- Scott
Scott, 1) Sir Walter, berühmter schott. Dichter, geb. 15. Aug. 1771 in Edinburg als der Sohn eines Advokaten, gest. 21. Sept. 1832 in Abbotsford, verlebte, weil schwächlicher Konstitution, seine Jugend auf dem Landgut seines Großvaters bei Kelso, lernte in seinem 13. Jahr Percys »Reliques of ancient English poetry« kennen, und sie sowie die Sagen jener Gegend übten großen Einfluß auf die Entwickelung seiner poetischen Begabung aus. In Edinburg erwarb er sich dann eine notdürftige Bekanntschaft mit der deutschen, französischen und italienischen Sprache, galt übrigens weder auf der Schule noch auf der Universität für geistig ausgezeichnet, während sein durch die schwersten Stürme des Lebens bewährter, ebenso gediegener wie liebenswürdiger Charakter schon damals hervortrat. Seit 1792 praktizierte S. als Advokat vor den schottischen Gerichtshöfen, zugleich literarisch beschäftigt, besonders mit Übertragungen aus dem Deutschen, von Bürgers »Lenore« und »Wildem Jäger« (1796), von Goethes »Götz« (1799) und »Erlkönig«. Nachdem er sich 1797 mit Miß Carpenter vermählt hatte, ließ er sich in Laßwade nieder; 1799 wurde er zum Sheriff von Selkirkshire ernannt, und 1806 erhielt er eine einträgliche Sekretariatsstelle am Edinburger Gerichtshof, die ihm viel Muße zu dichterischer Produktion ließ. 1820 wurde er Baronet. Seine finanzielle Lage hatte durch den Erfolg seiner Werke eine bedeutende Besserung erfahren. Schon 1811 war es ihm möglich gewesen, am Ufer des Tweed ein ehemaliges Kloster zu erwerben; da baute er sein Schloß Abbotsford und kaufte immer mehr Land dazu. Plötzlich stellten 1826 das ihm nahestehende Bankhaus Constable und sein Verleger Ballantyne, der tatsächlich nur ein Strohmann war, ihre Zahlungen ein. Obgleich nach englischem Gesetz nicht haftbar, trat S. doch für die enorme Schuldenlast von 120,000 Pfd. Sterl. ein und erbat nur die nötige Zeit, um sie durch literarische Arbeit auszubringen. Er hielt redlich Wort, hat sich aber buchstäblich zu Tode gearbeitet. Im Winter 1830 traf ihn ein Schlagfluß; zur Herstellung seiner Gesundheit ging er nach Italien, starb aber bald nach der Heimkehr. Er wurde in Dryburgh Abbey bestattet und erhielt ein stattliches Denkmal in Edinburg. Jenen Balladenübersetzungen aus dem Deutschen waren bald eigne Balladen gefolgt, dazu die Sammlung »The minstrelsy of the Scottish border« (1802, 3 Bde.; deutsch, Zwickau 1826), volkstümliche Balladen des Grenzlandes, denen er gelehrte Erläuterungen beifügte. Aus einem Versuch, Goethes »Götz von Berlichingen« zu übersetzen, entsprang ein Original drama von ähnlicher Art, »The house of Aspen« (nach einer Femegeschichte in Veit Wächters »Sagen der Vorzeit«). Seine altenglischen Studien führten ihn zu einer Ausgabe des Romans »Sir Tristrem« (1804). So vorbereitet, schrieb S. sein erstes Epos: »The lay of the last minstrel« (1805), ferner das Rittergedicht »Marmion, a tale of Floddenfield« (1808) und die lyrisch-epische Dichtung »The lady of the lake« (1810; deutsch unter andern von Viehoff, Hildburgh. 1865), die sich namentlich durch herrliche Schilderungen des Hochlandes auszeichnet. Sehr wirksam werden hier die halbwilden Bergbewohner der Hochlande dem hochkultivierten, ritterlichen Hof Jakobs V. gegenübergestellt, und die Landschaft von Loch Katrine wurde infolge der Scottschen Schilderung das Ziel unzähliger Reisenden. Als ein Mangel der Scottschen Poesie muß es aber bezeichnet werden, daß die handelnden Personen darin fast lediglich Typen sind; erst in seinen Romanen entfaltete S. eine tiefere Kunst des Charakterisierens und Individualisierens. Das Epos in Versen gab S. auf, weil ihn, wie er sich in seiner Bescheidenheit ausdrückte, auf diesem Gebiet »Byron aus dem Felde schlug«. Doch erwarb er sich alsbald in Prosa noch höhern Ruhm. Die Reihe seiner historischen Romane, eine Gattung, die er schuf, eröffnete »Waverley« (1814), den Einfall des jakobitischen Prätendenten (1745) behandelnd, wonach sich S. in den folgenden Romanen als »The Author of Waverley« bezeichnete. Auf »Guy Mannering« (1815) folgten: »The antiquary« (1816), dann die vier Reihen der »Tales of my landlord« (1816–31; darunter besonders »The heart of Midlothian«, »The bride of Lammermoor«), ferner »Ivanhoe« (1820), »Kenilworth« (1821), »The fortunes of Nigel« (1822), »Quentin Durward« (1823), »Woodstock« (1826) u. a. Im »Ivanhoe« wird die Rückkehr des Richard Löwenherz aus dem Heiligen Lande behandelt; den einfachen, derben Angelsachsen wird hier das glänzende normannische Rittertum wirksam gegenübergestellt. In »Kenilworth« erhalten wir ein detailliertes Bild von dem Hof und dem Leben der Königin Elisabeth, während »Nigel« in die Zeit ihres Nachfolgers Jakob I. fällt. »Woodstock« behandelt die Zeit des großen Bürgerkriegs. »Quentin Durward« endlich stellt in großartiger Weise, basierend auf den Memoiren des Franzosen Phil. Comines (15. Jahrh.), den Kampf König Ludwigs XI. mit Karl dem Kühnen von Burgund dar. Zwei Eigenschaften verleihen Scotts Romanen hohen Wert: die Wahrheit seiner Charaktere und der kräftige Zug der Fabel. Jede seiner Figuren ist aus dem Leben gegriffen, alle bewegen sich natürlich und angemessen ihren Verhältnissen, ihrer Zeit und ihrer Umgebung wie den Überlieferungen der Geschichte. Störend wirkt oft die Breite der Sittenschilderung, namentlich am Anfang. Seit 1820 versuchte sich S. auch wieder im Schauspiel, allein in diesem Fache war ihm Erfolg versagt. Dagegen sind die biographischen Einleitungen zu einer Ausgabe der ältern englischen Romanschreiber (1825, 3 Bde.) nach Form und Inhalt ausgezeichnet; schon vorher hatte er treffliche Ausgaben der Werke Drydens (1808) und Swifts (1814) mit Anmerkungen und biographischen Einleitungen besorgt. Die nach der Katastrophe von 1826 entstandenen Werke lassen begreiflicherweise die frühere Sorgfalt und Genialität vermissen. Sein »Life of Napoleon Buonaparte« (1827, 7 Bde.; vgl. darüber M. Bernays, Schriften zur Kritik und Literaturgeschichte, Bd. 1, Stuttg. 1895) ist auch nicht frei von konservativer Parteilichkeit. Seine letzten Arbeiten waren die »Tales of a grandfather« (1828–30; Auswahl mit Anmerkungen in Tauchnitz' »Student's series«, 1886, 2 Bde.), die »History of Scotland« (1830, 2 Bde.) und »Letters on demonology« (geschrieben für Murrays »Family library«). Die Ausgaben seiner Werke sind zahllos; hervorzuheben ist die Border edition der Romane, mit Einleitungen von Andrew Lang (Edinb. 1893 ff.). Die Romane wurden in fast alle europäischen Sprachen übersetzt (deutsch von Herrmann etc., neue Ausgabe, Leipz. 1876, 25 Bde.; von Tschischwitz, illustriert, Berl. 1876–77, 12 Bde.) und fanden viele Nachahmer (vgl. Maigron, Le roman historique à l'époque romantique. Essai sur l'influence de Walter S., Par. 1898; Wenger, Historische Romane deutscher Romantiker. Untersuchungen über den Einfluß Walter Scotts, Bern 1905). Die ausführlichste Lebensbeschreibung von S. lieferte sein Schwiegersohn Lockhardt (»Memoirs of Sir W. S.«, 1838, 7 Bde.; zuletzt 1903, 5 Bde.; im Auszug deutsch von Brühl, Leipz. 1839–1841). Als Ergänzungen dazu sind erschienen: »The journal of W. S., 1825–1832« (Lond. 1891, 2 Bde.), »Familiar letters« (Edinb. 1893, 2 Bde.), »Letters and recollections of Sir W. S.« von Mrs. Hughes (Lond. 1904) und »Letters hitherto unpublished« (das. 1905). Deutsche Biographien des Dichters schrieben K. Elze (Dresd. 1864, 2 Bde.) und Eberty (2. Aufl., Leipz. 1871); kürzere englische Biographien gaben Hutton (Lond. 1887), Saintsbury (1897), J. Hay (1899), W. H. Hudson (1900), Norgate (1906), A. Lang (1906). Sein Bildnis s. Porträttafel »Klassiker der Weltliteratur I«. – Mit Scotts ältestem Sohn, Sir Walter S., geb. 28. Okt. 1801, gest. 8. Febr. 1847 als Oberstleutnant in der britischen Armee auf der Rückreise von Indien, erlosch der Baronstitel in der Familie.
2) Winfield, nordamerikan. General, geb. 13. Juni 1786 in Virginia, gest. 29. Mai 1866 in Westpoint, studierte die Rechte, trat jedoch 1808 in den Militärdienst, wurde 1812 im Kriege mit England nach der kanadischen Grenze beordert, geriet aber bei Queenstown in Gefangenschaft. Nach einigen Monaten ausgewechselt, eroberte er 27. Jan. 1813 Fort George und ward dafür zum Brigadegeneral befördert. Am 5. Juni 1814 schlug er den britischen General Riall bei Chippewa und wurde in der Schlacht am Niagara schwer verwundet. Zur Wiederherstellung seiner Gesundheit begab er sich nach Paris, wo er das französische Militärwesen studierte. 1832 zwang er Black-Hawk, 1836 die Seminolen und 1838 die Creeks zur Unterwerfung. 1841 ward er Oberbefehlshaber der Unionsarmee. Im Kriege gegen Mexiko mit dem Oberbefehl betraut, eroberte er im März 1847 Veracruz, schlug 18. April Santa Ana bei Cerro Gordo und 19./20. Aug. bei Contreras, erstürmte 15. Sept. Mexiko und schloß 2. Febr. 1848 den Frieden von Guadalupe Hidalgo, der das Gebiet der Vereinigten Staaten von Nordamerika um 30,000 QM. erweiterte. Beim Beginn des Bürgerkriegs zum Oberbefehlshaber der Unionstruppen ernannt, fühlte er sich der Stellung nicht mehr gewachsen und ging im Oktober 1861 nach Europa, kehrte aber wegen des drohenden Krieges mit England zurück. Er veröffentlichte neben militärwissenschaftlichen Arbeiten seine »Memoirs« (New York 1864, 2 Bde.). Vgl. Mansfield, Life and public services of Winfield S. (2. Aufl., New York 1852); M. J. Wright, Life of General S. (das. 1894); J. Barnes, The giant of three wars. A life of General S. (das. 1903).
3) Sir George Gilbert, engl. Architekt, geb. 13. Juli 1811 in Gawcott bei Buckingham, gest. 27. März 1878 in London, begründete mit dem Märtyrermonument in Oxford 1842 seinen Ruf, erbaute sodann viele gotische Kirchen in England und seinen Kolonien und lieferte die Entwürfe für die Nikolaikirche (1846) und das neue Rathaus (1855) in Hamburg, zu dem Nationaldenkmal für Prinz Albert und dem Krankenhaus in Leeds. Daneben hat er viele alte gotische Bauten mit Verständnis und Geschick restauriert. 1872 wurde er geadelt. Von S. erschienen: »Conversation of ancient architectural monuments« (1864), seine Vorlesungen an der königlichen Akademie: »Lectures on the rise and development of mediaeval architecture« (1878, 2 Bde.) und »Personal and professional recollections« (1879).
4) Sir Charles Stewart, brit. Diplomat, geb. 1838 in der irischen Grafschaft Londonderry, studierte in Dublin und trat 1858 in den diplomatischen Dienst. Er war Attaché in Paris, Dresden, Kopenhagen, Madrid und Bern, wurde 1866 Gesandtschaftssekretär in Mexiko und, nachdem er in gleicher Eigenschaft bei den Gesandtschaften in Lissabon, Stuttgart, München, Wien, Petersburg, Darmstadt und Koburg beschäftigt war, 1883 Botschaftssekretär in Berlin. 1888 wurde er zum Gesandten in Bern befördert, nahm 1889 an der Samoakonferenz und 1890 an der Arbeiterkonferenz in Bern teil, wurde 1893 nach Kopenhagen versetzt und war 1898–1904 Botschafter in St. Petersburg.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.