentucky und Tennessee den Rebellen und rückten den Mississippi abwärts vor, während der Admiral Farragut im April die Einfahrt in die Mississippimündung erzwang, New Orleans besetzte und stromaufwärts vordrang. Der Kampf konzentrierte sich um das von den Konföderierten stark befestigte Vicksburg, das endlich nach einer langen Belagerung 4. Juli 1863 von Grant erobert wurde. Damit waren die Südstaaten von Texas und Arkansas abgeschnitten. Weniger glücklich verlief der Krieg in Virginia. Hier eröffnete Mae Clellan den Kampf im März 1862 mit einem allgemeinen Vorgehen gegen die Hauptstadt der Konföderierten, Richmond. Zahlreiche blutige Gefechte, darunter die siebentägige Schlacht am Chickahominy (26. Juni bis 2. Juli), gaben kein entscheidendes Resultat. General Pope wurde in der zweiten Schlacht am Bull-Run (29. und 30. Aug.) geschlagen und auf Washington zurückgeworfen. Lee, der Oberbefehlshaber der Konföderierten, überschritt darauf 4. Sept. den Potomac, ward aber von Mac Clellan zum Rückzug gezwungen. Da Mac Clellan den Sieg nicht benutzte, ward er 17. Nov. durch Burnside ersetzt; dieser erlitt aber 13. Dez. bei Fredericksburg eine empfindliche Niederlige. Darauf drang Hooker im April 1863 über den Rapidan vor, wurde aber 2.–5. Mai bei Chancellorsville von Lee besiegt, der darauf einen zweiten Einfall in Maryland versuchte, aber 1.–3. Juli in einer der blutigsten Schlachten des ganzen Krieges bei Gettysburg von General Meade über den Potomac zurückgeworfen wurde.
Die Schlacht von Gettysburg und die Eroberung Vicksburgs bildeten den Wendepunkt des Krieges. Trotz der Überlegenheit ihrer Feldherren hatte die Konföderation keinen entscheidenden Erfolg errungen; es war ihr nicht geglückt, Washington zu erobern, ja im Westen hatte sie große, unwiederbringliche Verluste erlitten; schon machte sich bei ihr eine Erschöpfung an Geld und Menschenkräften bemerkbar. Die großen Opfer des Nordens wurden aus seinen unerschöpflichen Hilfsquellen rasch ersetzt, und die Nordstaaten führten den Krieg nicht nur entschlossen fort, sondern verkündeten nun auch offen die Aufhebung der Sklaverei und die völlige Niederwerfung der Rebellion als Ziele desselben. Lincoln erließ 22. Sept. 1862 eine Proklamation, die alle in den Südstaaten gehaltenen Sklaven vom 1. Jan. 1863 ab für frei erklärte. Bei der neuen Präsidentenwahl 1864 siegte Lincoln glänzend über den Kandidaten der Versöhnungspartei, Mac Clellan; zum Vizepräsidenten wurde Andrew Johnson gewählt. So konnte der siegreiche Ausgang des Krieges nicht zweifelhaft sein. Der neue Oberbefehlshaber der Unionstruppen, Grant, brach, nachdem er durch den Sieg bei Chattanooga (im November 1863) den ganzen Westen den Rebellen entrissen hatte, Anfang Mai 1864 gegen Richmond auf, lieferte Lee in der »Wildnis« (Wilderneß) und bei Spottsylvania eine Reihe blutiger Gefechte und überschritt, nachdem der Übergang über k.en Chickahominy durch die Niederlage vom 3. Juni vereitelt worden, den Jamesfluß, um Petersburg anzugreifen. Unter fortwährenden blutigen Gefechten gelang es ihm endlich im Herbst, im Verein mit dem im Shenandoatal operierenden Sheridan, Lees Defensivstellung bei Richmond zu durchbrechen und sich auf dem rechten Ufer des Jamesflusses zu behaupten. Gleichzeitig drang Sherman vom Westen her in Georgia ein, besetzte im September 1864 Atlanta und unternahm von hier aus den kühnen Marsch nach Savannah am Atlantischen Ozean, wo er 21. Dez. einzog und die Verbindung mit der Unionsflotte herstellte. Im Januar 1865 rückte er durch Süd- und Nordcarolina nach Norden und vollendete Ende März die Einschließung Lees, der nur noch 60,000 Mann bei sich hatte. Am 3. April rückten die Bundestruppen in Petersburg und Richmond ein, und 9. April streckte Lee bei Appomatox-Court-House vor Grant, 27. April Johnston mit dem Reste der Konföderierten bei Raleigh vor Sherman die Waffen. Damit war der Bürgerkrieg nach vierjähriger Dauer beendet. Derselbe hatte etwa 500,000 Menschen hinweggerafft und der Union eine Schuldenlast von 3 Milliarden Dollar aufgebürdet; denn die Unionsarmee hatte am Ende des Krieges über eine Million Mann, die Flotte 671 Schiffe gezählt. Aber die Union war durch den Krieg nicht nur erhalten, sondern auch gekräftigt, der Zankapfel, die Sklaverei, beseitigt worden.
Die neueste Zeit
Mitten in der Siegesfreude ward Lincoln 14. April 1865 im Theater zu Washington von einem fanatischen Konföderierten, dem Schauspieler Booth, erschossen. Ihm folgte der Vizepräsident Andrew Johnson, ein früherer Demokrat. Derselbe hegte die durchaus richtige Absicht, den besiegten, durch den Krieg und die Aufhebung der Sklaverei wirtschaftlich ruinierten Süden durch Versöhnlichkeit und Milde zu beruhigen, und wollte alle Südstaaten, die ihren Sonderbestrebungen entsagten und die Aufhebung der Sklaverei anerkannten, als vollberechtigte Mitglieder wieder aufnehmen. Das war aber nicht im Sinne der herrschenden republikanischen Partei, die sich dem Präsidenten offen widersetzte. Der Kongreß beschloß, daß die Teilnehmer an der Rebellion von dem Stimmrecht ausgeschlossen werden sollten. Dagegen legte Johnson sein Veto ein und widersetzte sich auch dem weitern Beschluß, daß alle in den Vereinigten Staaten Gebornen, also auch die frühern Sklaven, das politische Stimmrecht erhalten sollten. Auch gegen die Rekonstruktionsbill von 1867, die den Süden in fünf Militärbezirke teilte und die Wiederaufnahme eines Staates von der Anerkennung voller Gleichberechtigung der Neger abhängig machte, legte Johnson sein Veto ein, und als das Gesetz dennoch rechtskräftig wurde, suchte er seine Ausführung auf alle Weise zu hindern. Schließlich unternahm er Agitationsreisen, um das Volk gegen den Kongreß aufzureizen, und führte einen so leidenschaftlichen, hartnäckigen Krieg gegen denselben, daß das Repräsentantenhaus 1868 gegen ihn die Anklage des Verfassungsbruches erhob. Da aber die nötige Zweidrittelmehrheit für die Verurteilung nicht zu erlangen war, mußte die Anklage fallen gelassen werden. Doch war Johnsons Rolle ausgespielt, und mit Hohn und Spott bedeckt verließ er 4. März 1869 das Weiße Haus in Washington.
Inzwischen hatten die meisten Südstaaten ihre Verfassungen den Beschlüssen des Kongresses gemäß umgestaltet und den Negern politische Gleichberechtigung eingeräumt, mit deren Hilfe sodann die Wahlen meist republikanisch ausfielen. Bei der Präsidentenwahl 1868 siegte die republikanische Partei glänzend, und der neue Präsident, Grant, der, 1872 wieder gewählt, 1869–77 die Regierung leitete, begann seine Amtsführung unter günstigen Auspizien. Handel und Gewerbe hatten einen mächtigen Aufschwung genommen; das Gebiet der Union vergrößerte sich durch die Staaten Nevada und Colorado und das Territorium Alaska, das von Rußland gekauft wurde. England mußte 1872 zur Entschädigung für die Verluste, welche die in seinen Häfen ausgerüsteten Kreuzer der amerikanischen Schiffahrt zugefügt hatten, 15 Mill. Doll. bezahlen (s. Alabamafrage). Indes im Süden ließ sich die herrschende Partei arge Ungerechtigkeiten zuschulden kommen. Das 15. Amendement zur Bundesverfassung vom 30. März 1870, das den 4 Mill. Negern das volle Stimmrecht gewährte, erregte im Süden große Unzufriedenheit. Die Behörden und Volksvertretungen der Südstaaten, aus habgierigen Abenteurern des Nordens (den sogen. carpet-baggers) und aus Farbigen zusammengesetzt, schalteten rücksichtslos mit den Staatseinkünften und unterdrückten jeden Widerstand. Als sich dagegen eine geheime Verschwörung unter den Weißen in Südcarolina bildete, der sogen. Kuklux-Clan (s. d.), wurde sie 1871 von den Bundesbehörden gewaltsam erstickt. Grant ließ die republikanische Partei ruhig gewähren und duldete es, daß die Mitglieder derselben ihre Herrschaft über die Union in immer frecherer Weise ausbeuteten und die Ämter nach Willkür an die strammen Anhänger der Partei (stalwarts) vergaben, die sich dann straflos Pflichtversäumnis, Bestechlichkeit und Unterschlagung erlauben durften. Alle Klagen und Anträge auf Untersuchung der Mißbräuche wurden im Kongreß begraben, und alle Versuche der Liberal-Reepublikaner oder der Reformpartei (mugwumps) unter Schurz, Trumbull, Sherman u. a., der Korruption ein Ende zu machen, blieben fruchtlos. Im Volke aber wuchs die Erbitterung gegen den »Grantismus« mehr und mehr, die Wahlen für den Kongreß fielen schon 1874 zu ungunsten der Republikaner aus. Grant durfte zwar noch die Weltausstellung in Philadelphia eröffnen und die Zentennialfeier der Union 4. Juli 1876 leiten, mußte aber auf eine zweite Wiederwahl verzichten. Dennoch behauptete sich die Partei noch weiter am Ruder. Obwohl im November 1876 der Republikaner Hayes in 18 Staaten 166, der Demokrat Tilden in 17 Staaten 184 Stimmen erhielt, erklärte der Wahlprüfungsausschuß durch mißbräuchliche Interpretation der Verfassung den erstern für gewählt.
Hayes trat 5. März sein Amt an mit einer Botschaft, in der er eine versöhnliche Politik und Abstellung der Mißbräuche versprach, konnte aber eine ernsthafte Umkehr nicht durchsetzen. Die Regierung hatte im Kongreß keine rechte Stütze, und Hayes mußte wiederholt von seinem Veto Gebrauch machen, um unzweckmäßige Gesetze zu verhindern. Wenn er auch die Einführung der Silberwährung zuzulassen nicht umhin konnte, so führte er doch die Wiederaufnahme der Bezahlung in Metall 1. Jan. 1879 und die Zinsreduktion der öffentlichen Schuld durch. Dabei wuchsen die Überschüsse der Einnahmen von Jahr zu Jahr. Bei der Präsidentenwahl 1880 siegte der gemäßigte Republikaner Garfield, dem der Stalwart Arthur als Vizepräsident zur Seite gestellt wurde. Das von Garfield 4. März 1881 ernannte Ministerium setzte die Zinsreduktion und Abzahlung der Staatsschuld energisch fort und begann auch gegen die Korruption in der Verwaltung einzuschreiten. Aber schon 2. Juli wurde Garfield in Washington von einem abgewiesenen Stellenjäger schwer verwundet und starb 19. Sept. Nun wurde Arthur Präsident, der selbst früher an der Korruption der Republikaner stark beteiligt gewesen war, und das alte Unwesen kehrte kaum verhüllt wieder ein. Wenn auch Arthur die Korruption nicht offen begünstigte und mehrere Bills des Kongresses, die über die Überschüsse der Einnahmen allzu verschwenderisch verfügten, mit dem Veto belegte, so konnte er doch nicht hindern, daß die Republikaner das 1879 erlassene Pensionsgesetz für die Veteranen in gewissenlosester Weise ausbeuteten und für ein Jahr 100 Mill. an Pensionen bewilligten; auch für öffentliche Bauten wurden zugunsten einiger Parteihäupter sehr bedeutende Summen hergegeben. Der Sieg der Demokraten bei den Kongreßwahlen 1882 veranlaßte die Republikaner, 1883 einer Reform des Zivildienstes zuzustimmen, die der Korruption steuern sollte, und ein Tarifgesetz anzunehmen, das einige Zölle herabsetzte, damit die übermäßigen Überschüsse sich minderten; denn die Staatsschuld, die am 1. Nov. 1883 auf 1312 Mill. gesunken war, konnte nicht ganz abgezahlt werden, da ein Teil der Bonds erst 1892, ein andrer erst 1907 kündbar war. Dennoch siegte bei der Präsidentenwahl 1884 die demokratische Partei mit Hilfe der Reformpartei.
Der neue Präsident Cleveland umgab sich mit einem gemäßigten Ministerium und regierte versöhnlich; er beließ die meisten republikanischen Beamten in ihren Stellen und gestattete seiner Partei durchaus keine Ausbeutung ihrer Herrschaft. Er strebte vor allem nach einer Umgestaltung der Zollgesetzgebung, um eine größere Freiheit in Handel und Verkehr zu ermöglichen und die Einnahmen zu vermindern; denn noch immer häuften sich die Überschüsse im Staatsschatz in bedenklicher Weise. Aber er vermochte sein Ziel nicht zu erreichen. 1888 ließ er sich mit dem Programm der Tarifreform von neuem als Präsidentschaftskandidat aufstellen. Doch siegte der republikanische Kandidat Harrison, ein Sohn des frühern Präsidenten, der Blaine zum Staatssekretär ernannte und 1889 den Zusammentritt eines »panamerikanischen Kongresses« in Washington veranlaßte. der die »drei Amerikas« in eine Handelsunion zusammenfassen sollte, mit dem Hintergedanken, den Vereinigten Staaten den Markt in Mittel- und Südamerika zu gewinnen; doch hatte der Kongreß kein nennenswertes Ergebnis. Dagegen suchte die republikanische Partei durch die sogen. Mac Kinley-Bill, die am 6. Okt. 1890 ins Leben trat und die Zölle auf ausländische Waren bedeutend erhöhte, die europäische Einfuhr zu vermindern. Da die Bill aber für die Masse des Volkes die verheißenen Folgen nicht hatte, sondern vorwiegend der Plutokratie zugute kam, so wurde Harrison nicht zum zweitenmal zum Präsidenten gewählt, sondern Cleveland zog 4. März 1893 wieder in das Weiße Haus ein. Dieser eröffnete 1. Mai die »Columbische Weltausstellung« in Chicago. Das glänzende Bild, das sie von der Entwickelung der amerikanischen Industrie gab, konnte doch die üble Finanzlage der Union nicht verdecken. Die verschwenderische Finanzpolitik des Kongresses. besonders die großen Silberankäufe, die das stetige Sinken des Silverpreises hemmen sollten, ferner die Verminderung der Zolleinnahmen hatten die Überschüsse im Budget für 1893 auf 2 Mill. vermindert, und das für 1894 w. es ein Defizit von 70 Mill. auf. Cleveland berief daher 7. Aug. den Kongreß zu einer außerordentlichen Sitzung und erlangte von ihm 1. Nov. die Einstellung der Silberkäufe. Dazu kam eine schwere Handelskrisis, die zahlreiche Banken und Eisenbahngesellschaften zu Fall brachte. Die Folgen waren Arbeitslosigkeit und Ausstände, bisweilen von großem Umfang, sowie Unruhen, die gelegentlich die Regierung zur Verhängung des Belagerungszustandes zwangen. Erst die Ermäßigung der Mac Kinley Bill, welche die demokratische Partei nach langen Kämpfen 28. Aug. 1894 durchsetzte, und die Hebung der geschäftlichen Lage besserten auch die Finanzlage der Union, für die der Präsident gleichzeitig durch eine Bankreform und Erhöhung der Goldreserve des Schatzes zu wirken suchte. Doch verhielt sich die eigne Partei der Regierung, die Demokraten, gegen die meisten dieser Vorschläge ablehnend. Auch Cleveland suchte den Einfluß der Union in Amerika zu verstärken, indem er die Kriegsflotte vermehrte, den Bau des Nicaraguakanals förderte und 1895 aus Anlaß eines Grenzstreites zwischen Venezuela und Britisch-Guayana auf Grund der Monroe-Doktrin gegen jede Gebietsvergrößerung eines europäischen Staates in Amerika Einspruch erhob; dagegen weigerte er sich, die Aufständischen in Cuba als kriegführende Partei anzuerkennen oder gar die Insel unter den Schutz der Union zu nehmen, wie viele verlangten. Die republikanische Partei stellte 1896 für die Präsidentenwahl ein Programm auf, das nach außen eine tatkräftige Politik, im Innern Wiederherstellung des Schutzzolles und der Gutgeldwährung forderte. Die demokratische Partei dagegen erklärte sich für die Silberwährung und führte damit im eignen Lager eine Spaltung herbei. Das Ergebnis war ein glänzender Sieg Mac Kinleys über Bryan, der mit 176 gegen 271 Stimmen unterlag.
Mac Kinley eröffnete seine Präsidentschaft mit dem Erlaß eines neuen Schutzzollgesetzes. Gleichzeitig aber schloß er sich offen derjenigen Partei an, die eine Ausdehnungspolitik der Union befürwortete. 1898 wurden die Hawaï-Inseln (s. d.) in die Union aufgenommen, und gleichzeitig ging die Politik derselben offen darauf aus, den cubanischen Aufstand zu benutzen, um die Spanier von der Insel zu verdrängen. Da der Aufstand vorwiegend mit nordamerikanischem Gelde geführt wurde, hatte eigentlich die Union am wenigsten das Recht, an die spanische Regierung Forderungen zu stellen. Trotzdem verlangte sie erst die Abberufung Weylers. dann die Autonomie der Insel, und als Spanien beides, wenn auch aus eigner Initiative, anordnete, entsandte die Regierung ein Kriegsschiff nach Havana, das, um die Volksstimmung zu erregen, insgeheim 15. Febr. 1898 in die Luft gesprengt wurde, während sie öffentlich Spanien dafür verantwortlich machte. Auf diese Weise wurde der von der Finanzspekulation geforderte Krieg mit Spanien (s. d., S. 671 f.) herbeigeführt, als dessen Früchte die Union Porto Rico und die Philippinen einstrich, während Cuba vorläufig unter amerikanischem Protektorat eine Scheinselbständigkeit weiterführen darf. Damit ist die Union tatsächlich ihren überlieferten Prinzipien untreu geworden und ist in die Reihe der Großmächte eingetreten, die in allen Fragen der internationalen Politik ein Wort mitzureden beanspruchen. Verfassungsrechtlich dokumentiert sich die Wandlung darin, daß Porto Rico und die Philippinen nicht in die Union aufgenommen, sondern als Kolonien verwaltet wurden. In bezug auf die Philippinen fand dies Vorgehen auch im eignen Lande scharfe Kritik, als sich die Notwendigkeit herausstellte, die Eingebornen, mit denen man zur Vertreibung der Spanier ein Bündnis geschlossen hatte, in einem langwierigen Kriege zur Anerkennung der amerikanischen Herrschaft zu zwingen. Die Opposition gegen den Imperialismus geht aber von Jahr zu Jahr zurück. Amerika erkennt die Notwendigkeit an, sein Heer und besonders seine Flotte den neu übernommenen Aufgaben entsprechend auszubilden, und es sucht Gelegenheit, sich immer mehr nach außen zur Geltung zu bringen. Mit solchen Erfolgen wurde es Mac Kinley nicht schwer, seine Wiederwahl durchzusetzen. Der Reformpartei, die seine Gefügigkeit gegenüber der Geldaristokratie und den Trusts mißbilligte, machte die republikanische Partei geschickt die Konzession, daß sie Roosevelt als Vizepräsidenten aufstellte, der als Vorkämpfer einer ehrlichen Verwaltung und als Gegner der Trusts bekannt war, und da die Demokraten wiederum nur Bryan dagegen ins Feld schicken konnten, so unterlagen sie 1900 abermals. Eine unerwartete Wendung nahm der Lauf der Dinge aber dadurch, daß Mac Kinley bereits 14. Sept. 1901 einem Attentate zum Opfer fiel, so daß Roosevelt an seine Stelle trat. Von dessen Reformbestrebungen im Innern, so ehrlich sie auch sein mögen, sind größere Erfolge noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Dagegen setzte er entschlossen die imperialistische Politik der Union fort. Er brachte die Unterwerfung der Philippinen fast zum Abschluß, setzte es durch, daß die Union den Panamakanal auszubauen übernahm, und ließ dazu auf dem Isthmus die unabhängige Republik Panama (s. d.) als jüngsten Schutzstaat der Union entstehen. Vor allem aber sicherte er der Union in den Angelegenheiten des fernen Ostens durch energisches Eingreifen in die internationalen Verwickelungen eine Stellung, die ihr fast eine führende Rolle zufallen läßt. Das Volk erklärte sich durch seine Wiederwahl für 1905–09 mit seiner Politik in seltener Einmütigkeit einverstanden. Und indem Roosevelt die Friedensvermittelung in dem Kriege zwischen Japan und Rußland einleitete, brachte er die veränderte internationale Stellung der Vereinigten Staaten glänzend zum Ausdruck.
[Geschichtsliteratur.] Vgl. die »History of the United States« von G. Bancroft (s. d. 1); Neumann, Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika (Berl. 1863–66, 3 Bde.); Laboulaye, Histoire politique des Etats-Unis (6. Aufl., Par. 1876, 6 Bde.; deutsch, Heidelb. 1870, 3 Bde.); H. Adams, History of the U. S., 1801–1817 (New York 1889–91, 9 Bde.); Schouler, History of the U. S. of America under the constitution (neue Ausg., das. 1904, 6 Bde.); Hopp. Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika (Leipz. 1884–86, 3 Bde.) und Bundesstaat und Bundeskrieg in Nordamerika (Berl. 1886); Channing, The U. S. of America 1765–1865 (New York 1896); Morris, A new history of the U. S.: the greater republic (Philad. 1899); Hötzsch, Die Vereinigten Staaten von Nordamerika (Bielef. 1903); Sparks, U. S. of America (New York 1905, 2 Bde.); Chancellor und Hewes, The U S., 1667 to 1904 (das. 1904 ff., 10 Bde.); ferner: Fisher, The colonial era (New York 1892); A. Brown, The genesis of the U. S. (Boston 1890, 2 Bde.); E. Schmidt, Vorgeschichte Nordamerikas im Gebiete der Vereinigten Staaten (Braunschw. 1894); Winsor, The struggle in America between England and France (Boston 1895); Sparks, Diplomatic correspondence of the American revolution (das. 1829–31, 12 Bde.); Fiske, The Americanrevolution (das. 1891, 2 Bde.); »Journals of the continental congress 1774–1789« (Wash. 1904 ff., bis jetzt 7 Bde.); Michael, The declaration of independence (das. 1904); Trevelyan, American Revolution (Lond. 1899–1907, 3 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1903); Pfister, Die amerikanische Revolution 1775–1783 (Stuttg. 1904, 2 Bde.); Me. Master, History of the people of the U. S. from the revolution to the civil war (New York 1892–1906, 6 Bde.); Rhodes, History of the U. S. from the compromise of 1850 (das. 1893–1906, 7 Bde.); Andrews, The U. S. in our own time (das. 1904); Kapp, Geschichte der deutschen Einwanderung in Amerika (Bd. 1, Leipz. 1868); Moore, The American Congress, 1774–1895 (Lond. 1895); v. Holst, Verfassung und Demokratie der Vereinigten Staaten (Bd. 1, Düsseld. 1873; Bd. 2 bis 4, Berl. 1878–91); Körner, Das deutsche Element in den Vereinigten Staaten von Amerika 1818 bis 1848 (Cincinnati 1880); Blankenburg, Die innern Kämpfe der nordamerikanischen Union bis 1868 (Leipz. 1869); Wirth, Das Wachstum der Vereinigten Staaten von Amerika und ihre auswärtige Politik (Bonn 1899); Thorpe, Constitutional history of the American people (New York 1898, 3 Bde.); Stanwood, History of the presidency (Boston 1898); Watson, History of American coinage (New York 1899); Mahan, The interest of America in sea power (Washingt. 1897); Weiteres über die Flotte s. oben. S. 60. Die Geschichte des mexikanischen Krieges behandelten Ripley (New York 1849, 2 Bde.), Jenkins (das. 1848), Mansfield (das. 1848), Wilcox (Washingt. 1892) u. a.; die Geschichte des Bürgerkrieges schrieben: Sander (Frankf. 1865; 2. Aufl. umgearbeitet von Mangold, 1876, nur Bd. 1), Scheibert (Berl. 1874), die Amerikaner J. W. Draper (deutsch, Leipz. 1877, 3 Bde.) und Ropes (New York 1894–99, Bd. 1 u. 2), Ludwig Philipp, Graf von Paris (Par. 1875–88, 7 Bde.) u. a. Vgl. dazu Wilson und Coan, Personal recollections of the war of the rebellion (New York 1891); Bandelier, History of the southern portion of the Ii. S. (Cambridge 1891). Sammelwerke: Sparks, Library of American biography (New York 1834–48, 25 Bde.); Appletons »Cyclopaedia of American biography« (das. 1887–89, 6 Bde.; Bd. 7, 1900); »National cyclopaedia of American biography« (das. 1892–1904, 12 Bde.); Harpers »Encyclopaedia of U. S. history« (das. 1901, 10 Bde.). Vgl. Larned, Guide to the literature of American history (Boston 1902).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.