- Hinrichtung
Hinrichtung (Exekution) ist die Vollstreckung des von einem Gerichtshof oder Machthaber gefällten Todesurteils (s. Todesstrafe) an der des Lebens verlustig erklärten Person. Mit den Anschauungen der Zeiten und der Ausbildung der Strafrechtspflege hat das Werk des Nachrichters sehr verschiedene Formen angenommen, und im Anfang der Kulturentwickelung fehlte ein solches Amt ganz und gar, sofern der Strafvollzug verschiedenen Personen, Kriegsknechten, Gefangenwärtern, Opferpriestern etc., zufiel. Im Anschluß an die bei Naturvölkern weitverbreitete Sitte der Verbrechensermittelung durch Gifte (s. Ordalien) fand auch die H. vielfach durch Gift statt. Bekannt ist der Schierlingstrank in Athen, ebenso bewahrte der Timarch von Massilia das Schierlingspräparat, mit dem daselbst die Verbrecher hingerichtet wurden. Als Verschärfungen sind aus dem orientalischen Altertum besonders Kreuzigung, Steinigung, Scheiterhaufen, Hungertod, Pfählung, Lebendigbegraben bekannt, oft, namentlich an Kriegsgefangenen, wurde die H. durch Erdolchen und Verbrennen in Gestalt einer Opferung an die Götter vollzogen. Bei den Römern kam das Verhungernlassen und Erdrosseln im Mamertinischen Kerker, das Herabstürzen vom Tarpejischen Felsen oder von Brücken, vor allem aber das Zerfleischenlassen von wilden Tieren des Zirkus in Aufnahme, wobei die H. als Schauspiel diente. Cäsar und Strabon gedenken außerdem noch des Pfeiltodes, der Pfählung und Kreuzigung bei den Galliern; auch schreibt man ihnen außer der Giftstrafe eine Massenverbrennung in geflochtenen Käfigen bei bestimmten Festen zu. Auch der Norden kannte sehr grausame Todesstrafen, wie das Versenken in Sumpf, das Zerreißen und Vierteilen durch angetriebene Pferde, das Herauswinden der Därme bei Baumfrevlern, das Zersägen bei lebendigem Leibe etc. Im besondern erfinderisch im Ausklügeln qualvoller Hinrichtungsformen war aber das Mittelalter, das den Tod an sich nicht als genügende Sühne ansah, sondern ihn zugleich im Sinne der Abschreckungstheorie durch vorausgehende Qualen zu verschärfen suchte. Nach dem Strafsystem der peinlichen Gerichtsordnung Karls V. waren als solche verschärfte Todesstrafen der Feuertod, das Pfählen, das Rad, das Vierteilen und das Säcken oder Ertränken in Übung, während die Strafe des Stranges und des Schwertes sowie des Erschießens als die leichtern und schonendern galten; dies bezeichnet die oft wiederkehrende Wendung, jemand, der das Rad etc. verdient hätte, sei zum Strang oder Schwert begnadigt worden. Namentlich waren so schreckliche Strafen üblich gegen Rebellen und Gotteslästerer. Seit einigen Jahrhunderten kam der Galgen oder Strang zur allgemeinern Anwendung (Halsgerichtsordnung), und noch im Anfang des vorigen Jahrhunderts fand sich vor den Toren der meisten Städte der Galgenberg, auch wurden die Verschärfungen (Vierteilen, Auf das Rad flechten, Ausstreuen der Asche in alle vier Winde etc.) erst nach erfolgter H. hinzugefügt. Der Feuertod blieb den religiösen Verbrechen und den dafür gehaltenen (Ketzerei, Hetzerei, Sodomie etc.) vorbehalten, angeblich weil die geistlichen Richter das Blutvergießen scheuten.
Die moderne Strafgesetzgebung kennt nur die einfache Todesstrafe, die in den meisten Staaten, namentlich auch nach dem deutschen Strafgesetzbuch, durch Enthauptung mit dem Beile, an dessen Stelle schon seit dem 15. Jahrh. vielfach ein Fallbeil (Guillotine, s. d.) getreten war, herbeigeführt wird. Nach dem deutschen Militärstrafgesetzbuch (§ 14) ist die Todesstrafe im Frieden durch Erschießen zu vollstrecken, wenn sie wegen eines militärischen Verbrechens, im Feld auch dann, wenn sie wegen eines nichtmilitärischen Verbrechens erkannt worden ist. Übrigens bedroht das Militärstrafgesetzbuch von den im Frieden verübten militärischen Straftaten keine mit Todesstrafe. In England, Österreich und Amerika fand bis in die neuere Zeit die H. durch Erwürgen am Galgen statt, indem dem am Hals aufgeknüpften Delinquenten das Brett unter den Füßen weggezogen wird; ähnlich ist das in Spanien übliche Erwürgen durch Zusammenschnüren (Garotte). In New York ist seit 1889 die elektrische H. in Gebrauch gekommen, bei welcher der gefesselte Delinquent in einen Stuhl gesetzt und mittels eines elektrischen Stromes, den man durch seinen Körper gehen läßt, getötet wird. Vgl. auch Todesstrafe.
Die Frage über die Schnelligkeit des Todeseintritts bei der H. hat seit länger als 100 Jahren viele Gelehrten beschäftigt. Die Erzählungen von den abgeschnittenen Köpfen, die auf lauten Zuruf ins Ohr Augen und Mund geöffnet haben sollen, gehören dem Gebiete der Fabel an; daß Kopf und Rumpf auf elektrische Reizungen reagieren, ist bei der galvanischen Erregbarkeit der Muskelfasern frisch getöteter Tiere selbstverständlich, jedenfalls hört mit der Unterbrechung des Blutumlaufs und dem Stillstand des Herzens das Bewußtsein auf, und der Tod erfolgt wahrscheinlich bei allen rationellen Hinrichtungsarten schon, bevor der durch die H. erzeugte Schmerz zum Bewußtsein kommen könnte. Natürlich sind alle solche Verfahren zu verwerfen, die eine schnelle und sichere Exekution in Frage stellen und ein Wiedererwachen ermöglichen.
Mit dem Aufgeben der Abschreckungstheorie ist auch die Öffentlichkeit des Verfahrens, die manche Mißbräuche im Gefolge hatte, ziemlich allgemein aufgegeben worden. In den meisten Ländern wird die H. regelmäßig in einem umschlossenen Raume vor den Gerichtspersonen und wenigen geladenen Zeugen vollzogen (sogen. Intramuranhinrichtung), so seit 1869 auch in England. Nach der deutschen Strafprozeßordnung müssen dazu zwei Gerichtspersonen, ein Beamter der Staatsanwaltschaft, ein Gerichtsschreiber und ein Gefängnisbeamter zugezogen werden. Der Ortsvorstand des Hinrichtungsortes hat zwölf Personen aus den Vertretern oder aus andern achtbaren Mitgliedern der Gemeinde abzuordnen, um der H. beizuwohnen. Außerdem ist einem Geistlichen von dem Religionsbekenntnis des Verurteilten und dem Verteidiger sowie nach dem Ermessen des ausführenden Beamten-auch andern Personen der Zutritt zu gestatten. Über den Hergang der H. ist ein Protokoll aufzunehmen (Strafprozeßordnung, § 486). Der Leichnam des Hingerichteten ist dessen Angehörigen (früher kam er auf den Schindanger oder wurde an der Gerichtsstätte verscharrt) auf ihr Verlangen zur einfachen, ohne Feierlichkeit vorzunehmenden Beerdigung zu verabfolgen. An schwangern oder geisteskranken Personen darf eine H. nicht vollstreckt werden. Ihr Vollzug ist überhaupt nur zulässig, nachdem die Entschließung des Staatsoberhaupts ergangen ist, von dem Begnadigungsrecht keinen Gebrauch machen zu wollen.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.