Kelten

Kelten

Kelten (Celti, Celtae), Name eines Volkes des indogermanischen Sprachstammes. Wie der Name Germanen, ist auch der der K. nicht in der eignen Sprache des Volkes überliefert und würde auf keltisch Celtos, Mehrz. Celti, heißen, was sich mit dem lateinischen celsus, celsi lautlich und begrifflich deckt, also die Erhabenen bedeutet, während Galli (s. Gallien) von einer keltischen Wurzel gal abgeleitet wird, wovon die Bezeichnungen des Kampfes und der Waffen gebildet sind; Galli heißt also Kämpfer. Innerhalb der indogermanischen Sprachfamilie nehmen die K. zwischen Italikern und Germanen eine Mittelstellung ein (s. Keltische Sprachen). Während der Name K. die Gesamtheit aller die keltische Sprache sprechenden Stämme umfaßt, wird der Name Gallier im Altertum hauptsächlich von den keltischen Bewohnern Frankreichs und Italiens gebraucht; Galatae (Galater) werden die nach Kleinasien vorgedrungenen K. genannt. Die K. wohnten in ältester Zeit, in viele Stämme zerspalten, im W. Europas, in Gallien und Britannien. Ohne Anhänglichkeit an die eigne Scholle, liebten sie das Wanderleben. Die ältesten Auswanderungen gingen nach Spanien, wo sich die Eindringlinge nach heißen Kämpfen mit den schon vorhandenen Iberern zu Einem Volke, den Keltiberern, verbanden. Aber auch unvermischt wohnten in diesem Lande keltische Stämme. Herodot, Aristoteles und Hipparch rechneten wegen der großen Zahl eingewanderter K. Spanien zum Land Keltika. Nach 600 v. Chr. wurden die Auswanderungen, besonders nach Italien, häufiger, deren weiterm Vordringen sich im 4. Jahrh. die Römer mit Erfolg widersetzten. Da der Zudrang der keltischen Stämme in das überfüllte Oberitalien (Gallia cisalpina) fortdauerte, so wandte sich ein Teil weiter gegen O. und nahm Pannonien etc. ein; Krain, Kärnten, Steiermark, Österreich, das westliche Ungarn, Slawonien, Kroatien, Serbien und Bosnien wurden von den kriegerischen K. erobert. Auch in Thrakien und Illyrien setzten sich die K. fest. Im J. 280 brachen von hier aus 212,000 K. in Mazedonien, Thessalien und Griechenland ein und ließen sich in Kleinasien (Galatia) nieder.

Die K. waren groß und stark, hatten weiße Haut, blondes oder rötliches, langes, von Stirn und Scheitel über den Nacken gezogenes Haar, das sie künstlich noch röter zu machen suchten, blaue Augen, lebhafte Blicke und trotzige Gesichtszüge, waren zanksüchtig, eitel und leichtgläubig, übermütig, prahlerisch und kriegslustig. Sie besaßen geistige Bildsamkeit, natürlichen Verstand und Begabung für Rede und Dichtung. Überhaupt atmete in ihnen ein ritterlicher Geist. Ihre Sprache klang den Römern und Griechen rauh und unfreundlich. Manche K. schoren den Bart, andre ließen ihn kurz stehen; die Vornehmsten trugen glattes Kinn, aber starken Schnurrbart. Die Kleidung bestand in bunten wollenen Leibröcken, über die manche einen Gürtel von Gold oder Silber festgeschnallt trugen, in Hosen (braccae) und in einem kurzen Flausmantel. Goldene Bänder zierten die Handwurzel und den Arm, goldene Ringe die Finger und Ketten von gleichem Metall den Hals. Mannshohe Lederschilde mit bunten Malereien, eherne Helme mit großen Aufsätzen, die Hörner oder Tiergestalten vorstellten, eiserne Panzer, oft von Draht geflochten, waren die Schutzwaffen, und lange, starke Schwerter wurden an eisernen Ketten schräg an der Seite getragen. Die Lanzen waren mit einer mehr als handbreiten und 30 cm langen eisernen Spitze versehen; selten bediente man sich der Bogen und anderer Wurfwaffen. Am liebsten kämpften die K. zu Pferde oder auf Streitwagen, und der vornehmere Teil bildete eine Ritterschaft, die möglichst viel Anhang zu gewinnen strebte. Diese Ritter liebten den Einzelkampf und riefen die Feinde dazu auf. Im ersten Angriff waren die K. fürchterlich und fast unwiderstehlich. Nur durch geschickte Benutzung ihrer innern Streitigkeiten und dadurch, daß sie die erste Hitze des Angriffs verbrausen ließen, vermochten die Römer endlich die Oberhand über sie zu gewinnen. Für Gold leistete der Kelte gern Kriegsdienste; der keltische Söldner war wegen seiner Tapferkeit gesucht, aber auch vom Feind leicht zu erkaufen, und oft brachen Empörungen unter den keltischen Mietlingsscharen aus. Den K. fehlte vor allem die Fähigkeit, unter Gesetzen zu leben und beharrlich einem höhern Ziele zuzustreben. Es galt als schimpflich für den freien K., das Feld mit eignen Händen zu bestellen; der freie Bauernstand schwand. Es gab nur eine herrschsüchtige Priesterkaste, die Druiden, einen übermütigen Adel, der auch die Königsherrschaft nicht mehr duldete, und eine unterdrückte gutshörige Klientel, die den jährlich neuverteilten Ackerboden bearbeitete. So erklärt es sich, daß die K. alle Staaten erschüttert und keinen gegründet haben, daß weder ein dauerndes Reich, noch eine eigne Kultur von ihnen geschaffen wurde.

Wegen der Unsicherheit der Nachrichten des Altertums über die Wanderungen und Wohnsitze der K., wegen der Leichtigkeit, womit sie in andern Völkern ausgingen, ruht die Forschung der ältesten Geschichte der K. auf schwankender Grundlage; das Streben der Keltomanie, überall keltische Spuren zu wittern, ist ungerechtfertigt. Auf gesünderer Grundlage ruht die pankeltische Bewegung, die sich seit anderthalb Jahrzehnten in den alten Keltenländern Irland, Wales, Schottland, Insel Man, Bretagne durch nationale Versammlungen (Gorsedd und Eisteddfod, s. Caerwys), Unterrichts- und Volksbildungskurse sowie eine beträchtliche Reihe von Schriften und Zeitungen kundgibt. Im August 1901 fand der erste pankeltische Kongreß in Dublin statt, wo namentlich die Frage der Erweckung eines gemeinkeltischen Idioms für die verschiedenen keltischen Stämme erörtert wurde.

Vgl. Zeuß, Die Deutschen und ihre Nachbarstämme (Münch. 1837); Diefenbach, Celtica (Stuttg. 1839 bis 1841, 2 Tle.) und Origines europaeae (Frankf. 1861); Holtzmann, K. und Germanen (Stuttg. 1855); Brandes, Das ethnographische Verhältnis der K. und Germanen (Leipz. 1857); L. Contzen, Die Wanderungen der K. (das. 1861); Cuno, Vorgeschichte Roms, Bd. 1: Die K. (das. 1878); Saint-Brieuc, Études sur les Celtes et les Gaulois (Par. 1875); Bertrand, Archéologie celtique et gauloise (das. 1876); de Valroger, Les Celtes, la Gaule celtique (das. 1879); Rhys, Celtic Britain (3. Aufl., Lond. 1904) und Celtic folklore (das. 1901); v. Czörnig, Die alten Völker Oberitaliens (Wien 1885); d'Arbois de Jubainville, Études sur le droit celtique (Par. 1894, 2 Bde.), Principaux auteurs de l'antiquité à consulter sur l'histoire des Celtes (Bd. 12 des »Cours de littérature celtique«, das. 1902), Les Celtes... jusqu'en l'an 100 avant notre ère (das. 1904) und La famille celtique (das. 1905); Driesmans, Das Keltentum in der europäischen Blutmischung (Leipz. 1900); Déchelette, L'archéologie celtiqueen Europe (in der »Revue de synthèse historique«, Bd. 3, 1901); sowie die Literatur bei Artikel »Gallien« und »Keltische Sprachen«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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