Mexiko [1]

Mexiko [1]

Mexiko (Estados unidos de Méjico, spr. mĕchiko: hierzu die Karte »Mexiko«), Bundesrepublik im südlichen Nordamerika, zwischen 14°56'–32°22' nördl. Br. und 86°49'–117°9' westl. L., zur Hälfte nördlich, zur Hälfte südlich vom Wendekreise des Krebses gelegen, grenzt gegen N. an die Vereinigten Staaten, gegen SO. an Guatemala und Britisch-Honduras, während es im O. auf 2580 km langer Strecke vom Golf von M. und vom Karibischen Meer, im S. und W. (6250 km) vom Stillen Ozean bespült wird, und hat einschließlich der Inseln (4042 qkm) ein Areal von 1,987,201 qkm. Die Grenze gegen die Union ist auf langer Linie (im NO.) durch den Rio Grande del Norte mit seinen wilden Canonschluchten bezeichnet, die Grenze gegen Guatemala auf kürzerer durch den Oberlauf des Rio Usumacinta, die Grenze gegen Britisch-Honduras durch den Rio Hondo. Der große Vorteil, geradeso wie die Union zugleich von zwei Weltmeeren bespült zu werden, wird durch die Beschaffenheit der Küsten und die Bodengestalt sehr vermindert. Das flache Gestade entlang dem Mexikanischen Golf und dem Karibischen Meer hatte von Natur bloß bei der Insel Carmen einen tiefen Zugang, während es bei Veracruz nur eine durch Korallenklippen und Inseln schlecht geschützte Reede, bei Matamoros, Soto la Marina, Tampico, Tuxpan, Alvarado, Coatzacoalcos nur seichte Lagunenöffnungen und Strommündungen bot, so daß bei Veracruz und Tampico große Kunsthafenanlagen nötig waren. Auch Yukatan hat bei Campeche, Sisal und Progreso nur offene Reeden. Die Küste des Stillen Ozeans besitzt bei Acapulco (s. d.) und Guaymas (s. d.) vorzügliche Naturhäfen, sie sind aber vom Innern her sehr schwer zu erreichen. Die Buchten von San Blas und Mazatlan lassen nur kleinere Schiffe zu, und die von Salina Cruz, Puerto Angeles, Sihuatanejo, Altata u. a. liegen dem Seegang aus W. und SW. zu offen, während bei Tonala und Tapachula nur gänzlich ungeschützte Reeden vorhanden sind. Die guten Ankerplätze, die Niederkalifornien in den weiten Buchten von La Paz, Sta. Inez, Magdalena und Todos Santos bietet, kommen nur für ein beschränktes und produktenarmes Hinterland in Betracht. Von den Inseln sind Cozumel und Carmen im O., die Tres Marias (s. d.), Tiburon, Angel de la Guardia, Espiritu Santo, Cedros, Guadalupe und Revilla Gigedo die namhaftesten.

Der Bodengestalt nach kennzeichnet sich das gegen SO. zum Isthmus von Tehuantepec verschmälerte keilförmige Hauptland in jeder Beziehung als die südliche Fortsetzung des vereinsstaatlichen Kordillerenlandes. Der westliche Kordillerenzug ist nur auf der Halbinsel Niederkalifornien davon abgetrennt, während die Halbinsel Yukatan ebenso wie Tabasco und Chiapas in physikalisch-geographischer Hinsicht bereits zu Mittelamerika gehören. Die niederkalifornische Sierra erreicht im Monte Santa Catalina 3090 m und besteht teils aus Granit, teils aus cretazeïschem und tertiärem Sand- und Kalkstein, während sie an der Ostküste von jungen vulkanischen Bildungen (Tres Virgines 2000 m) begleitet ist. Das Hauptland durchsetzen von NW. nach SO. zwei gewaltige Kordillerenzüge: die westliche Sierra oder Sierra Madre Occidental, in der Fortsetzung des Mogollonzuges von Arizona, steigt im Rumerachic 2966 m, im Cumbre bei Durango 3200 m auf und gliedert sich in zahlreiche Ketten (Sierra Verde, Sierra Tarahumare, Sierra de la Candela, Sierra de Nayarit u. a.), die zusammen einen gegen den Kalifornischen Golf und Stillen Ozean abfallenden Stufenbau darstellen. Kristallinisches, kambrisches und karbonisches Gestein ist hier von älterm Eruptivgestein durchsetzt und auf weiten Strecken von jungvulkanischen Aufschüttungen (Andesit, Rhyolith, Basalt) überdeckt. Die Ströme (Yaqui, Mayo, Fuerte, Rio Grande de Santiago, Rio Mescala) queren die Ketten in großartigen, bis 1500 m tiefen Schluchten (Barrancas). Die östliche Sierra oder Sierra Madre Oriental schließt sich südlich von den Canons des Rio Grande del Norte unmittelbar an die Felsengebirgsketten von Texas und New Mexico an und bildet ebenfalls ein großes System von Ketten, unter denen die Sierra de San Carlos, die Sierra de la Paila (bei Saltillo), die Sierra de la Silla (bei Monterey), die Sierra de los Angeles (2730 m, bei Catorce), die Sierra Gorda und Sierra Colmena die bemerkenswertesten sind. Steil ausgerichtete cretazeïsche Schichten liegen hier um kristallinische und paläozoische Kerne. Im S, wo die beiden Züge sich einander sehr genähert haben, endigen sie an einer von WNW. nach OSO. verlaufenden Bruchlinie, der entlang sich die teils erloschenen, teils noch tätigen Vulkane Ceboruco (2170 m), Colima (3886 m), Tancitaro, Jorullo, Nevado de Toluca (4623 m), Ajusco (3986 m), Iztaccihuatl (5286 m), Popocatepetl (5452 m), Malinche, Cofre de Perote, Orizaba und San Martin de Tuxtla gruppieren. Jenseit der tiefen Talsenken des Rio Mescala und Rio Papatoapan erhebt sich dann der als südliche Sierra Madre (Sierra Madre del Sur) bezeichnete Teil des Gebirges im Zempoaltepec auf 3396 m. Zwischen der westlichen und östlichen Sierra ist aber das mexikanische Tafelland eingeschlossen, das bei Chihuahua 1412 m, bei Lerdo 1136, bei Irapuato 1722 und bei der Stadt M. 2265 m ü. M. liegt und zum Teil abflußlos ist. Die Küstenniederungen an den beiden Ozeanen sind schmal, und der Aufstieg zum Gebirge besonders von O. her ist sehr steil. Die Halbinsel Yukatan ist eine niedrige, im südlichen Innern bis 400 m aufsteigende Tafel aus Tertiärkalk, an der verkarsteten Oberfläche ohne Flüsse, aber mit vielen Höhlen, unterirdischen Flüssen und merkwürdigen Naturbrunnen (cenotes).

Die mexikanischen Flüsse haben meist sehr starkes Gefälle und sehr wechselnde Wasserführung, so daß sie als Schiffahrtsstraßen und zu Industriezwecken schlecht brauchbar sind, ihr Uferland auch durch Überschwemmungen vielfach verheeren. Am namhaftesten sind unter den Zuflüssen des Golfes von M.: Rio Grande del Norte, Panuco, Papatoapan, Coatzacoalcos und Grijalva (Chiapas), unter den Zuflüssen des Stillen Ozeans: Rio Verde, Rio de las Balsas (Mescala), Rio Grande de Santiago (Lerma), Rio de Sinaloa, Rio Fuerte, Rio Yaqui und Rio Colorado, letzterer nur mit seinem Unterlaufe nach M. fallend. Unter den Binnenseen sind die von Chapala, Pátzcuaro, Parras, Tezcoco und Chalco am bemerkenswertesten. Sehr zahlreich sind Thermen und Mineralquellen.

M. ist sehr reich an nutzbaren Mineralien. Gold findet sich in Seifen und Quarzgängen besonders in Niederkalifornien und Oaxaca, Silber und Bleierze in den von Andesitstöcken durchsetzten archäischen und paläozoischen Schiefern; so die berühmte Veta madre bei Guanajuato, die 9–50 m mächtig ist und auf 16 km abgebaut wurde, die Veta Grande und Cantera bei Zacatecas, der »Doctor« bei Queretaro und die Gänge von Catorce, Morelos, Pachuca, Real del Monte und Sonora. Quecksilber- und Zinkerze werden bei Guadalcazar (San Luis), Kupfererze in Niederkalifornien (Boleo), Michoacan (Inguaran) und Sonora (Moctezuma) gefunden, Eisenerze und Zinnstein besonders bei Durango (Cerro del Mercado), Antimonglanz bei Cox (Sonora). Kohlen, meist cretazëischen Alters, finden sich in Veracruz, Puebla, Oaxaca, Coahuila etc., Petroleum in Tamaulipas und Veracruz. Salz wird in San Luis Potosi und in den Strandlagunen gewonnen. Opal in schönen Farben kommt aus Zimapan und Queretaro; reich an Marmor und sogen. Onyx sind Puebla und Oaxaca.

[Klima.] Man unterscheidet in M. drei übereinander liegende Landstriche: die heiße Region (tierra caliente), welche die beiden Küstenterrassen bis 1000 m Höhe einnimmt, mit Mitteltemperatur des Juli von 22–30°, des Januar von 17,5–25°; die gemäßigte Region (tierra templada), bis 2000 m, mit Julimitteln von 20–25° und Januarmitteln von 10–20° und ewiger Frühlingsmilde; die kalte Region (tierra fria), von 2000 m aufwärts, mit den verschiedensten niedrigerern Mitteltemperaturen und mehr oder minder häufigen Frösten. Veracruz hat 25,4° im Jahresmittel, 27,7° im Juli, 22,1° im Januar; Colima 26,1, bez. 28,5, bez. 23°; die Stadt M. 15,4°, im Mai 19,6°, bez. 12,5°. Bemerkenswert sind die großen Wärmeschwankungen im Winter; oft dringen die berüchtigten »Northers« bis über den Golf hinaus südwärts vor, und die Temperatur sank dabei in der Stadt M. schon bis auf -7,2°, in Tuxpan auf -1,2°, in Mazatlan auf 5°, in Colima auf 8°, in Merida auf 8,8°. Die höchste Schattentemperatur betrug in M. 31,6°, in Colima 37°, in Monterey 40°. Am reichsten an Regen ist durch den aufsteigenden Passatwind, unter dessen Herrschaft M. steht, die östliche Sierra und die Golfküste (Orizaba 2091 mm im Jahr, Veracruz 1469 mm), während die Regenmenge auf dem Tafelland örtlich sehr verschieden, im N. aber am geringsten ist (Mexiko 610 mm, San Luis Potosi 370 mm, Chihuahua 309 mm). Im pazifischen Küstenland hat Culiacan 305 mm, Mazatlan 787 mm, Colima 1060 mm. Betreffs der Zeit der Niederschläge herrschen allenthalben tropische Verhältnisse, so daß der Sommer die Regenzeit (tiempo de agua), der Winter die Trockenzeit (tiempo de seca) ist und der Regen im allgemeinen in starken Gewittergüssen niedergeht. In der Trockenzeit sind Sandtromben (remolinos) und Staubstürme (polvaredas) lästig.

[Pflanzen- und Tierwelt.] In der heißen Region (bis 1000 m) bilden Mimosen, Akazien, Cäsalpinioideen, darunter der Kampeschebaum (Haematoxylon campechianum), ferner baumartige Wolfsmilcharten, die amerikanische Feige (Ficus americana), riesige Bambusse, Bananen, Helikonien und Arazeen, von letztern besonders auffallend der fast baumförmige Muku (Arum arborescens), die Hauptformen der Vegetation. Etwas höher treten in den Wäldern Palmen auf, mit denen baumartige Vignonien, Swietenien, die das Mahagoniholz liefern, Cedreleen, Wollbäume, Kautschukbäume (Castilloa elastica) und Lorbeeren in reichem Wechsel sich mischen. Noch höher hinauf werden Yucca und Agave häufiger, Kakteen erscheinen, von den Zweigen der Ficus mexicana hängt die Riesenblume der Solanazee Solandra herab, während Convolvulus-Mrten die Bäume umranken; auch eine der schönsten Pflanzengestalten Mexikos, die Sterkuliazee Montezuma speciosissima, wächst hier. Die gemäßigte Region (bis 2000 m) ist die pflanzenreichste. In den Gebirgswäldern herrschen Eichen vor, gemischt mit Palmen, die zum Teil als Schlinggewächse jene umwinden. Krönen die Eichen besonders die Anhöhen mit ihren Seitengehängen, so siedelt sich in den Niederungen ein dichtes Gemisch von Myrten (Eugenia), Lorbeeren, Mimosen, Robinien, Aralien, Sapindazeen, Terebinthazeen, Kassien, silberweißen Cro-kon-Arten, schildblätterigen Cecropien, wolligen Linden und breitstämmigen Ulmen an, zwischen denen die Zwergpalme Chamaedorea, großblätterige Seitamineen, Agaven, hochstämmige Yuccas und zahllose Lianen verteilt sind, die überall das Astwerk umschlingen und die Felsen mit Girlanden bekleiden. Charakteristisch sind ferner baumartige Farne und zahlreiche Orchideen. Die kalte Region beginnt mit großen Eichen-, Ulmen- und Ellernbeständen, denen sich die Erikazee Clethra und als Unterholz Viburnum, Rubus, Cornus und Triumfetta, als Schlinggewächse Vitis, Ipomoea und epiphytische Farnkräuter und Orchideen beimischen. Die offenen Flächen sind mit Cassia- und Mimosa-Gebüsch bestanden, und etwas höher werden Vaccinium, Gaultheria und Andromeda häufiger, auch ein baumartiger Arbutus und Fuchsia microphylla treten auf. Den Eichen folgen die Koniferen. Unter ihnen ragt hervor durch prächtigen Stamm Pinus Montezuma, mit Usneen und Tillandsien bedeckt, und Abies religiosa. Mit den Nadelhölzern mischen sich Eichen und Erlen, und von Gesträuchen Rhamnazeen, Laurazeen, Viburnum, Cornus und Salix-Arten. Bei 3600 m beginnt eine Region niedriger Kompositen, der Steviengürtel, die Rhododendren unsrer Alpen vertretend, die auf den Höhen der vulkanischen Berge abgelöst wird von einer artenreichen Grasvegetation, in der noch vereinzelt Mahonia und Juniperus auftreten neben Kräutern tiefer gelegener Zonen. Bis 4900 m sind die Felsen noch mit Moosen und Flechten bedeckt (Lecidea geographica, Cenomyce pyxidata, Parmelia elegans). Vgl. G. Karsten, Mexikanischer Wald der Tropen und Subtropen (6 Lichtdrucktafeln, Jena 1903).

Hinsichtlich seiner Tierwelt gehört M. zur mittelamerikanischen Subregion der neotropischen Region und enthält neben den allgemein neotropischen Charaktertieren zugleich eine ziemliche Anzahl ihm eigentümlicher Formen. Zu erstern gehören zwei breitnasige Affen, Jaguar, Ozelot, Nasenbär, Tapir, Pekari, Paka, Stachelschwein (Synetheres mexicanus), Ameisenfresser, Aguti, Gürteltier. Charakteristisch sind von den Säugetieren das Katzenfrett oder Kakamigli (Bassaris), eine Springmaus (Dipodomys), von den Vögeln Truthühner, Steißhühner, von den Reptilien das amerikanische Krokodil, die Krusteneidechse (Heloderma), die einzige giftige Eidechse, die Chamäleoneidechse (Chamaeleopsis), der Tapayoxin (Phrynosoma), die Klapperschlange (Crotalus), von Amphibien die Nasenkröte (Rhinophrynus) und die Froschgattung Nototrema, bei der das Weibchen eine Rückentasche besitzt, und der durch seine geschlechtsreife Larvenform ausgezeichnete bekannte Axolotl (Amblystoma mexicanum). Auch unter den Fischen finden sich für M. charakteristische Formen. Besonders bei den höhern Säugetieren macht sich aber auch die Nähe der nearktischen Region im Auftreten nordischer Arten geltend, soz. B. unter den Säugetieren Spitzmaus (Sorex), Fuchs (Vulpes), Präriewolf (Canis latrans), Luchs, schwarzer Bär (südwärts bis in das Lerma- und Panucogebiet), Marder, Fischotter, Hirsch, Hase (Lepus), Flughörnchen (Pteromys), unter den Fischen der Knochenhecht (Lepidosteus). Unter den Insekten, die ebenfalls zum Teil ein Gemisch nearktischer und neotropischer Formen darstellen, ist das wichtigste die auf der Opuntie lebende echte Cochenille-Schildlaus (Coccus cacti L.).

[Politische Einteilung und Bevölkerung.] M. zerfällt in 27 Staaten, zwei Territorien (Niederkalifornien und Tepic) und den von der Zentralregierung verwalteten Bundesdistrikt (Distrito federal).

Die Bevölkerung bezifferte sich 1900 auf 13,605,929 Seelen, wovon 57,507 Ausländer (16,258 Spanier, 15,265 Amerikaner aus der Union, 5804 Guatemalleken, 3976 Franzosen, 2845 Engländer, 2834 Chinesen, 2565 Deutsche, 2564 Italiener) waren. Auf 100 Männer kommen 102 Frauen. Die Bevölkerungsdichtigkeit ist am größten auf dem südlichen Hochland. Geburten gab es 1903: 479,460, Todesfälle 453,798, Eheschließungen 99,589. Es gibt nur zwei Städte mit über 100,000 Einw., nämlich Mexiko und Guadalajara, und vier weitere Städte mit über 50,000 Einw., nämlich Puebla, Leon, Monterey und San Luis Potosi. Durch die von der Regierung geförderte Einwanderung sind drei italienische und eine Tiroler Kolonie (San Luis Potosi) angelegt worden. Auf die Einzelstaaten und ihre natürlichen Gruppen verteilt sich die Bevölkerung, wie nachfolgende Tabelle angibt.

Tabelle

Etwa 37 Proz. von der Gesamtzahl der Bevölkerung können als unvermischte Nachkömmlinge der indianischen Urbevölkerung gelten, wovon aber nur noch die kleinere Hälfte (1,908,707) der spanischen Sprache unkundig ist, 44 Proz. sind Mischlinge und 19 Proz. reine Weiße (vorwiegend spanische Kreolen, spottweise Gachupines oder Chapetones genannt). Das Neger- und Mulattenelement (insgesamt etwa 70,000 Köpfe) ist nur im östlichen Küstenlande bemerkenswert. Die Indianerstämme sind in den Tropen- und Gebirgsgegenden am besten erhalten geblieben. Die vornehmsten unter ihnen sind die aus einer Mischung der ursprünglichen Tolteken (s. d.) mit eingewanderten Chichimeken und den Angehörigen der »sieben Stämme« hervorgegangenen Azteken. Sie bilden die Hauptmasse der indianischen Bevölkerung der ganzen Republik. Ihnen zunächst stehen die Othomi in Queretaro. Die andern Familien sind die der Maya (Yukatan), der Huasteken (Veracruz), der Mixteken (Oaxaca), der Zapoteken (Chiapas), der Matlazinca und Tarasken (Michoacan), der Opata, Tarahumare und Pima (Sonora und Chihuahua), der Apatschen und Komantschen im N. u. a. Die heutigen mexikanischen Indianer (s. Tafel »Amerikanische Völker I«. Fig. 17) haben eine bräunlich-kupferrote Hautfarbe, untersetzte Statur, glattes, grobes und glänzendschwarzes Haar, hervortretende Backenknochen und breite Lippen. Sie sind im allgemeinen kräftig, gesund und wohlgebildet, zu schwerer und andauernder Arbeit gut zu gebrauchen und als Lastträger und Fußgänger vortrefflich. Von Temperament sind sie verschlossen und ernst (im Gegensatz zum Neger), dabei gelehrig und leicht zu leiten, aber auch träge, mißtrauisch und abergläubisch. Ihr Hauptlaster ist die Trunksucht. Die Mestizen haben eine hellgelbe Farbe, schwarzes, äußerst weiches und glänzendes Haar und sind im allgemeinen ein schöner Menschenschlag mit natürlichem, ungezwungenem Anstand, dabei haben sie viel Geist, leichte Auffassungsgabe, Schlauheit und lebhafte Einbildungskraft und spielen im Staatsleben vielfach eine hervorragende Rolle (Benito Juarez, Porfirio Diaz).

Die herrschende Religion ist die römisch-katholische, jedoch bei vollständiger Glaubens- und Kultusfreiheit, eine Staatsreligion gibt es nicht. Es bestehen 6 Erzbistümer (M., Morelia, Guadalajara, Linares, Durango und Oaxaca), 23 Bistümer und ein apostolisches Vikariat mit 10,112 Kirchen und Kapellen. Nach Einziehung des Kirchengutes ist der Klerus ausschließlich auf die freiwilligen Beisteuern der Gläubigen angewiesen. Auch die Klöster wurden 1875 aufgehoben. Die Protestanten (1900: 51,795) besitzen in den größern Städten, in denen sie fast ausschließlich leben, 119 Kirchen und Bethäuser. Etwa 20,000 Indianer sind noch Heiden (Indios bravos im Gegensatz zu den Indios fideles). Die Volksbildung hat sich in neuerer Zeit dadurch sehr gehoben, daß die meisten Staaten den zwangsweisen unentgeltlichen Unterricht eingeführt haben. Die 9494 Staats- und Gemeindeschulen hatten 1901: 718,715 eingetragene Schüler, von denen aber durchschnittlich nur 477,586 wirkliche Schulbesucher waren. Mittel- und Vorbereitungsschulen gab es 42 mit 7046 Schülern; ferner 18 Rechtsschulen, 10 medizinische und pharmazeutische Schulen, 8 Technische Schulen, 22 Lehrerseminare, 1 Bergbauschule, 1 Militärschule, 4 Kunstschulen, 2 Ackerbauschulen, 7 Gewerbeschulen, 2 Handelsschulen, zusammen mit 9074 Studierenden. Die Zahl sämtlicher Lehrer an den öffentlichen Schulen betrug 16,229, der Aufwand für das Schulwesen 7,592,487 Doll. Privat-, Kirchen- und Stiftungsschulen gab es 2645 mit 152,312 Schülern. Das höhere Unterrichtswesen ist im allgemeinen nach französischem Vorbild eingerichtet. Es bestehen eine Nationalbibliothek von 180,000 Bänden, 148 andre öffentliche Bibliotheken, 36 Museen und 40 wissenschaftliche Gesellschaften. Die älteste Zeitung ist »Siglo XIX.« (»Neunzehntes Jahrhundert«), die zuerst 1. Jan. 1840 erschien, doch wurden bereits Anfang des 17. Jahrh. bei Ankunft der Handelsschiffe fliegende Blätter gedruckt. 1901 erschienen 702 Zeitungen und Zeitschriften, darunter die regierungsfreundlichen »El Nacional«, »El Partido liberal« und »El Universal«, das republikanische, »El Monitor Republicano«, das kirchliche »Tiempo« und das Witzblatt »Hijo del Ahuizotes«. Die 1839 gegründete Sociedad mexicana de geografia gibt seit 1852 ein »Boletin« heraus. Außerdem erscheinen in englischer Sprache 15 Zeitungen, darunter »Two Republics«, in französischer 3, in italienischer 2, in deutscher eine.

[Erwerbszweige.] Der Betrieb der Landwirtschaft geschieht durch kleine Landwirte und Pächter oder durch Großgrundbesitzer, deren Haciendas viele QKilometer umfassen. In manchen Staaten ist die »Peonage« (v. span. peón, Tagelöhner) im Gebrauch, eine auf Verschuldung des Arbeiters beruhende Halbsklaverei. Mais bildet die vorzüglichste Anbaufrucht und Maisbrot (Tortilla) das tägliche Brot. Er wird von der Tierra Caliente bis hinauf in die Tierra Fria gebaut und gibt oft zwei Ernten im Jahre. 1898 wurden 39,2 Mill., 1902 nur 27,5 Mill. hl geerntet; Weizen (nur auf dem Hochland) durchschnittlich 2,8 Mill. metr. Ztr. im Jahr, Gerste 3,4 Mill. hl, Bohnen (frijoles) 2,8 Mill. hl, so daß eine beschränkte Zufuhr von Nährfrüchten aus dem Ausland nötig ist. Der Reisbau (in Michoacan, Veracruz, Tepic, Tabasco) ergab 1901: 18,9 Mill. kg, der Batatenbau 21 Mill. kg, der Kartoffelbau 9,2 Mill. kg im Jahresdurchschnitt. In den Tropen ist die Banane eine wichtige Nährfrucht. Unter den von Europa eingeführten Früchten gedeiht namentlich die Orange vortrefflich sowie auch die gewöhnliche und die süße Zitrone. Pfirsiche, Aprikosen, Äpfel und Birnen gedeihen überall auf dem Hochlande. Der Weinstock wird meist nur der Trauben halber gezogen, namentlich bei Parras, am Rio Grande del Norte und in Sonora. Die amerikanische Agave oder Maguey (Agave americana) liefert einen Saft, aus dem ein allgemein verbreitetes berauschendes Getränk (Pulque) bereitet wird, während der Saft der Agave mexicana zur Herstellung des Mezcal-Branntweins dient. Die Kultur des Ölbaums ist auf die Umgebung der Hauptstadt beschränkt, außerdem gewinnt man Sesam- und Leinöl. Zuckerrohr wird namentlich um Cuernavaca, im Tal von Cuautla und in Veracruz gebaut mit 72,4 Mill. kg Jahresertrag an Zucker. Der Kaffeebaum liefert ein vorzügliches Produkt, namentlich in Veracruz, Michoacan und Chiapas, freilich mit stark wechselnden Jahreserträgen (1899: 37,6 Mill., 1902: 10 Mill. kg). Die Kakaokultur beschränkt sich auf die echten Tropendistrikte von Tabasco und Chiapas (Soconusco). Der Tabak ist überall gut, und sein Anbau hat seit Beseitigung des Monopols sehr zugenommen, die Ernteerträge sind aber auch dabei sehr schwankend (1898: 44,3 Mill., 1900: 9,3 Mill. kg). Von Gewürzen sind namentlich der spanische Pfeffer oder Chile (Chilly) und Vanille, die auch wild wächst, von Bedeutung. Die Kultur der Baumwolle hat nur geringe Ausdehnung (1898: 45,5 Mill., 1900: 21,8 Mill. kg), weit wichtiger sind die Fasern der Agave Sisilana, die den Sisalhanf oder Henequen, und der A. americana, die den Aloehanf oder Pita liefert, beide namentlich in Yukatan. Der uralte Bau des Nopal, einer Kaktusart, zur (stark zurückgegangenen) Zucht der Kochenille wird besonders in Oajaca betrieben. Die Viehzucht ist von großer Bedeutung, namentlich in den Savannenstrichen am Ostfuß des Hochlandes und in den nördlichen Plateaustaaten. Die mexikanischen Pferde sind stark und ausdauernd und werden fast ausschließlich zum Reiten gebraucht, als Zug- und Lasttiere dienen meist Maultiere und Esel. Der Viehstand betrug 1902: 859,217 Pferde, 334,435 Maultiere, 287,991 Esel, 5,142,457 Rinder, 3,424,430 Schafe, 4,206,011 Ziegen und 616,139 Schweine. Die Wälder bedecken etwa 20 Proz. von der Fläche, und ihr Ertrag an Bauholz, Farbhölzern und Kautschuk etc. liefert einen namhaften Teil der Ausfuhr.

Sehr hervorragend ist der Bergbau, der seit der Entdeckung des Landes an Edelmetall, vor allem an Silber, mehr gefördert hat als irgend ein anderes Land der Erde (bis 1903 etwa für 18,5 Milliarden Mk.). Dabei sind die Vorräte bei weitem nicht erschöpft, 1903 war die Silberförderung (82,3 Mill. Pesos) erheblich größer als in jedem vorausgegangenen Jahr, besonders durch die rege Anteilnahme des nordamerikanischen Kapitals an den Bergbauunternehmungen. Auch der Goldbergbau nahm neuerdings einen bedeutenden Aufschwung, er ergab 1880: 0,9 Mill., 1903: 14,8 Mill. Pesos; ebenso der Kupferbergbau (1890: 0,7 Mill., 1902: 24,6 Mill. Pesos) und der Bleibergbau (1895: 1,8 Mill., 1901: 5,6 Mill. Pesos). Weniger namhaft, aber entwickelungsfähig ist die Gewinnung von Quecksilber (1902: 390,000 Pesos), Antimon, Eisen (1901: 3240 metr. Ton.), Kohle und Asphalt. Die Belegschaft sämtlicher Gruben bezifferte sich 1902 auf 85,333 Personen, darunter 566 Frauen und 4625 Kinder, die Arbeiterschaft der Schmelzhütten und Amalgamierwerke auf 23,098, darunter 5 Frauen und 971 Kinder.

Unter den Industriezweigen ist die Baumwollverarbeitung, die schon vor Cortez sehr seine Gewebe lieferte, am namhaftesten, 1902 mit 155 Fabriken, 50,632 Arbeitern, 27,6 Mill. kg Rohstoffverbrauch und 28,779,999 Pesos Produktionswert. Die Fabrikation von Umschlagetüchern (»Serapes« und »Rebozos«) steht namentlich in Puebla, Tlaxcala und San Miguel im Schwange, andre Zweige ebenda und in Saltillo, Monclova etc. Tabakfabriken wurden 1902: 661 gezählt, Brennereien 1361, Tonwarenfabriken 128, Brauereien 37, Papierfabriken 10. Sehr bemerkenswert ist auch die Gerberei und Sattlerei sowie die Verfertigung von Gold- und Silberfiligranarbeiten. Der Handel ist ungeachtet der Schwierigkeiten, die in der Bodengestalt liegen, stetig umfangreicher geworden, seit die Bürgerkriegswirren aufgehört haben. Vor allem ist dabei die Entwickelung des Eisenbahnnetzes (1903: 18,197 km) von Bedeutung gewesen. Bundestelegraphenlinien gab es 1903: 51,418 km mit 437 Ämtern, sonstige Linien 1902: 21,688 km, Telephonlinien 40,657 km. Die Post zählte 1903: 2301 Ämter, 120,887,017 Briefpostsendungen im innern, 45,269,455 im äußern Verkehr. Die Handelsmarine besteht nur aus 73 Schiffen mit 16,718 Ton., worunter 24 Dampfer mit 7957 T. Der auswärtige Schiffsverkehr, der 1902: 1499 eingelaufene Schiffe von 2,716,794 T. verzeichnete, erfolgt also fast ausschließlich unter fremder, vor allem vereinsstaatlicher, englischer und deutscher Flagge. Die Einfuhr besteht namentlich aus Geweben, Maschinen, Kohlen, Nahrungsmitteln, Chemikalien und Getränken und bewertete sich 1903 auf 75,905,000 Pesos, die Ausfuhr beträgt 192,989,000 Pesos und besteht aus Edelmetall (87,024,000 Pesos), Sisalhanf (33,977,000 Pesos), Kupfer und Blei (25,791,000 Pesos), Kaffee (9,021,000 Pesos), Häuten (7,707,000 Pesos), Tieren (7,001,000 Pesos), Ixtlefaser (3,130,000 Pesos), Tabak (2,038,000 Pesos) etc. Die Vereinigten Staaten sind an der Einfuhr mit 54 Proz., an der Ausfuhr mit 72 Proz. beteiligt, England an der Einfuhr wie an der Ausfuhr mit 14 Proz., Deutschland an der Einfuhr mit 12,6 Proz., an der Ausfuhr mit 5 Proz. Zur Förderung des Handels bestehen Handelskammern und (1902) 25 Banken; die bedeutendsten sind: Banco Nacional (Kapital 20 Mill. Pesos), Banco de Londres y Mexico (15 Mill. Pesos), Banco Hipotecario (5 Mill. Pesos). Der Großhandel ist fast ganz in den Händen fremder, vorzüglich deutscher und französischer Handelshäuser. Der Binnenverkehr ist vielfach noch auf unwegsame Saumpfade angewiesen. Die erste Eisenbahn, Veracruz-Medellin (11 km), wurde 1850 eröffnet, aber erst 1873 bis Mexiko (580 km) vollendet. Die wichtigsten Linien sind: Mexiko-El Paso in Texas (1970 km), Mexiko-Laredo (1350 km), Mexiko-Ciudad Porfirio Diaz (870 km), die Bahn über die Landenge von Tehuantepec von Coatzacoalcos am Golf von M. nach Salina Cruz am Stillen Ozean (318 km). Diese Bahnen wurden meist von amerikanischen Unternehmern erbaut, die vom Staate Subventionen erhalten.

Seit 1857 ist das metrische Maß- und Gewichtswesen gesetzlich, und 1884 wurde sein Gebrauch erweitert; doch wendet man noch öfters das altkastilische mit einigen Abweichungen an: die Vara von 838 mm (so 1845 bestimmt statt 835,64 mm nach englischen Quellen), die Libra von 460 g und die Arroba von 25 Libras. Münzgewicht ist der Marco von 8 Onzas zu 8 Ochavas = 230,4 g, die Ochava = 6 Tomines zu 12 Granos von 0,05 g. Wein und Branntwein werden meistens nach dem Baril zu 19–20 altenglischen Weingallonen = rund 77,5 Lit. verkauft. Landeswährung ist fast genau der altspanische Silberpiaster von 8 Reales de plata mexicana zu 4 Cuartillos = 4,398 Mk. geblieben, neben der die Onza de oro oder Doblone zu 8 Escudos von 2 Pesos = 66,071 Mk. in Gold geprägt ward; die seit 1848 angefertigten Pesos fielen besser als die ältern aus und wurden bei durchschnittlich 26,959 g Gewicht 1/16 fein = 4,36736 Mk. befunden. Nach dem Gesetz vom 27. Nov. 1867 soll der Peso oder Dollar von 10 Decimos zu 10 Centavos 27,07 g wiegen und 65/72 Silber enthalten = 4,3989 Mk. der deutschen Talerwährung, wird aber meistens etwas geringer geprägt (s. Tafel »Münzen VI«, Fig. 16). Kleinere Silbermünzen lauten auf 50,25,20,10 und 5 Centavos, neuere Bronzemünzen auf 1 Centavo, neuere Goldmünzen auf 20 Pesos = 82,6119 Mk., 10 (Hidalgo), 5,21/2 und 1 Peso. Von den Prägeanstalten sind allein die zu Culiacan, Zacatecas und Mexiko im Gange geblieben. Fremde Münzen sollen zwar nicht umlaufen, doch nimmt man den Dollar der Vereinigten Staaten mit hohem Aufgeld an, seitdem durch weitgreifende Vertreibung des mexikanischen Piasters aus seinen Umlaufsländern in Asien und Afrika sein Kurs außerordentlich herabgedrückt ist. Papiergeld läuft nicht um, und Banknoten werden pünktlich eingelöst.

[Staatsverfassung, Verwaltung.] Nach der der nordamerikanischen nachgebildeten Verfassung von 1824, danach mehrfach abgeändert, zuletzt 1904, muß der Präsident mindestens 35 Jahre alt sein und wird direkt vom Volk auf sechs Jahre gewählt. Er ist wieder wählbar. Das Kabinett setzt sich aus sieben Ministern zusammen. Der Senat (56 mindestens 30 Jahre alte Mitglieder, je zwei aus jedem Staat etc.) wird auf vier Jahre indirekt gewählt und alle zwei Jahre zur Hälfte ergänzt; die Deputiertenkammer von 232 Mitgliedern auf zwei Jahre ebenfalls indirekt. Wahlberechtigt und wählbar wird jeder verheiratete Mexikaner mit 18, jeder unverheiratete mit 21 Jahren. Senatoren wie Deputierte beziehen einen Jahresgehalt von 3000 Pesos. Präsident und Vizepräsident des obersten Gerichtshofes, unter dem drei Kreisgerichtshöfe stehen, werden vom Volk auf sechs Jahre gewählt. Die einzelnen Staaten haben je einen Gouverneur, einen Staatskongreß und einen obersten Gerichtshof. Die Finanzen befanden sich früher in arger Verwirrung, haben sich aber gebessert. 1902/03 betrugen die Einnahmen 81,308,113, die Ausgaben 70,374,580 Pesos, während erstere für 1904'05 auf 79,965,000 Pesos (33,378,000 Pesos Zölle, 31,500,000 Pesos Stempelsteuer, 8,609,000 Pesos direkte Steuern, 4,573,000 Pesos Post und Telegraph), letztere auf 79,562,157 Pesos (33,069,181 Pesos Finanzen, 16,389,201 Pesos Krieg und Flotte, 11,112,817 Pesos Inneres, 10,089,605 Pesos Verkehr und öffentliche Arbeiten, 3,520,051 Pesos Unterrichtswesen) veranschlagt wurden. Neben dem allgemeinen Budget hat jeder Staat noch sein besonderes; der Gesamtbetrag dieser provinzialen Budgets erreicht 18,086,952 Pesos Einnahmen und 17,322,708 Pesos Ausgaben. Die Bundesschuld betrug 8. Dez. 1903: 275,626,679 Pesos.

[Heerwesen.] Ein Gesetz über die allgemeine persönliche Dienstpflicht ist in Vorbereitung. Heute gibt es eine nominelle Dienstpflicht vom 20.–50. Jahr, die aber nicht durchgeführt wird (Aushebung durch Losung). Aktive Dienstzeit fünf Jahre, Studierende, Ärzte, Familienväter etc. sind frei. Nach dem Organisationsgesetz vom 1. Juli 1901 besteht das Heer im Frieden aus: Infanterie: 28 selbständige Bataillone zu 4 Kompanien, 4 Cadre-Bataillone zu 2 Kompanien, 2 Regionalkompanien; Kavallerie: 14 Regimenter zu 4 Eskadrons, 8 Regimentscadres zu 1 Eskadron, 3 Eskadrons Grenzwache; Artillerie: 2 Feldartillerieregimenter zu 4 Batterien, 1 Gebirgsartillerieregiment zu 4 Batterien, 1 Regiment reitender Artillerie zu 4 Batterien, 1 Mitrailleusenkompanie (24 Mitrailleusen), 1 Eskadron kleinkalibriger Schnellfeuergeschütze (16 Geschütze), 1 Eskadron Artillerietrain, 1 Bataillon und 3 Sektionen Garnisonartillerie; Genie: 1 Sappeurbataillon (4 Kompanien), 1 Geniepark (1 Kompanie), 1 Telegraphenabteilung; Train: 1 Eskadron zu 2 Kompanien; Sanitätskorps: 1 Kompanie und 1 Ambulanztrain. Gesamtfriedensstärke gesetzlich rund 30,000 Mann. Im Kriege: die mobile Armee erster Linie (mit erster Reserve 28,000 Mann) zählt etwa 63,000 Mann, 224 Geschütze, 32,000 Pferde, 12,000 Maultiere; die zweite Reserve etwa 150,000 Mann. Bei der Mobilmachung verdoppelt sich die Infanterie und formiert Regimenter zu 2 Bataillonen, die Kavallerie formiert 2 neue Eskadrons für ein Regiment und rückt mit 22 Regimentern zu je 3 Eskadrons und 12 Regimentern berittener Gendarmen (meist zu 3 Eskadrons) aus, die Artillerieregimenter formieren meist 2 neue Batterien, die übrigen Verbände vermehren sich entsprechend. Es werden im Kriege 2 oder 3 Armeekorps zu 3 Divisionen zu 2–4 Brigaden formiert, 2 Infanterie- und 1 Kavalleriebrigade bilden eine gemischte Division. – Das Land zerfällt in 10 Militärzonen, 3 Kommandos und 4Oberkommandos; die Verteilung der Truppen auf diese Gebiete wechselt. Das Offizierkorps besteht aus Unterleutnants, Leutnants, Kapitänen 2. und 1. Klasse, Majoren, Oberstleutnants, Obersten, Brigade- und Divisionsgeneralen (Beförderung nach dem Dienstalter), das Unteroffizierkorps aus Korporalen, Sergeanten 2. und 1. Klasse. Der Generalstab besteht aus etwa 100 Offizieren in 5 Abteilungen unter einem Inspekteur (General), ihre Verwendung ist ähnlich wie in Deutschland. Unterrichtsanstalten: Militärschule zur Vorbildung junger Leute mit guter Schulbildung für den Offizierberuf, ein Lehrplan, den deutschen Kriegsschulen ähnlich, Colegio militar (Akademie, wo auch vor der Beförderung zum Kapitän 1. Klasse eine Prüfung zu bestehen ist), Applikationsschule für Artillerie, Generalstab und Genie, Fachschulen für Militärärzte, Veterinäre und Kapellmeister. Bewaffnung: die Infanterie führt 7 mm-Mausergewehre M/01, die Kavallerie ebensolche Karabiner und Säbel, die Artillerie 8 cm-de Bange-Geschütze, die Gebirgsartillerie 7 cm-Gruson-Geschütze; eine Neubewaffnung mit 75 mm-Schnellfeuergeschützen ist im Gange. Die Mitrailleusen sind System Colt und Hotchkiß, die Schnellfeuergeschütze Hotchkiß und Vickers-Maxim. Die Kanoniere führen Karabiner. Ausbildung und Organisation sollen vortrefflich sein. Die Kriegsflotte besteht aus einem kleinen Kreuzer (Schulschiff), 6 Transportdampfern sowie 2 Zolldampfern und einem Segelschiff. 4 Torpedoboote im Bau. Personal etwa 500 Mann.

Das Wappen besteht aus einem Nopal (einer Kaktusart) auf einem Felsen, auf dem ein (natürlicher) Adler mit ausgebreiteten Flügeln, eine grüne Schlange tötend, sich niedergelassen hat (s. Tafel »Wappen III«, Fig. 13). Eichen- und Lorbeerzweige kreuzen sich unter dem ovalen Schild. Die Nationalflagge besteht aus drei lotrechten Streifen: grün, weiß und rot (s. Tafel »Flaggen I«). Über die frühern Orden s. die Textbeilage zum Artikel »Orden«.

[Geographisch-statistische Literatur.] Außer den Reiseberichten von A. v. Humboldt, Gallatin, Buschman, Catherwood, Norman u. a. sind besonders zu nennen: Mühlenpfordt, Versuch einer getreuen Darstellung der Republik M. (Hannov. 1844, 2 Bde.); J. W. v. Müller, Beiträge zur Geschichte, Statistik und Zoologie von M. (Leipz. 1865); A. Bastian, Mexiko (Berl. 1868); Ratzel, Aus M. (Bresl. 1878); Conkling, Mexico and the Mexicans (New York 1883); Castets, Mexique et Californie (Par. 1886); Griffin, Mexico of today (New York 1886); J. Hendr. Mac Carthy, Two thousand miles through the heart of Mexico (das. 1886); Blake u. Sullivan, Mexico picturesque, political, progressive (Boston 1888); Ober, Travels in Mexico (Lond. 1888); Préda, Mejico contemporáneo (Madr. 1889); Dunn, Mexico and her resources (Lond. 1889); v. Hesse-Wartegg, M., Land und Leute (Wien 1890); Busto, L'administration publique an Mexique (Par. 1890); Felix u. Lenk, Beiträge zur Geologie und Paläontologie von M. (Leipz. 1890 bis 1899); E. Seler, Reisebriefe aus M. (Berl. 1889), Altmexikanische Studien (das. 1890) und Wissenschaftliche Ergebnisse einer Reise durch M. und Guatemala (das. 1901); (Frau) C. Seler, Auf alten Wegen in M. und Guatemala (das. 1900); Zayas Enriquez, Los Estados Unidos Mexicanos (Mexiko 1893); H. Bancroft, Resources and development of Mexico (San Francisco 1894); M. Romero, Geographical and statistical notes on Mexico (New York 1898); E. Noriega, Geografia de la Republica Mexicana (Mexiko 1898); Below, Mexiko, Skizzen und Typen aus dem Italien der neuen Welt (Berl. 1899); Lemcke, M., das Land und seine Leute (das. 1900); Kaerger, Landwirtschaft und Kolonisation im spanischen Amerika, Bd. 2 (Leipz. 1901); »Mexico, a geographical sketch, compiled by Bureau of the American Republics« (Washingt. 1901); Schieß, Quer durch M. (Berl. 1902); Lumholtz, Unknown Mexico (New York 1902); Stephan, Le Mexique économique (2. Aufl., Par. 1904); »Le Mexique an debut du XX. siècle« (16 verschiedene französische Verfasser, Par. 1904, 2 Bde.); »Boletin del Ministerio de fomento« (Ministerium der öffentlichen Arbeiten; Mexiko 1893); »Estadistica general de la Republica Mexicana« (das. 1893). Karten: A. Garcia Cubas, Atlas metódico de la Republica Mexicana (Mexiko 1874). »Carta de la Republica Mexicana« (das. 1890 ff. 1: 100,000).

Geschichte.

Bei der Eroberung durch die Europäer war der größte Teil des heutigen M. den Azteken (s. d.) untertan. Dieser Volksstamm war angeblich von Norden her eingewandert, hatte zunächst verschiedenen Stammesfürsten Kriegsdienste geleistet, dann aber um 1325 inmitten von Seen und Sümpfen die Stadt Tenochtitlan gegründet, und von da aus allmählich seine Herrschaft immer weiter ausgedehnt, bis sein Reich unter den letzten Königen vom Atlantischen zum Stillen Ozean reichte, und einen hohen Grad von Kultur erlangte (vgl. »Amerikanische Altertümer«, S. 433). Zuerst landete auf einer vom Statthalter von Cuba, Velazquez, ausgesendeten Entdeckungsfahrt der Spanier Juan de Grijalva 19. Juni 1518 an der Küste von M., und 1519 beauftragte Velazquez den Cortez (s. d.) damit, das Land in Besitz zu nehmen. Dieser landete 20. April bei Veracruz, wurde von den Azteken freundlich empfangen und auch vom König Montezuma mit Geschenken begrüßt. Daher brach Cortez 16. Aug. von der Küste auf und zog, nachdem er die Tlaxcalaner besiegt und ihre Häuptlinge zu einem Bündnis bewogen hatte, in M. ein, wo er sich des Königs bemächtigte und ihn und die angesehensten Fürsten (Kaziken) zwang, dem spanischen König als ihrem Oberherrn zu huldigen. Durch einen furchtbaren Aufstand der in ihrem religiösen Gefühl empfindlich beleidigten Azteken wurde Cortez genötigt, in der noche triste (1. Juli 1520) M. zu räumen, begann aber, nachdem er mit Hilfe der Tlaxcalaner die Azteken bei Otumba besiegt hatte, die regelrechte Belagerung der Stadt, die im August 1521 mit der Einnahme und Zerstörung derselben endete. Als oberster Statthalter bis 1526 vollendete Cortez die Unterwerfung des Landes, begann den Wiederaufbau der Hauptstadt, verbreitete das Christentum und trug für die Wiederbelebung friedlicher Kultur Sorge. 1536 wurde M. zu einem Vizekönigreich erhoben und hat eine Reihe der hervorragendsten spanischen Kolonialpolitiker, beginnend mit Antonio de Mendoza (1536–51) und Luis de Velasco (bis 1564), an seiner Spitze gesehen. Natürlich teilte M. im allgemeinen die Geschicke des spanischen Kolonialreiches, dessen allgemein gültige Gesetze auch hier ihre Handel und Wandel vielfach beengende Wirkung ausübten. Doch nahm M. infolge seines Reichtums und seiner höhern Kultur vielfach eine bevorzugte Stellung ein, und seine Hauptstadt war der Mittelpunkt eines verhältnismäßig regen geistigen und geschäftlichen Lebens. Infolge davon haben die auf Losreißung der Kolonien vom Mutterlande gerichteten Bestrebungen in M. am spätesten Wurzel gefaßt. Zwar bestand auch in M. der in allen Kolonien herrschende Zwiespalt zwischen Spaniern und Kreolen, und dieser führte, als die Absetzung Ferdinands VII. die Bande mit dem Mutterlande lockerte, zu vorübergehenden Unruhen.

Als der damalige (56.) Vizekönig, Jturrigaray, den Kreolen gleiche Rechte mit den Spaniern einräumen wollte, wurde er von den letztern 16. Sept. 1808 gefangen genommen und nach Spanien geschickt, und da auch die spanische Zentraljunta die bevorrechtete Stellung der Spanier nicht erschüttert wissen wollte, ernannte sie 1810 einen neuen Vizekönig, Venegas. Gegen diesen empörten sich die Kreolen unter dem Pfarrer Castillo, der aber nach vorübergehenden Erfolgen 1811 hingerichtet wurde. Auch Morelos, der im Süden den Aufstand fortsetzte, geriet durch Verrat in die Hände der Spanier und wurde 21. Dez. 1815 erschossen. Da aber auch die treugebliebenen Kreolen fortdauernd zurückgesetzt wurden, verbanden sie sich schließlich mit der Geistlichkeit, die seit der Revolution von 1820 dem Mutterlande feindlich gesinnt war, zu dem sogen. Plan von Iguala (Grito d'Iguala), demzufolge ein spanischer Prinz den Thron eines selbständigen Königreichs M. besteigen sollte; im Januar 1821 wurde Iturbide zum Generalissimus der nationalen Streitkräfte ernannt und mit ihm schloß ein königlicher Kommissar 24. Aug. 1821 zu Cordoba einen Vertrag, worauf die spanische Besatzung die Hauptstadt räumte und Iturbide 27. Sept. in dieselbe einzog. Als jedoch die spanischen Cortes den Vertrag von Cordoba verwarfen, ließ sich Iturbide 18. Mai 1822 als Augustin I. zum Kaiser von M. ausrufen. Seine Herrschaft dauerte freilich nicht lange, denn schon im Dezember erhob sich der General Santa Ana in Veracruz für die Republik. Nachdem Augustin I. 19. März 1823 abgedankt hatte, wurde M. 16. Dez. 1823 für eine bundesstaatliche Republik erklärt, deren Verfassung (vom 4. Okt. 1824) ganz der der nordamerikanischen Union nachgebildet war; der erste Präsident war General Vitoria. Die Spanier erkannten den neuen Staat nicht an, und als deshalb durch das Dekret vom 20. März 1829 alle Spanier aus M. verbannt wurden, landete 27. Juli ein spanisches Invasionsheer von Cuba aus in Punta de Jeres, wurde aber von Santa Ana eingeschlossen und zur Rückkehr nach Havana gezwungen. Das Verbannungsdekret wurde 1831 aufgehoben.

Im Innern bekämpften sich seit der Errichtung des Freistaates die aristokratisch-kirchliche Partei der Escoceses und die demokratische der Yorkinos, und diese Streitigkeiten benutzten ehrgeizige Generale, wie Santa Ana und Bustamante, um vor allem sich selbst die Herrschaft zu verschaffen. Als 1828 ein Aristokrat, Pedraza, zum Präsidenten erwählt wurde, erhob sich Santa Ana mit den Yorkinos für den Mestizen Guerrero, der am 1. Jan. 1829 vom Kongreß bestätigt wurde. Aber schon in demselben Jahr empörten sich Santa Ana und Bustamante gegen ihn; letzterer wurde 1. Jan. 1830 zum Präsidenten erwählt und Guerrero, mehrmals geschlagen, wurde 17. Febr. 1831 zu Oajaca erschossen. Bustamante wurde 1832 wieder von Santa Ana gestürzt, der, im März 1833 zum Präsidenten gewählt, diese Würde an Farias übertrug, 1835 aber alle Gewalt an sich riß und mit Hilfe der Escoceses eine zentralistische Verfassung einführte. Dies hatte 2. März 1836 den Abfall von Texas zur Folge; als Santa Ana es mit Gewalt wieder unterwerfen wollte, wurde er 20. April 1836 bei San Jacinto geschlagen und gefangen. Nun wurde wieder Bustamante Präsident (25. Febr. 1837), unter dem 1838 ein Krieg mit Frankreich ausbrach. Admiral Baudin nahm 28. Nov. das Fort San Juan de Ulua, aber unter englischer Vermittelung kam 9. März 1839 ein Friede zustande, nach dem M. 600,000 Piaster Entschädigung zahlen mußte. Die Präsidenten wechselten unaufhörlich, obwohl ihre Amtsdauer 1835 auf acht Jahre festgesetzt worden war; die Diktatur, die Santa Ana im Oktober 1841 sich beilegte, dauerte nur bis 1844. Da M. die Unabhängigkeit von Texas nicht anerkennen wollte, das 1845 in die Union aufgenommen wurde, so brach 1846 ein Krieg mit den Vereinigten Staaten aus. Nachdem die Amerikaner die nördlichen Provinzen Mexikos ohne Widerstand erobert hatten, landete 9. März 1847 eine Armee von 12,000 Mann unter General Scott bei Veracruz, besetzte die Stadt und trat 8. April den Marsch auf die Hauptstadt an. Santa Ana wurde bei Cerro Gordo besiegt, und nach einigen weitern Gefechten eroberte Scott 14. Sept. die tapfer verteidigte Hauptstadt. Im Frieden von Guadalupe Hidalgo mußte M. die jenseit des Rio Grande del Norte gelegenen Teile der Staaten Tamaulipas, Cohahuila und Chihuahua, ferner New Mexico und Neukalifornien, im ganzen über 11/2 Mill. qkm (die Hälfte seines Gebiets), abtreten, wofür die Union 15 Mill. Doll. zahlte.

Um die notwendigen Reformen durchzuführen, ward Santa Ana 17. März 1853 zum Präsidenten mit diktatorischer Gewalt erwählt. Er veröffentlichte schon 22. April d. J. seine »Grundzüge für die Verwaltung der Republik«, schuf eine zentralisierte Regierung, stellte sich einen Staatsrat zur Seite, ordnete Zoll- und Heerwesen und schränkte die Presse ein, während er die Jesuiten zuließ. Er wurde im Dezember vom Senat mit lebenslänglicher Diktatur bekleidet. Durch den Gadsden-Vertrag trat er das streitige Mecillatal im Staate Chihuahua gegen 10 Mill. Doll. an die Vereinigten Staaten ab. Obwohl Santa Ana seine Gegner durch Verbannung oder Verhaftung unschädlich zu machen suchte, so kam es doch 1854 zu Aufständen, vor denen er im August 1855 wich; der Mulatte Alvarez wurde zum Präsidenten gewählt, aber weil er die »Fueros« (Vorrechte) der Geistlichkeit und der Armee aufhob, im Dezember schon von Comonfort gestürzt, dem 36. Präsidenten innerhalb 40 Jahren, der seine Regierung mit liberalen Reformen begann. Durch das Gesetz vom 28. Juni 1856 wurde der Grundbesitz der Kirche verkauft, der Kaufpreis sollte aber der Kirche übergeben werden, bis auf 5 Proz., wobei die Regierung auf einen Gewinn von 15 Mill. Pesos rechnete. Eine neue Verfassung gewährleistete Gewissensfreiheit, verwies die Jesuiten aus dem Land und öffnete den Einwanderern die Häfen, aber als sie 11. März 1857 beschworen werden sollte, verweigerte der Erzbischof allen, die den Eid leisten würden, die Absolution. General Zuloaga stellte sich darauf an die Spitze einer Empörung, vertrieb nach siebentägigem Kampfe Comonfort aus der Hauptstadt und ward 22. Jan. 1858 zum Präsidenten erwählt. Comonforts Vizepräsident Juarez behauptete sich dagegen in Veracruz an der Spitze einer liberalen Regierung. Zuloagas Feldherr, General Miramon, wurde von den Liberalen unter Ortega 8. Aug. 1860 bei Silao und 22. Dez. bei Calentalpa besiegt, und Mitte Januar 1861 zog Juarez in die Hauptstadt ein. Nun schritt die radikale Partei sofort zur strengen Ausführung der antiklerikalen Gesetze. Aufhebung der Klöster, Einziehung der Kirchengüter und Trennung der Kirche vom Staat wurden verfügt und vollständige Religionsfreiheit verkündet. Der Erzbischof von M. und die Mehrheit der Bischöfe wurden des Landes verwiesen, und der päpstliche Nunzius erhielt seinen Paß zugefertigt. Ein neugewählter Kongreß bestätigte im Juni 1861 Juarez als Präsidenten und bekleidete ihn 1. Juli mit unumschränkter Diktatur. Der innere Friede war aber damit nicht hergestellt, da nun die klerikalen Anführer in den Provinzen die Fahne des Aufruhrs erhoben.

Dazu kamen nun noch Verwickelungen mit dem Ausland, die hauptsächlich durch die Geldnot des Staates veranlaßt wurden. Der Erlös des Verkaufs der Kirchengüter (80 Mill. Pesos) floß nur zum Teil in die Staatskasse und war bald aufgebraucht. Am 17. Juli 1861 war die Regierung außerstande, die auswärtigen Gläubiger zu bezahlen (die inländischen erhielten bereits länger nichts). Daher schlossen Frankreich, England und Spanien, die bedeutende, teilweise allerdings anfechtbare Forderungen an M. hatten, 31. Okt. 1861 die Konvention von London, »um ihre Untertanen zu schützen und die Republik zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu zwingen«. Da das am 24. Nov. an M. gerichtete Ultimatum ohne Antwort blieb, wurde eine bewaffnete Intervention ins Werk gesetzt, zumal die Vereinigten Staaten durch den Bürgerkrieg verhindert wurden, M. beizustehen. Das spanische Geschwader traf 8. Dez. vor Veracruz ein. Anfang Januar 1862 folgte das französische und englische Expeditionskorps; doch dauerte das Einverständnis zwischen den drei Mächten nicht lange, da die Verbündeten sich nicht zur Unterstützung der »exzessiven und der Belege entbehrenden« französischen Forderungen verstanden, vielmehr auf Grund der Konvention von Soledad im Februar 1862 Verhandlungen mit M. begannen, infolge deren sich die spanischen und englischen Truppen wieder einschifften. Die Franzosen dagegen setzten die Expedition auf eigne Hand fort und drangen in das Innere vor, mußten aber nach einem verunglückten Sturm auf Puebla (im Mai 1862) bis zum Frühjahr 1863 auf Verstärkungen warten. Erst im Mai 1863 begannen sie unter Forey die Belagerung Pueblas, das am 27. Mai erstürmt wurde. Am 10. Juni zogen sie in die Hauptstadt ein. Eine von Forey berufene Notabelnversammlung beschloß im Juli die Einführung der erblichen Monarchie und proklamierte den Erzherzog Maximilian von Österreich (s. Maximilian 11) zum Kaiser von M. Derselbe erklärte nach längerm Schwanken 10. April 1864 in Miramar der mexikanischen Deputation die Annahme der Kaiserkrone, ließ sich in Rom vom Papste die Weihe erteilen und landete 29. Mai in Veracruz; 12. Juni erfolgte der Einzug in die Hauptstadt. Das neue Kaiserreich stand aber auf schwachen Füßen. Die klerikale Partei hatte seine Errichtung nur betrieben, um dafür belohnt zu werden. Sie forderte die Kirchengüter zurück, obwohl die neue Regierung mit der höchsten Geldnot zu kämpfen hatte und nur mit Mühe in Frankreich eine Anleihe aufbrachte. Und als Maximilian zögerte, sich ganz in die Hände der Ultramontanen zu geben, wurde er von ihnen angefeindet. Auch war er kein Staatsmann, in der Wahl seiner Ratgeber unglücklich und in seinen Entschlüssen schwankend. Dazu kam, daß der neue französische Oberbefehlshaber, Bazaine, ihn nur sehr mangelhaft unterstützte. Auf seinen Antrieb erließ Maximilian 2. und 3. Okt. 1865 Dekrete, die Juarez und seine Anhänger als Räuber in die Acht erklärten und die Mitglieder aller Guerillabanden zum Erschießen sowie alle, die sie unterstützten, zu hohen Strafen verurteilten. Allerdings waren auch kaiserlich mexikanische Truppen organisiert worden, aber sie erwiesen sich als unzulänglich, um das ganze Land in Botmäßigkeit zu halten. Juarez war 1865 nach Paso del Norte an die Nordgrenze zurückgedrängt worden, aber er setzte den Kampf für die Befreiung des Landes beharrlich fort. Aus den Vereinigten Staaten flossen ihm allmählich immer mehr Unterstützungen zu, so daß er bald den Guerillakrieg bis in die Nähe der Hauptstadt ausdehnen konnte. Als die Amerikaner aber den Bürgerkrieg beendet hatten, nahmen sie eine so drohende Haltung ein, daß Napoleon III. sich zur Räumung Mexikos entschloß. Alle Bemühungen Maximilians und seiner Gemahlin Charlotte, diesen Beschluß rückgängig zu machen, waren vergeblich, ebenso alle Versuche der Franzosen, den Kaiser zur Abreise zu bewegen. Derselbe wollte vielmehr den Kampf bis aufs äußerste fortsetzen und zog einen ehrenvollen Untergang der Flucht vor. Als die Franzosen im März 1867 M. verlassen hatten, begab sich Maximilian nach Queretaro, wo er von Escobedo eingeschlossen wurde. Nach tapferer Verteidigung fiel die Festung und mit ihr der Kaiser durch den Verrat des Obersten Lopez in die Gewalt der Juaristen, und 19. Juni wurde er nebst den Generalen Mejia und Miramon nach kriegsrechtlicher Verurteilung erschossen. Die Stadt M. öffnete 21. Juni Porfirio Diaz die Tore.

Durch standhafte Ausdauer hatten Juarez und die liberale Partei gesiegt. Zweimal, 1867 und 1871, wurde Juarez wieder zum Präsidenten gewählt und regierte mit Strenge und Energie, so daß es ihm gelang, die immer von neuem ausbrechenden Empörungen zu unterdrücken und Ruhe und Ordnung herzustellen. Durch den langjährigen Bürgerkrieg war das Land zerrüttet und die Finanzen gänzlich verworren. Die Anleihen des Kaiserreichs erkannte Juarez nicht an, weswegen die Herstellung diplomatischer Beziehungen zu den europäischen Mächten, die sich für Maximilian erklärt hatten, sich sehr verzögerte. Nach Juarez' Tode (18. Juli 1872) trat Lerdo de Tejada an seine Stelle und wurde zweimal von neuem zum Präsidenten gewählt. Er besaß aber nicht das moralische Ansehen, das sich Juarez durch seine Standhaftigkeit und Uneigennützigkeit erworben hatte. Er trieb die übliche Günstlingswirtschaft und verschleuderte die Staatsgelder. Daher gelang es Porfirio Diaz, im November 1876 die Hauptstadt M. zu erobern, Lerdo zu stürzen und sich im Februar 1877 zum Präsidenten wählen zu lassen. Diaz errichtete ein ansehnliches stehendes Heer, das allerdings drei Viertel der Staatseinkünfte verschlang, war aber nun imstande, die Autorität der Behörden wirksam aufrecht zu erhalten. Hierdurch gab er Handel und Gewerbe einen Aufschwung und erhöhte durch Revision des Zolltarifs und Unterdrückung des Schmuggels die Einnahmen. Der Bau von Eisenbahnen wurde in beträchtlichem Umfang begonnen, und zahlreiche Amerikaner wanderten mit ihren Kapitalien ein. Eine Unterbrechung erfuhr diese wohltätige Entwickelung unter Diaz' Nachfolger Gonzalez (1880–84), der Bestechungen und Unterschlagungen sich zu schulden kommen ließ. Als aber Diaz 1. Dez. 1884 wieder Präsident wurde, kehrte Ordnung und Rechtschaffenheit rasch in die Staatsverwaltung zurück. Allerdings mußte er zunächst, um den finanziellen Schwierigkeiten zu begegnen, die Zölle erhöhen und Anleihen aufnehmen. Aber der rasche Aufschwung, den der Wohlstand Mexikos unter seinem straffen Regiment nahm, ergab von Jahr zu Jahr günstigere Budgetresultate. In der richtigen Erkenntnis der Wohltaten, die das Land ihm dankt, sind Aufstände, mit denen Diaz zunächst auch noch zu kämpfen hatte, immer seltener geworden. In sechs aufeinanderfolgenden Wahlen ist Diaz mit stets wachsender Stimmenzahl, zuletzt 1904 auf 6 (statt wie bisher auf 4) Jahre in der Präsidentschaft bestätigt worden; und indem er sich neuerdings in R. Corral einen gleichgesinnten Vizepräsidenten zur Seite gestellt, hat er für eine stetige Weiterentwickelung dessen, was er geschaffen, Sorge getragen. Gleicht auch sein Regiment in vielen Beziehungen mehr einer Diktatur als einer konstitutionellen Präsidentschaft, so sind doch seine Verdienste um den kulturellen Fortschritt Mexikos so groß, daß sie diese Tatsache vergessen machen.

Vgl. Alaman, Historia de Mejico (Mexiko 1849–1852, 5 Bde.); Prescott, History of the conquest of Mexico (neue Ausg., Lond. 1892, 3 Bde.; deutsch, Leipz. 1845, 2 Bde.); Torrente, Historia general de la revolucion moderna hispano-americana (Madr. 1829–30, 5 Bde.); Mora, Mexico y sus revoluciones (Par. 1834, 8 Bde.) und Documentos para la historia de Mexico (Mexiko 1853–57, 20 Bde.); Frost, History of Mexico (New Orleans 1882); »Mexico á través de los siglos« (Mexiko 1884 bis 1888, 5 Bde.); H. Bancroft, Popular history of the Mexican people (Lond. 1888); León, Compendio de la historia general de Mexico (Mexiko 1902); Labédollière, Histoire de la guerre du Mexique (Par. 1866); Niox, Expédition du Mexique. Récit politique et militaire (das. 1874); Bibesco, Au Mexico 1862 (das. 1887); Kendall, Mexico under Maximilian (Lond. 1871); Weiteres s. Maximilian 11 (S. 478); A. H. Noll, From Empire to Republic (Chicago 1903); Pimentel, Historia critica de la literatura y de las cienciasen Mexico (Mexiko 1886 ff.). Über die mexikanischen Altertümer vgl. Charnay, Les anciennes villes du nouveau monde (Par. 1885); Strebel, Alt-Mexiko (Hamb. 1885–1889, 2 Bde.); Peñafiel, Monumentos del arte mexicana antiguo (mit 318 Tafeln, Berl. 1890, 3 Bde.); Chavero, Antiguedades mexicanas (Mexiko 1893); Weiteres bei Artikel »Maya-Hieroglyphen« und »Mexikanische Hieroglyphen«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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