- Griechenland [1]
Griechenland (Alt-Griechenland, hierzu die Karte »Alt-Griechenland«, mit Registerblatt), die europäische Halbinsel, die im N. von Mazedonien und Illyrien, im O. und SO. vom Ägäischen und Myrtoischen, im W. und SW. vom Ionischen Meer umgeben ist, und deren größte Länge von N. nach S., von der mazedonischen Grenze bis zum Tänarischen Vorgebirge (Kap Matapan), 420 km beträgt, während die Breite zwischen 240 und 100 km wechselt, ja beim Korinthischen Isthmus auf 6 km herabsinkt. Der Flächenraum der Halbinsel umfaßt nach der alten, unbestimmten Begrenzung etwa 88,000 qkm. Das Ganze zerfiel in drei Hauptteile: das nördliche G. oder Epirus und Thessalien, welche die kompakteste Masse Landes bilden; Mittelgriechenland, nach römischem Sprachgebrauch vorzugsweise Hellas genannt, und der Peloponnes, die südliche Halbinsel, die nur durch den schmalen Korinthischen Isthmus mit Mittelgriechenland zusammenhängt. Dazu kommen zahlreiche Inseln, die G. auf allen Seiten, besonders aber im O. umgeben. Die Griechen selbst nannten sich Hellenen und ihr Land Hellas, ursprünglich der Name eines später verschollenen Gebiets im südlichen Thessalien, später mehr ethnographische als geographische Bezeichnung für alle Länder griechischer Zunge in G. selbst, Italien, Asien und Afrika. Die Benennung Graekoi (Graeci), welche die Romer in Unteritalien vorfanden und annahmen, und woraus das heutige »Griechen« entstand, ist wahrscheinlich die illyrische Bezeichnung für die Hellenen.
Physische Verhältnisse.
[Bodengestaltung.] G. zeigt die größte Entwickelung und Gliederung von Land und Meer; es übertrifft darin ebensosehr alle andern großen Halbinseln Europas, wie dieses die andern Kontinente. Diese Auflösung des Festlandes und gegenseitige Durchdringung von Land und Meer nimmt mit wachsender südlicher Breite zu und ist auf der Ostküste ausgeprägter als im W. Diese schon von Eratosthenes gerühmte Vielgestaltigkeit Griechenlands kehrt in den Richtungen der Gebirge wieder. Während in Kleinasien und Spanien die ostwestliche, in Italien die nordsüdliche die ausschließlich herrschende ist, ziehen hier die Kalkgebirge Illyriens von NW. nach SO., die Pindoskette von N. nach S., der Othrys, die Gebirge Mittelgriechenlands und Achaias von O. nach W. Ganz Epirus ist vorherrschend ein Bergland von geringer durchschnittlicher Erhebung und mit kleinen, vorgelagerten Küstenebenen. Gegen S. schließt sich mittels des Boion, zwischen 39° und 40° nördl. Br., der Pindos (s. d.) an, ein System mehrerer Ketten, heute ohne gemeinsamen Namen, wesentlich aus Kreide- und Tertiärkalk bestehend, von rauher Natur, bis 2168 m ansteigend. Epirus wird von einer Anzahl dem Boion und Pindos parallel streichender Ketten durchzogen, deren höchste das Keraunische Gebirge unmittelbar am Adriatischen Meer (2045 m) ist. Eine ganz andre Form haben wir östlich vom Pindossystem: plutonische Gesteine, Schiefer, Granit und Gneis. Dort liegen dem Pindos parallel die höchsten Erhebungen der ganzen Halbinsel, aber in kleine Gruppen zusammengedrängt und von tiefen Einsenkungen und Spalten unterbrochen. Zuerst der Olympos (s. d.; jetzt Elymbos), 2973 m hoch. Gegen N. trennt ihn ein nur 1560 m ansteigender Sattel, in der alten Kriegsgeschichte als Paß von Petra bekannt, vom Pieros (jetzt Flamburo, 1878 m), der durch die niedrigen, in ihren Pässen nur 820 m hohen Kambunischen Berge mit dem Pindos zusammenhängt. Es ergibt sich daraus, daß weder in Epirus noch in Thessalien von einer natürlichen gebirgigen Nordgrenze Griechenlands die Rede sein kann. Gegen S. trennt den Olympos vom Bergkegel des Ossa (s. d.; heute Kissavos, 1953 m) das tief eingeschnittene, durch seine Naturschönheit berühmte Tal Tempe (s. d.). Südlich vom Ossa erhebt sich der 1618 m hohe, waldreiche Pelion (s. d.; heute Plessidi). Südwestlich von ihm steigt der Othrys (s. d.; jetzt ohne Gesamtnamen) im heutigen Gerokovuni bis 1726 m an und bildet die Wasserscheide zwischen den Stromgebieten des Peneios und Spercheios. So ist das vom Peneios durchströmte Thessalien ein rings von Bergen umschlossenes Talbecken, das durch eine von SW. nach NO. ziehende Kette wieder in zwei getrennte Kessel zerfällt: einen obern, wo Pharsalos und Trikka lagen, und einen untern, wo Larissa die größte Stadt war. Die Gebirge Euböas und der Kykladen, wie Andros, Tenos, Mykonos, sind als Fortsetzung der Olymposerhebung anzusehen. An den Pindos schließt sich gegen S. ein sehr rauhes und wildes Bergland, das von den Dolopern, Ätoliern und Ötäern bewohnt war. Dort steigt in zwei Absätzen der Tymphrestos (Beluchi) bis 2319 m empor, ferner der Öta (s. d.; heute Katavothra), 2158 m hoch, dann der ätolische Korax (Bardusia, 2352 m) und eine große Zahl von Gipfeln, deren alte Namen uns nicht überliefert sind. Westlich davon liegen die fast selbständigen Gruppen des Arokynthos (Zygos, 955 m), der das atolische Seebecken von der Küstenebene trennt, und jenseit des Acheloos die Berge des nördlichen Akarnanien (bis 1581 m hoch). Die Fortsetzung des Öta bilden gegen W. der Kallidromos (Saromata, 1374 m), dessen nördischer Abfall mit dem Malischen Meerbusen den berühmten Engpaß der Thermopylen gebildet hat (jetzt durch die Anschwemmungen des Spercheios verschwunden), und der Knemis (s. d.; Spartia, 930 m), welche beiden Gebirge mit dem Parnassos und Helikon die zwischen Phokis und Böotien geteilte Ebene des Kephisos einschließen. Der Parnossos (s. d.; jetzt Liakura) steigt im Lykorea (noch heute Liakura) bis 2459 m, der Musenberg Helikon (s. d.; Paläo-Buno) bis 1749 m an. Eine tiefe Einsenkung trennt letztern vom westöstlich ziehenden Kithäron (s. d.; Elateas, 1410 m) und seiner Fortsetzung, dem einst wildreichen Parnes (s. d.; Ozea, 1413 m), mit dem der marmorberühmte Brilessos oder Pentelikon (s. d.; Mendeli, 1108 m) nur schwachen Zusammenhang hat. Abgesondert davon erhebt sich südwestlich von Athen der kräuter- und honigreiche Hymettos (s. d.; Trelovuni, 1027 m), das Lauriongebirge (s. d.; 259 m), an der Südspitze Attikas, wie auch die Geranischen Berge (Makryplagi, 1370 m) auf der politischen Grenze zwischen Megara und Korinth. Gegen S. folgt die tiefe Senkung des Isthmus von Korinth, in der Mitte 79 m hoch, 6 km breit, über den auf einer breiten Fahrbahn (Diolkos) Waren und selbst kleinere Schiffe gezogen wurden. – Den Peloponnes durchziehen drei parallele Gebirgsketten ungefähr von N. nach S., nördlich davon eine in ostwestlicher Richtung. Die Mitte der Halbinsel nimmt das Hochland Arkadien ein, abgeschö ossen in sich und gegen außen, die natürliche Festung des Peloponnes. Am meisten ragen seine Grenzgebirge im N. auf, wo der Kyllene (s. d., Zyria) 2374 m Höhe erreicht. An ihn schließen sich, durch Einschnitte voneinander getrennt, westlich das Aroanische Gebirge (Chelmos, 2355 m) und der Erymanthos (s. d.; Olonos, 2224 m); gegen O. die Berge von Sikyon, Korinth (Akrokorinthos, 575 m hoch) und der Argolischen Halbinsel, wie der Arachnäos (Hag. Ilias, 1199 m), der Koryphäos (671 m), der Thornax (340 m) u. a. Dem Erymanthos ist nördlich der Panachaikos (Voidias, 1927 m) vorgelagert. Die östliche Kette Arkadiens ist weniger hoch (1200–1600 m), mit niedrigen Pässen, weshalb hier der Verkehr stärker war und ist als im N. In der südlichen Fortsetzung dieser Kette liegt der Parnon (s. d.; Malevos, 1957 m). Gegen W., wo die gesamten Gewässer des Landes, zum Alpheios vereinigt, in einem schluchtartigen Tal durchbrechen, ist Arkadien am leichtesten zugänglich. Dort schließen sich an den Erymanthos im S. das Pholoëgebirge (s. d.), das sich plateauartig nach Elis hineinzieht, und jenseit des Alpheiostals die Grenzgebirge zwischen Elis, Arkadien und Messenien: Minthe (Alvena, 1222 m), Kotylion (1346 m), Lykäos (Diaphorti, 1420 m) etc. Das so umschlossene Arkadien ist aber keineswegs eine zusammenhängende Hochebene, sondern abwechselnd Berg- und Talland; so erhebt sich ziemlich in seiner Mitte der 1981 m hohe Mänalos (s. d., Hag. Ilias), während eine Anzahl fruchtbarer Ebenen, wie die von Tegea, Mantineia, Orchomenos, Megalopolis, im Altertum ebenso viele politische Einheiten bildeten. Die Messenischen Gerge (bis 1220 m) liegen abgesondert im SO. (unter ihnen ist lediglich der Fels Ithome, 802 m, berühmt); dagegen bildet der mächtige Taygeton (s. d.; Pentedaktylon, 2409 m), Grenzscheide zwischen Lakonien und Messenien, die südliche Fortsetzung des arkadischen Hochlandes. – Über die geologische Beschaffenheit und das Klima vgl. Griechenland (Neugriechenland), S. 304 f.
[Gewässer.] Die Flüsse Griechenlands können wegen seiner Bodengestaltung nur von geringer Bedeutung sein. Die meisten haben nur einen kurzen Lauf und starken Fall und sind nicht schiffbar; viele vertrocknen im Sommer und erscheinen nur im Winter als reißende Gleichäche. Nur in seinem Oberlauf gehört der epirotische Aoos (Viosa, s. d.) G. an; gerade entgegengesetzt strömt der Arachthos (Arta), nahe dem vorigen entspringend und in den Ambralischen Meerbusen mündend. Zwischen beiden münden der Thyamis (Kalamas) und der Acheron (s. d.). Vom Pindos kommt der bedeutendste Fluß Griechenlands, der Acheloos (s. d.; Megdova und Unterlauf des Aspropotamos) mit seinem Nebenfluß Inachos (dem Oberlauf des Aspropotamos), beide in der Geschichte wenig bedeutend. Auf der Ostseite des Pindos hat der Peneios (jetzt Salamvrias, s. d.) seinen Ursprung. Er durchströmt im Bogen Thessalien, bis er sich durch das Tempetal in das Ägäische Meer ergießt. Unter seinen zahlreichen Nebenflüssen sind der Enipeus (Tsanarli) und der Europos (Xeragis) die bedeutendsten. Vom Thymphrestos fließt nach O. der Spercheios (Hellada, s. d.) dem Malischen Meerbusen zu. Der Hauptfluß Böotiens, der Kephisos (s. d.; Mavronero), hat seine Quellen am Öta und Parnassos, durchfließt den Sumpfsee Kopaïs (Topolias), der im Sommer fast ganz trocken lag und reiche Ernten trug, und ergießt sich nach zweistündigem unterirdischen Lauf in das Euböische Meer. Unweit der Grenze von Attika fließt der Asopos (s. d.; Buriendi). Die Ebene zwischen Hymettos und Parues, auf der Athen liegt, wird von den Bächen Kephisos (s. d.; Podoniphti) und Ilissos (s. d.) durchschnitten. Unter den Flüssen des Peloponnes hatte das größte Flußgebiet der Alpheios (s. d.; Ruphias). Nicht weit von seinen Quellen befinden sich auch die des Eurotas (s. d.; Iri), des Hauptflusses von Lakonien. Der Hauptfluß Messeniens ist der wasserreiche und breite Pamisos (jetzt Pirnatsa, s. d.), der in den Messenischen Golf mündet Der Nordrand des Peloponnes ist von vielen kleinen Küstenflüssen bewässert, die im Sommer meist versiegen. Ein Nebenfluß des Krathis (Akrata) ist der Styx (jetzt Mavronero), der bei Nonakris von einer hohen Felswand des Aroanischen Gebirges herabstürzt, und dessen Wasser für tödlich galt. Die Landschaft Argolis ist wasserarm; von ihren Gebirgs- und Waldbächen ist der bekannteste der Inachos (Panitsa) bei der Stadt Argos.
[Küstengliederung.] Im O. Griechenlands breitet sich das große Beckett des Ägäischen Meeres (Archipelagos) aus, dessen Gestade, Halbinseln und Inseln fast insgesamt von Griechen besetzt waren und es noch sind. Nur an seiner Nordküste und im äußersten Südosten saßen nichtgriechische Völkerschaften, dort Thraker, hier Karer. Es ist recht eigentlich ein griechisches Meer; es trennt nicht die Stammesgenossen hüben und drüben, sondern vereint sie vielmehr und leitete einst naturgemäß die Hellenen an die Westküste Kleinasiens. Denn nirgends gibt es einen Punkt auf diesem Meer, wo man das Land ganz aus den Augen verlöre; stets lockte eine neue Insel, ein neues Vorgebirge zu weiterm Vordringen. Einzelne Teile desselben trugen besondere Namen, wie der Pagasäische Meerbusen (Golf von Volos), den die Sage zum Ausgangspunkt des Argonautenzugs macht, zwischen der Halbinsel Magnesia und dem Festland von Thessalien; der Malische Busen (Golf von Zituni); der Euböische Busen zwischen Euböa und der lokrischböotischen Küste (heute Golf von Atalanti); der Euripos (s. d.), des vorigen schmälste und darum überbrückte Stelle bei der Stadt Chalkis. über die Insel Euböa selbst s. Euböa. Das Meer südlich von letzterer Insel und Attika hieß das Myrtoische Meer. Vom Kap Sunion westwärts begann der Saronische Meerbusen (Golf von Ägina), der wiederum mehrere kleinere Golfe, den Eleusinischen, Salaminischen und Epidaurischen, bildet. Die Küsten dieses Busens sind reich an Hafenplätzen, unter denen vor allen der Hafen von Athen, der Piräeus, und neben ihm die jetzt versandeten Buchten von Phaleron und Munychia zu nennen sind. Unter seinen Inseln sind Ägina, durch Handel in alter Zeit blühend, das schlachten berühmte Salamis und das felsige Kalauria (Poros) mit seinem Poseidontempel die bedeutendsten. Zwischen Argolis und Lakonien liegt der Argolische Busen (Golf von Nauplia). Der Teil des Ägäischen Meeres unmittelbar nördlich von der größten aller griechischen Inseln, Kreta, trägt von derselben den Namen. Nördlich davon liegen die beiden großen Inselgruppen des Ägäischen Meeres, deren eine die Alten Kykladen (s. d.), weil sie nach ihrer Ansicht im Kreis um die Insel Delos herumliegen, die andre aber Sporaden (s. d.) nannten; diese letztern rechnet man meist zu Asien. Auf der Südseite des Peloponnes befinden sich zwei große Meerbusen, der Lakonische und der Messenische. Zu ersterm gelangt man von O. her um das gefährliche Vorgebirge Malea. An Häfen ist die Südseite Lakoniens und Messeniens arm; auch Inseln finden sich an ihr wenig. Die größte und wichtigste ist Kythera (Cerigo), Malea gegenüber. Das Kap Tänaron (Matapan), die südliche Grenze zwischen dem Lakonischen und Messenischen Busen, trug einen berühmten Poseidontempel. Die südwestliche Grenze des Messenischen Golfs (Busen von Kalamata) bezeichnet das Vorgebirge Akritas (Kap Gallo). Die Westseite des Peloponnes wird vom Ionischen Meer bespült, dessen Südhälfte auch als Sizilisches Meer bezeichnet wurde. Hier stoßen wir zunächst auf Pylos (Navarino), mit einem geräumigen Hafen, dessen Eingang durch die schmale, in der Geschichte des Peloponnesischen Krieges berühmte Insel Sphakteria gedeckt wird. Der flach gewölbte Kyparissische Meerbusen (Golf von Arkadia) erstreckt sich bis an das Vorgebirge Ichthys (Katakolon) im Gebiet von Elis und ist ohne sichere Anfahrt für Schiffe. Nördlich folgt der Busen von Chelonatas (Busen von Gastuni) bis zu dem gleichnamigen Gebirge; ihm gegenüber liegt das fruchtreiche Zakynthos (ital. Zante). Von den Vorgebirgen Chelonatas und Araxos (jetzt Kalogria), der nordwestlichen Ecke des Peloponnes, wird der Kyllenische Busen umschlossen; östlich vom Kap Araxos folgt der Golf von Paträ (Patras), den im N. die ätolische Küste, im O. die nur 2,5 km breite Meerenge zwischen den Vorgebirgen Rhion und Antirrhion (Kleine Dardanellen, s. d.) begrenzen. Östlich von jener Meerenge beginnt der Korinthische Busen, dessen beste Häfen auf der Nordküste liegen, Naupaktos in Lokris (Lepanto), Öanthia am Eingang des Krissäischen Golfs (Busen von Galaxidi), Kirrha und Antikyra (Aspraspitia). Der Busen zwischen der megarischen und böotischen Küste hieß das Halkyonische Meer. Von vorzüglicher Wichtigkeit für den alten Handel war der zu Korinth gehörige Hafen Lechäon am Isthmus, dagegen hatte die achäische Küste des Busens nur unbedeutende Ankerplätze. Vor dem Busen von Paträ liegen mehrere große Inseln, die zu der jetzt sogen. Ionischen Inselgruppe gehören: Kephallenia, Ithaka (Thiaki) und nördlich von diesem Leukas (s. d.; Santa Maura), das im Laufe der Geschichte abwechselnd Insel und Halbinsel gewesen ist. Den Eingang zum Busen von Ambrakia (Golf von Arta), der sich zwischen Epirus und Akarnanien eindrängt, bilden zwei Landspitzen, deren südliche, Aktion genannt, durch den Sieg des Augustus über Antonius und Kleopatra 31 v. Chr. berühmt ist. Nördlicher liegt die Königin dieser Inselgruppe und des Ionischen Meeres, Kerkyra (Korfu), bei Homer der Sitz der Phäaken. Als Nordmark des hellenischen Küstenlandes galt das Vorgebirge Akrokeraunion (Linguetta), zugleich die Grenzscheide zwischen dem Ionischen und Adriatischen Meer.
Die einzelnen Landesteile.
Nordgriechenland umfaßte die beiden Landschaften Epirus und Thessalien. Mit dem Namen Epirus (s. d.) bezeichneten seit alten Zeiten die Bewohner der westlichsten griechischen Inseln die ihnen gegenüberliegende Küste des Festlandes; später wurde der Name auf die Landschaft beschränkt, die durch den Aoos, den Pindosrücken, den Ambrakischen Golf und das Ionische Meer begrenzt wurde. Das Land war, wie auch heute noch, nur ein halbgriechisches: es war den eindringenden Hellenen nicht gelungen, die vor ihnen dort sitzenden Illyrier gänzlich auszutreiben. Östlich vom Pindos bis zum Ägäischen Meer breitet sich Thessalien (s. d.) aus, von den Kambunischen Bergen, dem Pindos, Othrys, Pelion und Ossa begrenzt, ein meist von hohen Rändern umschlossenes Talbecken. Wie Namen und Sagen beweisen, hatten einst Pelasger die fruchtbare Ebene inne; ihnen folgten Hellenen, bis 60 Jahre nach der Zerstörung Trojas die Thessalier eindrangen und so den Anstoß zur Dorischen Wanderung gaben. Von S. und besonders von N. her war der Zugang zu Thessalien leicht, während über den Pindos im W. nur zwei beschwerliche Wege nach Epirus führten. Ein besonderes, von den Thessaliern nicht unterworfenes Gebiet war die Halbinsel Magnesia, die den Pagasäischen Busen vom Ägäischen Meer trennt.
Mittelgriechenland, im W. vom Ambrakischen Busen und vom Ionischen Meer, im O. vom Malischen Golf und vom-Euböischen Meer, im N. vom Thymphrestos und Öta, im S. vom Korinthischen und Saronischen Busen begrenzt, zerfiel in neun Landschaften, die, von W. nach O. gerechnet, die Namen: Akarnanien, Ätolien, das Ozolische Lokris, Doris, Phokis, das Epiknemidisch-Opuntische Lokris, Böotien, Attika und Megaris trugen. Die ersten drei blieben nicht ganz frei von barbarischem Einfluß, und nur in den übrigen, östlich vom Parnaß, war das hellenische Element ganz rein. Akarnanien wurde im O. vom fruchtbaren Tal des Acheloos, sonst vom Meer und dem Ambrakischen Golf begrenzt; in der Geschichte erscheint es erst seit dem Peloponnesischen Krieg. Ätolien lag zwischen Akarnanien, dem Ozolischen Lokris und dem Golf von Paträ, im N. an die Gebiete der Doloper und Änianen anstoßend, nur im S. eben, politisch zerrissen, bis sich 280 v. Chr. zur Abwehr gegen die Gallier der Ätolische Bund bildete. Das Ozolische Lokris, am Korinthischen Busen, ist rauh und gebirgig; seine Einwohner waren ursprünglich illyrischen Stammes. Doris galt den Spartanern als ihr Mutterland, war aber sehr unbedeutend. Phokis, zwischen Lokris, Doris, Böotien und dem Korinthischen Busen, ist im N. eben (Tal des Kephisos), im S. sehr gebirgig (Parnassos). Lokris hieß der historisch unbedeutende Küstenrand des Malischen und Euböischen Meerbusens, dessen West hälfte das Epiknemidische, dessen Osthälfte das Opuntische Lokris hieß. Böotien umfaßte die untere Hälfte des Kephisosgebietes und das des Asopos und ist ein sehr wasserreiches und fruchtbares Land. Der Norden und Süden enthalten ebenes Land, der Osten und Westen Gebirge. Attika ist die Halbinsel, die sich vom Kithäron und Parnes aus weit ins Myrtoische Meer hinein erstreckt. Der größere Teil des Landes ist gebirgig; die Berge, obwohl nicht hoch, zeigen die malerischsten Formen. Flachland hat Attika in der Gegend von Eleusis, die Thriasische Ebene, dann um Athen, die Pedias, und zwischen dem Hymettos und der Ostküste, die Mesogäa. Megaris endlich, ein Ländchen zwischen dem Saronischen Busen und dem Halkyonischen Meer, bildet den Übergang vom mittlern G. zum Peloponnes.
Der Peloponnes (seit dem Mittelalter Morea genannt) war in neun Landschaften geteilt: Korinth, Sikyon, Phlius, Achaia im N.; Arkadien in der Mitte; Argolis und Lakonien im O.; Messenien und Elis im W. Korinth umfaßte alles Land bis zu den Pässen des Geraniagebirges im N. und zu denen der argolischen Gebirge im S. und war durch seine Lage an zwei Meeren, am Saronischen und Korinthischen Busen, und als Pforte zum Peloponnes von äußerster Wichtigkeit. Westlich daran stießen die beiden Stadtgebiete von Sikyon und Phlius, jenes den Unterlauf, dieses das Quellgebiet des Asopos in sich begreifend. Achaia hieß der schmale Nordsaum des Peloponnes zwischen dem Gebirge und der Küste am Korinthischen Busen und Golf von Paträ. über Arkadien, die größte der Landschaften des Peloponnes, s. oben. Argolis bildete den nordöstlichen Teil des Peloponnes zwischen dem Saronischen und Argolischen Golf, Lakonien den südöstlichen. Messenien, im O. vom Taygetos und von Lakonien, im N. von Elis und Arkadien begrenzt, ist ein mildes und fruchtbares Land. Elis bildet die westliche Abdachung der arkadischen Gebirge und zerfiel in zwei Teile, das bergige und das hohle Elis oder das Talland mit der Stadt Elis. Die Gegend um den Alpheios hieß Pisatis, der südliche Teil gegen Messenien Triphylien.
Bodenerzeugnisse.
Der Boden von G., durchaus nicht unfruchtbar, doch auch nicht übermäßig freigebig, bot fast nirgends seine Gaben ganz freiwillig und mühelos. Die Betriebsamkeit fand denn auch selbst die rauhern Gegenden nicht ungeeignet zur Benutzung und zum Ackerbau. Bewunderung verdient die Ausdauer und Anstrengung, mit der man teils die Entwässerung morastiger, teils die Bewässerung dürrer Distrikte, wie des »durstigen« Argolis, zu bewerkstelligen wußte. In diesen Künsten waren übrigens meist fremde Völker die Lehrmeister der Griechen. Die Erzeugung des Weines gehörte zwar mehr den hellenischen Inseln an, auf deren meisten er in großer Vortrefflichkeit gedieh; doch hatte auch das Festland schon zu Homers Zeit Weinbau. Öl und Feigen von vorzüglicher Güte gediehen in Attika, das sonst einer regelmäßigen Bewässerung entbehrte; Gartenbau hatte Megaris. Zu den fruchtbarern Gebieten zählten im Altertum wie noch heute Lakonien und Euböa, deren Glimmerschiefer sich leicht zersetzen; dann die ehemaligen Seebecken, wie Böotien und Thessalien. Drei Viertel des ganzen Areals von G. waren aber nur als Weideland nutzbar, von dem Rest kaum die Hälfte als Fruchtacker. Die Herden bestanden meist aus Ziegen und Schafen; die Pferde- und Rindviehzucht war weniger bedeutend, erstere am meisten beim thessalischen Adel im Schwange. Groß war der Ertrag an Wolle, weshalb auch Wollspinnerei und -Färberei in hoher Blüte standen. Die Jagd gewährte reiche Beute an Wild und zwar nicht nur an Hafen, Rehen, Hirschen, sondern auch Eber, Bären, Wölfe und in früherer Zeit selbst Löwen machten sie, namentlich bei den Spartanern, zu einer Übungsschule des Krieges. Ganz unerschöpflich schien der Fischreichtum der hellenischen Meere und Buchten. Die Mineralschätze des Bodens wurden im Altertum fleißig ausgebeutet. Berühmt waren besonders die Silberbergwerke im Lauriongebirge in Attika, die aber schon zu Strabons Zeit nicht mehr bebaut und erst in unsrer Zeit wieder in Angriff genommen wurden. Auf Siphnos gewann man Gold und Serpentin, auf Keos Bleierze, auf Euböa bei Chalkis Kupfer, auf zahlreichen Inseln Eisen in Menge. Die aus zersetztem Tonschiefer gebildeten reichen Lager dunkelblauen Tons vom attischen Kap Kolias führten zu einer ausgedehnten Töpferindustrie. Der Kalk Westgriechenlands bot gute, leicht zu bearbeitende Bausteine und der Marmor Attikas, Lakoniens und der Inseln ein für Skulpturzwecke unschätzbares Material dar.
Bevölkerung.
Schon Herodot und Thukydides traten der unter den Griechen selbst verbreiteten Ansicht, daß sie Autochthonen seien, entgegen, indem ste G. vor den Hellenen von Barbaren bewohnt sein lassen. Aristoteles sah die erstern als Einwanderer aus dem Norden an, und schon Herodot weiß, daß die Dorier einst in Mazedonien gesessen hatten. Die neuere Forschung, namentlich die Linguistik, hat nachgewiesen, daß die Griechen in der Tat von Norden her eingewandert und ein Teil des indogermanischen Völkerstammes sind (s. unten, Geschichte, S. 297). Doch erscheinen sie bei ihrem ersten Auftreten in der Geschichte in zahlreiche Stamme zerspalten, die erst allmählich zu einem zwar nicht politisch, aber durch seine Kultur geeinten Volk zusammenwachsen. Genaue Angaben über die Zahl der Bevölkerung, über ihre Zu- und Abnahme zu machen, ist unmöglich, da nur einzelne Notizen darüber gelegentlich mitgeteilt werden. Schon lange vor den Perserkriegen muß G. stark bevölkert gewesen sein, wie vor allem die von den ersten historischen Zeiten an bis in das 6. Jahrh. fortdauernde Kolonisationsarbeit zeigt. Dazu kam die seit dem 7. Jahrh. ständig zunehmende Einfuhr von Sklaven. Da diese aber meist solchen Stämmen angehörten, die an geistigen Anlagen den Griechen weit nachstanden, auch ziemlich gut behandelt wurden und sich daher wohl befanden, wurde die große Menge derselben nicht gefährlich; Aufstände kamen nicht vor. Zu Beginn des Peloponnesischen Krieges veranschlagt I. Beloch die Bevölkerung Griechenlands, einschließlich Mazedoniens und der umliegenden Inseln, auf 3 Mill., davon 1 Mill. Leibeigne und Sklaven. Dieselben waren aber sehr ungleich verteilt: in Attika 90, in Argolis 70, in Böotien 60, im Peloponnes (außer Argolis) 30 Seelen auf 1 qkm, während Epirus, Euböa und der Westen von Mittelgriechenland nur sehr dünn bewohnt waren.
Der Charakter des hellenischen Volkes konnte sich natürlich nicht überall auf gleiche Weise entwickeln. In manchen Landschaften hatten sich Barbaren mit den Hellenen gemischt oder doch wenigstens Einfluß auf dieselben ausgeübt, wie in Epirus, Akarnanien, Ätolien, Lokris; aber auch die Völkerschaften rein hellenischen Stammes zeigten oft bedeutende Verschiedenheiten, wie die so nahe benachbarten Böotier und Athener und, um gleich auf den größten Gegensatz hinzuweisen, der bestimmend auf den ganzen Gang der griechischen Geschichte eingewirkt hat, die Dorier und die Ionier. Dennoch blieb bei all diesen Verschiedenheiten im einzelnen dem Volk im ganzen sein entschiedenes Charaktergepräge, wodurch sich dasselbe vor allen übrigen Nationen des Altertums auszeichnete und seine hohe Bedeutung für die Geschichte erhielt, und zwar verdankte es seine wesentlichen Eigenschaften neben den günstigen klimatischen Verhältnissen hauptsächlich der eigentümlichen Küstenbildung sowie der gebirgigen Beschaffenheit des Landes. Als Resultat dieser mannigfach gemischten Elemente bezeichnet Wachsmuth (»Hellenische Altertumskunde«, Bd. 1, S. 124) als hervorstechende Eigenschaft der Hellenen »eine hohe Reizbarkeit, durch die bei äußerer Anregung die entsprechende Kraft erwachte und sich, sei es in heimischen Fehden, in Reibungen mit den Nachbarn oder in Wanderungen und Seefahrten, versuchte. Die erstern wurden durch die natürliche Zersplitterung in kleine Staaten unterhalten, so daß nie Nahrungsstoff mangelte, kein Erstumpfen und Erstarren stattfand, vielmehr das innere Leben sich stufenweise steigerte und entwickelte. Die Kraft aber war begleitet von dem regsten Selbstgefühl und dem unverhohlenen Ausdruck desselben. Bescheidenheit und Demut waren nicht hellenische Tugenden, das Ehrgefühl indessen nicht mit so feinen Fäden wie das modern ritterliche gesponnen; die Ehre galt als aus Recht und Vorrecht entsprossen, schmähende Worte galten nicht für Gefährdung derselben. Verschwistert mit der Reizbarkeit zum Handeln war die hohe Empfänglichkeit für Schmerz und Lust. Der Hellene weinte leicht, Stoizismus beim Schmerz ist nur den Spartiaten nachzuweisen und anderswo für völlige Entartung des Volkscharakters zu halten. Solons herrliches Wort, als man ihn trösten wollte: eben darum weine er, weil nicht zu helfen sei, ist echt hellenisch. Wiederum besaß dies Volk ein nie wieder mit so unerschöpflicher ästhetischer Produktionskraft und so lebendigem ästhetischen Sinn geeintes Maß von Sinnlichkeit und Genußfähigkeit, das keine Schönheit und keinen Lebensgenuß ungekostet ließ und mit vollem und immer gegenwärtigem Bewußtsein schwelgte. Einerseits ist hier die Pflege der Dicht- und Tonkunst und späterhin der übrigen schönen Künste als Nationaltugend zu rühmen; wiederum mangelte in dem Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht das Zartgefühl, das mit Achtung und Ehrbarkeit gemischt ist; der hellenische Ausdruck über Gegenstände jener Art war roh, selbst gemein, schlimmer unnatürliche Geschlechtslust. So wie hier grenzte durch die gesamte hellenische Sinnesart das Schlimme mit dem Edlen und Guten nahe zusammen, und als deren augenfälligste Flecke erscheinen Gewinnsucht, Neid, Feindeshaß und Grausamkeit. Überhaupt aber kamen des Volkes jugendliche Aufwallungen in dem ganzen Laufe seines Staatslebens zu keiner Mannesreife; weder wohnte das Gute sicher und fest im Herzen, noch entfaltete das Böse sich zu seiner Vollendung.« Doch das harmonische Zusammenstimmen verschiedener Nichtungen und Fähigkeiten, der wunderbare Schönheitssinn und Kunstgeist, der alles durchdringt, verschmelzt und färbt, läßt uns das Ganze wie eine über die gemeine Wirklichkeit erhabene Erscheinung erblicken.
Religion und Kultus.
Die Religion des hellenischen Volkes war im allgemeinen eine polytheistische, doch waren die Ansichten der Griechen von ihren Göttern nicht zu allen Zeiten dieselben. Bei sehr vielen derselben läßt sich die ursprüngliche Naturbedeutung nachweisen. Mit der zunehmenden geselligen und staatlichen Ordnung und bei vermehrter Bildung ließ der Grieche seine bisherigen Naturgottheiten ganz fallen und erschuf sich höhere geistige Wesen, oder er bildete sene um und machte sie zu freien, sittlichen Wesen, die im Menschenleben ordnend walten. In diesem Ringen nach einer höhern Stufe der religiösen Erkenntnis gingen dem Volk die Dichter voran, unter denen Homer und Hesiod die Sache zum Siege führten. Die Griechen hatten selbst den Glauben, daß ihre Götter nicht vom Uranfang an existiert, und daß einst andre Gottheiten die Gewalt in Händen gehabt hätten. Nach Hesiod, dessen »Theogonie« aber weit mehr Spekulation als die Homerischen Gedichte enthält, war am Anfang das Chaos, der leere, unermeßliche Raum, darauf Gäa (die Erde), Tartaros (der Abgrund unter der Erde) und Eros (die Liebe); Gäa gebar aus sich selbst den ihr gleichen Uranos (Himmel), die Gebirge und den Pontos (Meer). Gäa und Uranos erzeugten die Titanen, sechs männliche und sechs weibliche, ferner die Kyklopen und die Hekatoncheiren (die »hundertarmigen« Riesen). Uranos aber haßte seine Kinder und verbarg sie. Darüber grollte ihre Mutter Gäa und beredete den Titanen Kronos, daß er den Vater verstümmelte und der Herrschaft beraubte. Kronos erzeugte nun mit seiner Schwester Rhea die Hestia, Demeter, Hera, den Hades, Poseidon und Zeus; damit ihn aber nicht eins seiner Kinder vom Thron stoße, verschlang er sie gleich nach ihrer Geburt. Als Zeus geboren war, reichte Rhea dem Vater statt desselben einen Stein in Windeln, den er verschlang. Zeus aber ward in Kreta vor dem Vater verborgen, und als er groß geworden war, stürzte er ihn und zwang ihn, die verschlungenen Kinder wieder von sich zu geben. Vereint mit seinen Geschwistern unternahm dann Zeus einen siegreichen Kampf gegen die Titanen. So herrschen Zeus und die Seinen über die Welt, in der nun die rohen Gewalten der Natur und des Menschenlebens sich den Schranken der natürlichen und sittlichen Ordnung fügen müssen. Die große nun herrschende Götterfamilie, die ihre Ausprägung den Homerischen Gedichten verdankt, besteht aus den Geschwistern Zeus, Poseidon, Hades, Hera, zugleich des Zeus Gemahlin, Hestia, Demeter mit ihrer Tochter Persephone und aus den Kindern des Zeus: Athene, Beschirmerin der Städte und Staaten, Göttin der Weisheit; Apollon, Gott des Lichtes und der Ordnung; Artemis, die nächtliche Himmelsgöttin; Hephästos, Gott des Feuers; Ares, Kriegsgott; Aphrodite, Liebesgöttin; Hermes, Götterbote. Die Zwölfzahl der olympischen Götter ist erst späterhin festgestellt worden. Die drei Brüder teilten sich in die Herrschaft der Welt: Poseidon erhielt das Meer, Hades die Unterwelt, Zeus den Himmel; die Erde blieb ein gemeinschaftliches Gut. Zeus aber, als der älteste, stärkste und klügste, hat die Obmacht über die übrigen. Um ihn geschart, wohnen die Götter auf den Höhen des Olymps und freuen sich ihrer Seligkeit. An die olympischen schließen sich Gottheiten niedern Ranges an, z. T. dienende, z. T. Wesen, die irgend eine Seite eines olympischen Gottes selbständig in sich entwickelt haben, wie z. B. die Schicksalsgottheiten, die Götter der Witterung etc. Zu ihnen gehören: Hebe, die ewige Jugend, und der Göttermundschenk Ganymedes; Iris, die Göttin des Regenbogens; die Horen, die Gottheiten der Witterung, und Helios, der allsehende Sonnengott, dem die rosenfingerige Eos (Morgenröte) voranschreitet; die Parzen (die Schicksalsgöttinnen: Klotho, Lachesis, Atropos); Tyche (Göttin des Glückes), Nemesis, Ate, Dike und Themis; die Musen, die Chariten, die Hyaden, die Plejaden, Selene, die Winde und ihr Beherrscher Äolos. Zu letztern gehören auch die Harpyien; Typhon ist der verderbliche Sturmwind. Die Götter des Meeres sind, außer Poseidon selbst, seine Gemahlin Amphitrite, Okeanos (der die Erde und das Meer umfließende große Weltstrom), Nereus, der Meergreis und Vater der Nereïden, der Meernymphen, Leukothea-Ino, eine Genossin der Nereiden, Proteus, der weissagende Meergreis, Phorkys, Glaukos, ursprünglich ein Gott der Schiffer und der Fischer, Triton, schließlich die Flüsse, Flußgötter und Quellnymphen. Die Gottheiten der Erde und der Unterwelt sind: Gäa (die Erde), die Nymphen, Göttinnen niedern Ranges, die auf der Erde wohnen, in Hainen und auf Bergen, an Quellen, Flüssen und Stromen, in Tälern und Grotten, Kybele, die Göttermutter, Dionysos (Bakchos), der Gott des Weins, die Satyrn, die Begleiter des Dionysos, Silenos, Pan, der Sohn des Hermes, ein arkadischer Gott der Herden und des Waldes, Priapos, Sohn des Dionysos und der Aphrodite, ein Gott der Fruchtbarkeit des Feldes und der Herden, die Kentauren, Demeter, ursprünglich die göttliche Mutter Erde, die Kabiren, semitische Feuergottheiten, Thanatos und Hypnos (Tod und Schlaf), die Keren (Personifikation des Todesloses), die Erinyen (Eumeniden) und Hekate, eine gewaltige Herrscherin unter den Schatten Den Menschen schicken die Götter Zeichen mancherlei Art und verkünden ihren Willen im Orakel; ja, sie erscheinen ihnen oft selbst in eigner oder fremder Gestalt; Götter verbanden sich mit sterblichen Frauen, und Göttinnen schenkten ihre Liebe sterblichen Männern. Durch diesen Verkehr mit den Unsterblichen wurde das Menschengeschlecht geadelt und den Göttern näher gebracht, Menschen waren Söhne und Töchter von Göttern. Das hohe Geschlecht der Heroen der Vorzeit war weit erhaben über die spätern Menschen und lebte nach dem Tod abgesondert von den übrigen Sterblichen ein glückliches Leben auf den Inseln der Seligen im fernsten Westen der Erde; einzelne, wie Herakles, wurden von den Göttern sogar in den Olymp erhoben. Homer, der in seinen Gesängen den Glanz und Ruhm der Heroenzeit preist, weiß nur von dieser einen Vorwelt. Später aber erzählte man von einem goldenen Zeitalter unter der Herrschaft des Kronos im Gegensatz zu dem eisernen unter Zeus; Hesiod erzählt von fünf immer sündhafter werdenden Geschlechtern der Menschen. Diese Vorstellung knüpft besonders an den Namen Prometheus (s. d.) an. Vgl. Mythologie.
Die Götter, wie sie bei Homer auftreten, sind in leiblicher wie geistiger Hinsicht nach dem Bilde des Menschen geschaffen. An einzelnen Stellen bei Homer erscheinen sie in übermenschlicher Größe; im allgemeinen aber übersteigen sie nicht bedeutend das menschliche Maß. Auch sind sie, wie die Menschen, an Trank, Speise und Schlaf gebunden und hängen von den Bedingungen des Raumes und der Zeit ab. Aber diese Schranke wird z. T. wenigstens dadurch aufgehoben, daß ihnen stärkere Sinne beigelegt werden, daß sie z. B. aus weiter Ferne sehen und hören und unermessene Räume in der kürzesten Zeit durchschreiten können. Wesentlich von den Menschen verschieden sind sie durch die Unsterblichkeit; diese und die ewige Jugendfrische erhalten sie sich durch den steten Genuß von Nektar und Ambrosia. Sie heißen selig, sind je doch nicht frei von Angst, Not und Schmerz. Allmacht besitzen sie keineswegs; es wird ihnen zwar eine höhere Kraft, alles zum Ziel zu führen und Wunder zu wirken, zweifellos zugeschrieben, ja die nachhomerische Zeit fügte selbst ein geistiges Wirken ohne leibliche Nähe hinzu; aber über ihnen steht doch die Moira, die Schicksalsmacht, und bei der Menge der Götter und ihrer Wirkungskreise ist nicht allein der einzelne Gott durch die andern, sondern sind auch alle öfters durch einen beschränkt. Allwissenheit wird ihnen ebenfalls nicht beigelegt. Die Vorsehung der Götter besteht in der Erfindung guten Rates in den einzelnen Verhältnissen, in der zweckmäßigen Einrichtung der Dinge, in der Vorbereitung zukünftiger Ereignisse und im vereinzelten außerordentlichen Eingreifen. Obwohl sie so in gewissem Sinn über die Erhaltung der Weltordnung wachen und eine Art Fürsorge für das Menschengeschlecht zeigen, so weiß doch von einer göttlichen Liebe zu den Menschen der Volksglaube nichts. Herrscht doch bei Homer die Vorstellung, daß der Unglückliche den Göttern verhaßt sei; zwar wurde ihnen später Mitleid beigelegt, aber man zweifelte doch immer an demselben. Die Götter lassen kein Unheil ungestraft, ja sie strafen es an den Nachkommen des Übeltäters, sogar an dem Gemeinwesen, dem er angehört; Belohnung der Guten dagegen findet nicht statt, versöhnende Gnade gibt es nicht. Die Gottheit erscheint von Neid gegen allzu großes Menschenglück und von der Furcht erfüllt, es könne ihrer Macht und Hoheit durch gewaltig sich erhebende, besonders vom Glück begünstigte Menschen Abbruch geschehen. Die Griechen hegten aber eine große Scheu und Ehrfurcht vor ihren Göttern und suchten den Willen derselben bei jedem einzelnen Vorhaben zu erforschen. Deshalb spielte die Mantik, die Kunst, göttliche Offenbarungen hervorzurufen, bei ihnen eine bedeutende Rolle. Auf der Scheu vor den Göttern beruht die Frömmigkeit; aus ihr geht auch das sittliche Handeln hervor. Alle Tugend beruht auf der Beobachtung des rechten Maßes, dessen Überschreitung Sünde ist und Strafe nach sich zieht. Früher wurde mitunter die Schuld an der Sünde den Göttern zugeschrieben, die spätere Zeit aber macht den Menschen für die mit Wissen und Willen begangenen Vergehen vollständig verantwortlich.
Was die Fortdauer nach dem Tode betrifft, so nimmt die Homerische Dichtung ein gefürchtetes Schein- oder Schattenleben im Hades an. Die Eleusinischen Mysterien boten zwar den Eingeweihten beruhigendere Vorstellungen über das Leben nach dem Tod, aber die Homerische Ansicht vom Hades blieb doch die vorherrschende. Ein Fortschritt war es, daß man glaubte, in der Unterwelt werde jede während des Lebens begangene Sünde bestraft, die Verstorbenen hätten Kenntnis von allem, was auf der Oberwelt vorginge, und lebten glücklich in Gemeinschaft mit den Göttern der Unterwelt. Die Gebildeten freilich sahen meist nur in dem Andenken bei der Nachwelt Fortleben und Unsterblichkeit.
Je dunkler für den Griechen das Jenseits war, desto leichter ist es begreiflich, daß er so sehr am Leben und an dessen Genüssen hing, ja daß nach Lockerung der religiösen Schranken Genuß- und Gewinnsucht überhandnahmen. Die bestehende Religion wurde zuerst gefährdet durch die Philosophie, die um 600 v. Chr. in den griechischen Kolonien Kleinasiens erwachte. In dem Mutterland war dies so bald noch nicht der Fall, vielmehr hob sich durch die Perserkriege das religiöse Bewußtsein im Volk und zeigte sich in dem Bestreben, die schönsten Götterbilder und Tempel zu schaffen. Die Bekanntschaft mit auswärtigen Völkern aber, die veränderte Art des Lebens, die reichern und mannigfaltigern Anschauungen, der erwachende wissenschaftliche Geist und das prüfende philosophische Denken wirkten allmählich zersetzend auf die religiösen Überlieferungen ein, und es entstanden nun drei Richtungen des religiösen Lebens: eine atheistische, eine pantheistische und deistische, endlich eine ethische, die, ohne den bestehenden Glauben anzutasten, sittlich hoh- und reine Vorstellungen von der Gottheit zu gewinnen suchte. Letztere Richtung ging von Sokrates aus, und große Denker bekannten sich zu ihr; aber den Volksglauben konnte sie natürlich nicht stützen. So viel nun auch von seiten des Staates für Aufrechthaltung des Volksglaubens getan wurde, so wenig konnte er den Verfall der Religiosität und der Sitten aufhalten Die alte einfache Sitte der Hellenen aber wich mit der seit den Perserkriegen steigenden Wohlhabenheit mehr und mehr, an ihre Stelle traten Leichtfertigkeit und Genußsucht, und durch den Peloponnesischen Krieg wurde die Sittlichkeit vollends untergraben. Kein Wunder daher, wenn fromme, religiöse Gesinnung immer seltener wurde, dagegen Unglaube und frevelhafter Spott gegen die Religion reißend schnell um sich griffen. Nach Alexanders Zeit konnte der Philosoph Euemeros (s. d.) bereits unter vielem Beifall den Satz aussprechen, die Götter seien ursprünglich nur verdiente Menschen gewesen, die man nach ihrem Tode wegen ihrer Großtaten verehrt habe. Wo aber noch das Bedürfnis einer Gottesverehrung vorhanden war, da führte es zur Hingabe an abergläubische und unsittliche orgiastische Kulte. Es ist das sogen. hellenistische Zeitalter, in dem die Auflösung und völlige Zersetzung der Religion bei den Griechen erfolgte.
Die vornehmsten Bestandteile des religiösen Kultus waren Gebete und Gelübde, Reinigungen des Körpers, der Kleider, heiliger Geräte und Örter, Opfer und andre Darbringungen. Zur würdigen Verehrung der Götter wählte man besonders Berge und Haine aus und sonderte sie von dem profanen Gebrauch ab (Temenos); später errichtete man daselbst sowie in den Städten besondere Tempel, die anfänglich bloß mit Opferaltären und rohen Idolen, später mit Götterbildern versehen waren. Innerhalb des Kreises der Familie pflegte der Familienvater, bei öffentlichen, den Staat angehenden gottesdienstlichen Leistungen anfangs der König Gebete und Opfer zu verrichten. Daneben aber traten schon sehr frühzeitig eigentliche Priester auf, zu deren Amt außer den zum Kultus gehörigen Funktionen noch Raterteilung in religiösen Angelegenheiten, nie aber die Aussicht über Lehrmeinungen oder öffentlicher Religionsunterricht gerechnet wurde. »Es stand keine bevorzugte Priesterkaste zwischen Göttern und Menschen; die Religion war Gewissenssache des einzelnen und die vollständige Ausübung des Gottesdienstes ein persönliches Recht jedes freien Mannes. Aber eines besondern Priestertums bedurfte es dennoch, damit der Opferdienst unabhängig von dem religiösen Gefühl und Bedürfnis des einzelnen und der Gottesdienst ein stetiger und regelmäßiger wäre und nach festem Herkommen verwaltet würde. Es konnte nun auch nicht jeder jedes Gottes Priester sein, sondern die Priestertümer waren an gewisse Geschlechter gebunden. Bildeten nun aber die Priester keinen besondern Stand, so waren sie und ihre Angehörigen dennoch wegen ihres nahen und persönlichen Verhältnisses zu den Göttern und wegen ihrer Kenntnis des den Göttern Zukommenden in den Augen des Volkes mit besonderer Würde bekleidet.« (Curtius.) Den Willen und Ratschluß der Gottheit erkannte der Priester durch Zeichen am Himmel, namentlich durch den Donner und Blitz und durch den Flug der Vögel, durch Opfer (wobei die Weihrauchdämpfe und Eingeweide der Opfertiere beobachtet wurden), durch Träume und selbst durch ganz unwillkürliche Dinge, wie z. B. das Niesen. Natürlich fiel oft, namentlich in Delphi, die Auslegung dieser Zeichen sehr nach dem eignen Ermessen der Priesterschaft zugunsten der ihr befreundeten Partei aus.
Geistiges Leben. Staatswesen.
Hinsichtlich seines geistigen Lebens bietet das griechische Volk sich noch der Gegenwart als nachahmungswürdiges Muster dar. Was es in der Wissenschaft und in der Poesie geleistet, darüber s. Griechische Literatur. Wie in der Poesie, so in den bildenden Künsten erreichte es das Höchste, was den spätesten Geschlechtern noch als Ideal vorschwebt. Jahrtausende haben die Bauten noch nicht ganz vernichten können, welche die griechische Architektur schuf; die Götterbilder aus der Hand eines Pheidias und Praxiteles entzücken noch in ihren Nachbildungen das Auge, und von den Meisterwerken eines Apelles berichtet wenigstens die Geschichte. Eine ausführliche Darstellung der Geschichte der bildenden Künste bei den Griechen enthalten die Artikel Architektur mit den dazugehörigen Tafeln, Bildhauerkunst und Artikel Malerei, auf die wir zur weitern Belehrung verweisen; über das Wesen und die Ausübung der Musik s. Griechische Musik.
Auch im Staatswesen bekundeten die Griechen ihre außerordentliche Begabung und die Vielseitigkeit ihres Geistes. Aus dem ältesten Zustand des patriarchalischen Königtums entwickelten sich bei den meisten Stämmen republikanische Verfassungen der verschiedensten Art, oligarchische, aristokratische, timokratische und demokratische. Bei den Doriern bewirkte der ernstere, strengere Stammescharakter, daß die aristokratische Verfassungsform sich in mehreren Staaten, besonders in Sparta (s. d.), dauernd erhielt und die völlige Unterordnung des Individuums unter den Staat, seine Gesetze und Verordnungen systematisch durchgeführt wurde. Im Gegensatz hierzu schritten die Ionier, namentlich Athen (s. d.), von der Aristokratie durch das Mittelstadium der Tyrannis ziemlich rasch zur reinen Demokratie vor, die schließlich zur Ochlokratie ausartete und nach reaktionären und revolutionären Zuckungen zum völligen Verfall des Staatswesens führte. Verderblicher noch wirkte der Stammespartikularismus insofern, als er hauptsächlich die nationale Einigung des Hellenenvolkes gehindert und dadurch dessen Untergang herbeigeführt hat. Selbst in der Heldenzeit der Perserkriege haben nur wenige Staaten ihre Eifersucht, ihren Stammeshaß, ihren Ehrgeiz dem Gemeinwohl der Nation unterzuordnen vermocht, und mit Gewalt die andern Stämme zur Einheit zu zwingen, war kein Staat mächtig genug. Näheres s. unten (Geschichte).
Kriegswesen.
Die Griechen waren im allgemeinen ein kriegerisches Volk. Als Waffen bediente man sich zum Angriff der Schleuder, des Bogens und der Pfeile, des Wurfspießes und der Lanze, gewöhnlich von Eschenholz, des Schwertes von verschiedener Form und Länge, zum Schutz des Helms, aus Fell, Leder oder Erz verfertigt, des Harnisches, der Beinschienen, des Schildes. Das Heer bestand im Heroenzeitalter aus Fußvolk, wovon nur der kleinere Teil vollständig gerüstet, der größere nur mit Wurfspießen, auch Bogen und Pfeilen versehen war. Reiterei gab es noch nicht. Die Führer bedienten sich des wahrscheinlich aus Asien stammenden Streitwagens und des Zweigespanns. In dicht gedrängten Haufen folgten die Krieger ihren Anführern, die nicht sowohl die Bewegungen des Heeres zu leiten, als vielmehr zum Kampf zu ermuntern und durch Tapferkeit voranzuleuchten hatten. Bei der Annäherung der streitenden Heere aneinander wurde zuerst der Wurfspieß gebraucht; dann brachen die Wagenstreiter hervor und suchten in Zweikämpfen oder durch heftiges Eindringen in die feindlichen Scharen den Sieg zu gewinnen. Beim Friedensschluß verrichteten im Angesicht beider Heere die Anführer oder deren Abgeordnete gesetzmäßige Opfer und Libationen, riefen die den Meineid rächenden Götter zu Zeugen an und gaben sich einander den Handschlag. In Sparta bildeten den Kern des Heeres die eigentlichen Spartaner, an die sich Bundesgenossen und Heloten anschlossen. Die Spartaner dienten in der Regel vom 20. bis zum 60. Jahr und wurden zu jedem Feldzug nach Altersklassen aufgeboten. Ihre Waffen waren: ein kurzes, gekrümmtes Schwert, ein langer Speer, Helm und Schild; ein Kranz schmückte das Haupt, und das sonst schmuck- und farblose Gewand war purpurfarben. Den Hauptteil des Heeres machte das Fußvolk aus, das durch Leichtigkeit und Sicherheit der Bewegungen und Stellungen im Kampf auf freiem Feld bis nach dem Peloponnesischen Krieg den Vorrang vor allen griechischen Heeren behauptete. Die Reiterei war neben dem Fußvolk ein ziemlich unbedeutender Bestandteil des Heeres. An der Spitze des ganzen Heeres stand einer der beiden Könige, dem in spätern Zeiten einige von den Ephoren, auch wohl ein besonderer Rat von 10–30 Personen zur Seite gestellt wurden. Opfer, eins zu Hause, das andre an der Grenze des Landes von dem König vollzogen, eröffneten den Feldzug und schlossen ihn. In Athen waren nach der Solonischen Klassifikation die Bürger der ersten Klasse zum Stellen und Ausrüsten der Kriegsschiffe, die der zweiten zum Kriegsdienst zu Pferde verpflichtet; die dritte Klasse stellte die Schwerbewaffneten, die vierte die Leichtbewaffneten und Matrosen. Die Schutzverwandten (Metöken) und die Sklaven sollten nur in der dringendsten Not zum Kriegsdienst beigezogen werden. Achtzehn Jahre alt, ward der Athener in die Liste der Soldaten eingeschrieben, diente aber während der beiden ersten Jahre nur innerhalb des attischen Gebietes. Nach Ablauf derselben war er bis zum 40. Jahr zu jedem auswärtigen Dienst verpflichtet. Als sich infolge der Erweiterung der athenischen Seeherrschaft auch die Kriegsdienste mehrten, suchte man seit Perikles die Bürger zur Leistung derselben durch Sold geneigter zu machen. Aber die Bevölkerung von Attika reichte bald nicht mehr hin, und man mußte daher zu den Bundesgenossen und Mietsoldaten seine Zuflucht nehmen. Die Mannschaft bestand aus Fußsoldaten, entweder Schwerbewaffneten oder Peltasten, mit Wurfspieß und Schild, oder Leichtbewaffneten, bloß mit Wurfwaffen Versehenen, und aus Reiterei, die erst seit Themistokles gebräuchlich wurde, und deren Anzahl in den blühendsten Zeiten des Staates nicht über 1200 Mann betrug. Aus den zehn später von Kleisthenes eingerichteten Stämmen umrden vom Volk jährlich zehn Feldherren gewählt; dieselben bildeten einen Kriegsrat, wobei der Oberbefehl täglich wechselte. In der Folge übertrug man bei wichtigen Gelegenheiten den Oberbefehl Einer Person. In der Schlacht bildete das schwerbewaffnete Fußvolk gewöhnlich einen dicht gedrängten Haufen, der wenigstens 8 Mann hoch stand. Von einer eigentlichen Belagerungskunst findet sich erst in den Zeiten des Peloponnesischen Krieges ein Anfang. Gewöhnlich schloß man die feindliche Stadt durch eine mit Türmen befestigte Verschanzung ein, um sich gegen die Ausfälle der Belagerten zu sichern, und griff dann die Mauern mit verschiedenen Kriegsmaschinen an. Ehrenkränze, Waffen, höherer Rang etc. wurden denen, die ausgezeichnete Tapferkeit bewiesen, zuteil. Die Gefallenen ehrte man durch feierliche Grabreden und ließ deren hinterlassene Kinder auf Staatskosten erziehen. Die Feigheit traf bürgerliche Entehrung. Um die Gründung der athenischen Seemacht hatte Themistokles das größte Verdienst. Überwiegende politische Bedeutung erhielt dieselbe jedoch erst, seitdem auf Kimons Vorschlag die verbündeten Inseln statt eigner Schiffe Geldbeiträge leisten mußten. Die Kriegsschiffe wurden hauptsächlich durch Ruder in Bewegung gesetzt und hatten von der Zahl der übereinander liegenden Ruderreihen ihren Namen (dreiruderige, vierruderige, fünfruderige). Die Bemannung der Schiffe machten aus: die Ruderer, deren Arbeit je nach ihren höhern oder niedern Sitzen mehr oder minder beschwerlich war, die Matrosen und die Seesoldaten, meist Schwerbewaffnete. Den Oberbefehl führte der Nauarch, unter dem Trierarchen etc. standen. Die hauptsächlichste Waffe war der eherne Schiffsschnabel, mit dem man die Seite des feindlichen Schiffes zu treffen suchte, um es in den Grund zu bohren oder durch Beschädigung der Ruder unbrauchbar zu machen.
Gewerbe. Häusliches Leben.
Unter den friedlichen Beschäftigungen des Heroenzeitalters der Hellenen stehen Ackerbau und Viehzucht obenan. Herden aller Art machten vorwiegend den Reichtum aus; zum Ackerbau und zwar sowohl zum Pflügen als zum Dreschen bediente man sich hauptsächlich der Stiere. Auch von der Obstkultur, besonders aber von der Pflege des Weinstocks, ist in diesem Zeitalter schon die Rede. Statt des gemünzten Geldes galt beim Handel, der übrigens in geringer Achtung stand, gewöhnlich Kleinvieh als Maß des Wertes. Der Lykurgischen Verfassung gemäß durfte der Spartaner kein bürgerliches Gewerbe treiben, nur Krieg und Jagd waren des freien Bürgers würdige Beschäftigungen. Die Ländereien bestellten die Heloten, die zugleich auch für Herbeischaffung der sonstigen Bedürfnisse des Lebens sorgen mußten. Alles dies änderte sich, als nach dem Peloponnesischen Krieg asiatische Üppigkeit Eingang fand und die einfachen Sitten der Vorzeit allmählich untergrub; bis dahin aber waren die Spartaner gewiß der ärmste unter den griechischen Stämmen. Der Gebrauch des Silbers und Goldes war, wenn auch nicht gerade verboten, doch gewiß sehr beschränkt, und man bediente sich in der frühern Zeit des rohen Eisens, das aus den inländischen Bergwerken gewonnen ward, später vielleicht auch eiserner Münzen zum Handel. Der begüterte athenische Bürger konnte sich, da er für seinen Unterhalt nicht zu sorgen brauchte, ungestört den Staatsangelegenheiten widmen. Indes beschäftigten sich viele mit Landwirtschaft; den Bergbau ließ man betreiben. Was die städtischen Gewerbe betrifft, so beschäftigte sich nur der ärmere Bürger mit Handwerken; der reichere ließ in seinen Fabriken und Manufakturen Sklaven arbeiten. Von Bedeutung war der athenische Handel, den ebensowohl die glückliche Lage des Landes und vortreffliche Häfen wie die Notwendigkeit, viele Produkte aus dem Ausland zu beziehen, schon frühzeitig begünstigten. Gegenstände der Einfuhr waren: Getreide aus Ägypten, Sizilien und besonders aus dem heutigen Südrußland, Honig, Wachs, Wolle, Leder von den Küsten des Schwarzen Meeres, gesalzene Fische, Zimmer- und Schiffbauholz aus Thrakien und Mazedonien, Teppiche, Bettdecken und Wolle aus Phrygien und Milet, Wein und alle Arten von Südfrüchten von den Inseln des Agäischen Meeres, Sklaven aus Thrakien, Thessalien etc. Ausfuhrartikel waren außer den Landeserzeugnissen besonders Fabrikate, Luxus- u. Kunstgegenstände. Das häusliche Leben in der Heroenzeit trägt dem Geiste des Zeitalters gemäß das Gepräge hoher Einfalt an sich. Die Speisen waren allein auf Befriedigung des Bedürfnisses gerichtet. Brot, früher von Gerste, dann gewöhnlich von Weizen, sodann eine Art Mehlbrei, Lauch, Zwiebeln, Hülsenfrüchte und namentlich geröstetes Fleisch von Rindern, Schafen, Wild etc., auch wohl getrocknete Fische, spielen die Hauptrolle. Von Großgriechenland aus verbreitete sich später eine feinere Küche, die Seefischen, Schaltieren, Gemüsen etc. den Vorzug gab. Nie wurde jedoch in G. die Schlemmerei so Mode wie in Rom. Vielmehr fand man das Hauptvergnügen im Trinkgelage, das auf die Mahlzeit folgte und durch Gespräche, Musik, Tanz und mimische Darstellungen gewürzt wurde. Dabei wurde der Wein stets mit der doppelten oder einer noch größern Quantität Wasser gemischt. Die Kleidung, besonders der Dorier, bestand aus einem hemdartigen, kurzen Untergewand mit oder ohne Ärmel (Chiton), das bei Geschäften mittels eines Gürtels aufgeschürzt wurde, und aus einem mantelartigen Oberkleid, das, mit einer Spange zusammengehalten, über den Schultern hing. Die Athener trugen bis auf Perikles den Chiton lang herabwallend, wie die Ionier in Kleinasien. Die Gewänder waren bei den Doriern gewöhnlich aus Wolle, bei den Ioniern von Leinenzeug, je nach der Jahreszeit dünner oder dichter gewebt. Weiß wurde zwar viel getragen, war aber doch nicht so vorherrschend, wie man oft annimmt. Die Frauentracht war zwar schmuckreicher, läßt sich jedoch in der Hauptsache auf jene beiden Arten von Kleidungsstücken zurückführen. Auf dem Haupte trug man nur im Krieg und auf Reisen etc. eine Bedeckung; auch der Fußbekleidung (meist Sandalen mit Leder-, z. T. auch Korksohlen) bediente man sich nur auf der Straße; Haar und Bart ließ man in früherer Zeit lang wachsen (s. Tafel »Kostüme I« und die Abbildungen bei den betreffenden Artikeln). Die Wohnungen der Heroenzeit und selbst noch die späterer Epochen waren einfach (s. untenstehenden Plan). Durch die Haustür, die meist einen kleinen Vorraum (Propyläon) hatte, gelangte man in die Hausflur, auf deren beiden Seiten sich Werk- und Geschäftsräume befanden, und von da in den offenen, auf drei Seiten mit Säulen umgebenen Hof, in dessen Mitte der Altar des Zeus stand. Die auf den Längsseiten des Hofes befindlichen Gemächer dienten zu Speise- und Schlafzimmern, Vorratskammern, auch zum Aufenthalt für die Sklaven etc.; an der säulenlosen vierten Seite, der Hausflur gegenüber, lag der Saal (die sogen. Prostas), der Versammlungsort der Familie bei den gemeinsamen Mahlzeiten und bei Opfern, an den sich auf der einen Seite das eheliche Schlafgemach, auf der andern der Amphithalamos, wahrscheinlich das Schlafzimmer der Tochter, an schlossen. Eine Tür in der Hinterwand des Saales führte in die Arbeitsräume der Mägde. Das Dach war meist platt; ihr Licht erhielten die Zimmer durch die nach dem Hofe führenden Türen.
Hatte das Haus einen Oberstock, so befanden sich in diesem zumeist die Gemächer für die Frauen und Kinder. Die Frauen beschäftigten sich mit Spinnen und Weben sowie mit der Verfertigung und Reinigung der Kleidungsstücke; Mahlen, Backen, Kochen und Wassertragen überließen sie den Sklavinnen. Bei zunehmendem Verkehr mit dem Ausland und namentlich mit dem Orient lockerten sich natürlich die Sitten, selbst der Spartaner; ihre gemeinsamen, frugalen Mahlzeiten wurden üppiger, ihre einfache Tracht reicher, die Frauen zügelloser, die Häuser und Geräte kostbarer und prunkvoller. Die alte Gewohnheit der Hellenen, alle Pracht und allen Schmuck auf die Tempel und sonstigen öffentlichen Gebäude zu verwenden und die Privathäuser klein und bescheiden anzulegen, hörte in der mazedonischen Zeit auf. Nun scheuten sich auch Privatleute nicht, Gebäude zu errichten, die selbst die öffentlichen an Eleganz und Pracht weit hinter sich ließen.
[Literatur.] Zur Landes- und Volkskunde Altgriechenlands vgl. Bursian, Geographie von G. (Leipz. 1862–72, 2 Bde.); Neumann u. Partsch, Physikalische Geographie von G. (Bresl. 1885); Curtius, Peloponnesos (Gotha 1851–52, 2 Bde.); Wägner, Hellas (7. Aufl., Leipz. 1894); Hermann, Lehrbuch der griechischen Antiquitäten (neu bearbeitet von Blümner u. a., Freiburg 1882–92, 4 Bde.) und Kulturgeschichte der Griechen und Römer (Götting. 1857–58, 2 Bde.); Wachsmuth, Hellenische Altertumskunde (2. Aufl., Halle 1843–46, 2 Bde.); Jacobs, Hellas (Berl. 1852); Schömann, Griechische Altertümer (4. Aufl., von Lipsius, das. 1897–1902, 2 Bde.); Gilbert, Handbuch der griechischen Staatsaltertümer (Leipz. 1881–85, 2 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1893); Becker, Charikles, Bilder altgriechischer Sitte (neu bearbeitet von Göll, Berl. 1878); Guhl u. Koner, Das Leben der Griechen und Romer (6. Aufl., das. 1893); J. v. Falke, Hellas und Rom. Eine Kulturgeschichte des klassischen Altertums (Stuttg. 1879); Blümner, Leben und Sitten der Griechen (Leipz. 1887, 3 Tle.); Rüstow u. Köchly, Geschichte des griechischen Kriegswesens (Aarau 1852); Baumeister, Denkmäler des klassischen Altertums (Münch. 1884–1888); Pauly-Wissowas »Real-Enzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaft« (Stuttg. 1893 ff.) und die betreffenden Teile über die Staats- und Rechtsaltertümer (von Busolt), Privat- und Kriegsaltertümer (von J. v. Müller u. Bauer), Kultusaltertümer (von Stengel), Mythologie und Religionsgeschichte (von Gruppe) etc. in Iwan v. Müllers »Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft«.
Geschichte Alt-Griechenlands.
Der Schauplatz der griechischen Geschichte im Altertum beschränkt sich nicht auf das eigentliche G., den südlichen Teil der Balkanhalbinsel, sondern umfaßte auch die Inseln und Küsten des Ägäischen Meeres im Norden und Osten. Gleiches Klima und die bequeme Fahrstraße des Meeres verbanden diese durch bedeutende Küstenentwickelung und reiche Mannigfaltigkeit der Bodenform und Produkte ausgezeichneten Gebiete und ebneten der Einwirkung der Bewohner auseinander wie der fremder Kultureinflüsse die Wege, während die Herstellung eines einheitlichen politischen Gemeinwesens durch die geographischen Verhältnisse eher erschwert als erleichtert wurde.
Von der ältesten Zeit Griechenlands, etwa 1550–1150 v. Chr., geben uns nur die gewaltigen Mauern und Kuppelgräber im östlichen G. von Thessalien bis Lakonien Kunde, Reste von Residenzen pracht- und kunstliebender Fürsten, die von erhöhtem Sitz aus eine vor ihnen liegende fruchtbare Ebene und zugleich einen Zugang zum Meer beherrschten. Ihre Kultur, für die uns in G. alle Vorstufen fehlen und die nirgends landschaftliche Unterschiede aufweist, ist von Syrien aus, das die des Nil- und des untern Euphratgebietes vereinigte, durch Phöniker nach G. übertragen worden, wo ihre Hauptsitze Tiryns, Mykenä und Orchomenos wurden, und hat auch auf den Inseln die Anfänge einer vorhellenischen, deren Spuren wir hier noch erkennen können, verdrängt. Selbständig entwickelt hat sich ihre Kunst auf hellenischem Boden in der Keramik, während die Werke in Metall (Kupfer und Gold, nicht Silber) und in hartem Stein von orientalischen Künstlern herrühren oder nach orientalischen Mustern gefertigt sind. Nach dem durch Schliemanns ertragreiche Grabungen berühmten Mykenä heißt diese Zeitperiode die mykenische.
Auf ste folgt die des griechischen Mittelalters, das mit zahlreichen Völkerbewegungen, einer Fortsetzung der Völkerwanderung in Kleinasien (etwa 1250–1150), beginnt und bis zu den Perserkriegen berechnet wird. Mit ihm setzt die Erinnerung der Griechen selbst ein, zuerst nur in Form von Sagen, die historische Vorgänge oft so verhüllt haben, daß der Kern kaum noch erkennbar ist. Die ältesten Einwohner Griechenlands nannten sie Pelasger und Autochthonen und nahmen an, daß sie durch Völkerwanderungen allmählich verdrängt worden seien und nur in Arkadien ihre Wohnsitze behauptet haben, und daß an ihre Stelle die Hellenen mit ihren drei Hauptstämmen, den Doriern, Äoliern und Ioniern, getreten seien. Doch sind, soweit unser Wissen zurückreicht, die Bewohner Griechenlands indogermanischen Ursprungs gewesen, Reste einer andern Urbevölkerung sind mit Sicherheit nirgends nachzuweisen. G. ist also zweimal von Indogermanen besiedelt worden, in vormykenischer Zeit und dann seit der Mitte des 12. Jahrh., als, von Norden her durch Völker aus Kleinasien geschoben, griechische Stämme Epirus besetzten, dessen Kultstätte des Zeus und der Dione in Dodona pis in spate Zeit auch im übrigen G. hochgeehrt worden ist, dann das fruchtbare Tal des Peneios, die alten Einwohner, soweit sie sich nicht unterwarfen, zur Auswanderung zwingend, die dann ihrerseits wieder andre in Bewegung setzten. Am weitesten nach Süden vorgedrungen sind die Dorier, die von dem nördlichen Thessalien aus die nach ihnen benannte Landschaft Doris zwischen Parnaß und Ota in Besitz nahmen und, nachdem sie hier einen Teil ihres Stammes zurückgelassen hatten, zusammen mit andern Völkerschaften über die schmale Meerenge im Westen des Korinthischen Golfs nach dem Peloponnes übersetzten (der Überlieferung nach 1104) und ihn allmählich unter der Führung ihrer drei Könige, die ihr Geschlecht von Herakles ableiteten, mit Ausnahme von Arkadien eroberten; der Verfall der mykenischen Kultur erleichterte es ihnen. Sie versuchten sogar ihre Herrschaft über den Isthmus von Korinth nach Norden zu auszudehnen, wurden aber von den Athenern zurückgeschlagen (1068) und auf Doris und den Peloponnes beschränkt. Die frühern Bewohner der Halbinsel, mit den spätern Ioniern und Äoliern, auch Arkadern verwandte Völkerstämme, Achäer nach der Überlieferung, suchten sich teils in Arkadien, teils im Nordwesten neue Wohnsitze und benannten die letztern nach Vertreibung der Ionier Achaia.
Diese gewaltsamen Umwälzungen hatten noch weitere bedeutsame Folgen. In manchen Landschaften hatte sich nämlich die Bevölkerung teils durch Zusammendrängen der ursprünglichen Einwohner teils durch Zuwanderung von Flüchtigen derartig vermehrt, daß ste innerhalb ihrer Grenzen keinen Platz mehr fand. So erfolgte um 1050 v. Chr. eine große Auswanderung nach den östlichen Inseln und Küsten des Ägäischen Meeres, das auf diese Weise zu einem griechischen Binnenmeer gemacht wurde. Es lassen sich in ihr drei Züge unterscheiden: der äolische Kolonistenzug im Norden, der ionische in der Mitte und der dorische im Süden. Von dem letztern, der auch Ansiedler andrer Stämme umfaßte, wurde die Küste Kariens, Rhodos und Kos kolonisiert, Kreta nach langsamer, gründlicher Eroberung fast ganz dorisch gemacht. Die Ionier stifteten an den Küsten Lydiens nach harten Kämpfen um Ephesos, deren Erinnerung in der Sage von den Amazonen fortlebte, einen mächtigen Bund von zwölf ionischen Pflanzstädten. Die ältesten Auswanderungen, und zwar schon in der mykenischen Zeit, gingen von Jolkos, der Hafenstadt am Pagasäischen Meerbusen, aus, und zwar durch die Minyer in Orchomenos, und sind durch die Argonautensage in der Erinnerung bewahrt worden. Nach diesen übernahmen peloponnesische Geschlechter (die Atriden) die Führung der äolischen Kolonistenzüge, deren Ausgangspunkt Aulis wurde, und die sich von Thrakien und den Inseln vor dem nördlichen Kleinasien nach Mysien und Troas vorschoben. Um in den hartnäckigen Kämpfen mit den Dardanern von Ilion sich den Mut zu stärken, erneuerten und feierten sie das Andenken an ihre alten Heerkönige, die Atriden und Achilleus, in Liedern, die später von ionischen Sängern überarbeitet und erweitert worden sind und diesen die Anregung zu einer Fortsetzung mit Odysseus als Mittelpunkt gegeben haben. Nach einer Tätigkeit von mehreren Generationen ist dann die erste Gruppe zur »Ilias« und etwa ein Jahrhundert später die zweite zur »Odyssee« zusammengefaßt worden. Es zeigt diese demnach schon wesentlich veränderte Lebensverhältnisse und eine ausgedehntere geographische Kenntnis, im allgemeinen geben uns indes beide Dichtungen ein anschauliches Bild des hellenischen Heldenzeitalters, wie es spätern Geschlechtern erschien, als ein König von göttlicher Abstammung mit erblicher Gewalt als oberster Feldherr, Richter und Priester unumschränkt, aber in väterlicher Weise über das Volk herrschte. Das Ende aller dieser Wanderungen und Schiebungen war eine Auflösung der größern Völkermassen, die in sie eingetreten waren oder sich auf ihnen zusammengeschlossen hatten, in kleinere Stämme je nach der Gliederung des Landes, der Übergang von dem Nomadenleben zum Ackerbau und die Wiederaufnahme des Handels unter neuen Vorbedingungen. Denn dem orientalischen Einfluß war durch diese Neubesiedelung Griechenlands ein Ende gemacht worden, wenn auch die Erinnerung Gestalten, in denen er sich personifiziert hatte (Danaos, Pelops, Kadmos), festhielt und die Sage sich weiter mit ihnen beschäftigte. Es hat einige Zeit gedauert, bis die Kultur die Höhe der mykenischen Zeit wieder erreicht hat.
Unter den auf dem Peloponnes von den Doriern gegründeten Staaten war Sparta der kräftigste. Zwar hatten auch in Lakonien die Dorier nicht das ganze Land erobert und hatten achäische Familien in den herrschenden Stand aufnehmen müssen. Doch gelang es, den Staat in eine festgeschlossene Ordnung zu fügen, in der bewährte alte Satzungen mit neuen zeitgemäßen vereinigt wurden und Friede zwischen den verschiedenen Klassen der Bevölkerung hergestellt wurde. Das Verdienst, dadurch die der Dorier, der Spartiaten, zu der unbedingt herrschenden gemacht und ihre Kraft zu voller Entwickelung gebracht zu haben, wird mit dem Namen des Lykurgos (s. d.) verknüpft. Bald mußten dies die Nachbarländer empfinden, besonders Messenien, dessen fruchtbare Ebenen die spartanische Begehrlichkeit reizten. Nach einem 20jährigen Kampf, dem ersten Messenischen Krieg (743–724), fiel die von Aristodemos tapfer verteidigte Burg Ithome; die Messenier mußten sich unterwerfen und teils selbst als Zinsbauern der Spartiaten (Heloten) das Land bebauen, teils es an lakonische Periöken abtreten. Innere Kämpfe zwischen dem Königtum und der dorischen Bürgergemeinde über die politischen Rechte, die mit dem Siege der letztern endeten, Aufstände der Periöken infolge der Unduldsamkeit der Spartiaten gegen die Nichtdorier und die Zurückweisung des Versuchs, ihr Gebiet auch nach Norden auszudehnen, durch den König Pheidon von Argos (669) ließen es indes nicht zu größerer Erweiterung ihres Machtgebiets kommen. Auch als die Messenier unter Leitung des Aristomenes sich empörten und unterstützt von Argos, Arkadien und Pisa die Spartiaten aus ihrem Gebiet vertrieben (zweiter Messenischer Krieg, 645–628), kämpften diese zuerst unglücklich. Erst als sie auf Geheiß des delphischen Orakels den attischen Sänger Tyrtäos berufen hatten, dessen begeisterte Lieder das Gefühl für Kriegerehre und Treue gegen das angestammte Königtum neu belebten, der sich aber zugleich als Feldherr und Staatsmann bewährte, nahm der Krieg eine für Sparta günstige Wendung. Die Messenier wurden nach der Bergfestung Eira zurückgedrängt und nach mehrjähriger tapferer Verteidigung zur Ergebung gezwungen, worauf die einen nach dem südlichen Italien oder nach Kleinasien auswanderten, die andern in das Verhältnis der Heloten zurücktraten. Das Übergewicht der Spartiaten wuchs durch dies Ergebnis der Messenischen Kriege. Die Eroberungspolitik der Könige gaben jedoch die Ephoren, welche die Leitung des Staates immer mehr in ihre Hand bekamen, auf: sie suchten vielmehr die peloponnesischen Staaten unter spartanischer Hegemonie zu einem Bunde zu einigen, dessen Mittelpunkt Olympia und die daselbst gefeierten Spiele bildeten, und durch Aufrechthaltung der alten gesetzlichen Ordnungen in den verbündeten Staaten das Übergewicht der dorischen Bevölkerung zu befestigen. Deshalb bekämpfte Sparta die Tyrannis, die in Argos, Korinth, Sikyon und Megaris zur Herrschaft gelangt war und mit Hilfe des niedern Volkes den bisher allein berechtigten dorischen Adel unterdrückt hatte. Obwohl es ihm nicht überall gelang, die Tyrannen zu stürzen und die dorischen Aristokratien wiederherzustellen, so wurde doch sein Ansehen, das auch die delphische Priesterschaft begünstigte, nicht nur im dorischen Peloponnes, sondern auch im übrigen G. als maßgebend anerkannt, so daß es an die Oberleitung aller hellenischen Nationalangelegenheiten denken konnte. Da erwuchs ihm in Mittelgriechenland ein ebenbürtiger Nebenbuhler.
Dies war der aus der Vereinigung (Synoikismos) der zwölf Städte Attikas entstandene Staat Athen (s. d.). Nachdem er 1068 siegreich die dorische Eroberung abgewehrt hatte, bot er den zahlreichen Flüchtlingen aus dem Peloponnes eine Zuflucht und gewann durch Aufnahme edler Geschlechter in seinen Adel eine Fülle neuer Kraft. Das ionische Element war stark genug, die alten Bewohner und die neuen Einwanderer mit sich zu verschmelzen, während die Mischung so verschiedener Teile dem attischen Geist seine Vielseitigkeit und seinen unermüdlichen Fortschrittstrieb verlieh. An die Stelle des Königtums trat allmählich die Aristokratie, die die andern Stände, die Geomoren und Demiurgen, durch eigennützige Ausbeutung des Schuldrechts zu unterdrücken und allen Besitz an sich zu reißen suchte. Der Versuch Kylons (636 oder 632), sie zu stürzen und sich der Tyrannis zu bemächtigen, mißlang. Drakons Gesetzgebung (620) schuf zwar ein festes Blutrecht, konnte aber den Bruch zwischen ihr und den andern Ständen nicht beseitigen. Erst das große Verfassungswerk Solons (s. d.) führte die Versöhnung herbei und ermöglichte durch Aufhebung des wirtschaftlichen Notstandes und durch gerechte Abmessung der Rechte und Pflichten der Bürger nach dem Vermögen (Timokratie) ein gesundes, kräftiges Staatsleben (594); die Tyrannis des Peisistratos (560–527), die trotzdem aus neuen Parteikämpfen hervorging, rüttelte nicht an den Grundlagen der Solonischen Verfassung. Nach dem Sturz des Peisistratiden Hippias (510) wurde sie von dem Alkmäoniden Kleisthenes nicht allein hergestellt, sondern, nachdem der Versuch einer Reaktion durch den Aristokraten Isagoras, einen Gastfreund des spartanischen Königs Kleomenes, mit viel Blutvergießen unterdrückt war, in der demokratischen Richtung weiter gebildet; an Stelle der alten vier auf Verwandtschaft beruhenden Phylen richtete er nach den Wohnsitzen zehn neue ein und schwächte damit auch den persönlichen Einfluß der adligen Eupatriden. Die bewaffnete Einmischung Spartas scheiterte. So traten die Athener als Vertreter des ionischen Stammes ebenbürtig dem dorischen Sparta gegenüber. Ihnen zur Seite standen auf dem Peloponnes der Seestaat Korinth, Sparta anregend und mäßigend, in Hellas neben Athen die Landbau treibende Bevölkerung von Böotien. Außer diesen vier Staaten war auf dem europäischen Festland um das Jahr 500 kein griechischer Staat von größerer Bedeutung.
Das Zeitalter der Perserkriege.
Zur Entwickelung des Hellenentums nach außen trugen die großartigen Kolonisationen während der Jahre 800–500 in hervorragendem Maße bei. Unermüdlich in ihrem Trieb, immer neue Handelswege aufzusuchen, bei allem Heimatsgefühl zur Auswanderung in die Ferne geneigt, verbreiteten sich die Hellenen vom Archipel über das ganze Mittelmeer und gründeten an den Küsten der Mäotis bis zu den Mündungen des Nils und den Säulen des Herakles hin Pflanzstädte, die den Handel mit dem Mutterland vermittelten, die Erzeugnisse des fremden Landes mit denen des heimischen Gewerbfleißes austauschten und den Landbau in ihrem Gebiet erfolgreich ausbeuteten. In kurzer Zeit übertrafen viele Kolonien an Zahl der Bevölkerung und an Reichtum ihre Mutterstädte, da sie weniger durch ebenbürtige Nachbarn beschränkt waren. Mit der materiellen Entwickelung hielt meist die intellektuelle gleichen Schritt. Dabei blieben die Pflanzstädte mit der Heimat in stetem Verkehr, und wenn sie auch eine politische Oberhoheit der Mutterstadt in der Regel nicht anerkannten, so hielten sie doch ein Pietätsverhältnis aufrecht und breiteten ihre Sprache und Bildung auch über die umwohnenden Völkerschaften aus. Unter allen Stämmen zeichneten sich die Ionier und unter diesen wieder die Städte Chalkis auf Euböa und Milet bei der Kolonisationstätigkeit aus. Milet gründete an der Propontis und am Schwarzen Meer zahlreiche Pflanzstädte, wie Kyzikos, Sinope, Trapezus, Pantikapäon, Odessos u. a., am Nil Naukratis. Die euböischen Städte kolonisierten besonders die mazedonische Küste, Chalkis hatte hier allein 32 Pflanzstädte. Von den westlichen Inseln aus, namentlich von Korkyra, das sich 665 von seiner Mutterstadt Korinth losriß, wurden Ansiedelungen nach der illyrischen Küste und nach Italien entsendet, wo man schon ältere Niederlassungen vorfand; Kyme, Zankle (Messana), Rhegion, die Städte an der Ostküste Siziliens, wie Katane, Naxos, Syrakus und Leontinoi, verdankten der Vereinigung und dem Wetteifer verschiedener griechischer Staaten ihre Entstehung. Achäische Geschlechter von der Nordküste des Peloponnes führten ionische Kolonisten nach dem Tarentinischen Meerbusen und gründeten Sybaris und Kroton, lakonische Ansiedler Taras, Rhodier Gela an der Südküste Siziliens und dieses wieder Akragas, das an Glanz und Pracht bald die Mutterstadt überbot. Die kühnen Seeleute von Phokäa drangen bis zur Küste Galliens vor, wo Massalia Mittelpunkt ihrer Handelsplätze wurde, und auch in Spanien nisteten sich Griechen ein und machten den Karthagern die Herrschaft über den dortigen Handel streitig. Von Thera aus wurde endlich in Afrika die kyrenäische Pentapolis angelegt. Einen wesentlichen Anteil an der planmäßigen Leitung dieser Kolonisation hatte die delphische Priesterschaft, die sowohl Eifersucht und Streik zwischen den Ansiedlern verschiedenen Stammes verhütete als auch die nationale Einheit der weitverstreuten Hellenen erhielt.
Nachdem die griechischen Kolonien sich lange Zeit ungestört hatten ausbreiten und das Hinterland ausbeuten können, erfolgte eine natürliche Reaktion hiergegen, zunächst in Kleinasien, wo der lydische König Krösos nach langem, hartnäckigem Kampf Ephesos und Smyrna unterwarf und den übrigen Städten Anerkennung der lydischen Landeshoheit und einen übrigens mäßigen Tribut auferlegte. Der Sturz des lydischen Reiches (548) brachte den Griechen ein noch schlimmeres Los. Da sie die Anträge des Perserkönigs Kyros auf freiwilligen Anschluß zurückwiesen und einen Befreiungsversuch machten, wurden sie von Harpagos mit Waffengewalt bezwungen und dem persischen Reich einverleibt, dem sie Abgaben zahlen und Heeresfolge leisten mußten, soweit sie nicht auswanderten, wie die Stadtgemeinden Teos und Phokäa, die sich in Thrakien und Gallien eine Heimat suchten; wenigstens behielten die Zurückbleibenden ihre Religion, Sprache und Sitte. Auch Chios, Lesbos und nach dem Untergang des Polykrates (522) Samos teilten das Schicksal der festländischen Städte und erhielten in den Städten von den Persern abhängige Tyrannen. Schon begannen die Perser die Bekriegung Europas, als, von ehrgeizigen, in ihren Hoffnungen getäuschten Führern angeregt, der ionische Aufstand ausbrach (500), der sich zwar über die ganze Küste und die Inseln Kleinasiens ausbreitete, aber planlos und ohne genügende Streitkräfte ins Werk gesetzt war. Er wurde daher nach der Niederlage der ionischen Flotte bei Lade bald unterdrückt, Milet 494 zerstört und die persische Herrschaft auf dem Festland und den Inseln fest gegründet. Die Unterstützung der aufständischen Ionier durch Athen und Eretria gab dem Großkönig die Veranlassung, seine Macht auch die Griechen in Europa fühlen zu lassen. Ihre Gefahr war groß, um so mehr, als es ihnen an Entschlossenheit und Einheit des Widerstandes gebrach; gleichzeitig rüstete sich Karthago, der griechischen Macht in Sizilien und Italien ein Ende zu machen. Im Augenblick der höchsten Gefahr ermannten sich aber die Griechen, ihre kräftigsten Staaten, Athen und Sparta, traten als Vorkämpfer der griechischen Freiheit auf, retteten durch die glänzenden Taten der Perserkriege (s. d.), 490–479, die Selbständigkeit der griechischen Kulturentwickelung und erhoben das eigentliche Hellas, das hinter den üppig entwickelten Kolonien fast zurückgetreten war, zum Mittelpunkt der griechischen Welt und zu einer dem asiatischen Reich ebenbürtigen Macht.
Der Ruhm des Sieges bei Marathon (s. d.) über die west überlegene Macht des Datis und Artaphernes gebührt allein den Athenern, nicht weniger der, eingesehen zu haben, daß auf die Dauer die Perser nur zur See mit Erfolg bekämpft werden könnten. Daher verzichteten sie auf die Verteilung der Einkünfte der laurischen Silberbergwerke, verwendeten sie zum Bau einer großen Kriegsflotte und gründeten einen neuen Hafen, den Piräeus, alles dies auf den Antrieb des genialen und weitblickenden Themistokles, der auch die Seele des Widerstandes war, als Xerxes mit seinem ungeheuern Heere 480 in G. eindrang. Mehrere Staaten neigten offen zu den Persern, Argos aus Haß gegen Sparta, Theben und Korinth aus Eifersucht gegen Athen; auch Sparta war unentschlossen und zauderte. Der Zugang zu Mittelgriechenland, die Thermopylen, wurde nur durch ein kleines spartanisches Heer unter Leonidas gesperrt, das Xerxes durch Verrat umging und nach tapferster Gegenwehr niedermetzelte, um nun das ganze Land bis zum Isthmus zu überschwemmen; die Athener flüchteten auf ihre Schiffe. Die Uneinigkeit und Entmutigung unter den Griechen waren groß; die Peloponnesier wollten sich auf die Verteidigung ihrer Halbinsel beschränken. Da war es die zumeist aus athenischen Schiffen gebildete Flotte unter der Leitung des Themistokles, die durch den Sieg bei Salamis (20. Sept. 480) G. rettete. Xerxes ging nach Asien zurück und ließ nur ein auserlesenes Landheer von 300,000 Mann unter Mardonios in Europa zurück, über das im Spätsommer 479 das griechische Heer unter dem Oberbefehl des Spartaners Pausanias den Sieg von Platää errang, durch den das griechische Festland für immer gegen die Perser gesichert wurde. Auch die kleinasiatischen Städte wurden um dieselbe Zeit durch den Sieg der griechischen Flotte bei Mykale befreit.
Wie die Athener während der Perserkriege den größten Patriotismus und die freudigste Aufopferungsfähigkeit bewiesen hatten, so zogen sie auch aus den Erfolgen den reichsten Gewinn. Zunächst ging die Führung im Seekrieg, die bisher die Spartaner gehabt hatten, auf sie über und wurde dadurch sicher begründet, daß Aristeides, der sich durch Milde und Gerechtigkeit das Vertrauen der Bundesgenossen erworben, zu gegenseitigem Schutz gegen die Perser mit den Inseln und Küstenstädten des Ägäischen Meeres einen Seebund stiftete, dessen Oberleitung Athen übernahm. Durch rastlose Tätigkeit zeigte es sich dieser Stellung würdig: Kimon, der Sohn des Miltiades, eroberte die letzte persische Stadt in Thrakien, Eion, und vernichtete die persische See- und Landmacht, die Ionien wiedererobern sollte, um 465 am Eurymedon in Pamphylien. Versuche einzelner Staaten, durch Auflehnung den Bund zu lockern, hatten nur den Erfolg, daß Athen die Kasse des Seebundes 460 von Delos in das Heiligtum der Athene auf der Akropolis verlegte und sich aus einem gleichberechtigten Bundesgenossen zum Herrscher des Bundes machte. Ein Umschwung in der athenischen Politik erfolgte, als die Spartaner eine ihnen von Athen gegen die aufrührerischen Messenier geschickte Hilfe 461 abwiesen und dadurch die Stellung des ihnen freundlichen Kimon untergruben. Er wurde verbannt, und nun strebte die zur Herrschaft gekommene Partei unter Führung des Perikles danach, einen Sonderbund als Grundlage der Hegemonie über ganz Hellas zustande zu bringen. Argos, Thessalien und Megaris wurden für diesen Bund gewonnen, während Korinth, Epidauros und Ägina 458 einen mit wechselndem Erfolg geführten Krieg gegen Athen begannen. Das Endergebnis war aber doch, obgleich auch die Spartaner in den Streit eingriffen, daß Ägina endlich unterworfen wurde (456) und die Böotier, Phoker und opuntischen Lokrer sich der athenischen Hegemonie anschlossen, und da auch die Achäer sich mit Athen verbündeten und durch die Ansiedelung der vertriebenen Messenier in Naupaktos ein fester Stützpunkt gewonnen wurde, so erstreckte sich dieselbe auch über den Korinthischen Meerbusen. Endlich eroberte der wieder zurückberufene Kimon an der Spitze eines athenischen Heeres Kition auf Cypern, und nach seinem Tod errang dies noch einen Seesieg bei Salamis über die Perser. Hierauf ruhte der Krieg, ohne daß ein förmlicher Friede zwischen Griechen und Persern abgeschlossen worden wäre. Die Perser ließen das Ägäische Meer unbehelligt und öffneten den Griechen wieder ihre Häfen. So schloß das Zeitalter der Perserkriege.
Kämpfe um die Hegemonie.
Trotz seiner Eifersucht hatte Sparta im Waffenstillstand von 450 die herrschende Stellung Athens in Mittelgriechenland anerkennen müssen. Doch vermochte Athen diese nicht lange zu behaupten. Der Friede wurde gestört durch einen Eingriff Spartas in die Verhältnisse Mittelgriechenlands, indem es das delphische Heiligtum wieder selbständig zu machen versuchte. Anerkannt als der geistige Mittelpunkt des gesamten Hellenentums und von der höchsten Bedeutung für die Pflege des Gedankens einer auf gemeinsamen Götterkultus gegründeten nationalen Einheit, hatte es durch seine Bevorzugung der aristokratischen Staatsform und Hinneigung zu Sparta in den demokratischen Staaten Mißstimmung erregt, und der phokische Bund hatte es daher in Abhängigkeit von sich gebracht. Gegen diese war ein spartanischer Heerzug nach Phokis 449 gerichtet, dem es auch gelang, sie aufzuheben, jedoch nur auf kurze Zeit; denn die Athener stellten die Abhängigkeit von den Phokern bald wieder her. In seinen alten Feinden aber war durch die spartanische Unterstützung Delphis die Hoffnung auf eine gleiche wachgerufen. So erhob sich Böotien und stellte durch den Sieg bei Koroneia 447 seine Selbständigkeit wieder her. Gleichzeitig fielen Euböa und Megara ab, und Sparta erschien wieder mit einem Heer in Mittelgriechenland. Euböa wurde zwar wieder unterjocht und Sparta zu einem 30jährigen Frieden (des Perikles) bewogen (445). Aber das Gebiet, über das Athen die Hegemonie hatte, war nur auf den Seebund beschränkt; außer Platää sagten sich die mittelgriechischen und peloponnesischen Staaten von Athen los. Für immer aber verzichteten die Athener keineswegs auf ihre Herrschaft über ganz G. und benutzten die Friedenszeit, um für die als unvermeidlich erkannte Abrechnung mit Sparta alle Kräfte zu sammeln und zu organisieren. Den Weg wies ihnen Perikles (s. d.), in der richtigen Einsicht, daß nur von einer allgemeinen, selbstbewußten und hingebenden Beteiligung der Bürgerschaft an den Aufgaben des Staates das Übergewicht über Sparta zu erwarten sei, und daraufhin die demokratische Verfassung weiter ausbildete. Nachdem schon Aristeides nach den Perserkriegen alle Bürger zu allen Ämtern zugelassen und das Gesetz des Ephialtes 460 die Macht des Areopags aus dem Wege geräumt halte, schuf er durch Entschädigung für den Kriegsdienst, für die richterliche Tätigkeit, für die Teilnahme an den Volksversammlungen, endlich sogar für den Besuch des Theaters aus Staatsmitteln selbst dem ärmsten Bürger die Möglichkeit, sich dem staatlichen Leben und den geistigen Interessen des Volkes zu widmen; kaum je ist in einem andern Staat die Bildung so allgemein verbreitet gewesen. Willig beugten sich die Athener vor der Überlegenheit der Einsicht des Perikles und der sittlichen Größe seines Charakters, übertrugen ihm vertrauensvoll als Strategen die freie Verfügung über die Streitkräfte und Geldmittel des Staates und setzten ihn in den Stand, 15 Jahre lang eine folgegerechte und feste Staatsregierung zu führen, welche die Vorzüge der Volksherrschaft mit denen der Alleinherrschaft verband.
Vor allem galt es, die Seeherrschaft Athens zu erweitern und zu befestigen. Die langen Mauern, die Athen mit den Häfen verbanden, wurden vollendet und die Verbindung mit der See für alle Fälle gesichert. Die Kriegsschiffe wurden größer und stärker gebaut, 300 lagen stets bereit auf den Werften und konnten 60,000 Mann aufnehmen, 60 Trieren kreuzten fortwährend auf dem Archipel und duldeten dort kein fremdes Kriegsschiff. Die kleinern verbündeten Staaten des Seebundes wurden völlig untertänig gemacht, mußten Tribut zahlen, in Athen ihr Recht nehmen und ihre Verfassungen demokratisch gestalten Mehr Selbständigkeit genossen die größern Inseln, aber eine Unbotmäßigkeit wurde sofort mit Unterwerfung bestraft; so verlor Samos 440 seine Unabhängigkeit. Attische Bürger wurden als Kleruchen auf den Inseln und Küsten des Ägäischen Meeres angesiedelt, das von den Athenern als ihr Eigentum betrachtet wurde; auch förmliche Kolonien wurden ausgesandt, wie Amphipolis und Thurioi. Gewerbe und Handel entwickelten sich glänzend, zumal Athen sich nicht scheute, durch Zwangsmaßregeln den Piräeus zum Stapelplatz von ganz Hellas zu machen; dafür sorgte es aber wieder für die Sicherheit des Meeres, setzte Handelsgerichte ein und hielt das Münzwesen in strenger Ordnung. Wie zur See, hatten die Athener die unbestrittene Herrschaft auch auf dem geistigen Gebiet. Hier war ihre Stadt der Mittelpunkt, nach dem sich alle bewegenden Kräfte des Hellenenvolkes hinzogen, von wo sein geistiges Leben Anregung und Leitung empfing. Die berühmtesten Philosophen siedelten nach Athen über; die Geschichtschreiber, wie Herodot von Halikarnassos, feierten die Taten der Athener. Die sich frei entwickelnde politische und gerichtliche Beredsamkeit gelangte zur höchsten Blüte und erhob die attische Mundart zur herrschenden Schriftsprache. Äschylos, Sophokles, Krates und Kratinos schufen das griechische Drama. Auch die künstlerischen Kräfte von ganz Hellas wirkten in edlem Wetteifer zusammen, Athen mit Bauten und Bildwerken zu schmücken, wozu auch die Höhe der Tribute (600 Talente im J. 432) beitrug, die aber außerdem noch die Ansammlung eines ansehnlichen Staatsschatzes ermöglichte. Unbestritten war Athen die geistige Hauptstadt Griechenlands, und daß es auch die politische werde, unter seiner Führung alle Hellenen zu einem staatlichen Gemeinwesen einige, schien das natürliche Ergebnis der geschichtlichen Entwickelung zu sein.
Obwohl auf einen neuen Kampf mit Sparta um die Hegemonie gefaßt und vorbereitet, vermied doch Athen alle Feindseligkeiten, und auch Sparta blieb trotz seines eifersüchtigen Grolls untätig. Der Anlaß zum Peloponnesischen Krieg (s. d.), 431–404, ging von Korinth aus, das, auf Athens Seemacht neidisch und durch dessen Einmischung in seine kolonialen Angelegenheiten gereizt, die zaudernden Spartaner u. ihre peloponnesischen Bundesgenossen zum Beschluß des Krieges gegen Athen fortriß. Perikles hielt die Zeit für gekommen, den Kampf aufzunehmen. Zwar war die Zahl der Feinde und Neider Athens groß, und alle Staaten, die mit Unwillen Athens Übermacht ertrugen, wie Böotien, schlossen sich den Peloponnesiern an. Dennoch durfte er bei der Größe und Schlagfertigkeit der athenischen Streitmacht sowie der günstigen Lage der Staatsfinanzen auf einen glücklichen Ausgang des Krieges rechnen. Der Beginn schien diese Erwartung zu bestätigen. Die Peloponnesier, die mit einem gewaltigen Heer unter Archidamos in Attika einfielen, mußten sich mit Verwüstung des flachen Landes begnügen, weil sich die Athener hinter die Mauern ihrer Stadt zurückgezogen hatten, und da letztere sich nach ihrem Abzug rächten, indem sie Megaris und die Küsten des Peloponnes verwüsteten, würden die Peloponnesier die nutzlosen Züge gegen Attika wohl bald aufgegeben haben: da brach 430 in dem übervölkerten Athen die Pest aus und raffte viele Tausend Menschen, 429 auch Perikles hinweg. Der Kern der athenischen Bürgerschaft ging zugrunde, die furchtbare Seuche entfesselte die Leidenschaften und die Triebe der Selbstsucht; in dem fortdauernden Krieg entartete das jüngere Geschlecht, unwürdige Demagogen traten an Perikles' Stelle und suchten Einfluß und Macht zu gewinnen, indem sie den niedrigen Neigungen des Volkes schmeichelten und Befriedigung verschafften. Ganz G. wurde in den mehr und mehr sich ausbreitenden Krieg gezogen und spaltete sich in zwei Parteien, eine lakedämonische und eine athenische, aller Gemeinsinn, alle Achtung vor Religion und Sitte gingen verloren, die alten Tugenden der Besonnenheit und Mäßigung wurden verhöhnt; für erlaubt galt, was die Parteiinteressen förderte. Auf kurze Zeit wurde der unentschiedene Krieg durch den Frieden des Nikias (421) unterbrochen, der die Verhältnisse vor dem Kriege herstellte. Durch ihn fühlte sich indes Alkibiades (s. d.) in der Ausführung seiner ehrgeizigen Pläne beschränkt; daher verleitete er die Athener zu einer Einmischung in die peloponnesischen Angelegenheiten, die mit der Niederlage bei Mantineia (418) endete, und zu der sizilischen Expedition (415–413), bei der die athenische Flotte und ein gewaltiges Landheer zugrunde gingen, und gab, als er infolge von Parteiumtrieben verbannt wurde, um sich dafür zu rächen, den Spartanern den für Athen höchst verderblichen Nat, 413 Dekeleia zu besetzen, wodurch die Athener mich während des Winters auf die Stadt beschränkt wurden, und mit persischer Hilfe eine Flotte auszurüsten, mit der sie die mächtigsten Staaten des Seebundes zum Abfall von Athen bewogen. Die Siege des 410 zurückberufenen Alkibiades waren vorübergehende Lichtblicke. Das athenische Volk, an sich selbst verzweifelnd und von verräterischen, selbstsüchtigen Parteimännern betrogen, beschleunigte durch selbstmörderische Fehler, wie die zweite Verbannung des Alkibiades und die Hinrichtung der siegreichen Feldherren nach der Schlacht bei den Arginusen, den Untergang seiner M. icht. Nachdem Lysandros 405 die letzte athenische Flotte bei Aigospotamoi vernichtet hatte, wurde Athen zu Wasser und zu Lande eingeschlossen. Die Verräterei des Theramenes verhinderte die Athener an einer heldenmütigen Verteidigung, und durch Hunger bezwungen, mußten sie 404 die demütigenden Friedensbedingungen annehmen, welche die Ephoren ihnen auferlegten: Niederreißung der Hafen- und Verbindungsmauern, Auslieferung der Flotte, Verzicht auf jede Herrschaft außerhalb Attikas, Anschluß an den Peloponnesischen Bund mit der Pflicht der Heeresfolge. Die alte Verfassung wurde aufgehoben und bis mr Einführung einer neuen oligarchischen die Staatsverwaltung 30 Männern (den 30 Tyrannen) übergeben, zu deren Schutz 700 Spartaner die Akropolis besetzten.
So sank weniger durch die Macht der äußern Feinde als durch eigne Schuld der einzige griechische Staat in den Staub, der imstande gewesen wäre, Hellas politisch zu einigen. Sparta ging aus dem Vernichtungskampf als Sieger hervor, ganz G. hatte sich seiner Führerschaft untergeordnet. Aber es war nicht fähig, die Herrschaft zu behaupten; auch der Lykurgische Staat war entartet und entkräftet. Überdies hatte Lysandros durch die Einsetzung von oligarchischen Regierungen (Dekarchien) in allen Staaten, die sich ihm anschlossen, und durch die spartanischen Besatzungen zu ihrem Schutz die Freiheitsliebe der Griechen verletzt und die Mittelstaaten, deren eifriger Beistand Sparta zum Sieg verholfen, vom Anteil an der Siegesbeute und der Neuordnung der Dinge in Hellas gänzlich ausgeschlossen, so daß Sparta, das vor dem Krieg als Hort der Freiheit gegen Athens Übermacht gegolten hatte, jetzt gehaßt wurde. So kam es, daß sich sogar, von dem Perserkönig veranlaßt, der den ihn in Kleinasien bekriegenden spartanischen König Agesilaos los werden wollte, Theben, Korinth, Argos und Athen, das 403 die Herrschaft der Dreißig abgeschüttelt hatte, zu einem Bund gegen Sparta zusammenschlossen, dem die meisten Staaten Mittel- und Nordgriechenlands beitraten (Korinthischer Krieg, 394–387). Ihre Stellung auf dem Peloponnes behaupteten die Spartaner allerdings durch den Sieg bei Nemea, und auch in Mittelgriechenland bewährte Agesilaos das spartanische Übergewicht im Landkrieg in der Schlacht bei Koroneia (394). Aber ihre mühsam errungene Seeherrschaft ging durch die Niederlage ihrer Flotte bei Knidos mit Einem Schlag verloren; alle Seestaaten fielen von ihnen ab, ein neuer attischer Seebund bildete sich. Nachdem der Landkrieg in blutigen Gefechten um Korinth sich jahrelang ohne Entscheidung hingezogen hatte, gelang es 387 dem Spartaner Antalkidas, den Perserkönig, der durch das Eintreten Athens für die Freiheit der kleinasiatischen Städte verstimmt war, auf die Seite Spartas zu ziehen, und dieser gebot zu Sardes die Bedingungen des Friedens (Antalkidischer Friede): das Festland von Kleinasien und Cypern sollten den Persern gehören, alle übrigen Hellenenstädte autonom sein. Diese letztere Bestimmung bedeutete die Auflösung aller Bünde und sicherte Spartas Hegemonie, da es jedem einzelnen griechischen Staat überlegen war; rücksichtslos und mit Anwendung von Gewalt mischte es sich, angeblich zur Durchführung des Friedens, in die innern Angelegenheiten der Staaten und vermehrte die Parteiungen, durch die diese sich zerfleischten. G. dankte also der Herrschaft Spartas seine Zersplitterung und die Schmach der Preisgebung der asiatischen Kolonien.
Die verräterische Besetzung Thebens durch den Spartaner Phoibidas (382) brachte einen Umschwung hervor. Die von den thebanischen Oligarchen vertriebenen Demokraten unter Pelopidas überfielen Theben 379, zwangen die Spartaner zum Abzug, wehrten durch ein rasch ausgerüstetes Heer unter Leitung des Pelopidas und Epameinondas die Einfälle der Spartaner in Böotien ab und stellten die Hegemonie Thebens in dieser Landschaft her, während Athen, gereizt durch einen Angriff des Spartaners Sphodrias auf den Piräeus und deshalb mit Theben verbündet, seinen Seebund wieder auf 70 Mitglieder brachte und über die Spartaner zwei Siege zur See, bei Naxos (376) und bei Leukas (375), erfocht. Friedensverhandlungen (371) führten zwar zwischen Athen und Sparta, nicht aber zwischen Theben und Sparta zum Ziel, so daß dies ein Heer nach Mittelgriechenland schickte, um Theben zu der verlangten Auflösung des Böotischen Bundes zu zwingen. Der glänzende Sieg des Epameinondas bei Leuktra (371) vereitelte dies Unternehmen, und nun fiel der Sieger, dem sich die meisten Staaten Mittelgriechenlands angeschlossen hatten, selbst 370 in den Peloponnes ein, errichtete den Arkadischen Bund mit der Hauptstadt Megalopolis, verwüstete Lakonien und stellte die Unabhängigkeit Messeniens her. Aber trotz dieser Erfolge, die es der Feldherrnkunst seinet Führer und der Tapferkeit des Heeres verdankte, war Theben nicht fähig, die Hegemonie über G. zu behaupten. Als Pelopidas 364 in Thessalien, Epameinondas 362 bei Mantineia gefallen war, brach auch Thebens Macht zusammen; seine Erhebung hatte nur die Zersplitterung und die Ohnmacht Griechenlands vermehrt. Die beiden neuen Staaten, Arkadien und Messenien, lähmten Sparta, ohne selbst zu größerer Kraft zu gedeihen, so daß nun auch der Peloponnes zerrissen und wehrlos war. Ferner erschütterte der Versuch des Epameinondas, auch zur See Macht zu gewinnen, Athens Herrschaft über seinen neuen Seebund. Der gegen die abgefallenen Staaten geführte Bundesgenossenkrieg (358–355) rieb Athens letzte Kräfte auf und endete damit, daß es Chios, Rhodos, Kos, Byzantion u. a. die Unabhängigkeit zugestehen mußte; die Einkünfte des Seebundes betrugen jetzt nur noch 45 Talente.
Dazu kam, daß Theben, um seine gefährdete Herrschaft in Mittelgriechenland zu behaupten, zu unedlen, verräterischen Mitteln griff. Als Phokis sich weigerte, die Oberhoheit der Thebaner anzuerkennen, ließen diese es wegen angeblichen Raubes von delphischem Tempelgut von dem Amphiktyonengericht zu einer hohen Geldbuße verurteilen und, als es die Zahlung verweigerte, in die Acht erklären, um es unter diesem Vorwand unterwerfen zu können (dritter Heiliger Krieg, 355–346). Jetzt aber bemächtigten sich die Phoker, an deren Spitze entschlossene Feldherren standen, des Tempelschatzes von Delphi und warben große Söldnerheere, die das Gebiet der Nachbarn weit und breit verwüsteten, auch das der Thessalier, die endlich den König Philipp von Mazedonien zu Hilfe riefen. Sofort faßte dieser in Thessalien festen Fuß, wurde jedoch von den Athenern durch die Besetzung der Thermopylen verhindert, in Mittelgriechenland einzudringen; auch durch die Unterstützung des von ihm bedrohten Olynth suchten sie ihn fern zu halten. Aber es fehlte ihnen an nachhaltiger Tatkraft, obgleich sie des Demosthenes feurige Beredsamkeit zu energischem Widerstand zu begeistern suchte. Olynth fiel 348, und die Phoker wurden im Frieden des Philokrates 346 preisgegeben, worauf Philipp, von den rachsüchtigen Thebanern herbeigerufen, die phokischen Städte unterwarf und zerstörte und an Phokis' Stelle in den Amphiktyonenbund aufgenommen wurde. Die Verurteilung Amphissas durch das Amphiktyonengericht gab ihm erwünschten Anlaß, von neuem in Hellas einzurücken, das wichtige Elateia zu besetzen und Amphissa zu zerstören. In dieser höchsten Gefahr vereinigten sich noch einmal Athen und Theben und stellten sich Philipp entgegen, unterlagen aber 2. Aug. 338 bei Chaironeia der überlegenen mazedonischen Kriegskunst. Theben mußte eine mazedonische Besatzung in die Kadmeia aufnehmen, der Böotische Bund wurde aufgelöst, die Führer der Nationalpartei büßten mit dem Tode. Glimpflicher wurde Athen behandelt, das seine Selbständigkeit behielt und nur der Seeherrschaft entsagen mußte. Auf einer von Philipp berufenen Versammlung der Abgeordneten der griechischen Staaten zu Korinth wurde darauf (337) die Autonomie aller Staaten verkündet, allgemeiner Landfriede geboten, die Oberhoheit des Königs anerkannt und ihm für den Kriegszug gegen die Perser der unbeschränkte Oberbefehl übertragen; nur die Spartaner waren nicht in Korinth erschienen.
Griechenland unter fremder Herrschaft.
Der Verlust ihrer Freiheit wurde den Griechen durch die mazedonische Herrschaft nicht ersetzt. Nicht in ein größeres Ganze aufgenommen, um als Glieder desselben ein neues Leben zu beginnen, blieben die griechischen Staaten unverändert in ihren abgeschlossenen Existenzen, feindselig gegeneinander, im Innern von Parteiungen durchwühlt; bloß die Schwächen und Nachteile der Kleinstaaterei erhielten sich und wurden immer fühlbarer. Nicht am wenigsten hatte dies darin seinen Grund, daß die Hellenen die Mazedonier als Barbaren ansahen und verachteten und sich daher für die hohen Ziele Philipps und Alexanders d. Gr nicht zu begeistern vermochten. Immer wieder ver suchten sie das fremde Joch abzuschütteln, aber nur, um in demütigendere Knechtschaft zu fallen. Ein Aufstand nach Philipps Tod hatte die vollige Zerstörung Thebens (335) durch Alexander zur Folge. Auf die falsche Kunde von Alexanders Tod erhoben sich 330 die Peloponnesier unter Spartas Führung, erlagen aber dem mazedonischen Statthalter Antipatros. Als Alexander 323 wirklich starb, rief Athen die Griechen unter die Waffen. An den festen Mauern der Stadt Lamia (daher Lamischer Krieg) brach sich jedoch das Ungestüm der Hellenen, und ihre Niederlage bei Krannon (322) beugte sie wieder unter das mazedonische Joch; selbst Athen mußte jetzt mazedonische Besatzung aufnehmen. Auch die Diadochenkämpfe brachten keine dauernde Befreiung. G. mußte sich endlich der Herrschaft des mazedonischen Königs Antigonos Gonatas fügen, der sie durch Besatzungen, besonders in Demetrias, Chalkis und Akrokorinth, den »drei Fesseln Griechenlands«, sicherte. Während aber so das griechische Volk in Knechtschaft und Verachtung verkümmerte, eroberte seine Kultur die damalige Welt. Allerdings besaß diese Kultur, der Hellenismus, nicht mehr die ideale Hohe und künstlerische Schöpferkraft der Perikleischen Zeit: die Bildung ging mehr ins Breite; wissenschaftliche Erörterung trat an die Stelle philosophischen Denkens, formale Vollendung in der Kunst an die Stelle originaler Schöpfung; die Bildung hielt sich nicht frei von fremdartigen Bestandteilen. Doch umstrahlte der Glanz der sich in den Ländern des ehemaligen Reiches Alexanders d. Gr. verbreitenden Herrschaft griechischer Sprache, Kunstbildung und Denkformen auch das Mutterland und verlieh ihm einen Schimmer der früheren Größe.
Der letzte Abschnitt der Geschichte Griechenlands beginnt mit der Bildung des Ätolischen und des Achäischen Bundes zu Anfang des 3. Jahrhunderts. Beide verfolgten, jener in Mittelgriechenland, dieser im Peloponnes, das Ziel, G. wieder politische Selbständigkeit zu verschaffen, rieben aber seine Kräfte nur noch mehr auf, da sie untereinander und mit den sich nicht anschließenden Staaten in immerwährendem Streit lagen. Besonders erbittert war er zwischen dem Achäischen Bund unter Aratos und Sparta unter Kleomenes, in dem endlich Aratos den mazedonischen König Antigonos Doson zu Hilfe rief, der durch seinen Sieg über Kleomenes bei Sellasia (221) die Spartaner sich unterwarf und den Achäischen Bund ganz von sich abhängig machte, während der Ätolische Bund im Bundesgenossenkrieg (220–217) seine Selbständigkeit gegen Philipp III. behauptete. Dessen Kriege mit den Römern schienen den Griechen eine Besserung ihrer Lage zu versprechen. Der Ätolische Bund, später (198) auch der Achäische, schlossen sich Rom an, und nach seinem Siege bei Kynoskephalä (197) und der Zurückziehung der mazedonischen Besatzungen verkündete Flamininus 196 auf den Isthmischen Spielen unter großem Jubel der Hellenen die Freiheit. Aber die Römer meinten es mit diesem Geschenk wenig aufrichtig, und die Griechen waren in ihrer verblendeten Parteiwut nicht fähig, es zu ihrem Heile zu benutzen. Die Ätolier fühlten sich durch die Anerkennung des Achäischen Bundes seitens der Romer zurückgesetzt und in ihrer Hoffnung auf Vermehrung ihrer Macht getauscht, verbanden sich mit Antiochos von Syrien, als dieser 192 in G. landete, und wurden nach der Niederlage des Königs bei Thermopylä (191) von den Römern unterworfen, ihr Bund aufgelöst. Auch der Achäische Bund führte, durch Streitigkeiten und Parteiungen zerrüttet, bald seinen Untergang herbei. Er hatte sich während des Krieges der Römer mit Perseus (171–168) zweideutig gehalten und war dadurch bestraft worden, daß 1000 vornehme Achäer 167 als Geiseln nach Italien gebracht wurden. Schon dadurch war in G. Erbitterung gegen Rom erzeugt worden, sie wuchs, als 152 von jenen 300 in ihre Heimat zurückkehrten, und kam zum Ausbruch, als der römische Senat beschloß, daß Sparta, Korinth, Orchomenos und Herakleia am Ota nicht mehr Glieder des Bundes sein sollten. Der Verzweiflungskampf dauerte aber nicht lange. Der in Mittelgriechenland einfallende achäische Strateg Kritolaos wurde von Metellus, der eben den Aufstand in Mazedonien unterdrückt hatte, bei Skarpheia besiegt und das letzte achäische Heer von L. Mummius bei Leukopetra vernichtet, darauf 146 auf Befehl des Senats Korinth zerstört. Hiermit war die Unterwerfung Griechenlands unter römische Herrschaft vollendet; als Provinz erhielt es den Namen Achaia.
Die Römer behandelten G. wie andre eroberte Länder, indem sie die Stellung der einzelnen Städte verschieden gestalteten, manche, wie Athen und Sparta wegen ihrer ruhmvollen Geschichte, begünstigten und ihnen wenigstens der Form nach ihre Selbständigkeit ließen, andern aristokratische Regierungen aufzwangen und Tribut auferlegten. Neben dem von Cäsar wieder aufgebauten Korinth entwickelten sich namentlich Paträ und das von Augustus bei Aktion erbaute Nikopolis zu blühenden Städten. Im übrigen aber verfiel G. nach Strabons Schilderung unter der römischen Herrschaft auch in materieller Beziehung. Ganze Landstriche, besonders im nördlichen G., waren entvölkert und verödet, altberühmte Städte, wie Theben, Megalopolis u. a., lagen in Trümmern. Vergeblich bemühten sich edle, für griechische Kunst und Wissenschaft begeisterte Römer, wie die Kaiser Trajan und Hadrian, durch Gewährung größerer Freiheit, durch Unterstützung wissenschaftlicher Anstalten und durch Bauten, namentlich in Athen, den alten Geist zu beleben. Dieser war erstorben. Die griechischen Rhetorenschulen wurden zwar noch besucht, die Kunstwerkstätten waren beschäftigt, schufen aber nichts Neues mehr, sondern ahmten frühere Schöpfungen nach. Theater und öffentliche Festspiele waren entartet, der Glaube an die alten Götter erloschen oder in rohen Aberglauben verwandelt. Zwar suchte man durch alljährliche Festlichkeiten das Andenken an glorreiche Tage und Helden der Vorzeit zu erhalten; allein Geist und Kraft der Vorfahren erwachten nicht wieder in den in Trägheit und entnervenden Sinnengenuß versunkenen Nachkommen, die den von Norden hereinbrechenden Barbaren bald völlig erlagen.
[Literatur.] Die wichtigsten Quellen der griechischen Geschichte sind neben den Inschriften die historischen Werke des Herodot, Thukydides, Xenophon, Plutarch, Diodor, die Reden des Demosthenes, die geographischen Beschreibungen des Strabon und des Pausanias. Von den neuern Gesamtdarstellungen der Geschichte Altgriechenlands sind hervorzuheben. C. Thirlwall, History of Greece (Lond. 1835–1838, 8 Bde.; neue Ausg. 1855, 8 Bde.; im Auszug von Schmitz 1856); G. Grote, History of Greece (6. Aufl., das. 1888, 10 Bde.; deutsch, 2. Aufl., Berl. 1880 bis 1883, 6 Bde.); E. Curtius, Griechische Geschichte (6. Aufl., das. 1887–89, 3 Bde.); M. Duncker, Geschichte des Altertums, Bd. 5–9 (neue Ausg., Leipz. 1888); Busolt, Griechische Geschichte bis zur Schlacht bei Chäroneia (Bd. 1–3, Gotha 1884–1903; Bd. 1 u. 2 in 2. Aufl. 1892–95); Holm, Griechische Geschichte (Berl. 1885–93, 4 Bde.); Beloch, Griechische Geschichte (Straßb. 1893–1904, Bd. 1–3); E. Meyer, Geschichte des Altertums, Bd. 2–5 (Stuttg. 1893–1902). Kürzere Darstellungen: Jäger, Geschichte der Griechen (7. Aufl., Gütersloh 1900); Hertzberg, Geschichte von Hellas (in Onckens »Geschichte in Einzeldarstellungen«, Berl. 1879) und Griechische Geschichte (Halle 1884); Pöhlmann, Grundriß der griechischen Geschichte nebst Quellenkunde (2. Aufl., Münch. 1896); Bury, History of Greece (Lond. 1902, 2 Bde.); J. Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte (hrsg. von Oeri, Berl. 1898–1900, 3 Bde.); weitere kulturgeschichtliche Werke s. oben, S. 296; v. Scala, Griechenland (im 4. Bd. von Helmolts »Weltgeschichte«, Leipz. 1900). Zur Geschichte einzelner Stämme u. Zeitperioden: O. Müller, Geschichten hellenischer Stämme und Städte (2. Aufl., Bresl. 1844, 3 Bde.); Niese, Geschichte der griechischen und mazedonischen Staaten seit der Schlacht bei Chäroneia (Gotha 1893–1903, 3 Bde.); Ridgeway, The early age of Greece (Cambridge 1901, Bd. 1; originell, aber oft verfehlt); Droysen, Geschichte des Hellenismus (2. Aufl., Gotha 1877, 3 Bde.); Kaerst, Geschichte des hellenistischen Zeitalters (Leipz. 1901, Bd. 1); Finlay, Greece under the Romans (Lond. 1844; deutsch, Leipz. 1861); Hertzberg, Geschichte Griechenlands unter der Herrschaft der Römer (Halle 1866–75, 3 Bde.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.