- Branntwein
Branntwein, aus gegornen Flüssigkeiten durch Destillation gewonnenes alkoholisches Getränk, besteht im wesentlichen aus einem Gemisch von Wasser und Alkohol (25–50 Volumprozenten) und wird oft unter strenger Einhaltung alter Brennereimethoden hergestellt, um einen durch Herkommen und Gewohnheit beliebten Geschmack, der wesentlich auf einen Gehalt an gewissen Fuselölen zurückzuführen ist, zu erreichen. So bereitet man in Deutschland Kornbranntwein aus Weizen- und Gerstenmalzmaische, in Belgien Genever aus Roggenmaische, in England Whisky aus Gerstenmaische und in Nordamerika, Ungarn und andern Ländern aus Maismaische. Der meiste B. aber wird aus hochgradigem Spiritus durch Verdünnen mit Wasser gewonnen, und zwar liefert 80–82proz. Spiritus ein fuseliges Produkt, während 90–94. Spiritus das Material zu den feinern Branntweinen, den Likören (s.d.) etc., gibt. Einfacher B. enthält in der Regel 25–30, Doppelbranntwein 30–36 Volumprozent Alkohol. Neben stärkemehlhaltigen Rohmaterialien (Getreide, Kartoffeln etc.) verarbeitet man auch Äpfel und Birnen in der Normandie und in Württemberg neben Obstwein auf B. Aus Wald- oder Vogelkirschen erhält man Kirschbranntwein (Kirschgeist) in Dalmatien, in der Schweiz und in den württembergischen Alpentälern, der von einem Zusatz zerstoßener Kirschkerne bei der Gärung einen angenehmen Geschmack nach bittern Mandeln erhält. Zwetschen und Pflaumen liefern den Zwetschen- und Pflaumenbranntwein (Kätsch, in Ungarn Sliwowitza, Slibowitz, in Slawonien Raky, Racky). Er wird auch in Deutschland, besonders in Franken, gebrannt und hat einen lieblichen reinen Geruch und Geschmack. Heidelbeeren werden auf dem Schwarzwald auf B. verarbeitet, ebenso Himbeeren, Brombeeren, Stachelbeeren, Holunderbeeren, in Böhmen Vogelbeeren, in Ungarn Wacholderbeeren und in der Provence Feigen, in Südeuropa Maulbeeren, Johannisbrot, Kaktusfeigen. Wein liefert bei der Destillation Kognak, Armagnak etc., gegorner Zuckerrohrsaft Tafia, gegorne Zuckerrohrmelasse Rum, gegorner Palmensaft Arrak und gegorne Milch Arka oder Arsa der Kirgisen.
Die Geschichte des Branntweins beginnt mit der Erfindung der Destillation durch die Araber. Im 14. Jahrh. soll ein glückliches Weinjahr die Veranlassung zur Darstellung größerer Branntweinmengen in Modena gewesen sein. Man benutzte damals den B. hauptsächlich als Arznei gegen Pest und andre Infektionskrankheiten. In Irland scheint B. früh zur Stärkung des Mutes angewendet worden zu sein. Im 15. Jahrh. war das Branntweintrinken in Deutschland schon allgemein verbreitet, und wahrscheinlich lernte man damals B. aus Kornfrüchten bereiten. Michael Savonarola (gest. 1431) verfaßte eine ausführliche Schrift über den B. und lehrte die Prüfung des Branntweins auf den Gehalt an Alkohol. 1543 wurde in Altbayern eine Verbrauchsabgabe auf den B. gelegt. In Schweden wurde B. zu Ende des 16. Jahrh. allgemeines Getränk, und in Rußland war man damals dem B. schon so ergeben wie heutzutage. In Spanien und Italien war der B. als Acqua vite oder Acqua de vite, Wasser der Weinrebe, bekannt, und in den Klöstern wurde dann wohl der B. als Arzneimittel Aqua vitae, Lebenselixier, genannt. Kartoffelbranntwein wird zuerst 1682 in einem Buche von Bacher erwähnt, und die erste Kartoffelbrennerei soll 1750 zu Monsheim in der Pfalz errichtet worden sein. Im 17. Jahrh. kamen auch die Branntweine aus Baumfrüchten, Beeren und Zerealien immer allgemeiner in Gebrauch. Sehr förderlich für die Ausbreitung des Branntweins in Deutschland war der Dreißigjährige Krieg. Es wurden gegen den B. verschiedene Verbote erlassen, denen sämtlich die Ansicht zu Grunde lag, derselbe sei ein Gift. An manchen Orten war man dem Getreidebranntwein sehr abgeneigt, ja in Schwaben hielt man es für Sünde, aus Getreide B. zu erzeugen. Keine Flüssigkeit wurde in dem Maße verdammt, gegen keine mit solchem Eifer aufgetreten wie gegen den B.; dieser galt für die Ursache der meisten Verbrechen und Laster, er war ein Trank der Hölle, eine Erfindung des Teufels; Mäßigkeitsgesellschaften, kirchliche Missionsvereine, Traktätchen, Erbauungsschriften etc. bekämpften ihn. Die Neigung, namentlich des ärmern, schlecht genährten Mannes, B. zu trinken, läßt sich aber auf bestimmte physiologische Verhältnisse zurückführen (s. Alkohol), und deshalb haben alle oben genannten Bemühungen sehr wenig, der steigende Wohlstand, die daraus folgende bessere Ernährung und namentlich die immer mehr um sich greifende Gewohnheit, Bier zu trinken, sehr viel zur Beseitigung des Mißbrauchs, der mit dem B. getrieben wird, beigetragen. S. auch Mäßigkeitsbestrebungen und Trunksucht. Vgl. Sell, Über B. (Berl. 1888).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.