- Holland [1]
Holland, im weitern Sinn gewöhnlicher Name für das Königreich der Niederlande (s. d. und Karte), im engern Sinne nur dessen nordwestlichster Teil, der westlich und nördlich von der Nordsee, östlich von dem Zuidersee, den Provinzen Utrecht und Gelderland, südlich von Nordbrabant und Zeeland umschlossen wird und in die Provinzen Nord- und Südholland zerfällt. Das Gebiet derselben entspricht etwa dem Umfang der ehemaligen Grafschaft H.
Die Provinz Nordholland bildet in ihrem größten Teil eine Halbinsel, die im S. durch eine Landenge mit dem Festland zusammenhängt, und um die sich im N. die Reihe der Inseln Wieringen, Texel, Vlieland anschließt. Sie umfaßt das alte Westfriesland, das Wasserland und einen Teil des Ken nemerlandes, während der östliche, höhere und hügelige, an Utrecht grenzende Teil der Provinz Gooiland genannt wird. Die Provinz wird im N. und W. von der Nordsee, im O. von dem Zuidersee und der Provinz Utrecht, im S. von Südholland umschlossen und enthält 2770 qkm (50,3 QM.). Die Bevölkerung beläuft sich auf (1899) 968,131 Seelen, 350 auf 1 qkm, von denen 67,5 Proz. der reformierten und 27,5 Proz. der römisch-katholischen Kirche angehören. Die Provinz zerfällt in die Gerichtsbezirke: Amsterdam, Alkmaar, Haarlem. Hauptstadt ist Haarlem.
Südholland, die bevölkertste und mit Nordholland wohlhabendste Provinz des Königreichs, grenzt nördlich an Nordholland, östlich an Gelderland und Utrecht, südlich an Nordbrabant und Zeeland, östlich an die Nordsee und umfaßt 3022 qkm (54,8 QM.). Der vom Alten Rhein durchflossene Landstrich heißt Rhein land (der Garten von H.), der südwestlich davon liegende Delfland, die Insel südlich von Rotterdam Ysselmonde, die kleinere im W. Rozenburg; die südlich von der Maas liegende heißt im W. Voorne, in der Mitte Beijerland, im O. Stryen, die südwestlichste große Overflakkee, im Nordwestteil Goeree. Die Bevölkerung beläuft sich auf (1899) 1,144,448 Seelen, 378 auf 1 qkm, von denen 73,5 Proz. der reformierten und 24,5 Proz. der römisch-katholischen Kirche angehören. Die Provinz zerfällt in die Gerichtsbezirke: Haag, Dordrecht, Rotterdam. Hauptstadt ist Haag.
[Geschichte.] Der Name H. (vielleicht = onland, Unland, unfruchtbare Gegend, oder = Holtland, Holzland), anfangs auf die Umgegend von Dordrecht beschränkt, später allgemeiner Name des Landes, das zum deutschen Herzogtum Niederlothringen gehörte, taucht in der Geschichte zuerst im 11. Jahrh. auf. Seit der Mitte des 9. Jahrh. etwa hauste in dem Gau Kennemerland ein Grafengeschlecht, das sein Gebiet allmählich über die Gaue zwischen Flie und Schelde ausbreitete. In fortwährenden Kriegen mit den Westfriesen auf den Inseln, die sich damals von Alkmaar vis nach Friesland erstreckten, mit den Bischöfen von Utrecht und den Grafen von Flandern führten jene Gaugrafen, die meist Dietrich oder Florenz hießen, ein unruhiges Leben; Dietrich III. stiftete 1018 eine Zollstelle bei Dordrecht und hatte deswegen mit dem Lothringer Herzog einen rühmlichen Krieg zu bestehen; Dietrich IV. widerstand 1046 selbst dem Kaiser Heinrich III. Unter ihm und seinem Neffen Dietrich V. kommt der Name H. für die ganze Grafschaft auf. Um 1070 bemächtigte sich das Stift Utrecht in Verbindung mit Herzog Gottfried dem Buckligen von Lothringen beinahe der ganzen Grafschaft. Aber Dietrich V. bekam sie wieder, teilweise durch die Hilfe seines Stiefvaters Grafen Robert des Friesen von Flandern (1076). In der Mitte des 12. Jahrh. singen die 150jährigen Kriege mit Flandern wegen Zeeland an. Nach dem Tode des Grafen Dietrich VII. (1203) bestritt dessen Bruder Wilhelm seiner Tochter Ada die Erbfolge. Ada vermählte sich mit dem Grafen Ludwig von Looz, wurde aber besiegt und gefangen, und Wilhelm behielt die Grafschaft nach einem blutigen Bürgerkrieg. Dieser Wilhelm I. (1203–28) mischte sich in den Krieg zwischen Frankreich und England und focht bei Bouvines (1214) auf deutscher Seite; später zeichnete er sich bei dem sechsten (Damietter) Kreuzzug aus. Sein Enkel Graf Wilhelm II. wurde 1247 von der päpstlichen Partei zum deutschen König erwählt. Als er im Begriff stand, sich die Kaiserkrone zu holen, wurde er von den Friesen bei Hoogwoude getötet (1256). Sein Sohn Florenz V. suchte den Adel durch die seit dem Anfang des Jahrhunderts in der Grafschaft emporgekommenen Städte zu bezwingen, unterwarf die Westfriesen bis zum Flie und erwies sich als Bauernfreund (»der keerlen God«). Früher auf englischer Seite, ging er später zu den Franzosen über, wurde 1296 von einigen Edelleuten, die vielleicht mit Eduard I. von England verbunden waren, aufgehoben, aber bei der Verfolgung der Missetäter durch das dem Grafen gewogene Landvolk von den Fliehenden ermordet. Mit seinem jungen Sohne, Johann I., starb das alte Grafengeschlecht aus (1299).
Es folgte der Hennegauer Graf Johann II., der Sohn einer Schwester Wilhelms II. Dieser behauptete sich gegenüber dem deutschen König Albrecht 1. im Besitz der Grafschaft, auch wider den Grafen von Flandern. Doch erst sein Sohn Wilhelm III. (1306 bis 1337) besiegte die Flandrer und nötigte sie 1323 zu einem Frieden, wobei die Zeeländer Inseln endgültig bei H. verblieben. Er war also eigentlich der erste souveräne Graf von H. und Zeeland. Auch die Friesen unterwarfen sich ihm, selbst bis zu dem Lauwers. Als Schwiegervater Kaiser Ludwigs des Bayern und Schwager König Eduards von England genoß er großes Ansehen im Reich. Auch das Niederstift von Utrecht wurde ihm zeitlich vom Bischof als Pfandbesitz eingeräumt. Sein Sohn Wilhelm IV., ein unruhiger Kriegsmann, fand 1345 den Tod gegen die aufständischen Friesen bei Stavoren. Mit diesem starb der Hennegauer Mannesstamm aus.
Der Kaiser schenkte die Grafschaft (s. die »Geschichtskarte von Deutschland II«, im 4. Bd.) seiner Gemahlin Margarete, einer Schwester des letzten Grafen. Diese setzte bald nach dem Tode des Kaisers ihren Sohn Wilhelm, Herzog von Bayern, als Statthalter ein, aber in den bald darauf entstandenen Adelswirren (Hoeksche und Kabeljausche, s. Hoeksche) erklärte sich dieser zum Grafen, während eine starke Partei der Kaiserin Margarete beistand. Danach wurde die Kaiserin, nach einem Sieg bei Veere, 1351 bei Brielle gänzlich geschlagen und mußte sich aus H. und Zeeland nach Hennegau zurückziehen. Wilhelm nannte sich seitdem Graf von H. und Zeeland und wurde 1354 von seiner Mutter anerkannt. So kam das bayrische Haus an die Regierung. Wilhelm V. erhielt nach dem Tode seiner Mutter auch Hennegau (1355), wurde aber wahnsinnig, und schon 1358 übernahm sein Bruder Albrecht für ihn die Regierung als Ruwaert (Vogt) bis zu Wilhelms Tod (1389); dann folgte Albrecht dem Kinderlosen als Graf. Er suchte die Fehden zu beschwichtigen und war ein glänzender Fürst, wie auch sein Sohn Wilhelm VI. Albrecht führte vergebliche Kriege wider Friesland (1396–1404), auch sein Sohn Wilhelm konnte die Friesen nicht unterwerfen und hatte mit dem Herrn von Arkel eine blutige Fehde. Er war, wie sein Vater, ein treuer Bundesgenosse der emporstrebenden burgundischen Macht. Vor seinem Tode (1417) ließ er seine Tochter Jakobäa (Jacqueline), die, bis 1415 mit Johann, Dauphin von Frankreich, verheiratet, sich nach dessen Tod mit dem Herzog Johann von Brabant vermählte, zur Erbin und Gräfin von H. erklären. Während die Hoekschen diese Bestimmung anerkannten, unterstützten die Kabeljauschen den Vatersbruder Jakobäas, Johann, Herzog von Bayern, der früher Bischof von Lüttich gewesen war, aber den geistlichen Stand verlassen hatte, um die Regierung anzutreten, und verhalfen ihm in der Tat zum Besitz von H. Jakobäa, die den elenden Johann von Brabant verlassen und den Herzog Humfried von Gloucester geheiratet hatte, bekriegte nun in Gemeinschaft mit diesem ihren Oheim und ihren vorigen Gemahl, der ihr Hennegau vorenthielt; doch vergebens. Sie geriet in Gefangenschaft und wurde ihrem Oheim Philipp von Burgund ausgeliefert, der sich auf die Erbschaft Jakobäas Hoffnung machte. Zwar gelang es ihr, aus der Gefangenschaft zu entkommen, und auch der Herzog Johann von Bayern starb 1425; allein der Herzog von Brabant wurde zum Grafen von H. und Herzog Philipp von Burgund zum Ruwaert und nächsten Erben der Grafschaft H. und Zeeland erklärt. Jakobäa verteidigte sich noch eine Zeitlang heldenmütig; als sich jedoch auch der Herzog von Gloucester von ihr scheiden ließ, sank ihr der Mut. In einem 1428 mit Philipp von Burgund zu Delft geschlossenen Sühnevertrag erkannte sie diesen als Regenten von H. und Zeeland sowie als Nachfolger an und behielt sich selbst bloß den Grafentitel und einige Einkünfte vor. Sie starb 1436. Philipp war nun im ungestörten Besitz der ganzen Erbschaft, und H. teilte seitdem die Schicksale Burgunds (s. d., S. 633). Mit diesem kam es durch die Heirat Marias, der Erbtochter von Burgund, an das Haus Habsburg, dann durch den Sohn Karls V., Philipp II., an Spanien, riß sich 1581 mit andern Provinzen von der spanischen Herrschaft los und war eine der sieben Provinzen, die bald die Republik der Vereinigten Niederlande (s. d.) bildeten. Durch Gewerbe und Handel blühte H. schnell empor und war die bevölkertste und reichste Provinz der Republik. Es trug mehr als die Hälfte der Kosten für die gemeinsame Regierung und übte auf die Politik der Republik auch durch seinen obersten Beamten, den Ratpensionär, einen maßgebenden Einfluß aus. Die reichen Handelsstädte, namentlich Amsterdam, waren die Hauptstützen der aristokratischen Staatspartei, welche die Herrschaft der Oranier bekämpfte. 1798 wurde es in drei Departements geschieden, 1801 wieder vereinigt. 1806–10 bildete die Provinz H. einen Teil des Königreichs H., wurde nach der Abdankung Ludwig Bonapartes ein Teil von Frankreich (wo es zwei Departements bildete), gelangte 1813 wieder in den Besitz des Hauses Oranien u. bildete seitdem die Provinz H. des Königreichs der Niederlande (s. d.), seit 1840 geteilt in die zwei Provinzen Südholland und Nordholland (s. oben, S. 476).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.