Hawaï-Inseln

Hawaï-Inseln

Hawaï-Inseln (Sandwichinseln), Inselgruppe in der nördlichen Hälfte des Stillen Ozeans, zwischen 18°57´-22°16´ nördl. Br. und 154°49´-160°33´ westl. L. (s. das Kärtchen, S. 12, und Karte »Ozeanien«), 16,784 qkm groß, seit 1900 ein Territorium der Vereinigten Staaten, besteht aus acht größern bewohnten Inseln: Niihau, Kauaï, Oahu, Molokaï, Lanaï, Maui, Kahulaui und Hawaï (s. die Einzelartikel), und den drei kleinern unbewohnten Felseilanden Lehua, Kaula und Molokini. Auch die kleine Insel Nihoa (s. Kauaï) gehört hierher. Die Inseln sind sämtlich gebirgig, die Erhebungen der höchsten Punkte über den Meeresspiegel betragen auf Niihau 450 m, auf Kauaï 1830 m, auf Oahu 1230 m, auf Molokaï 1066 m, auf Lanaï 914 m, auf Maui 3058 m und auf Hawaï 4210 m (Mauna Kea). Der Archipel ist ein Werk der untermeerischen vulkanischen Kräfte; die Gesteine sind fast durchaus vulkanisch. An einzelnen Stellen tritt Madreporenkalkstein über das Meer. 40 Vulkane sind auf den Inseln, von denen jetzt nur zwei tätig sind, Mauna Loa (s. Mauna Kea) und Kilauea (s. d.) auf der Insel Hawaï, unter den noch tätigen Vulkanen der Erde mit die bedeutendsten. Die Bewässerung ist spärlich, selbst kleine Flüsse sind selten. Das Klima ist mild und angenehm bei großer, durch die Höhenlage bedingter Verschiedenheit; vom März bis November weht der Nordostpassat, der im Winter durch südliche (»kranke«) Winde geschwächt ist. Die dem Passat zugewendeten Obstabhänge erhalten am meisten Regen; eine ausgesprochene Trockenperiode fehlt. Regenmengen: Waikiki (bei Honolulu) 113, Waioli 124 cm; Temperatur: Honolulu Jahr 23,3°, kältester Monat Januar 20,9°, wärmster August 25,3°, mittlere Jahresextreme 32 und 12°. Der größte Teil der Inseln ist mit üppiger Vegetation bekleidet. In der bei 300 m beginnenden tropischen Waldformation ist die Koa (Acacia Koa) der herrschende Baum. Daneben findet sich der durch die Ausfuhr seines wohlriechenden Holzes bereits selten gewordene Sandelholzbaum (Santalum album). Das Unterholz bilden meist endemische Holzgewächse aus der Familie der Lobeliazeen, Violazeen, Karyophyllazeen, Geraniazeen und Kompositen. Zahlreich sind ferner die Araliazeen, die charakteristische Palme Pritchardia sowie die Gattungen Freycinetia, Dracaena und Flagellaria. Soweit nicht Lavaergüsse die Vegetation der Berggipfel verhindern, sind sie mit zerstreutem Grasrasen und vereinzelten Gehölzen bekleidet, von denen der Manatibaum (die 6–10 m hohe Leguminose Edwardsia grandiflora) und strauchige Kompositen (Raillardia, Argyroxiphium u. a.) zu nennen sind. Ein großer Teil der Fauna Hawaïs ist endemisch; dazu mischen sich hier polynesische und amerikanische Formen. Von einheimischen Säugetieren ist nur eine zu einer amerikanischen Gattung gehörige Fledermaus bekannt. Papageien scheinen ganz zu fehlen, während die Sperlingsvögel durch eigentümliche Formen der Honigsauger (Meliphagiden) und Sonnenvögel (Nektarmiden) vertreten sind. Von Reptilien finden sich Geckos, während Schlangen fehlen. Ebenso fehlen Amphibien. In der Landmolluskenfauna dominiert fast ausschließlich die zu den Zirkelschnecken (Heliciden) gehörige Gruppe der Achatinelliden, die dem Archipel eigentümlich und außerordentlich reichlich und mannigfaltig entwickelt ist.

Harte des Hawai-Archipels.
Harte des Hawai-Archipels.

Die Bevölkerung der Inselgruppe betrug 1900: 154,001 gegen 89,990 im J. 1890; darunter befanden sich 29,834 Eingeborne gegen 40,014 im J. 1890, 7835 Mischlinge, 25,742 Chinesen (1890: 15,301), 62,122 Japaner (1890: 12,360), 28,533 Weiße. Von der Gesamtbevölkerung entfielen auf Oahu mit 1554 qkm 58,504 (Volksdichte 38), Hawaï mit 10,398 qkm 46,843 (Volksdichte 5), Maui mit 1885 qkm 25,416 (Volksdichte 13), Kauaï mit 1409 qkm und Niihau zusammen 20,734, auf Molokaï mit 676 qkm und Lanaï mit 350 qkm zusammen 2504 (Volksdichte 2,4). Unter den Weißen sind Portugiesen, Amerikaner, Engländer, Deutsche stark vertreten. Die Amerikaner, Engländer und Deutschen sind meist Kaufleute, Pflanzer, Handwerker, die Portugiesen, Chinesen, Japaner dagegen Arbeiter. Wegen des unverhältnismäßigen Überwiegens männlicher Chinesen und Japaner sind 2/3 der Gesamtbevölkerung männlichen, nur 1/3 weiblichen Geschlechts. Die eingeborne Bevölkerung, die 1779: 300,000 Seelen gezählt haben soll und sich 1823 laut Zensus noch auf 142,000 belief, nimmt schnell ab und wird in absehbarer Zeit ganz ausgestorben sein. Die Hawaïer, auch Kanaken genannt, sind ein schönes polynesisches Volk, das sich im 10. Jahrh. auf der Gruppe ansiedelte, vorher aber auf den Samoainseln seinen Sitz hatte, vielleicht noch früher auf den Markesas und Tahiti wohnte. Durch Anlage von viele Kilometer langen Kanälen verstanden sie das Wasser aus den Bergen in die trocknen Ebenen zu leiten und diese ertragsfähig zu machen. Sie bauen Taro, süße Kartoffeln, Yams, Zuckerrohr, Bananen, Kürbisse, früher auch den Papiermaulbeerbaum zur Herstellung der Tapa und die Kawapflanze (Piper methysticum) zur Bereitung des bei allen Polynesiern beliebten berauschenden Getränks. Außerordentlich geschickt sind sie als Schiffer und Fischer. Beispiele ihrer Kunstfertigkeit s. auf Tafel »Australisch-ozeanische Kultur I«. Sie waren ein kriegerisches Volk und lieben Faust- und Ringkämpfe, Wettläufe, das Brandungsschwimmen, Musik, Gesang und Tanz. Der Schulbesuch ist obligatorisch; es bestanden 1899: 189 Schulen mit 544 Lehrern und 15,490 Schülern. Man zählte 1897: 23,773 Protestanten, 26,363 Katholiken, 44,306 Buddhisten, 4886 Mormonen, 10,192 ohne bestimmtes Bekenntnis; ein anglikanischer und ein katholischer Bischof residieren in Honolulu. Wichtigste Erwerbszweige sind Ackerbau und Schaf- und Rindviehzucht. Etwa der 20. Teil der Inseln ist kulturfähig; die fast ganz in deutschen Händen befindliche Insel Kauaï zeichnet sich besonders aus. Gebaut wird namentlich Zuckerrohr; es bestanden 1899: 51 Zuckerplantagen mit 40,500 Arbeitern; 1901 wurden 321,461 Longtons Zucker als Haupterzeugnis der Inselflur ausgeführt gegen 41,870 im J. 1881 und 122,761 im J. 1891. Andre Handelsgewächse sind Kaffee, Reis, Bananen und Ananas. Der in fortwährendem Steigen begriffene Handel richtet sich vorwiegend nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika (1900: 99,5 Proz. der Ausfuhr, 78,8 Proz. der Einfuhr). Die Einfuhr betrug 1900: 3,278,847 Doll. und bestand in Manufakten, Eßwaren, Bauholz, Maschinen, Tabak, Metallwaren, Spirituosen u. a.; die Ausfuhr wertete 24,779,782 Doll. und bestand in Zucker (23,812,933 Doll.), Kaffee (136,556 Doll.), Reis (24,077 Doll.), Bananen und Ananas (47,989 Doll.), Häuten und Fellen (38,328 Doll.), Wolle (99,809 Doll.) u. a. Fast der ganze Handel geht über Honolulu; andre Ein- und Ausfuhrhäfen sind: Hilo auf Hawaï, Koloa auf Kauaï und Lahaina auf Maui. Von dem Gesamtverkehr entfällt auf Honolulu (s. d.) bei weitem am meisten; 1899 liefen 1656 Schiffe mit 787,742 Ton. ein. Eisenbahn linien bestehen auf den Inseln Hawaï (40 km), Maui (11 km) und Oahu (91 km), zusammen (1900) 142 km, Telegraphenlinien und Telephonleitungen finden sich auf den Hauptinseln, die jetzt auch durch drahtlose Telegraphie in Verbindung gesetzt sind. – Das ehemalige Königreich wurde seit 17. Jan. 1893 eine Republik und 14. Juni 1900 ein Territorium der Vereinigten Staaten. Nach der Verfassung vom 30. April 1900 besteht die Volksvertretung aus einem Senat von 15 Mitgliedern, die für vier Jahre gewählt sind, und einem Repräsentantenhaus von 30 für zwei Jahre gewählten Mitgliedern. Beide Häuser versammeln sich alle zwei Jahre, die Sitzungen dauern höchstens 60 Tage. Der Gouverneur, ein Sekretär und die drei Richter des obersten Gerichtshofs werden vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Nordamerika für vier Jahre ernannt, die übrigen Beamten vom Gouverneur. Chinesen dürfen in das Territorium einwandern, nicht aber von dort in die Vereinigten Staaten von Nordamerika. In bezug auf Zollgesetzgebung ist die Gruppe diesen angeschlossen. Diplomatische Vertreter unterhalten mehrere europäische und amerikanische Staaten in Honolulu, Deutschland hat dort einen Konsul. Das Wappen Hawaïs s. Tafel »Wappen IV«, Fig. 13; von Orden bestanden der Hausorden Kamehamehas I., Orden Kalakauas, der Orden der Königskrone von Hawaï, der Orden Kapiolanis (s. Tafel »Orden III«, Fig. 7, mit Textbeilage) und der Orden des Sterns von Ozeanien.

Geschichte. Die Inselgruppe wurde 1527 zuerst von strandenden Spaniern (Alvarado de Saavedra), dann 1555 von Juan Gaetano entdeckt und ihre Lage von Mendoza 1567 genauer bestimmt; sie war Cook bereits bekannt, als er sie 1778 aufsuchte und nach seinem Gönner, dem Grafen John Sandwich, benannte (erschlagen auf der Insel Hawaï 14. Febr. 1779 an der Bai von Kealakeakua). Damals war die Gruppe unter drei Staaten verteilt: die Insel Hawaï, Maui nebst Lanaï und Molokaï, endlich Oahu mit Kauaï und Niihau, die nach langen und blutigen Kriegen durch Kamehameha von Hawaï, den »Napoleon der Südsee« (Jarves), 1795 zu Einem Staat vereinigt wurden. Kamehameha I., der Große (1781–1819), hob durch weise Maßregeln mit Hilfe der Amerikaner Young und Davis den Handel, ordnete die Verwaltung, bereitete den Sturz des Heidentums und die Einführung der christlichen Lehre vor, die unter seinem Sohn Kamehameha II. (1819–24) erfolgten. Die ersten (protestantischen) Missionare kamen 1820 von Amerika; 1837 wurde unter dem Drucke der den Katholizismus begünstigenden Franzosen allgemeineReligionsfreiheit verkündet. Kamehameha III. (1824–1854) gab dem Lande 1840 eine Konstitution, die unter Kamehameha V. (1863–72) 1864 ihre jetzige Fassung erhielt. Die Selbständigkeit von Hawaï wurde 1842 durch die Vereinigten Staaten, 1843 durch Frankreich und England anerkannt. Mit Kamehameha V. starb 1872 der letzte männliche Nachkomme des ersten Kamehameha; man wählte zum Nachfolger Lunalilo, einen Enkel Kamehamehas I., und nach dessen schon 3. Febr. 1874 erfolgtem Tode David Kalakaua (1874 bis 1891), unter dem das Reich zwar Fortschritte machte, sich aber auch große Schulden aufbürdete. Als er kinderlos starb, folgte ihm seine Schwester Liliukalani. Ihr Versuch, die Verfassung in ungesetzlicher Weise abzuändern, um die Rechte der Krone auf Kosten der Ausländer zu stärken, hatte 1893 eine Revolution zur Folge: 17. Jan. wurde Hawaï für eine Republik erklärt (s. oben), die 4. Juli 1894 ihre Verfassung erhielt: außer dem Präsidenten (dem Sohn eines auf Hawaï gebornen amerikanischen Missionars, Sanford Ballard Dole, der im Oktober 1903 Bundesdistriktsrichter für Hawaï wurde) gab es ein fünfgliederiges Ministerium, einen Senat und ein Unterhaus. Doch bereits im Frühjahr 1897 vollzog sich der von einer einflußreichen Partei auf Hawaï längst erstrebte, von Japan vergeblich bekämpfte Anschluß an die Union (Präsident: Mac Kinley; Flaggenhissung 12. Aug. 1898), und seit 14. Juni 1900 ist Hawaï ein Territorium der Vereinigten Staaten (erster Gouverneur Dole; zweiter, seit Oktober 1903: George R. Carter). Die Exkönigin erhielt im Frühjahr 1903 vom Senate der Union eine Entschädigung von 1,769,500 Mk. zugebilligt. Seit 1902 haben die von Nordamerika nichts wissenwollenden Nativisten oder Homerulers, die 1903 eine dezentralisierende Grafschaftsverwaltung auf Hawaï zustande brachten, im Landtage die Führung. Vgl. außer den ältern Berichten von Ellis, Stewart, Hill, Jarves, Anderson, Hopkins u. a.: Fornander, Account of the Polynesian race and the ancient history of the Hawaiian people (Lond. 1877–85, 3 Bde.); Cumming, Fire fountains: the kingdom of Hawai (das. 1882, 2 Bde.); Bastian, Zur Kenntnis Hawaiis (Berl. 1883); Graf Anrep-Elmpt, Die Sandwichinseln (Leipz. 1885); Hillebrand, Flora of the Hawaian islands (Heidelb. 1888); J. D. Dana, Characteristics of volcanoes etc. from the Hawaian islands (New York 1890); Alexander, History of the Hawaiian people (das. 1892); Th. Kirchhoff, Eine Reise nach Hawaï (Altona 1890); Marcuse, Die Hawaiischen Inseln (Berl. 1894); Owen, The story of Hawai (New York 1898); Whitney, Hawaiian America (das. 1899); Blackman, The making of Hawai (das. 1899); Young, The real Hawai, its history and present condition (das. 1899); Twombly, Hawaii and its people (das. 1900); Weule im 2. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (Leipz. 1902); Logan, Hawai, its people, climate and resources (Honolulu 1903); »Hawaiian Almanac and Annual«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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