Vermögenssteuer

Vermögenssteuer

Vermögenssteuer (Vermögensbesitzsteuer), eine Steuer, die den Steuerpflichtigen nach Maßgabe seines Vermögens trifft. Sie ist entweder eine reelle oder eine nominelle. Die reelle V., bei der die Steuer aus dem Vermögensstock, nicht aus dem durch das Vermögen gewährten Einkommen, zu entrichten ist, widerspricht ebenso den Grundsätzen der Volkswirtschaftspflege wie einer weisen Finanzpolitik, da sie die Steuerkraft vermindern würde; sie ist deshalb nur in Notlagen des Staates (z. B. Preußen 1812 und 1813) zu rechtfertigen. In der Regel ist die V. (abgesehen von der Erbschaftssteuer, s. d.) eine nur nominelle, d. h. das Vermögen bildet nur die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung des auf dem Besitz beruhenden Einkommens. Diese V. bietet den Vorteil, daß durch sie auch das Nutzvermögen getroffen, und daß sie in einfachern Verhältnissen leicht durchgeführt werden kann. Doch bleibt bei ihr das Einkommen aus Arbeit steuerfrei, und entzieht sich viel beweglicher Besitz der Besteuerung. Deshalb wird heute die V. meistens nur als eine Ergänzung der Einkommensteuer benutzt, um im Weg einer formalen Doppelbesteuerung das sogen. fundierte Einkommen (s. Einkommen) einer stärkern Belastung zu unterziehen. Vermögenssteuern sind sehr alt und häufig. Sie finden sich in Athen unter dem Namen der Eisphora, in Rom als Tributum, dann ebenso in den italienischen Republiken wie in den deutschen Reichsstädten und Territorien, tragen aber meist einen gemischten Charakter. Wo sie in der Gegenwart vorkommen, sind sie nur nominell. In einer großen Anzahl von Einzelterritorien der Vereinigten Staaten ist die V. die hauptsächlichste direkte Steuer und wird dort in der Regel von allem beweglichen und unbeweglichen Vermögen nach seinem Verkehrswert unter Abzug der Schulden erhoben. In den Kantonen der Schweiz ist die V. zumeist Hauptsteuer, ergänzt durch eine Einkommensteuer. In Preußen hat die durch Gesetz vom 14. Juli 1893 eingeführte V. den Namen Ergänzungssteuer (zur allgemeinen Einkommensteuer). Steuerobjekt ist alles bewegliche und unbewegliche Vermögen nach Abzug der Schulden, veranschlagt nach dem gemeinen Wert; steuerfrei sind Vermögen bis zu 6000 Mk. und, falls das Jahreseinkommen des Besitzers 900 Mk. nicht übersteigt, bis zu 20,000 Mk.; weibliche Personen, die Minderjährige, Waisen und Erwerbsunfähige zu unterhalten haben, sowie alle Steuerpflichtigen mit nicht mehr als 32,000 Mk. Vermögen, wenn sie zur Einkommensteuer gar nicht oder nur in den vier ersten Stufen veranlagt, bez. Einkommensteuerermäßigung genießen, sind begünstigt. Die in Klassen erhobene Steuer beträgt zurzeit 0,526 pro Mule an der untern Grenze jeder Stufe. Die Stufen steigen von 6000–24,000 Mk. um 2000, von da bis 60,000 Mk. um 4000, von da bis 200,000 Mk. um 10,000, von da um 20,000 Mk. Der Ertrag dieser V. beziffert sich 1906/07 auf 39,5 Mill. Mk. Die V. besteht schon länger in Hamburg und Bremen und ist nach dem Muster Preußens nun in vielen deutschen Staaten eingeführt, so unter anderm in Sachsen (seit 1902), Hessen und Braunschweig (1899), Baden und Oldenburg (1906). Jedoch finden sich im einzelnen manche Abweichungen. So beginnt die sächsische V. (nach Novelle vom 21. April 1906) bei 12,000 Mk. mit Ermäßigungen unter bestimmten Voraussetzungen bis Vermögen von 60,000 Mk.; der Steuersatz beträgt 1/2 pro Mille desjenigen Vermögens, mit dem die vorausgehende Klasse endet. Die Klassen steigen bis 20,000 Mk. um 2000, von da bis 200,000 Mk. um 4000, von da ab um 10,000 Mk. Die hessische V. beginnt bereits bei 3000 Mk. Vermögen mit 1,65 Mk., steigt bis 30,000 Mk. Vermögen um je 0,55 Mk. für 1000 Mk., dann bis 60,000 Mk. um je 1,10 Mk. für je 2000 Mk., dann bis 90,000 Mk. um je 1,65 Mk. für je 3000 Mk., weiter bis 150,000 Mk. um se 2,20 Mk. für je 4000 Mk., dann bis 300,000 Mk. um je 3,30 Mk. für je 6000 Mk., und für noch größere Vermögen um je 5,50 Mk. für je 10,000 Mk. Die braunschweigische V. trifft Vermögen von 6000 Mk. an mit 1.50 Mk. und steigt bis zu Vermögen von 24–28,000 Mk. in 10 Stufen um 0,50 Mk. pro Mille, dann bis zu 60,000 Mk. in 10 Stufen um je 1 Mk., dann bis zu 200,000 Mk. um je 2,50 Mk. für je 10,000 Mk., dann um je 5 Mk. für je 20,000 Mk. Vermögen mehr. Die neue oldenburgische V. unterwirft alles Vermögen, soweit es durch 1000 teilbar ist, der Steuer und macht die Höhe des Steuersatzes abhängig von der Einkommensteuerstufe des Pflichtigen. So sind z. B. bei Einkommen von 600–900 Mk. 5/10 pro Mille, von 900–1500 Mk. 6/10, von 1500–2800 Mk. 8/10, von 2400–2800 Mk. 1 pro Mille des Vermögens zu entrichten. Die jüngste unter den Vermögenssteuern, die badische, die am 1. Jan. 1908 ins Leben trat, weist manche Besonderheiten auf; sie beruht auf Spezialwertkatastern a) vom Immobilienvermögen (Grund und Boden, Gebäude, Bergwerkseigentum), b) vom Betriebskapital in Gewerbe, Land- und Forstwirtschaft, c) vom sonstigen beweglichen Kapital mit gesonderter Veranlagung und verschieden hoher Belastung; der Steuerfuß wird durch Finanzgesetz festgesetzt. Eine V. besteht auch in den Niederlanden (Gesetz vom 27. Sept. 1892), die mit 13,000 Gulden Vermögen beginnt. Vgl. v. Heckel, Vermögenssteuer (im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, Bd. 7, 2. Aufl., Jena 1901); Kommentare zum preußischen Gesetz von Gauß (Berl. 1894), Fuisting (2. Aufl., das. 1905), Strutz (3. Aufl., das. 1895), Fernow (4. Aufl., das. 1907); zum sächsischen Gesetz von Ludwig-Wolf (2. Aufl., Leipz. 1907), zum badischen von Zehnter (Mannh. 1907) etc.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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