- Budget
Budget (engl., spr. böddschet oder wie franz.: büddschä; v. altfranz. bougette, »Lederbeutel«), eigentlich »Beutel, Tasche«, dann das zur Aufbewahrung von Staatsrechnungen bestimmte Portefeuille; in England insbes. das Verzeichnis der zu den Staatsausgaben eines bestimmten Jahres nötigen Auflagen oder Taxen, das der Finanzminister jährlich dem Hause der Gemeinen zur Bewilligung vorlegt; im allgemeinen endlich jeder Anschlag eines Jahresbedarfs für Finanzverwaltungen, der einer (namentlich konstitutionellen) Behörde vorgelegt oder vom Staat gemacht wird, in welchem Sinn das Wort aus dem Englischen in andre europäische Sprachen übergegangen ist. Das Staatsbudget (Staatsgrundetat, Hauptfinanzetat, Staatshaushaltsetat) ist die Darstellung und der Voranschlag der Ausgaben und Einnahmen für den ganzen Staat in einer bestimmten Periode. Es zerfällt daher in Einnahme- und Ausgabebudget. Jede dieser beiden Abteilungen stuft sich ab in Haupt- und in Spezialetats. Letztere sind die Spezialvoranschläge für die Elementarverwaltungen (Bergamt, Zollbureau, Lehranstalt etc.). Die einzelnen Posten derselben werden summarisch in Hauptrubriken als Hauptetats der einzelnen Hauptzweige der Verwaltung oder von Verwaltungsbezirken (Provinzen etc.) zusammengefaßt. Das Einnahmebudget enthält die Angabe der vorhandenen Einnahmequellen und ihres wahrscheinlichen Ertrags sowie den Vorschlag der Mittel zur Deckung des etwa noch Fehlenden. Das Ausgabebudget dagegen gibt den wahrscheinlichen Bedarf des Staates an nach den Kapiteln des Budgets. Der Zweck des Budgets, Erzielung dauernder Ordnung und zureichender Kontrolle im Staatshaushalt, läßt sich nur durch Ausstellung eines Bruttobudgets, d. h. eines solchen Budgets erreichen, in dem die gesamten Einnahmen und Ausgaben und nicht bloß Nettoeinnahmen und Nettoausgaben, wie in dem sogen. Nettobudget, nachgewiesen werden; keine Einnahme darf wegen einer Bestimmung, die ihren Ertrag vorwegnimmt, keine Ausgabe deswegen, weil sie durch eine solche Vorwegnahme gedeckt ist, im B. unberücksichtigt bleiben. Die gewissen und bestimmten Etatsposten sind genau nach Menge und Art und nach der Zeit des Eingangs, bez. der Ausgabe, die unbestimmten nach Sätzen zu veranschlagen, die sich nach Gründen der Wahrscheinlichkeit der Wirklichkeit annähern. Im Interesse einer leichten Übersicht und Kontrolle sind Ordinarium und Extraordinarium, bez. dauernde und einmalige Ausgaben, ebenso auch Personal- und Sachaufwand voneinander getrennt zu halten.
Das Budgetrecht im objektiven Sinne ist der Inbegriff der Rechtssätze, die sich auf Zustandekommen des Finanzgesetzes, auf Erhebung der Einnahmen und die Kontrolle ihrer Verwendung beziehen, im subjektiven Sinne bedeutet es das Bewilligungsrecht der Stände. Die Initiative zur Ausstellung des Budgets geht naturgemäß von der Regierung aus, indem zunächst für die einzelnen Verwaltungsstellen, dann für die Hauptverwaltungszweige der Bedarf ermittelt und hierauf die zur Deckung desselben erforderliche Einnahme in den Voranschlag aufgenommen wird. Ist auch die Entwerfung des Einnahmebudgets im wesentlichen Sache des Finanzministeriums, die der einzelnen Ausgabeetats Aufgabe derjenigen Ministerien, in deren Ressort die Verwendung der betreffenden Ausgaben gehört, so ist doch der ganze Budgetentwurf im Interesse einer einheitlich geordneten Staatswirt. schaft nur vom gesamten Staatsministerium festzustellen. Bei repräsentativer Verfassung ist die Mitwirkung der Volksvertretung vorzugsweise eine negative, indem sie sich auf Prüfung des vorgelegten Entwurfs, Bewilligung der erforderlichen Mittel, Kontrolle der richtigen Verwendung für die genehmigten Zwecke, der gestatteten Übertragungen und Etatsüberschreitungen beschränkt. Doch können auch wohl von der Volksvertretung Anträge auf Aufnahme neuer Etatsposten, bez. Erhöhung von solchen gestellt werden. In Staaten mit dem Zweikammersystem ist in der Regel die Zweite Kammer allein zu Streichungen und Abänderungen berechtigt, während die Erste Kammer nur das B. im ganzen, wie es aus der Beratung des Abgeordnetenhauses hervorgeht, bewilligen oder ablehnen kann. Das parlamentarische Budgetrecht hat nur dann eine Bedeutung, wenn es sich auf Bewilligung und Kontrolle der einzelnen Budgetposten erstreckt und Nichteinhaltung der einzelnen Titel oder Etatsüberschreitung nachträglich zu genehmigen ist. Dasselbe kann jedoch illusorisch werden, wenn die Regierung nach Belieben Übertragungen vornehmen kann. So wurden in Frankreich 1852–62 vom Gesetzgebenden Körper nur die Gesamtausgaben für die einzelnen Ministerien verwilligt, während der Kaiser die Verteilung auf die besondern Titel und Übertragungen (virements) der Überschüsse eines Postens auf einen andern verfügte. Von da ab wurden 55 Sektionen unterschieden, seit 1869 Kapitel, die bewilligt wurden. 1871 wurden jene Virements gesetzlich verboten. In Preußen ist die Spezialisierung (Gliederung, Filiation) des Budgets seit 1862 eine eingehendere geworden. Das österreichische B. ist eingeteilt in Kapitel, Titel and Paragraphen. Während es bis 1890 Gepflogenheit war, die Abstimmung titel- und paragraphenweise vorzunehmen, wird dieselbe jetzt meist kapitelweise vorgenommen. 1891/92 beschloß das Abgeordnetenhaus ein abgekürztes Verfahren, indem eine Reihe von taxativ aufgezählten Kapiteln unter Abstandnahme von der bisher üblich gewesenen Ausschußberatung sofort vor das Plenum gelangte. Hierdurch gelang es, das B. rechtzeitig fertig zu stellen, während seither meist Budgetprovisorien bewilligt werden mußten. – Der Zeitraum der Gültigkeit des Budgets heißt Finanzperiode, die in den meisten großen Staaten 1 Jahr, in verschiedenen deutschen Ländern 2 – 3 Jahre (in Bayern früher 6 Jahre) umfaßt. Zu unterscheiden von derselben ist die Rechnungsperiode, d. h. die Zeit, nach deren Verlauf der formelle Abschluß der Rechnungen zum Zweck der Prüfung und Kontrolle ausgeführt wird. In einigen Ländern (z. B. Preußen) können auch nach Ablauf einer Finanzperiode die einmal bewilligten Einnahmen weiter erhoben werden, bis ein Gesetz sie ändert, während in andern auch die Forterhebung ausdrücklich wieder bewilligt werden muß. Der Unzulänglichkeit des Budgets sollte nicht durch niedrige Veranschlagung der Einnahmen und hohe Bemessung der Ausgaben, sondern durch möglichst gute Veranschlagung, dann durch zweckentsprechende Bestimmungen über Hilfsvorräte (supplementäre Kredite in Frankreich), über zulässige Transferierungen und durch Nachtragsetats begegnet werden. Im übrigen sind Statsüberschreitungen in den festgesetzten Titeln nachträglich von der Kammer zu genehmigen. Die Ausgaben für feststehende Staatsausgaben kehren längere Zeit alljährlich in gleicher Höhe wieder. Man hat empfohlen, dieselben als stabiles B. auszuscheiden, den Rest als wandelbares B. der jährlichen Bewilligung zu unterwerfen, das stabile B. aber periodisch (wie in den Niederlanden seit 1815, im Deutschen Reich der Militäretat) oder dauernd (wie in England die Ausgaben für die Staatsschuld, Gerichtshöfe, Zivilliste etc.) festzusetzen. Ebenso wie für den Staat werden auch für Gemeinden, Kreise etc. Budgets aufgestellt (s. Gemeindehaushalt). Vgl. v. Czörnig, Das österreichische B. im Vergleich mit jenen der vorzüglichsten andern europäischen Staaten (1.–3. Aufl., Wien 1863, 2 Bde.); Gneist, B. und Gesetz (Berl. 1867); Derselbe, Gesetz und B., konstitutionelle Streitfragen aus der preußischen Ministerkrisis vom März 1878 (das. 1879); Laband, Das Budgetrecht nach der preußischen Verfassungsurkunde (das. 1871); Seidler, B. und Budgetrecht (Wien 1885); Seydel, Über Budgetrecht (Hamb. 1890); Stourm, Le B., son histoire et son mécanisme (Par. 1889); M. v. Heckel, Das B. (Leipz. 1898); Besson, Le contrôle des budgetsen France et à l'étranger (Par. 1899); die betreffenden ausführlichen Artikel über B. in Says »Dictionnaire des finances«, Bd. 1 (Nancy 1889).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.