Pitt

Pitt

Pitt, 1) Thomas, der Gründer des Hauses Chatham, geb. 1653, gest. 1726, wurde gegen das Ende des Jahrhunderts Gouverneur von Madras. Hier erwarb er den unter dem Namen Regent oder Pitt bekannten großen Diamanten (s. Tafel »Diamanten«, Fig. 2), den er an den Herzog von Orléans, Regenten von Frankreich, verkaufte.

2) William, Graf von Chatham, brit. Staatsmann, Enkel des vorigen, geb. 15. Nov. 1708 zu Boconnock in Cornwall, gest. 11. Mai 1778, trat in ein Dragonerregiment, erhielt aber 1735 einen Sitz im Parlament, wo er sein glänzendes Rednertalent in den Dienst der Opposition gegen Walpole stellte. 1746 wurde er Vizeschatzmeister von Irland und bald darauf Geheimrat und Generalzahlmeister der Armee. Nachdem er 1755 aus dieser Stellung geschieden war, ward er 1756 zum Staatssekretär ernannt, aber schon nach wenigen Monaten entlassen, da er den Krieg nur mit Rücksicht auf die englischen Interessen und ohne Berücksichtigung der hannoverschen Erblande des Königs geführt wissen wollte. Doch war die öffentliche Meinung so entschieden auf seiner Seite, daß schon im Juni 1757 seine Wiederanstellung erfolgte. Er führte nun das Staatsruder so geschickt und kraftvoll, daß England bald über Frankreich in allen Weltteilen die größten Vorteile errang. Als er nach Georgs III. Thronbesteigung von dem Familientraktat zwischen Frankreich und Spanien Kunde bekam, drang er auf unverweilte Kriegserklärung gegen Spanien, ward aber durch den Einfluß des Grafen Bute im Kabinett überstimmt und trat daher 5. Okt. 1761 zurück. Vergebens versuchte die Regierung 1762 und 1765 ihn wieder in das Kabinett zu ziehen, P. blieb an der Spitze der Whigs in der Opposition. Erst 1766 übernahm er die Bildung eines aus allen Parteien zusammengesetzten Ministeriums und trat gleichzeitig mit dem Titel Lord Chatham in das Oberhaus, legte aber schon 12. Okt. 1768 aus Gesundheitsrücksichten sein Amt wieder nieder. Als der Konflikt mit den nordamerikanischen Kolonien ausbrach, riet er umsonst zur Mäßigung. Als aber nach dem Abschluß des Bündnisses der Vereinigten Staaten mit Frankreich die Minister auf Frieden drangen, eilte P. 7. April 1778 vom Krankenlager ins Oberhaus und hintertrieb durch eine ergreifende Rede diesen Schimpf. Kaum hatte er geendet, als ihn eine Ohnmacht überfiel; bald darauf starb er auf seinem Landgut Hayes bei Kent. Vgl. Almon, Anecdotes of William P., Earl of Chatham, with his speeches in parliament (4. Aufl., Lond. 1810, 3 Bde.); »Correspondance of the Earl of Chatham« (das. 1838–40, 4 Bde.); Thackeray, Life of Chatham (das. 1827, 2 Bde.); v. Ruville, William P. (Chatham) und Graf Bute (Berl. 1895) und William P., Graf von Chatham (Stuttg. 1905, 3 Bde.); W. D. Green, William P., Earl of Chatham (Lond. 1901); Harrison, Chatham (das. 1905).

3) William, der Jüngere, brit. Staatsmann, zweiter Sohn des vorigen, geb. 28. Mai 1759, gest. 23. Jan. 1806, studierte in Cambridge und ward 1780 Rechtsanwalt in London. Durch den Einfluß des Herzogs von Rutland erlangte er im folgenden Jahr einen Sitz im Unterhaus, schloß sich den Whigs an, trug 1782 zu dem Sturz des Ministeriums North bei und erwarb sich durch sein Drängen auf Abschaffung der Testakte, Emanzipation der Katholiken und Reform des Parlaments große Popularität. Ein ihm angebotenes untergeordnetes, Amt lehnte er ab; als aber Fox 1782 resignierte, trat P. als Schatzkanzler in das Ministerium Shelburnes ein. Seitdem war er der erklärte Gegner von Fox und dessen Politik. In das nach Shelburnes Sturz 1783 gebildete Koalitionsministerium Fox-North trat er deshalb nicht ein und bekämpfte die von Fox eingebrachte Indiabill auf das heftigste; sie ging zwar trotzdem im Unterhaus durch, wurde aber im Oberhaus durch die Einwirkung des Königs verworfen. Georg III. entließ darauf das Ministerium und ernannte den 24jährigen P. 19. Dez. 1783 zum Premier; das Unterhaus wurde 1784 aufgelöst, und die Neuwahlen brachten P. die überwältigende Mehrheit. Durch eine neue Indiabill wurde nun die Ostindische Kompanie einer von der Krone zu ernennenden Kontrollbehörde unterworfen. Mit Energie und Umsicht ordnete P. die zerrütteten Finanzen und hob durch die Einführung von Tilgungsfonds den öffentlichen Kredit. 1786 schloß er einen günstigen Handelsvertrag mit Frankreich ab. Allein die Ausschreitungen der französischen Revolution machten P., dem sich seit 1791 viele ehemalige Whigs unter Burke anschlossen, immer konservativer, und er bekämpfte die Verbreitung demokratischer Ideen in England durch die Fremdenbill, die zeitweilige Suspension der Habeaskorpusakte, die Beschränkung des Vereins- und Versammlungsrechts und der Presse so energisch, daß ihn der französische Konvent für den Feind des Menschengeschlechts erklärte. Der Aufstand der Irländer wurde mit blutiger Strenge unterdrückt und der infolge des kostspieligen Krieges mit Frankreich und wiederholter Mißernten gefährdete öffentliche Kredit 1797 durch die Suspension der Bankakte und das Verbot der Barzahlungen gerettet, während die Einführung einer Einkommensteuer und wiederholte Anleihen die Mittel zur Fortsetzung des Krieges gewährten. Durch kolossale Bestechungen und glänzende Vorspiegelungen wurde Irland, um ihm jede selbständige Bewegung unmöglich zu machen, ganz mit England vereinigt (1800). Als aber der König sich weigerte, die von P. den irischen Katholiken in Aussicht gestellte Emanzipation gutzuheißen, resignierte dieser im Februar 1801, und ihm folgte ein Ministerium Addington, das im März 1802 den Frieden von Amiens schloß. Als 1803 der Krieg wieder entbrannte, stürzte P. dies Ministerium und übernahm 18. Mai 1804 wieder sein früheres Amt. Er ordnete nun großartige Rüstungen an und brachte die dritte Koalition gegen Frankreich zuwege. Aber auf seine schwächliche Konstitution wirkten die ungeheuern Geschäftsanstrengungen nachteilig ein, und die Nachricht von dem Ausgang der Schlacht bei Austerlitz gab ihm den Todesstoß. Es ward ihm ein Monument in der Westminsterabtei errichtet, und durch Parlamentsbeschluß übernahm die Nation die Bezahlung von 40,000 Pfd. Sterl. Schulden, die P., der nie daran gedacht hatte, ein Vermögen zu sammeln, hinterließ. Einfachheit und Liebenswürdigkeit zeichneten sein Privatleben aus. An P. als Redner rühmte man die klare Verständigkeit, die vortreffliche Dialektik, die vollendete innere und äußere Abrundung. Seine bedeutendern Reden sind in mehreren Ausgaben gesammelt. Seinen Briefwechsel mit dem Herzog Charles von Rutland (1781–87) gab der Herzog John von Rutland heraus (Lond. 1840). Vgl. Gifford, A history of the political life of William P. (Lond. 1809, 6 Bde.); Tomline, Memoirs of the life of William P. (das. 1821, 2 Bde.); Stanhope, Life of William P. (4. Aufl., Lond. 1879, 3 Bde.); Lord Ashbourne, P., some chapters of his life and times (das. 1898); Salomon, William P. der jüngere (Bd. 1, Leipz. 1901–1906), und die kürzern Biographien von Sergeant (Lond. 1882), Walford (das. 1890), Lord Rosebery (das. 1891), Luckwaldt (in den »Preußischen Jahrbüchern«, Bd. 109,1902), Whibley (Lond. 1906).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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