- Heinrich [1]
Heinrich (altd. Haganrih, »Fürst des umhegten Ortes«; lat. Heinricus oder Henricus, franz. Henri, engl. Henry oder Harry, ital. Enrico), Name zahlreicher Fürsten.
[Deutsche Kaiser und Könige.] 1) H. I., der Sachse, geb. um 876, gest. 2. Juli 936, Sohn des Sachsenherzogs Otto, war der erste König aus dem sächsischen Haus und hatte schon bei Lebzeiten seines Vaters glücklich gegen die angrenzenden slawischen Völkerschaften und gegen die Ungarn gestritten. Nach Ottos Tode (912) Herzog geworden, war er mit König Konrad I., der ihm einen Teil seines Erbes, namentlich Thüringen, zu entziehen trachtete, in Kampf geraten und hatte gesiegt. Auf dem Sterbebett empfahl Konrad selbst den ehemaligen Gegner als den der Krone Würdigsten zu seinem Nachfolger: 14. April 919 wählten ihn Franken und Sachsen in Fritzlar zum König. Daß die Fürsten, die H. die Reichsinsignien brachten, ihn beim Vogelsang getroffen, was ihm seit dem 12. Jahrh. den Beinamen der Finkler oder der Vogler eintrug, ist eine spätere Sage, die nur zeigen soll, daß H. nicht nach der Krone getrachtet habe. Die ihm vom Erzbischof von Mainz angebotene Salbung durch Priesterhand lehnte H. ab, sorgte für die Wiederherstellung der innern Einheit des Reiches und bekriegte zuerst den Herzog Burchard von Schwaben, bewog ihn aber (920) durch Zugeständnisse ohne Schwertstreich zur Huldigung. Den mächtigen Herzog Arnulf von Bayern, der selbst nach der Königskrone getrachtet, gewann er 921 durch Überredung und Einräumung fast völliger Selbständigkeit; den Herzog Giselbert von Lothringen unterwarf er, nach Verständigung mit dem französischen König Karl dem Einfältigen, 925 mit Waffengewalt und vermählte ihn 928 mit seiner Tochter Gerberga. So war der Bestand des Reiches gesichert und die königliche Gewalt über die Herzoge der fünf Stämme (Franken, Sachsen, Lothringer, Schwaben, Bayern) neu befestigt. Es galt nun, auch gegen die Einfälle der Nachbarvölker, namentlich der Ungarn und Slawen, das Reich zu sichern. 924 zu neunjähriger Waffenruhe und Tributzahlung an die Ungarn gezwungen, benutzte H. die Waffenruhe zur Wiederherstellung der Wehrkraft des deutschen Volkes und zur Sicherung des Reiches durch Anlegung von Burgen. Jeder neunte heerbannpflichtige Mann mußte in die Burg ziehen, wo auch Wohnung für die andern acht sowie Raum zu Einbringung der Ernte in Kriegszeiten vorgesehen war. Zugleich verlegte er die Gauversammlungen, die Gerichte und Festlichkeiten in die Burgorte und führte die Wehrpflicht aller Freien durch; sein Hauptaugenmerk aber wendete er auf die Bildung einer kriegsgeübten Reiterei, die fortan den Kern des Heerbannes bildete. H. wendete sich mit seiner jungen Kriegsmacht zuerst gegen die Slawen und zwar zunächst gegen die Heveller, deren Hauptstadt Brennabor (Brandenburg) er im Winter 92 7/928 nahm, unterwarf die Daleminzier, in deren Gebiet er Meißen gründete, die Wilzen, Lusitzen und Redarier, zwang den Böhmenherzog zur Anerkennung seiner Lehnshoheit und unterdrückte einen Aufstand der Wenden 929 durch den Sieg bei Lenzen. Als die ungarischen Gesandten 933 den Tribut einforderten, verweigerte H. mit Zustimmung des sächsischen Volkes die weitere Zahlung. Voll Grimm brachen die Ungarn durch Franken in Thüringen ein, aber beide Heere wurden geschlagen, das größere in der Nähe von Göttingen, das andre bei Riade an der Unstrut 15. März so, daß das Land 22 Jahre lang von den Feinden verschont blieb. 934 führte er einen siegreichen Krieg gegen die Dänen, stellte die Mark Schleswig wieder her, befestigte den deutschen Einfluß im dänischen Reich und sicherte seinem Sohne die Nachfolge im Reich. Er starb in Memleben und wurde in der Schloßkirche zu Quedlinburg beigesetzt. H. ist der eigentliche Begründer des Deutschen Reiches, ein Herrscher voll Kraft und Einsicht, voll Besonnenheit und Klugheit. Er vermählte sich 906 mit Hatheburg, der Tochter eines sächsischen Grafen Erwin, von der er sich nachher trennen mußte, weil sie bereits den Schleier genommen hatte; von ihr hatte er einen Sohn, Thankmar. Die zweite Gemahlin, Mathildis (gest. 968), gebar ihm drei Söhne, Otto (I.), Heinrich (s. Heinrich 11) und Bruno, und zwei Töchter, Gerberga und Hadwig, die später den Herzog Hugo von Francien heiratete. Vgl. Waitz, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter König H. I. (3. Aufl., Leipz. 1885).
2) H. 11., geb. 6. Mai 973, gest. 13. Juli 1024, Urenkel des vorigen, Sohn Herzog Heinrichs II., des Zänkers, von Bayern, war der letzte Kaiser aus dem sächsischen Haus. Er erbte nach seines Vaters Tode 995 das Herzogtum Bayern, begleitete 1001 Otto III. nach Rom, bemächtigte sich, als dieser in Italien starb, der Reichskleinodien und wurde auch trotz heftigen Widerspruchs mehrerer Fürsten, unter denen der Markgraf Eckhard von Meißen und der Herzog von Schwaben seine Nebenbuhler waren, vornehmlich auf Betreiben des Erzbischofs Willigis 7. Juni 1002 in Mainz gewählt und gekrönt. Anfangs nur von einigen Stämmen anerkannt, zog H. durch das Reich und nahm nach und nach überall die Huldigung entgegen. Bald aber hatte er gegen seinen Bruder Bruno sowie gegen Herzog Boleslaw II. von Böhmen, den Markgrafen Ernst von Österreich und den Markgrafen Heinrich von Schweinfurt zu kämpfen. Kaum waren 1004 diese Gegner besiegt, da rief die Erhebung des Markgrafen Arduin von Ivrea zum König H. nach Italien. Er siegte auch hier und ließ sich zu Pavia die Eiserne Krone aufsetzen; nach blutiger Unterdrückung eines Aufstandes in Pavia huldigten ihm auch die italienischen Städte. Nach Deutschland zurückgekehrt, vertrieb er den Polenherzog Boleslaw Chrobry aus Böhmen, gab dieses Land dem böhmischen Herzogssohn Jaromir zu Lehen, griff Boleslaw in Polen selbst an und zwang ihn im Frieden von Merseburg 1013 zur Anerkennung der deutschen Lehnshoheit, während Boleslaw das Lausitzer und Milzener Land behielt. Eine neue Erhebung der Partei Arduins rief H. 1013 abermals nach Italien; im Kampfe glücklich, zwang er diesen zur Niederlegung der Krone und ließ sich in Rom nebst seiner Gemahlin Kunigunde 14. Febr. 1014 vom Papst Benedikt VIII. zum Kaiser krönen. In Deutschland führte er dann aufs neue Krieg gegen Boleslaw von Polen, doch ohne erheblichen Erfolg, denn im Frieden von Bautzen, 30. Jan. 1018, mußte er ihm die Ostmarken des Reiches überlassen. Im westlichen Deutschland fand H. in seinem Ringen mit den weltlichen Dynasten eine Stütze bei den Bischöfen. Mit dem kinderlosen Herzog Rudolf III. von Burgund schloß er einen Vertrag, demgemäß dieses schon früher vom König lehensrührige Land nach Rudolfs Tod an das Reich fallen sollte; ein Versuch, den Besitz schon früher anzutreten, schlug fehl. Einen dritten Kriegszug nach Italien unternahm er 1022, als Papst Benedikt VIII. ihn gegen die Griechen in Unteritalien zu Hilfe rief. H. focht, mit den Normannen vereinigt, glücklich gegen die Griechen, mußte aber wegen einer Seuche, die in seinem Heer ausbrach, nach Deutschland zurückkehren und starb in Grona bei Göttingen. H. wollte die deutsche Kaisermacht im Sinne Ottos I. ausüben, begegnete aber vielfachem Widerspruch und überwand ihn nicht, da er seine Kräfte zersplitterte. Die Kirche, deren Besitz er durch große Schenkungen vermehrte, unterwarf er seinem Einfluß. Seine Lieblingsidee war die Gründung des Bistums Bamberg gewesen, die er auch endlich durchsetzte. Sein Grabmal im Dom zu Bamberg s. Tafel »Grabmäler«, Fig. 11. Im 12. Jahrh. verehrte man ihn als einen besonders frommen Mann, erdichtete die Fabel, daß er mit seiner Frau in einer Josephsehe gelebt, und stellte ihn als einen Betbruder dar; Papst Eugen III. sprach ihn 1146 sogar heilig. Diese Tradition verzerrt aber sein Bild ebensosehr wie die Verherrlichung Giesebrechts. Vgl. Hirsch, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter H. II. (fortgesetzt von Papst und Breßlau, Leipz. 1862–76, 3 Bde.); Usinger, Zur Beurteilung Heinrichs II. (»Historische Zeitschrift«, 1862); Cohn, Kaiser H. 11. (Halle 1867).
3) H. III., geb. 28. Okt. 1017, gest. 5. Okt. 1056, Kaiser Konrads II. und Giselas einziger Sohn, der zweite Kaiser aus dem Hause der Salier, ward 1026 zum deutschen König gewählt und 1028 feierlich gekrönt und erhielt 1027 von seinem Vater das Herzogtum Bayern, 1038 das Herzogtum Schwaben, 1039 Kärnten; nach seines Vaters Tod (4. Juni 1039) trat er sofort die Regierung an. Ein Mann von strengem Ernst, unempfänglich für jeglichen Genuß, beherrscht von heftigen Affekten und schrankenlosem Ehrgeiz, streng kirchlich gesinnt, nach allen Seiten Zucht und Unterwürfigkeit fordernd und dadurch imponierend, begann er mit Nachdruck den Kampf für die Weltherrschaft. Um die königliche Macht möglichst unabhängig zu machen, behielt er die heimgefallenen Herzogtümer entweder für sich und seine Familie, oder vergab sie, wie Bayern und Kärnten, an minder mächtige Fürsten; dem Herzog Bernhard von Sachsen gab er in dem Erzbischof Adalbert von Bremen mindestens ein mächtiges Gegengewicht. Im Osten bekriegte er 1039 den Herzog Břetislaw von Böhmen, der einen Beutezug gegen Polen gemacht, Breslau zerstört und Krakau ausgeplündert hatte, und zwang ihn, 1042 zu Regensburg sein Herzogtum von ihm zu Lehen zu nehmen. Um seinen Schützling, König Peter von Ungarn, den die Ungarn vertrieben hatten, wieder auf den Thron zu setzen, unternahm H. mehrere Feldzüge nach Ungarn, eroberte Preßburg und drang 1042 bis Gran und 1043 bis Wien vor. 1044 folgte ein neuer Feldzug, auf dem er die Ungarn an der Raab besiegte und Peter, der ihn als seinen Oberlehnsherrn anerkannte, wieder auf den Thron setzte. Damals kam das Land zwischen Fischa und Leitha an die Mark Österreich. Nach Peters abermaliger Vertreibung bestieg Andreas 1047 den ungarischen Thron, den zu stürzen H. nicht gelang. Auch im Innern Deutschlands erhoben sich Gegner, die H. trotz aller scharfen und energischen Maßregeln nicht dauernd niederzuhalten vermochte. Der Herzog Gottfried von Niederlothringen, der nach seines Vaters Tode auch Oberlothringen an sich reißen wollte, entzog sich nach mehrjährigem wechselnden Kampf endlich 1053 dem Machtbereich Heinrichs, indem er in Italien durch Heirat Tuscien gewann; ebensowenig bezwang H. den widerstrebenden Grafen Balduin von Flandern. H. war ein Anhänger und Freund der cluniacensischen Bewegung, die eine Reform der Kirche anstrebte. Um die Kirchenspaltung zu beseitigen, bewirkte er 1046 auf einer Versammlung der Bischöfe zu Sutri in Italien die Absetzung der drei Päpste Benedikt IX., Silvester III. und Gregor VI. und die Ernennung des deutschen Bischofs Suitger von Bamberg als Papst Clemens II., der dann H. in Rom zum Kaiser krönte. Clemens wie seine ebenfalls durch den Kaiser eingesetzten Nachfolger Damasus II., Leo IX. und Viktor II. unterstützten H. in seinem Streben, den Gebrechen der Kirche abzuhelfen und das Leben der Geistlichkeit kirchlich einzurichten. Doch gerade dadurch wuchs das Ansehen der Kirche und des Papsttums, das nun seinerseits mit dem Kaisertum um die Herrschaft über die Christenheit zu streiten begann. Nachdem sein Sohn Heinrich 1053 zum Nachfolger ernannt worden war, starb H. in Bodfeld am Harz. H. war ein eifriger Förderer und Beschützer der Wissenschaften und Künste, stiftete zahlreiche Klosterschulen und baute die Dome zu Worms, Mainz und Speyer. Er war seit 1036 vermählt mit Gunhild, der Tochter Knuts d. Gr. von England und Dänemark, seit 1043 mit Agnes von Poitou, Tochter des Herzogs Wilhelm III. von Guienne. Vgl. Steindorff, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter H. III. (Leipz. 1874–81, 2 Bde.); E. Müller, Das Itinerar Kaiser Heinrichs III. (Berl. 1901).
4) H. IV., Sohn des vorigen, geb. 11. Nov. 1050, gest. 7. Aug. 1106, ward 1053 zu seines Vaters Nachfolger erwählt und 1054 in Aachen gekrönt. Nach seines Vaters Tod (5. Okt. 1056) stand er anfangs unter Vormundschaft seiner Mutter Agnes, der damit auch die Regierungsgeschäfte zufielen. Doch Agnes, der schwierigen Aufgabe nicht gewachsen, gab, um sich unter den Fürsten Anhänger zu verschaffen, dem Herzog Gottfried das ihm von ihrem Gemahl entrissene Lothringen zurück, verlieh dem Grafen Rudolf von Rheinfelden 1057 das Herzogtum Schwaben und entschädigte den Grafen Bertold von Zähringen, der von Heinrich III. die Anwartschaft darauf erhalten hatte, 1061 mit Kärnten; der einflußreiche sächsische Graf Otto von Nordheim erhielt 1060 das erledigte Herzogtum Bayern. Andre Große, an ihrer Spitze der Erzbischof Anno von Köln, fühlten sich durch den Bischof Heinrich von Augsburg, den Ratgeber der Kaiserin, um ihren Einfluß gebracht, suchten die Reichsverwaltung in ihre Hände zu bringen, lockten im Mai 1062 den jungen König bei Kaiserswerth auf ein Schiff und entführten ihn trotz seines Widerstrebens nach Köln. Anno nahm darauf, der Klagen der Kaiserin nicht achtend, die Erziehung Heinrichs und die Reichsregierung in die Hand. Mit dieser Gewalttat begann die Verwirrung und Zwietracht im Reich, zumal da Anno die königlichen Rechte gegenüber der Kirche preisgab. Annos Herrschsucht erregte bald große Unzufriedenheit; dies erleichterte es dem ehrgeizigen Erzbischof Adalbert von Bremen, ebenfalls Einfluß auf die Erziehung des Königs zu gewinnen. Doch war seine nachsichtsvolle Milde, die sich den erwachenden Leidenschaften und Launen des Zöglings anbequemte, der Charakterbildung des Königs ebensowenig nützlich wie Annos Härte. Adalbert, dem H. als einem Freunde seines Vaters persönlich näher trat, ließ den 14jährigen H. nach der Rückkehr von seinem ersten Feldzug gegen die Ungarn 1065 zu Worms in feierlicher Fürstenversammlung für mündig erklären und regierte nun für ihn in der Absicht, die königlichen Herrschaftsrechte in ihrem alten Umfang herzustellen und noch zu verstärken. Da bildeten die Fürsten eine neue Verschwörung und zwangen auf einem Reichstage zu Tribur 1066 H., sich von Adalbert zu trennen und ihnen die Reichsverwaltung zu überlassen. Während diese nun eigennützig regierend die Verwirrung steigerten, begann der junge König einen zügellosen Lebenswandel. Die Fürsten zwangen ihn daher 1066 zur Vermählung mit Berta, Tochter des Markgrafen von Susa, und beschränkten ihn sehr in seinem öffentlichen und privaten Leben. H. versuchte sich von der Vormundschaft der Fürsten und der lästigen Ehe zu befreien, trug 1069 auf Scheidung der Ehe an, aber die Fürsten, unterstützt durch einen päpstlichen Legaten, zwangen ihn, seine Gattin zu behalten; widerwillig fügte er sich, und nach und nach entstand auch ein gutes Verhältnis zwischen den Gatten; er begegnete ihr, seit sie ihm einen Sohn geboren hatte (1071), mit Achtung. Überhaupt begann H. 1070 einen eignen Willen zu zeigen. Er zog Adalbert wieder an den Hof; den Herzog Otto von Bayern klagte er an, einen Mordanschlag gegen ihn gemacht zu haben, und erklärte ihn, als er vor dem Reichstag zu Mainz nicht erschien, seines Herzogtums (das Welf erhielt) für verlustig, verwüstete seine Güter in Thüringen und hielt ihn gerade wie seinen Verbündeten, den Herzog Magnus von Sachsen, nach einer scheinbaren Aussöhnung gewissermaßen an seinem Hof gefangen. Demselben Los entging Herzog Rudolf von Schwaben nur mit Mühe. König H. zeigte den entschiedensten Willen, die selbständigen Herzoge unter das Königtum zu beugen und sie gegebenenfalls abzusetzen; so verlor Herzog Bertold von Kärnten sein Herzogtum. Zur Sicherung seiner Herrschaft legte H. in Sachsen und Thüringen viele feste Schlösser an, um damit die Umwohner im Zaum zu halten. Von den erbitterten Fürsten und Bischöfen, besonders Otto von Nordheim, aufgereizt, empörten sich 1073 die Sachsen. Der König, in der Harzburg eingeschlossen, entkam zwar, aber da die meisten weltlichen und geistlichen Großen ihm keinen Beistand leisteten, mußte er im Frieden von Gerstungen (1074) versprechen, über Ottos Sache binnen Jahresfrist ein Fürstengericht entscheiden zu lassen und die Zwingburgen zu zerstören. Diese Demütigung des Königtums durch die Fürsten war H. unerträglich, und aus der Kirchenschändung der Sachsen bei der Zerstörung der Harzburg leitete er das Recht ab, den Heerbann gegen sie aufzubieten. Er besiegte sie 9. Juni 1075 bei Hohenburg an der Unstrut, bewilligte erst nach bedingungsloser Unterwerfung den nachgesuchten Frieden und bestrafte die Fürsten und die Geistlichen, die sich am Aufstand beteiligt hatten. Persönlich zeigte er sich heftig, jähzornig und rachsüchtig, hielt an seinen Hoheitsrechten über geistliche und weltliche Fürsten fest und war bei diesen wie bei den Sachsen deshalb grimmig gehaßt. Die Herzoge, besonders Rudolf von Schwaben, fürchteten seinen strafenden Arm, und das Papsttum, das unter Hildebrands Leitung während der Jugend Heinrichs 1056–70 die Weltherrschaft an sich zu reißen begonnen hatte, war jetzt besorgt vor des Königs kräftigem Auftreten. Gregor VII. wollte vereint mit den Unzufriedenen in Deutschland den König unter seine Herrschaft beugen und mischte sich seit 1075 direkt in die deutschen Verhältnisse ein. Er legte Fürsprache für die Sachsen ein, forderte Freilassung der gefangenen Geistlichen und die Beseitigung der Laieninvestitur. Das königliche Ernennungsrecht der Bischöfe, woran H. mit vollem Recht und mit klarer Erkenntnis seiner Bedeutung festhielt, wurde nun das Objekt des Kampfes zwischen Königtum und Papsttum. Nachdem Gregor schon einigemal mildere Zuschriften an H. erlassen, erhob er in einem Schreiben vom Dezember 1075 eine Menge Anklagen gegen H. und forderte in schroffem Ton sofortigen Gehorsam gegen die Kirche. Dies reizte den König, er nahm den Kampf an; 24. Jan. 1076 auf einer Versammlung in Worms wurde der Papst für abgesetzt erklärt. Gregor sprach darauf den Bann über H. (22. Febr. 1076) aus und entband die Völker vom Gehorsam gegen ihn. H., diese Kundgebungen anfangs unterstützend, sah schon im Sommer 1076, wie des Papstes Manifeste, durch eine zahlreiche Literatur aus den Kreisen cluniacensischer Mönche unterstützt, in Deutschland Anklang fanden; die früher schon zur Empörung geneigten Fürsten schlugen sich auf des Papstes Seite. Ein Fürstentag in Tribur bestimmte im Oktober 1076, daß die Sache des Königs im Februar 1077 auf einem Reichstag in Augsburg unter dem Vorsitz des Papstes entschieden werden und er sich bis dahin der Regierung enthalten solle. Von allen Mitteln entblößt, fügte H. sich diesem Spruch, um seine sofortige Absetzung zu vermeiden, erwirkte aber, um seiner von den Fürsten geplanten schmachvollen Demütigung auf dem Reichstag zuvorzukommen, seine alsbaldige Loslösung vom Bann, und begab sich im Winter 1077, nur von seiner Gemahlin und seinem Sohne begleitet, bei strenger Kälte nach Italien. Er traf den Papst im Schloß Canossa bei der Markgräfin Mathilde und mußte drei Tage lang (25.–27. Jan. 1077) barfuß und in härenem Gewand im Hof des Schlosses auf die Gnade des Papstes warten, der erst am vierten Tag (28. Jan.) dem Drängen seiner Umgebung nachgab und gegen das Versprechen, den deutschen Fürsten Genugtuung zu leisten, den Bann aufhob. H. schwur Gehorsam, faßte aber alsbald, von den lombardischen Großen noch mehr aufgeregt, den Plan, die erlittene Schmach zu rächen.
Die Fürsten hatten trotz Heinrichs Befreiung vom Bann unterdes auf dem Fürstentag zu Forchheim den Herzog Rudolf von Schwaben zum deutschen König gewählt; H. kehrte nach Deutschland zurück, gewann schnell die Volksgunst wieder und sammelte aus den Bürgern der Städte sowie aus dem Landvolk Bayerns, Böhmens und Kärntens bald ein ansehnliches Heer. Zwar fielen die Schlachten bei Mellrichstadt 1078 und bei Zeitz 1080 zu Heinrichs Nachteil aus, aber Rudolf starb kurz nach der letzten Schlacht an seinen Wunden, und so war H. wieder alleiniger Herrscher. Vom Papst aufs neue gebannt, erwirkte er doch auf zwei Versammlungen deutscher Bischöfe zu Mainz und zu Brixen Gregors VII. Absetzung und die Wahl eines neuen Papstes, Clemens' III. Jetzt rächte sich H., zog mit einem mächtigen Heer über die Alpen (1081), erhielt in Mailand die lombardische Königskrone, verwüstete das Land der Markgräfin Mathilde, eroberte Florenz und erschien Pfingsten vor Rom. Die Belagerung Roms aber ging nur langsam vorwärts, erst im März 1084 wurde er Herr der Stadt und ließ sich am Osterfest 1084 von Clemens III. zum römischen Kaiser krönen. Gregor VII. hatte sich in die Engelsburg geflüchtet und rief den Normannenherzog Robert Guiscard zu Hilfe, worauf H. von Rom abzog. In Deutschland war während Heinrichs Abwesenheit an Rudolfs Stelle im August 1081 von der Fürstenopposition Graf Hermann von Lützelburg in Bamberg zum König gewählt worden. Indes war der größte Teil der Deutschen jetzt H. günstiger gesinnt; auch die Sachsen und Thüringer unterwarfen sich ihm wieder (1085). Zwar verlor H. 11. Aug. 1085 die Schlacht bei Würzburg gegen Hermann und den Herzog Welf von Bayern, aber die Mehrheit der deutschen Bischöfe ergriff 1085 auf einer Synode in Mainz für H. Partei, und in Süddeutschland hatte H. an Friedrich von Staufen, den er 1079 zum Herzog von Schwaben erhoben, einen wackern Vorkämpfer. So fiel das Übergewicht nach und nach auf die kaiserliche Seite, der schwache Gegenkönig Hermann legte 1088 freiwillig seine Würde nieder. Von einem gefährlichern Feinde, dem Markgrafen Eckbert von Meißen, der sich selbst als Gegenkönig aufgestellt und H. in mehreren Gefechten geschlagen hatte, befreite ihn 1089 dessen Ermordung. In Deutschland schien damit die Flamme des Bürgerkrieges zu erlöschen. Unterdessen war auch Gregor VII. gestorben (25. Mai 1085), und der von seiner Partei erwählte Papst Viktor III. (1085 bis 1088) sowie nach dessen baldigem Tode Urban II. (1088–99) befehdeten den von H. eingesetzten Papst Clemens III. H. zog deshalb 1090 wieder nach Italien, eroberte Mantua und besiegte auch Welf, den Gemahl der Markgräfin Mathilde, mehrmals. Doch sein eigner Sohn Konrad, von der Gegenpartei gegen den Vater gewonnen, ließ sich 1093 zum König von Italien krönen, während sich zugleich die Lombarden in Verbindung mit dem Herzog Welf aufs neue erhoben. H. zog sich tatenlos in die Gegenden östlich der Etsch zurück, und als Urban die abendländische Christenheit mit seinem Kreuzzugsruf zu kirchlichem Eifer entflammte, verharrte H. in Untätigkeit, ohne die große kirchliche Bewegung, die der Welt den Sieg des Papsttums ankündigte, hemmen zu können. Erst im Frühjahr 1097 kehrte er nach Deutschland zurück, gewann durch Zugeständnisse die mächtigsten Fürsten, unter ihnen selbst den Herzog Welf, so daß sogar sein zweiter Sohn, Heinrich, zu Köln (1098) zum deutschen König gewählt wurde. Die Ruhe war damit in Deutschland für einen Augenblick wiederhergestellt, aber der neue Papst, Paschalis II., tat H. aufs neue in den Bann, und die Großen Bayerns bewogen 1104 seinen geliebtesten Sohn, Heinrich, zur Empörung gegen den Vater. So standen sich Vater und Sohn im Felde gegenüber; dem Vater hing vornehmlich das Bürgertum an, dem Sohn die Mehrzahl der Fürsten. Durch List geriet H. in die Gefangenschaft des Sohnes und mußte 31. Dez. 1105 in Ingelheim förmlich seine Abdankung erklären. Er entkam zwar noch einmal der Hast, floh nach Lüttich und gedachte den Verrat des Sohnes zu bestrafen; ehe es aber zu neuem Krieg kam, starb er in Lüttich. Der Bischof von Lüttich ließ ihn einstweilen beisetzen; aber Heinrich V. befahl, den Leichnam nach Speyer zu bringen, wo derselbe fünf Jahre lang in einer nicht geweihten Seitenkapelle des Doms in einem steinernen Sarg unbestattet stand, bis der Papst 1111 den Toten vom Bann lossprach und seine Beisetzung im Dom erlaubte. H. war vermählt zuerst seit 1066 mit Berta, der Tochter des Markgrafen Otto von Susa, die ihm außer den genannten Söhnen Konrad (gest. 1101) und Heinrich eine Tochter, Agnes, Gemahlin des ersten staufischen Herzogs von Schwaben, gebar und 1087 starb, sodann seit 1089 mit Adelheid (Praxedis), der Tochter des russischen Fürsten Wsewolod, Witwe des Markgrafen Udo von der Nordmark, die 1095 starb. H. kämpfte für die Erhaltung der deutschen Königsmacht gegen die Unbotmäßigkeit der deutschen Fürsten und gegen die hierarchischen Tendenzen des Papsttums; seine Gegner waren Partikularismus und Ultramontanismus, und ihren vereinigten, mit Hinterlist und Gewalt ausgeführten Angriffen erlag er. Gleichwohl hat er durch seinen Widerstand den Sieg des Papsttums erheblich verzögert und die völlige Unterwerfung Deutschlands unter die Hierarchie verhindert. Vgl. Floto, H. IV. und sein Zeitalter (Stuttg. 1855–57, 2 Bde.); Meyer v. Knonau, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter H. IV. und Heinrich V. (Leipz. 1890–1904, 5 Bde.); Kilian, Itinerar Kaiser Heinrichs IV. (Karlsr. 1886).
5) H. V., Sohn des vorigen, geb. 8. Jan. 1081, gest. 23. Mai 1125, ward 1098, als sein älterer Bruder, Konrad, sich gegen den Vater empört hatte, zum römischen König erwählt und 1104 von den Gegnern Heinrichs IV. zu offener Empörung verleitet. Den Vater zwang er 31. Dez. 1105 zur Abdankung, wurde 6. Jan. 1106 in Mainz zum König erklärt, allgemein aber erst nach Heinrichs IV. Tode anerkannt. Des Vaters Anhänger ließ er für ihre Treue büßen, so die Stadt Köln durch eine Geldstrafe und den Herzog von Lothringen durch den Verlust seines Herzogtums. Den Frieden in Deutschland stellte er bald her; aber sein Versuch, die deutsche Lehnshoheit über Böhmen, Ungarn und Polen zu erneuern, schlug fehl. Da H. 1104 und 1105 als Anhänger der päpstlichen Partei aufgetreten war, hatte man gehofft, er werde bald den Investiturstreit beendigen. Doch Papst Paschalis 11. sprach das Prinzip des Verbots der Laieninvestitur noch einmal sehr bestimmt auf der Synode zu Guastalla aus (1106), und H. investierte trotzdem fernerhin deutsche Bischöfe. Da der Papst auf friedliche Vermittelung nicht einging, vielmehr auf der Lateransynode von 1110 seine prinzipiellen Erklärungen wiederholte, zog H. 1110 mit 30,000 Mann nach Italien, ließ sich auf den Ronkalischen Feldern von den oberitalienischen Städten huldigen und rückte gegen Rom. In Sutri vereinbarte H. mit Paschalis, daß die Kirche alle vom Reich empfangenen Güter und fürstlichen Rechte zurückgeben und dafür dann der Kaiser auf die Investitur verzichten solle. Dieses sogen. Konkordat von Sutri (dessen Inhalt auf eine Trennung von Kirche und Staat hinauslief) war aber unausführbar, und als es nach dem Einzug des Königs in Rom 12. Febr. 1111 in der Peterskirche beschworen werden sollte, erhoben die Kirchenfürsten Widerspruch dagegen. Als sich nun der Papst weigerte, H. zu krönen, ließ ihn dieser nebst den meisten Kardinälen gefangen nehmen. Die Römer vertrieben zwar die Deutschen aus Rom; aber der Papst gestand endlich dem Kaiser die Investitur der Bischöfe und Äbte zu, worauf er, in Freiheit gesetzt, 13. April 1111 H. krönte. Kaum aber war der Kaiser nach Deutschland zurückgekehrt, erklärte die Lateransynode im März 1112 das Zugeständnis des Papstes für ungültig, und im September d. J. belegte die Synode zu Vienne den Kaiser H mit dem Bann. H. stand damals im Krieg gegen die sächsischen Großen wegen Einziehung der ortamündischen Erbschaft und wurde nach mehreren Siegen 1115 am Welfesholz an der Wipper geschlagen. Der päpstliche Bann wirkte auf die Stimmung der Deutschen; man verlangte allgemein nach Frieden mit dem Papst. 1116 zog H. wieder mit Heeresmacht nach Italien, bemächtigte sich der Besitzungen der verstorbenen Markgräfin Mathilde und vertrieb den Papst aus Rom. Nach Paschalis' 11. Tode (1118) wurde dem vom Kaiser erhobenen Papst Gregor VIII. von der Priesterpartei Gelasius II. entgegengestellt, der den Bann gegen H. erneuerte. Unterdessen hatte in Deutschland der innere Krieg fortgedauert. Zwar stellte H. 1119 den Frieden her, indem er auf Verhandlungen mit dem Papst einzugehen und in Deutschland den frühern Besitzstand wieder auszurichten versprach; aber der an Gelasius' II. Stelle gewählte Papst Calixtus 11. bannte H. nach einigen fruchtlosen Unterhandlungen ebenfalls. Auf dem Reichstag in Würzburg kam 1121 endlich der Reichsfriede und ein allgemeiner Ausgleich zustande. Die Fürstenpartei vermittelte den Frieden mit der Kirche; ein Kompromiß schien möglich, wenn man die geistliche und weltliche Seite in den bischöflichen Ämtern unterschied: auf diesem Grunde wurde auf einem mit Synode verbundenen Reichstag in Worms 23. Sept. 1122 das Konkordat errichtet, wonach die Bischöfe von den Domkapiteln gewählt und vom Papst durch Verleihung von Ring und Stab bestätigt werden, dem Kaiser aber die weltliche Belehnung der Gewählten mittels des Zepters zustehen solle. Nach Beendigung dieses Streites nahmen den Kaiser noch einzelne Fehden im Innern in Anspruch, namentlich in Meißen, wo Konrad von Wettin dem Grafen Wiprecht von Groitzsch die diesem vom Kaiser verliehene Markgrafschaft streitig machte. Die Stadt Worms lehnte sich gegen H. auf, der sie belagerte und eroberte; doch starb er bald darauf in Utrecht. Sein Leichnam ward zu Speyer beigesetzt. Er war in kinderloser Ehe vermählt mit Mathilde, Tochter des Königs Heinrich I. von England, die später den Grafen von Anjou heiratete und Stammutter der Plantagenets wurde (s. Mathilde 2). H. besaß eine herrschsüchtige Natur und starken Charakter, war unerbittlich und streng, mißtrauisch und selbst unzuverlässig, daher keineswegs beliebt. Mit ihm erlosch das salische oder fränkische Kaisergeschlecht. Vgl. Gervais, Geschichte Deutschlands unter H. V. und Lothar II., Bd. 1 (Leipz. 1841); Bernheim, Zur Geschichte des Wormser Konkordats (Götting. 1878).
6) H. VI., geb. 1165, gest. 28. Sept. 1197, ältester Sohn Kaiser Friedrichs I. von dessen zweiter Gemahlin, Beatrix von Burgund, 15. Aug. 1169 zum König erwählt, besaß einen zarten Körper und ernste Gesichtszüge, dabei klaren Verstand und große Willensstärke und eine bedeutende Geistesbildung. In allen ritterlichen Künsten geübt, hat er sich auch als Minnesinger versucht, nahm in frühester Jugend an den italienischen Kriegsfahrten des Vaters teil und wurde 1186 durch seine Vermählung mit Konstanze von Sizilien, der Tochter des Königs Roger, an die Schicksale und die politischen Verhältnisse Italiens gefesselt, denn die Erwerbung Siziliens sollte den Staufern den in Oberitalien verloren gegangenen Einfluß auf die Halbinsel und vor allem auf Rom sichern. Als Friedrich 1189 nach Palästina zog, übertrug er H. die Verwaltung des Reiches, der sofort gegen Heinrich den Löwen zu kämpfen hatte. Durch seines Vaters Tod (10. Juni 1190) Beherrscher Deutschlands geworden, zog er sofort nach Italien, wo ihn 15. April 1191 zu Rom Cölestin III. zum Kaiser krönte. Nun wollte er nach dem Tode des Königs Wilhelm II. von Sizilien (16. Nov. 1189), des letzten legitimen männlichen Sprosses des normannischen Königshauses, 1191 die Regierung des Königreichs antreten; allein es erstand ihm in Tancred von Lecce, dem Enkel des Königs Roger II., ein von den Normannen unterstützter Gegner. Neapel war trotz mehrmonatiger Belagerung nicht zu erobern; eine furchtbare Seuche vernichtete einen großen Teil des deutschen Heeres, und Konstanze geriet in feindliche Gefangenschaft. Inzwischen hatte in Deutschland Heinrich der Löwe die Gegner der Staufer gesammelt und begann den Krieg, aber die Gefangennahme des englischen Königs Richard Löwenherz durch Leopold von Öfterreich, der ihn dem Kaiser auslieferte, lähmte die welfische Partei. Schließlich glich eine Wechselheirat zwischen Heinrichs des Löwen Sohn und des Kaisers Base Agnes den Gegensatz der feindlichen Häuser in Deutschland etwas aus, und der englische König wurde 1194 gegen hohes Lösegeld aus der Gefangenschaft entlassen. H. kehrte darauf nach Italien zurück, wo Tancred und sein ältester Sohn, Roger, gestorben waren, und nahm mit Gewalt von seinem sizilischen Erbreich Besitz; jeder Widerstand wurde mit unbarmherziger Strenge niedergeschlagen, zahlreiche normannische Große grausam hingerichtet, geblendet oder in den Kerker geworfen; Tancreds Familie ward gefangen nach Deutschland geführt. H., entschlossen, das Kaisertum wieder zu gebietender Weltstellung zu erheben, fand Widerstand bei seinem Versuche, sein Übergewicht zur Herstellung einer erblichen Monarchie und Abschaffung des Wahlreichs zu benutzen, bei den deutschen Fürsten auf den Reichstagen zu Worms und Würzburg 1196. Doch wurde Heinrichs junger Sohn, Friedrich, zum König gewählt. Obwohl Papst Cölestin den in Italien übermächtigen H. gebannt hatte, unterstützte dieser doch die neue Kreuzpredigt, welche die deutschen Fürsten zu einer Fahrt nach dem Orient ausrief, nahm selbst das Kreuz und dachte sogar an eine Eroberung des griechischen Kaiserreichs, um von da aus sich des gesamten Orients zu bemächtigen. An der Spitze der deutschen Fürsten kam der staatskluge Erzbischof Konrad von Mainz mit einem Heer nach Italien, womit der Kaiser einen neuen Aufstand in Sizilien unterdrückte, aber sein früher Tod hinderte H. an der Ausführung seiner großen Weltherrschaftspläne. Sein Sarkophag steht in der Kathedrale zu Palermo. Sein einziger Sohn war Friedrich II., damals dreijährig. Chr. Grabbe hat H. 1830 in einem Drama verherrlicht. Vgl. Toeche, Kaiser H. VI. (Leipz. 1867); Mücke, H. VI. nach Otto von St. Blasien, Arnold von Lübeck und den Kölner Annalen dargestellt (Erfurt 1876); Ficker, Über das Testament Kaiser Heinrichs VI. (Wien 1871); Bloch, Forschungen zur Politik Kaiser Heinrichs VI. 1191–1194 (Berl. 1892); Maire, Würdigung Kaiser Heinrichs VI. (das. 1903).
7) H. (als römischer König H. VII.), geb. 1211, gest. 12. Febr. 1242, ältester Sohn Kaiser Friedrichs II. von dessen erster Gemahlin, Konstanze von Aragonien, schon als Kind zum König von Sizilien gekrönt, ward zu Frankfurt 1220 zum deutschen König gewählt, obgleich die Päpste die Trennung Siziliens von Deutschland zur Bedingung ihrer Freundschaft für den Kaiser gemacht hatten. Am 8. Mai 1221 von dem Kölner Erzbischof Engelbert in Aachen gekrönt, blieb H. in Deutschland als Reichsverweser des Kaisers unter Leitung eines Fürstenrats und vermählte sich 1225 mit der sechs Jahre ältern Tochter Leopolds von Österreich, Margareta von Babenberg. Bei dem Kampfe des Lombardenbundes gegen Friedrich II. bedrohte er, aufgereizt von mehreren Ministerialen, mit mehreren deutschen Fürsten auf Antrieb Gregors IX. den Vater und verharrte in Unbotmäßigkeit, nachdem ihm schon einmal verziehen worden war. Er wollte sich zum selbständigen Beherrscher Deutschlands machen, verlor aber, als Friedrich II. nach Deutschland kam, seinen Anhang, wurde im Juli 1235 vom Vater gefangen und nach Apulien, endlich nach Martirano in Kalabrien geführt und starb dort; er ist in Cosenza beigesetzt. Aus seiner Ehe stammten zwei Söhne, Friedrich und Heinrich, deren erstern Kaiser Friedrich II. nach dem Aussterben des babenbergischen Mannesstammes mit den österreichischen Herzogtümern testamentarisch belehnte, ohne daß er sich in den Besitz derselben zu setzen vermochte. Beide Brüder starben um 1251 in Italien. Vgl. Rohden, Der Sturz Heinrichs VII. (in den »Forschungen zur deutschen Geschichte«, Bd. 22, Götting. 1883).
9) H. V II. von Luxemburg, Begründer der luxemburgischen Kaiserdynastie, geb. 1269, gest. 24. Aug. 1313, der Sohn des in der Schlacht bei Worringen 1288 gefallenen Grafen Heinrich III. von Lützelburg und der Beatrix von Avesnes, war seit 1292 vermählt mit des Herzogs Johann von Brabant Tochter Margareta, wodurch der frühere niederrheinische Dynastenstreit seinen beruhigenden Abschluß fand. H. verdankte seine Wahl zum König (gewählt 27. Nov. 1308, zu Aachen 6. Jan. 1309 gekrönt) dem Erzbischof Peter von Aspelt von Mainz und dem Erzbischof Balduin von Trier, seinem Bruder. Die neben H. in Betracht gekommenen Bewerber von Brandenburg und Sachsen sowie die österreichischen Herzoge, die Söhne Kaiser Albrechts I., erkannten ihn bereitwillig an, nur in Böhmen war der nach dem Aussterben der Przemysliden von einem Teil der Stände zum König erwählte Heinrich von Kärnten dem neuen Herrscher feindlich. Wenzels III., des letzten przemyslidischen Königs, jüngere Schwester, Elisabeth, suchte Schutz und Hilfe bei Kaiser H. gegen den kärntnerischen Herzog, ihren Schwager, und vermählte sich mit Heinrichs Sohn Johann, dem der Kaiser als oberster Lehnsherr 1310 Böhmen übertrug, und dem die Geistlichkeit (besonders die mächtigen Cistercienser), die Städte und ein großer Teil der Herren in Böhmen rasch sich zuwandten. Nachdem H. durch Herstellung der Rheinzölle sich der rheinischen Kurfürsten versichert und den Frieden mit Frankreich durch den Verzicht auf Arelat und Lyon erkauft, ging er im September 1310 von Kolmar über Burgund und den Mont Cenis nach Italien, wo ihm ghibellinische Hoffnungen, in Dantes Worte und Sprache gekleidet, überall entgegenkamen. In Mailand mit der eisernen Krone gekrönt, erzwang er durch die Züchtigung Brescias 1311 den Gehorsam der Lombardei. Aber seine Stellung war schwierig, denn von den Legaten des Avignonschen Papstes Clemens V. begleitet, von der französischen Politik eifersüchtig bewacht, von den Anjous in Neapel offen und heimlich befehdet, mußte er zunächst die Guelfen schonen und die Gegensätze der Parteien auszugleichen suchen und entfremdete sich dadurch die Ghibellinen. Die Wirren nahmen erst recht zu, das Ansehen Heinrichs und seine Macht schwan den mehr und mehr, und seiner Ankunft in Rom (Mai 1312) folgten Aufstand und Kampf. Über Barrikaden und Leichen schritt H. in den Lateran zur Kaiserkrönung 29. Juni 1312, ging von Rom nach Florenz und warf sich in raschem Entschluß den Ghibellinen in die Arme, in deren Hauptplatz Pisa er Residenz nahm. Hier ächtete er Robert von Neapel, rüstete sich trotz der Drohung des Papstes mit dem Bann zum Zuge gegen Neapel, stürmte auf dem Marsch dahin vergeblich Siena und kam im August 1313 krank nach Buonconvento, wo er bald nach dem Genuß des Abendmahls starb. Dieser Umstand gab zu der unbegründeten Behauptung Anlaß, daß ihn ein Predigermönch, den man mit Namen bezeichnen zu können meinte, vergiftet habe. Heinrichs Leiche ward in Pisa beigesetzt. Vgl. »Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit«, Bd. 79 u. 80: Das Leben Kaiser Heinrichs VII. (übersetzt von Friedensburg, Leipz. 1898); Dönniges, Kritik der Quellen für die Geschichte Heinrichs VII. (Berl. 1841); Barthold, Der Römerzug Heinrichs von Lützelburg (Königsb. 1831, 2 Bde.); Sommerfeldt, Die Romfahrt Kaiser Heinrichs VII. (das. 1888); »Die Romfahrt Kaiser Heinrichs VII. im Bilderzyklus des Codex Balduini Trevirensis« (39 Tafeln, mit Text von Irmer. Berl. 1881); Wenck, Clemens V. und H. VII. (Halle 1882).
[Babenberg.] 10) H., Grafen von Babenberg, s. d. und Babenberger Fehde.
[Bayern.] 11) H. I., Herzog von Bayern, geb. um 920, gest. 1. Nov. 955 im Kloster Pöhlde, zweiter Sohn des deutschen Königs Heinrich I. und seiner Gemahlin Mathilde, empörte sich 938 gegen seinen Bruder Otto I. im Bunde mit Eberhard von Franken und Giselbert von Lothringen, wurde aber 939 bei Birten geschlagen und gezwungen, Deutschland zu verlassen. Er floh zu König Ludwig IV. von Frankreich, unterwarf sich aber, nachdem dieser mit Otto Frieden geschlossen, und erhielt das Herzogtum Lothringen. Weil er sich in der Herrschaft nicht behaupten konnte, wurde es ihm wieder genommen, und nun versuchte er Otto I. Ostern 941 in Quedlinburg zu ermorden. Der Anschlag wurde entdeckt, H. in Ingelheim gefangen gehalten, zu Weihnachten 941 in Frankfurt a. M. nach reuevoller Buße begnadigt und 948 mit Bayern (seine Gemahlin Judith war eine bayrische Fürstin) belehnt; seitdem blieb er seinem Bruder treu. Er schützte und vergrößerte das Herzogtum im Kampf mit den Ungarn sowie durch den Erwerb Friauls, geleitete die Königin Adelheid als Brautwerber seines Bruders 951 nach Pavia und unterdrückte einen Aufstand in Bayern mit grausamer Strenge. Vgl. Winter, H. von Bayern (Jena 1872).
12) H. II., der Zänker, Herzog von Bayern, Sohn des vorigen, geb. 951, gest. 28. Aug. 995 in Gandersheim, folgte vierjährig seinem Vater unter Vormundschaft seiner Mutter Judith, vermählte sich mit einer Nichte der Kaiserin Adelheid, Gisela von Burgund, und stiftete 974 eine Verschwörung an, um Otto II. zu entthronen und selbst die Krone zu erlangen. Deswegen zu Ingelheim gefangen gesetzt, entfloh er und erregte einen Aufruhr in Bayern, wurde indes 976 besiegt und seines Herzogtums, 978 nach einer neuen Empörung auch seiner Güter beraubt und unter die Aussicht des Bischofs von Utrecht gestellt. Nach Ottos II. Tod seiner Hast entlassen, suchte er sich 984 von neuem an Stelle des unmündigen Otto III. des Thrones zu bemächtigen, unterwarf sich jedoch 985 in Frankfurt, erhielt Bayern zurück, hielt nun Frieden und erwarb auch 989 Kärnten sowie die italische Mark zurück. Sein Nachfolger im Herzogtum war sein Sohn, der nachmalige Kaiser Heinrich II.
13) H. der Stolze, Herzog von Bayern und Sachsen, aus dem Haus der Welfen (s. d.), geb. um 1108, gest. 20. Okt. 1139, Sohn Heinrichs des Schwarzen (gest. 1126), folgte diesem als Herzog von Bayern und vermählte sich 29. Mai 1127 mit Gertrud, der einzigen Tochter Kaiser Lothars, die dem welfischen Haus die supplinburgischen, braunschweigischen und nordheimischen Allodialgüter in Sachsen zubrachte. H. stritt tapfer für Lothar gegen die Staufer, begleitete 1136 den Kaiser auf seinem zweiten Römerzug und erhielt die Markgrafschaft Tuscien und vom Papste die Mathildischen Güter. Da ihn Lothar, aus Italien zurückkehrend, kurz vor seinem Tode in Breitenwang 1137 zum Herzog von Sachsen ernannte und ihm die Reichsinsignien überlieferte, trat er als Bewerber um die Königskrone auf, wurde aber, trotz seiner ritterlichen Tüchtigkeit, wegen seines hochfahrenden Wesens und seiner allzu großen Macht nicht gewählt. H. lieferte 1138 die Reichskleinodien an Konrad III. aus, weigerte sich aber, auf eins seiner Herzogtümer zu verzichten, wurde geächtet, und Sachsen kam an Albrecht den Bären. H. vertrieb aber seine Gegner aus Sachsen und behauptete es siegreich auch gegen Konrad, starb aber plötzlich, noch nicht 32 Jahre alt, in Quedlinburg und wurde zu Königslutter begraben.
14) H. der Löwe (wahrscheinlich von dem Löwen als Sinnbild der Tapferkeit), Herzog von Bayern und Sachsen, geb. 1129, gest. 6. Aug. 1195, Sohn des vorigen und der Tochter Kaiser Lothars, Gertrud, erhielt unter Verzicht auf Bayern auf dem Reichstag zu Frankfurt 1142 das von seiner Großmutter Richenza tapfer verteidigte Sachsen zurück, nahm aber 1147 den Titel eines Herzogs von Bayern wieder an und versuchte 1151 das Herzogtum mit Waffengewalt wieder zu erwerben. Friedrich I. gab es ihm auch 1154 zurück, aber erst 1156 gelangte H. wirklich in seinen Besitz, begleitete Friedrich auf seinen ersten Römerzügen, zeichnete sich durch seine Tapferkeit in dem Kampf in Rom 1155 aus und stand auch im Kirchenstreit auf seiten des Kaisers. In den Zwischenzeiten befestigte er seine Gewalt in Bayern, wo er München gründete, vor allem aber in Sachsen, dessen Ostgrenzen er durch glückliche Kämpfe gegen die Slawen bedeutend erweiterte. Er gründete Lübeck, stiftete mehrere Bistümer und Klöster und eroberte ganz Mecklenburg und Vorpommern. In diesen Küstenlanden der Ostsee breitete sich nun das Christentum aus, Friede und Ordnung befestigten sich, Ackerbau, Gewerbe und Handel entfalteten sich durch den Zuzug niederländischer und flandrischer Kolonisten. Aber seine Erfolge erregten den Neid der Nachbarn, und eine große Zahl geistlicher und weltlicher Fürsten und Herren, die Erzbischöfe Wichmann von Magdeburg und Hartwig von Bremen, die Bischöfe von Halberstadt und Hildesheim, der Markgraf Albrecht von Brandenburg, der Landgraf Ludwig von Thüringen u. a., schlossen 1166 zu Merseburg einen Bund gegen H., während er in Pommern kämpfte. Rasch beendigte H. den Krieg, indem er dem Obotriten fürsten Pribislav nach Annahme des Christentums Mecklenburg als sächsisches Lehen zurückgab, und zog gegen die Verbündeten: es entbrannte ein heftiger Kampf, den Friedrich I. nach zweijähriger Dauer auf dem Reichstag in Bamberg (Juni 1169) zu Heinrichs Gunsten beilegte, da er auf die welfische Freundschaft großes Gewicht legte. Heinrichs Stellung war so fest und unerschüttert, daß er 1172 eine Pilgerfahrt nach Jerusalem unternehmen konnte. Seitdem jedoch der Kaiser sich durch einen Vertrag mit Welf VI. (s. Welfen) die Erbfolge in den welfischen Gütern in Schwaben gesichert und H. nach seiner zweiten Vermählung mit der englischen Prinzessin Mathilde (1. Febr. 1168) männliche Erben erhalten hatte, erkaltete die Freundschaft zwischen beiden. H., im Besitz eines so gut wie unabhängigen Reiches in Norddeutschland, dachte vornehmlich an Stärkung seiner Hausmacht, nahm deshalb an dem Römerzug 1174 nicht teil und verweigerte seine Hilfe auch, als Friedrich nach der mißlungenen Belagerung von Alessandria im Februar 1176 auf einer persönlichen Zusammenkunft in Partenkirchen (oder Chiavenna) um bewaffneten Zuzug bat, erweiterte vielmehr seine Eroberungen in Pommern. Der Kaiser schloß nach der Niederlage von Legnano (29. Mai 1176) mit Alexander III. den Frieden von Venedig (1. Aug. 1177) und kehrte 1178 nach Deutschland zurück. Schon vorher hatte Bischof Ulrich von Halberstadt an der Spitze der sächsischen Großen den Kampf gegen H. begonnen, der alle Versöhnungsanträge des Kaisers zurückwies und den Krieg gegen seine Nachbarn mit Energie führte. Auf den zur Entscheidung seiner Sache berufenen Fürstentagen zu Worms, Magdeburg und Kayna erschien er 1179 nicht, wurde 15. Jan. 1180 zu Würzburg geächtet und 13. April d. J. auf dem Reichstag zu Gelnhausen Sachsens, 24. Juni d. J. zu Regensburg auch Bayerns verlustig erklärt; mit letzterm ward Otto von Wittelsbach belehnt. H. errang anfangs bei seinem bewaffneten Widerstand Erfolge, nahm Bischof Ulrich von Halberstadt gefangen, besiegte den Landgrafen von Thüringen bei Weißensee, und Adolf von Schauenburg schlug die Scharen des Erzbischofs von Köln bei Halrefeld. Als aber der Kaiser selbst in Sachsen einbrach, fielen die treu gebliebenen Vasallen von H. ab, und England und Dänemark ließen ihn im Stiche; auch Lübeck öffnete 1181 dem Kaiser seine Tore. Jetzt unterwarf sich H., erhielt auf dem Reichstag zu Erfurt (im November 1181) seine Allodien Braunschweig und Lüneburg zurück, mußte aber zu seinem Schwiegervater, König Heinrich II. von England, in die Verbannung gehen. 1185 erhielt er die Erlaubnis, wieder nach Deutschland zu kommen; als sich indes Friedrich 1188 zum Kreuzzug rüstete, stellte er H. die Wahl zwischen förmlichem Verzicht oder Teilnahme am Kreuzzug oder nochmaliger dreijähriger Verbannung. H. wählte das letztere, kehrte indes schon Michaelis 1189 nach Sachsen zurück und fiel über seine allen Widersacher, zunächst über Adolf von Holstein, her, eroberte dessen Land, zerstörte Bardowiek und brachte den größten Teil seines Herzogtums wieder an sich, ging jedoch nach mehreren unglücklichen Gefechten den Frieden von Fulda (im Juli 1190) ein, der ihm wenig von dem Eroberten ließ. Noch immer auf Wiederherstellung der Welfenmacht hoffend, begann er 1192 nochmals den Krieg, als Heinrichs VI. Herrschaft die Unzufriedenheit der Fürsten erregt hatte, unterwarf sich wieder 1193, um Richard Löwenherz' Freilassung zu erlangen, und starb, versöhnt mit Heinrich VI., zu Braunschweig, wo in der St. Blasiuskirche sein Grabdenkmal und auf dem Burgplatz der eherne Löwe steht, den er selbst als Symbol seiner Macht errichtet hat. Er war zuerst mit Clementia von Zähringen vermählt, von der er sich 1163 scheiden ließ, dann mit der Tochter Heinrichs II. von England, Mathilde (gest. 1189), und hinterließ drei Söhne, von denen der dritte, Ono, 1208 König wurde (s. Otto IV.). Vgl. Böttiger, H. der Löwe (Hannov. 1819); H. Prutz, H. der Löwe, Herzog von Bayern und Sachsen (Leipz. 1865); M. Philippson, Geschichte Heinrichs des Löwen (das. 1867–68, 2 Bde.).
15) H. Jasomirgott, s. unten: Österreich (46).
[Braunschweig-Wolfenbüttel.] 16) H. der jüngere, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, geb. 10. Nov. 1489, gest. 11. Juni 1568, Sohn Heinrichs des ältern und der Prinzessin Katharina von Pommern, regierte mit Ausschließung seiner Brüder seit 1514, doch erkannte sein Bruder Wilhelm erst 1535 die Erbfolge nach der Erstgeburt an. In die Hildesheimer Stiftsfehde (s. d.) verwickelt, wurde H. auf der Soltauer Heide 29. Juni 1519 geschlagen, erhielt aber durch die Gunst Karls V. 1523 zusammen mit seinem Vetter Erich fast sämtliche hildesheimische Stiftslande. Im Bauernkrieg unterstützte er den Landgrafen von Hessen und den Kurfürsten von Sachsen und nahm an der Schlacht bei Frankenhausen 15. Mai 1525 teil. 1528 stand er mit 1000 Reitern Karl V. gegen den Papst und Venedig bei; sein Heer erlag ansteckenden Seuchen, und er selbst entkam nur in Verkleidung den überall auflauernden Feinden. Ein Feind der Reformation (Luther schrieb gegen ihn die Flugschrift »Wider Hanns Worst«), beunruhigte er die evangelischen Nachbarstaaten, wurde aber von dem Kurfürsten von Sachsen und dem Landgrafen von Hessen, dem der Dichter Burkard Waldis (s. d.) mit seiner satirischen Feder zu Hilfe kam, 1542 aus seinem Lande vertrieben und bei einem Versuch, dasselbe wiederzuerobern, 21. Okt. 1545 gefangen genommen. Nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 wieder in Freiheit gesetzt, geriet er mit dem Adel in Streit und erregte durch seine Verfolgung der neuen Lehre große Erbitterung, so daß Markgraf Albrecht Alcibiades wieder in das Land einfiel. Der Beistand Moritz' von Sachsen, der in der Schlacht von Sievershausen (9. Juli 1553) fiel, befreite H., doch söhnte er sich, durch den Tod zweier Söhne in dieser Schlacht milder gestimmt, mit seinen Untertanen aus und war in seinen spätern Jahren der Lehre Luthers nicht abgeneigt. H. war mit Gräfin Maria von Württemberg, dann mit der polnischen Prinzessin Sophie vermählt. Bekannt ist er durch seine romantische Liebe zu Eva v. Trott, die er für gestorben ausgab, insgeheim aber auf der Staufenburg am Harz verborgen hielt. Vgl. Koldewey, Heinz von Wolfenbüttel (Halle 1883); Bruns, Die Vertreibung Herzog Heinrichs von Braunschweig durch den Schmalkaldischen Bund (Marburg 1889); Brandenburg, Die Gefangennahme Herzog Heinrichs von Braunschweig durch den Schmalkaldischen Bund (Leipz. 1884); Mittler, Herzog Heinrichs von Braunschweig Klagelied (Kassel 1855).
17) H. Julius, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, geb. 15. Okt. 1564, gest. 20. Juli 1613 in Prag, Sohn des Herzogs Julius, erhielt eine gelehrte Erziehung, verstand Lateinisch, Griechisch und Hebräisch, war ein ausgezeichneter Jurist und sogar ein geschickter Baumeister, verfaßte auch 1593–94 unter dem Einfluß der »englischen Komödianten« (s. d.) elf Dramen (hrsg. von Holland, Stuttg. 1855, und von Tittmann, Leipz. 1880) und ließ sie auf seiner Hofbühne in Wolfenbüttel ausführen. Das Bistum Halberstadt, dessen Bischof er seit 1566 war, verwaltete er seit 1578 vortrefflich, hielt aber, als er 1589 Herzog von Wolfenbüttel wurde, so glänzend Hof, daß er trotz heftigen Steuerdrucks tief in Schulden geriet. In folge eines Streites mit der Stadt Braunschweig 1607 an den kaiserlichen Hof nach Prag gerufen, gewann er bei Kaiser Rudolf großen Einfluß und spielte in den Streitigkeiten zwischen diesem und seinem Bruder Matthias sowie in denen zwischen Katholiken und Protestanten den erfolgreichen Vermittler. Vgl. Ludewig, H. Julius, Herzog zu Braunschweig (Helmstedt 1833).
[Champagne.] 18) Graf von Champagne, »Herrscher« von Jerusalem, geb. 1150, nahm am dritten Kreuzzug teil, zeichnete sich bei der Belagerung von Akka aus und wurde 1192 nach der Ermordung Konrads von Montserrat, dessen Witwe Isabelle er heiratete, von den Baronen zum König von Jerusalem erwählt (5. Mai). Er erlangte indes nie die wirkliche Herrschaft über das Reich, nannte sich auch niemals »König« und starb 10. Sept. 1197 infolge eines Sturzes aus dem Fenster seines Palastes. Vgl. Röhricht, Geschichte des Königreichs Jerusalem (Innsbr. 1897).
[England.] 19) H. I., König von England, geb. 1068, gest. 1. Dez. 1135, wegen seiner Gelehrsamkeit Beauclerc, »der schöne Scholar«, genannt, vierter Sohn Wilhelms des Eroberers, folgte im August 1100 seinem Bruder Wilhelm II., behauptete sich mit Hilfe des Klerus und der Angelsachsen, die er durch seine Vermählung mit der aus dem Blute der angelsächsischen Könige entsprossenen Mathilde für sich gewann, gegen seinen ältern Bruder Robert, der 1097–1100 eine Kreuzfahrt unternommen hatte. Den Investiturstreit mit dem Papst beendete er durch einen billigen Vergleich. Von ihm rührt die erste Grundlage der englischen Verfassung, die Charta libertatum, her. Seine Regierung hat die Versöhnung der unterworfenen Bevölkerung Englands mit den normannischen Eroberern angebahnt.
20) H. II., genannt Courtmantle (»Kurzmantel«, weil er die Mode kurzer Mäntel nach England brachte), König von England, geb. 5. März 1133, gest. 6. Juli 1189, Sohn des Grafen Gottfried Plantagenet von Anjou und der Mathilde, Tochter des vorigen, war nach dem Willen seines Großvaters zu dessen Nachfolger auf dem Thron ausersehen. Allein sein Vetter Stephan von Blois nahm diesen nach Heinrichs I. Tod ein und behauptete ihn gegen Mathilde. Von seinem Vater her im Besitz von Anjou, Touraine, Maine und einem Teil von Berry, durch seine Mutter von der Normandie, durch seine Vermählung mit Eleonore von Poitou (1152) von Aquitanien, Guienne, Saintonge, Poitou, Auvergne, Périgord, Limousin, also Herr des dritten Teiles von Frankreich, begann H. 1153 den Kampf gegen Stephan, der genötigt wurde, ihn als seinen Erben anzuerkennen. Demzufolge landete H., nachdem Stephan 25. Okt. 1154 gestorben war, in England und wurde 19. Dez. in London gekrönt. 1159 unternahm er einen Zug gegen den Grafen von Toulouse, ward dann in einen Krieg mit Frankreich verwickelt, den er siegreich zu Ende führte, und kehrte erst 1163 nach England zurück. Hier geriet er alsbald in einen heftigen Konflikt mit der Kirche und zwang die Prälaten, im Januar 1164 die Konstitutionen von Clarendon anzunehmen, durch welche die Beziehungen zwischen Staat und Kirche in einem für die Krone günstigen Sinne geordnet wurden. Der von H. 1162 zum Erzbischof von Canterbury erhobene Thomas Becket widersetzte sich diesen Beschlüssen und fiel deshalb bei H., dessen Günstling er früher gewesen war, in Ungnade. Er floh auf den Kontinent und wiegelte von dort aus den Papst, Frankreich und das englische Volk gegen H. auf, der sich 1170 entschloß, ihn zurückzuberufen. Da er aber nach seiner Rückkehr den gegen einige Bischöfe, die auf des Königs Seite gestanden hatten, ausgesprochenen Bann aufrecht erhielt, äußerte H. den Wunsch, von dem herrschsüchtigen Prälaten befreit zu werden, und dies veranlaßte vier Edelleute, den Erzbischof 29. Dez. 1170 in der Kathedrale zu Canterbury zu ermorden. Gerade das aber führte zu einem Siege der hierarchischen Ideen: um den Bannstrahl des Papstes abzuwenden, mußte der König seine Unschuld an dem Morde beschwören und die Konstitutionen von Clarendon mildern, worauf er 1172 absolviert wurde. 1171 schon hatte er Irland erobert. Bald darauf aber brach ein gefährlicher Aufstand gegen ihn aus. Seine Gemahlin Eleonore reizte, von dem König vernachlässigt, den Thronerben Heinrich zur Empörung, und dieser begann in Verbindung mit seinen Brüdern und dem König von Frankreich 1173 Krieg gegen den Vater. Zugleich erhob sich König Wilhelm von Schottland gegen H., und im Innern erregte der Graf Leicester einen Aufruhr. Aber der letztere wurde 16. Okt. 1173 gefangen genommen; dasselbe Schicksal hatte der schottische König 13. Juli 1174 bei Alnwick, und H. selbst stellte in Frankreich nicht weniger schnell die Ruhe her. Am 30. Sept. 1174 wurde Friede geschlossen, nachdem H. 12. Juli am Grabe des ein Jahr zuvor heilig gesprochenen Erzbischofs Buße getan hatte, um seine Versöhnung mit der Geistlichkeit vollständig zu machen. 1183 erhob sich der Kronprinz Heinrich in Verbindung mit Frankreich aufs neue gegen den Vater, starb jedoch schon 11. Juni d. J. Eine letzte Empörung der beiden jüngern Söhne Heinrichs brach 1188 aus; der Gram und Unmut darüber beschleunigte den Tod des Königs. Unter H. sind wesentliche Reformen des Gerichtswesens angebahnt und die wichtigen Institute des Geschwornengerichts, der Reiserichter (circuitcourts), des Schatzkammergerichts und des Gerichtshofs der King's Bench (s. d.) teils eingeführt, teils vervollkommt worden. Vgl. Lyttleton, History of tue life of Henry II. (Lond. 1767, 3 Bde.); Green, Henry the Second (das. 1888).
21) H. III., König von England, geb. 1. Okt. 1207, gest. 16. Nov. 1272, Enkel des vorigen, Sohn Johanns ohne Land und der Isabella von Angoulême, folgte seinem Vater 1216 auf dem Thron und stand anfangs unter Vormundschaft des Reichsmarschalls Wilhelm Grafen von Pembroke, der unter Mitwirkung des päpstlichen Legaten die rebellischen Barone unterwarf und die ins Land eingedrungenen Franzosen vertrieb. Auch nachdem der König volljährig geworden, stand er fortwährend unter der Leitung der hohen Geistlichkeit und der Verwandten seiner Gemahlin Eleonore von Provence. Die Geldforderungen, die er stellte, namentlich um seinem jüngern Sohn, Edmund, die Herrschaft über Neapel und Sizilien zu verschaffen, führten einen allgemeinen Aufstand der Barone herbei, der für die Geschichte Englands und seiner parlamentarischen Verfassung von großer Bedeutung geworden ist (s. Großbritannien, S. 392). H. wurde in diesen Kämpfen 1264 gefangen genommen, aber 4. Aug. 1265 durch die Schlacht von Evesham von seinem Sohn Eduard befreit; er regierte darauf unter Beobachtung der wichtigsten Grundsätze der Magna Charta.
22) H. IV. Bolingbroke nach seinem Geburtsort genannt, König von England, geb. 3. April 1367, gest. 20. März 1413, der erste König aus dem Hause Lancaster, Sohn Johanns von Gaunt, Herzogs von Lancaster, und Enkel Eduards III., war vorher Graf von Derby und Herzog von Hereford. Von dem argwöhnischen König Richard II. 1398 aus England verwiesen, fand H. am französischen Hofe freundliche Aufnahme, und als der König nach dem im Februar 1399 erfolgten Tode seines Vaters Lancaster dessen Güter einzog, landete er in der Grafschaft York und fand zahlreichen Anhang. Der ihm von Richard entgegengeschickte Graf von Salisbury vermochte nichts auszurichten; der König selbst fiel durch Verrat 19. Aug. in seine Hände, mußte 29. Sept. 1399 eine Entsagungsakte unterschreiben und wurde überdies von dem Parlament abgesetzt, das am 30. Sept. H. als König von England ausrufen ließ. Richard II. starb wenige Wochen darauf in Pontrefact wahrscheinlich eines gewaltsamen Todes. 1400 empörte sich in Wales Owen Glendower, der Titel und Herrschaft der alten einheimischen Fürsten beanspruchte. Ein Feldzug Heinrichs gegen ihn 1402 blieb erfolglos, und mit dem Gegner verband sich Heinrich Percy, Graf von Northumberland, ehemals Freund und Genosse Heinrichs; dessen Sohn Heinrich Percy, genannt Hotspur (»Heißsporn«), ward aber 21. Juli 1403 bei Shrewsbury geschlagen und getötet, worauf der Vater sich unterwarf. Eine zweite Empörung des alten Percy 1405 in Verbindung mit Richard Scrope, dem Erzbischof von York, endete mit der Gefangennahme und Hinrichtung des Erzbischofs im Juni 1405 und mit dem Tode des Grafen in dem Gefecht von Bramham 19. Febr. 1408, während Owen Glendower in den äußersten Norden von Wales, in die Schluchten des Snowdon, zurückgedrängt wurde. Seitdem regierte H. in Ruhe mit Klugheit, Mäßigung und Energie. Den Vorschlag des Parlaments, einen Teil der geistlichen Güter einzuziehen, wies er zurück und verschaffte sich durch grausame Verfolgung der Anhänger Wiclifs die Gunst des Klerus. Die Furcht, der usurpierten Krone wieder beraubt zu werden, verließ H. bis an sein Lebensende nicht. Shakespeare machte ihn zum Helden eines seiner Dramen. Vgl. Wylie, History of England under Henry the Fourth (Lond. 1884 bis 1898, 4 Bde.).
23) H. V., König von England, geb. 19. Aug. 1387, gest. 31. Aug. 1422, Sohn des vorigen, lebte als Kronprinz 1410–13 in London und soll in dieser Zeit nach späterer, wenn nicht ganz unwahrer, so jedenfalls stark übertreibender Überlieferung ein ausschweifendes Leben geführt haben, wurde aber nach seiner Thronbesteigung ein ausgezeichneter Regent. Durch Gnadenakte gegen den bisher seiner Thronansprüche wegen in Hast gehaltenen Grafen Edmund von March und Heinrich Percy, den Sohn des »Heißsporns«, suchte er sich populär zu machen; dem Klerus opferte er die wiclisitisch gesinnten Lollarden. Sein Hauptstreben war auf Gewinnung der Herrschaft über Frankreich gerichtet, die um so leichter schien, als dies Land damals unter dem geisteskranken Karl VI. durch Parteikämpfe zerrissen wurde und H. mit dem Herzog Johann von Burgund in enger Verbindung stand. Nach Unterdrückung einer vom Grafen Richard von Cambridge, dem Stammvater des Hauses York, angezettelten Verschwörung landete er im August 1415 in der Normandie und schlug die mit vierfach überlegenen Streitkräften gegen ihn heranrückenden Franzosen entscheidend bei Azincourt (25. Okt. 1415). Im August 1417 erstürmte er Caen und eroberte im Laufe von zwei Jahren fast die ganze Normandie; Rouen ergab sich 1419. Nach der durch den Dauphin und die Partei der Orléans angestifteten Ermordung des Herzogs von Burgund schloß sich dessen Sohn Philipp der Gute noch enger an H. an. Darauf kam es 21. Mai 1420 zu dem Vertrage von Troyes mit dem französischen Hofe, demzufolge sich H. mit Katharina, der Tochter Karls VI, vermählte und die Regentschaft über Frankreich übernahm, dessen Krone nach Ableben des Königs ihm und seinen Nachkommen aus dieser Ehe zufallen sollte. Da aber der enterbte Dauphin diesen Vertrag nicht anerkannte und, durch ein schottisches Hilfskorps unterstützt, 23. März 1421 bei Baugé die Engländer unter dem Herzog von Clarence schlug, mußte H. im Juni 1421 abermals nach Frankreich übersetzen, starb aber schon im nächsten Jahr. Seine Witwe Katharina vermählte sich zum zweitenmal mit dem wallisischen Edelmann Owen Tudor, dem Ahnherrn des Königs Heinrich VII. (s. d.). Auch H. V. ist der Held eines Dramas von Shakespeare. Vgl. Goodwin, History of the reign of Henry V. (Lond. 1704); Cole, Memorials of Henry V. (das. 1858); Church, Henry V. (das. 1889); Kingsford, Henry V. (das. 1902).
24) H. VI., König von England, geb. 6. Dez. 1421, gest. 21. Mai 1471, Sohn des vorigen und Katharinas von Frankreich, war beim Tode seines Vaters neun Monate alt. Seine Vormünder, erst der Herzog von Bedford, dann Gloucester und der Bischof von Winchester, erzogen ihn zu einer willenlosen Puppe, die in den Kämpfen zwischen der Roten und Weißen Rose (s. Großbritannien, S. 394 f.) hin und her schwankte, bis sie durch den jungen Herzog Eduard von York 1461 vom Throne gestoßen wurde. H., dessen Gemahlin Margarete, eine Tochter des Herzogs René von Anjou, vergeblich eine Armee gegen den Usurpator aufgestellt hatte, wurde 1464 gefangen genommen und nach schmachvoller Mißhandlung in den Tower gebracht. 1470 ward er noch einmal durch den Grafen Warwick befreit und wieder auf den Thron gesetzt, schon im April 1471 aber wieder gefangen genommen und im Tower ermordet. Auch H. VI. ist der Titelheld eines Shakespeareschen Dramas.
25) H. VII., König von England, geb. 28. Jan. 1457, gest. 21. April 1509, war der erste König aus dem Hause Tudor, von dem er durch seinen Vater Edmund, Grafen von Richmond, abstammte; seine Mutter Margarete Beaufort war eine Urenkelin Johanns von Gaunt, Herzogs von Lancaster, und der Katharina Swynford. Die Nachkommenschaft aus dieser Verbindung war 1397 legitimiert worden; ob ihr aber daraus ein Anrecht auf den Thron erwuchs, ist bestritten, und keinenfalls war H. durch die Ehe seines väterlichen Großvaters Owen Tudor mit der Witwe Heinrichs V. erbberechtigt. Nichtsdestoweniger galt H. als Glied des Hauses Lancaster. Nach dem Sturze dieses Hauses durch Eduard IV. ward er von seinem Oheim, dem Grafen Pembroke, nach der Bretagne gebracht. Auf ihn richteten sich nach der Usurpation des englischen Thrones durch Richard III. (s. d.) die Augen aller Gegner Richards, und durch seine Verlobung mit Elisabeth, der ältesten Tochter Eduards IV., wurden seine Ansprüche auf den Thron noch verstärkt. Von Frankreich unterstützt, landete H. mit 2000 Engländern im August 1485 zu Mitford Haven in Südwales, brachte seine Schar schnell auf 5000 Mann und schlug 22. Aug. bei Bosworth den ihm weit überlegenen König Richard, der im Kampfe blieb. H. ward darauf zum König von England proklamiert, und Volk und Adel, des Bürgerkriegs müde, waren mit seiner Erhebung zufrieden. Den letzten männlichen Sproß des Hauses York, den Grafen Eduard von Warwick, ließ H. in den Tower bringen; mit Elisabeth vermählte er sich erst nach seiner Krönung (30. Okt.), damit es nicht scheine, als ob er aus dieser Verbindung sein Recht auf die Thronfolge ableite. Lambert Simnel, den Sohn eines Orgelbauers, der, für den gefangenen Grafen Warwick ausgegeben, in Irland als wahrer Thronerbe anerkannt und von Eduards IV. Schwester, der verwitweten Herzogin Margarete von Burgund, unterstützt wurde, nahm H. nach seinem Siege bei Stoke 16. Juni 1487 über die in England gelandeten Rebellen gefangen. In den Streit des Herzogs von Bretagne mit der Krone Frankreich verwickelt, erschien er mit starker Streitmacht im Oktober 1492 vor Boulogne, schloß aber, durch ansehnliche Summen zufriedengestellt, 3. Nov. zu Etaples mit Karl VIII. Frieden. Ein neuer Prätendent gegen H. tauchte später in der Person eines gewissen Perkin Warbeck (s. d.) auf, den König Jakob IV. von Schottland als den Sohn Eduards IV. anerkannte. Doch wurde auch dieser, nachdem Jakob 30. Sept. 1497 einen siebenjährigen Waffenstillstand mit H. geschlossen hatte, gefangen genommen und 1499 hingerichtet. Mit kluger Politik benutzte H. die Ohnmacht des Adels, der aus den langen Bürgerkriegen sehr geschwächt hervorgegangen war, um unter Beibehaltung der verfassungsmäßigen Institutionen des Parlaments, der Jury, der Organe der Selbstverwaltung doch überall die königliche Macht zu stärken; ein wesentliches Mittel dazu war die Reorganisation der »Sternkammer«, eines Gerichtshofs für politische Prozesse. H. war ein guter Finanzmann, der große Schätze ansammelte und doch den materiellen Wohlstand des Volkes förderte. Er begünstigte Handel und Schiffahrt selbst mit beträchtlichen Geldopfern und unterstützte die Entdeckungsfahrten des Venezianers Caboto, der 1497 nach dem Festland von Nordamerika segelte. H. vermählte seinen ältesten Sohn, Arthur, und, als dieser 1502 starb, 1504 dessen Bruder Heinrich mit Katharina von Aragonien; durch die Ehe seiner Tochter Margarete mit Jakob IV. von Schottland kam das Anrecht auf die Krone von England an das Haus Stuart. Francis Bacon (s. d.) schrieb eine (wenig zuverlässige) »Historia regni Henrici VII.« Vgl. Campbell, Materials for a history of the reign of Henry VII. (Lond. 1873); Moberley, Early Tudors: Henry VII. Henry VIII (das. 1887); Gairdner, Henry the Seventh (das. 1889); Busch, England unter den Tudors, Bd. 1: König H. VII. (Stuttg. 1892).
26) H. VIII., König von England, geb. 27. Juni 1491, gest. 28. Jan. 1547, Sohn des vorigen, bestieg 2 t. Aprit 1509 den englischen Thron und vollzog im Juni die schon 1504 durch Vertrag geschlossene Heirat mit Katharina von Aragonien. H. war ein stattlicher Mann, mit glänzenden Gaben ausgestattet, in Gelehrsamkeit und ritterlichen Künsten gleichmäßig ausgezeichnet. Seine Regierung folgte den Impulsen, die sein persönlicher Charakter ihr gab; doch hatte anfangs der Kardinal Wolsey (s. d.) namhaften Einfluß darauf. 1512 verband sich H. mit dem Kaiser Maximilian I. gegen Ludwig XII. von Frankreich, siegte zwar 17. Aug. 1513 in der sogen. Sporenschlacht bei Guinegale, schloß aber schon im folgenden Jahre Frieden mit Frankreich und mit Ludwigs XII. Nachfolger Franz I. sogar ein Bündnis gegen Karl V. Nochmals wechselte H. die Stellung, als er 1521 auf den Rat Wolseys, der durch den Kaiser auf den päpstlichen Stuhl erhoben zu werden hoffte, eine Allianz mit Karl V. gegen Frankreich einging. Da sich aber Wolsey in seinen Aussichten auf den päpstlichen Stuhl getäuscht sah, erfolgte 1526 ein vollständiger Bruch mit dem Kaiser. Durch die gegen Luthers Buch von der babylonischen Gefangenschaft gerichtete Schrift »Adsertio septem sacramentorum« (Lond. 1521) hatte sich H. vom Papste den Titel Defensor fidei erworben, und er war infolge von Luthers 1522 erschienener Gegenschrift »Contra Henricum regem M. Lutherus« der entschiedenste Gegner des Protestantismus geworden. Bald nach eingetretenem Zerwürfnis mit dem Kaiser legte nun aber H. die Absicht an den Tag, seine Ehe mit Katharina, einer Tante des Kaisers, zu trennen, angeblich aus Gewissensbissen, da eine Ehe mit der Witwe des Bruders kirchlich verboten sei, in Wirklichkeit wegen seiner Liebe zu der schönen Anna Boleyn (s. Anna 1). Clemens VII. übertrug seinen Legaten Wolsey und Campeggio die Untersuchung über die Gültigkeit der Ehe des Königs, nahm aber, noch ehe die Sache entschieden war, infolge seiner Annäherung an Karl V. deren Vollmachten zurück. Darauf wurde der Kardinal Wolsey gestürzt, und H. ließ, nach späterer Überlieferung auf den Rat des Theologen Thomas Cranmer, durch einen englischen Gerichtshof seine Ehe mit Katharina für ungültig erklären, worauf er sich im Anfang 1533 mit Anna Boleyn vermählte. Als der Papst darauf gegen den König einschritt, beschloß H., sein Reich von der geistlichen Oberherrschaft Roms frei zu machen, und ließ sich mit Zustimmung des Parlaments zum Oberhaupt der »Anglikanischen Kirche« (s. d.) ernennen; Cranmer wurde Primas des Reiches. Aber diese Trennung vom Papsttum, an welcher der Bannfluch, den der Papst gegen H. aussprach, nichts änderte, sollte keine Lossagung vom Katholizismus bedeuten; dogmatisch blieb H. noch lange Zeit ein Gegner der protestantischen Reformation, deren Anhänger er ebenso fanatisch wie die Roms verfolgte; erst später neigte er sich ihr mehr zu. Nach dem Tode der Königin Katharina (17. Jan. 1536) machte ihm der Kaiser Anträge zur Erneuerung der frühern freundschaftlichen Beziehungen; H. zeigte jedoch wenig Neigung dazu. Um diese Zeit warf der König sein Auge auf das Hoffräulein Johanna Seymour, ließ Anna wegen angeblichen Ehebruchs hinrichten (19. Mai 1536), vermählte sich elf Tage später mit Johanna Seymour und ließ sodann durch einen Beschluß des stets von seinem Willen abhängigen Parlaments seine beiden frühern Ehen für unrechtmäßig und die daraus entsprossenen Kinder Maria und Elisabeth für illegitim erklären. Aus der Ehe mit Johanna wurde 12. Okt. 1537 ein Sohn, der spätere König Eduard VI., geboren; wenige Tage darauf starb die Königin. Inzwischen hatte eine wirklich protestantische Partei unter der Führung des Staatssekretärs Thomas Cromwell Einfluß auf den König gewonnen. Um eine Annäherung Englands an die deutschen Protestanten herbeizuführen, bestimmte Cromwell H. zu einer Vermählung mit der Prinzessin Anna von Kleve, obwohl diese ihm äußerlich wenig gefiel. Die Ehe war sehr unglücklich, und sobald H. die Gefahr, die ihm durch einen kaiserlichen Angriff 1540 gedroht, vorübergegangen glaubte, lief; er Cromwell vor dem Parlament wegen Verrats verurteilen und hinrichten; von Anna schied er sich im Juli 1540 und vermählte sich schon im selben Monat mit Katharina Howard, einer Nichte des Herzogs von Norfolk, die ihn zu einer antiprotestantischen Haltung bewog. Doch vermochte auch diese den König nicht dauernd zu fesseln, sondern ward der Untreue angeklagt und, schuldig befunden, 13. Febr. 1542 hingerichtet. Vier Monate später vermählte sich der König zum sechstenmal mit Katharina Parr, der Witwe des Lords Latimer, die ihn überlebte. Ein Krieg mit Schottland erreichte seinen Zweck, auch dort die päpstliche Macht zu stürzen, nicht; ebenso blieb ein mit dem Kaiser gegen Frankreich 1543 unternommener Krieg ohne große Ergebnisse. Durch einen Parlamentsbeschluß von 1544 wurde die Nachfolge so geordnet, daß zunächst Heinrichs Sohn Eduard und, wenn dieser ohne Leibeserben sterben sollte, die beiden früher für illegitim erklärten Prinzessinnen Maria und Elisabeth die Krone erben sollten. Vgl. Turner, History of the reign of Henry VIII. (Lond. 1826; 4. Aufl. 1835, 2 Bde.); Tytler, Life of King Henry VIII. (1827; neue Ausg., Edinb. 1861); Audin, Histoire de Henri VIII et du schisme d'Angleterre (4. Aufl., Par. 1876); Brewer, The reign of Henry VIII. from his accession to (he death of)Wolsey (das. 1884, 2 Bde.); Froude, History of England from the fall of Wolsey to the death of Elizabeth, Bd. 1–4 (neue Ausg. 1881); Gasquet, H. VIII. u. die englischen Klöster (deutsch, Mainz 1890–91, 2 Bde.); Ehses, Römische Dokumente zur Geschichte der Ehescheidung Heinrichs VIII. (Paderb. 1893); Richardson, National movement in the reign of Henry VIII. (Lond. 1897).
[Flandern.] 27) Graf von Flandern und Hennegau, geb. 1174, begleitete 1201 seinen Bruder Balduin auf dem vierten Kreuzzug, wurde, als dieser 1205 von den Bulgaren gefangen worden war, zuerst Reichsverweser, dann nach dessen Tode 1206 Kaiser in Konstantinopel und rettete das Reich vom Untergang. Er herrschte mild und versöhnlich, erwarb sich das Vertrauen der Griechen, ordnete die kirchlichen Verhältnisse und behauptete die Oberhoheit über die lateinischen Vasallenstaaten sowie über Epirus. Gegen die auswärtigen Feinde, die Bulgaren und den Kaiser Theodor Laskaris von Nicäa, kämpfte er glücklich. Er starb 1216 kinderlos.
[Frankreich.] 28) H. I., König von Frankreich, geb. 1005, gest. 1060 in Vitry, dritter Sohn des Königs Robert und Konstanzes von Toulouse, war zuerst Herzog von Burgund und folgte, nachdem er schon 1027 gekrönt und zum Mitregenten ernannt worden, 1031 seinem Vater auf dem französischen Thron. Seine Regierung ist eine fortlaufende Kette von Kämpfen gegen den Adel und die in dieser Periode sich entwickelnde Macht der Geistlichkeit. Vor seinem Tode hatte er seinen Sohn Philipp I. als Nachfolger krönen lassen. H. war seit 1051 mit Anna, Tochter des Großfürsten Jaroslaw von Rußland, vermählt.
29) H. II., König von Frankreich, geb. 31. März 1518 in St.-Germain-en-Laye, gest. 10. Juli 1559, zweiter Sohn Franz' I. und Claudias, der Tochter Ludwigs XII. von Frankreich, bestieg den Thron 31. März 1547 zu einer Zeit, wo von der Spaltung der Religionsparteien und der immer weiter um sich greifenden spanisch-österreichischen Macht dem französischen Reiche große Gefahr drohte. H. war ein schöner Mann von hoher Gestalt und regelmäßigen Zügen, aber geringer Begabung und durchaus von seinen Günstlingen, namentlich seiner Geliebten Diana von Poitiers und dem Connetable von Montmorency, abhängig. Er begann aufs neue den Krieg mit England, der im März 1550 die Rückgabe der Stadt Boulogne an die französische Krone zur Folge hatte. Am 15. Jan. 1552 schloß H. mit dem Kurfürsten Moritz von Sachsen und dessen protestantischen Bundesgenossen das Bündnis zu Chambord gegen den Kaiser, fiel im März mit 35,000 Mann in Lothringen ein und eroberte Toul und Verdun, während der Connetable Metz durch Verrat nahm. Mit weniger Glück ward seit 1552 der Krieg in Italien geführt. Erschöpft schloß H. endlich im Februar 1556 mit dem Kaiser zu Vaucelles einen fünfjährigen Waffenstillstand, brach ihn aber auf Anstiften des Papstes Paul IV. und ließ den Herzog von Guise mit 20,000 Mann zur Eroberung Neapels in Italien einrücken. Das Unternehmen scheiterte jedoch an der überlegenen Feldherrnkunft des spanischen Führers, des Herzogs von Alba. Noch unglücklicher als in Italien verlief der Krieg an der niederländischen Grenze. Der Connetable von Montmorency erlitt 10. Aug. 1557 bei St.-Quentin eine gänzliche Niederlage. Während Franz von Guise den Engländern 1558 das 2101. ihre in deren Besitz gewesene Calais entriß, vernichtete Egmont ein ganzes französisches Heer unter dem Marschall von Termes bei Gravelingen (13. Juni 1558). Allein H. und sein Gegner Philipp II. wünschten ihre Bemühungen zur Unterdrückung der Protestanten zu vereinigen. So wurde 3. April 1559 zwischen Frankreich, Spanien und England der Friede zu Cateau-Cambrésis geschlossen. H. trat für die Rückgabe von Ham, St. Quentin, Castelet und die Freilassung des bei St.-Quentin gefangenen Connetables das eroberte Piemont und überhaupt 198 feste Plätze ab. Zur Befestigung des Friedens wurde Heinrichs älteste Tochter, Elisabeth, mit Philipp II. von Spanien vermählt. H. hatte bei dieser Gelegenheit ein dreitägiges Turnier veranstaltet, bei dem er von dem Grafen Montgomery durch einen Lanzenstoß ins rechte Auge tödlich verwundet wurde. H. war seit 1533 mit Katharina von Medici vermählt, die ihm vier Söhne und drei Töchter gebar; ihm folgten nacheinander seine Söhne Franz II., Karl IX. und H. III. Vgl. dela Barre-Duparcq, Histoire de Henri II (Par. 1887); Bourciez, Les mœurs polies et la littérature de cour sous Henri II (das. 1886); de Ruble, Le traité de Cateau-Cambrésis (das. 1889).
30) H. III., König von Frankreich, geb. 19 Sept. 1551 in Fontainebleau, gest. 2. Aug. 1589, als Prinz Herzog von Anjou, dritter Sohn des vorigen und Katharinas von Medici, war nicht ohne Anlagen und erhielt unter der Leitung seiner Mut ler Katharina eine vortreffliche literarisch-künstlerische Bildung. Kaum 18 Jahre alt, übernahm er das Kommando gegen die Hugenotten, siegte 1569 bei Jarnac und Moncontour und nahm an den Greueln der Bartholomäusnacht hervorragenden Teil. 1573 wurde er zum polnischen König gewählt, verließ jedoch schon 18. Juni 1574 heimlich Polen, um den durch den Tod seines Bruders Karl IX. erledigten Thron von Frankreich einzunehmen. Hier ward er, dessen ursprünglich hervorragende Begabung durch frühzeitige Ausschweifungen völlig erschöpft worden, alsbald ein Spielball der Parteien und seiner Günstlinge (mignons). Am 15. Febr. 1575 zu Reims gekrönt, vermählte er sich am folgenden Tage mit Luise de Vaudemont aus dem Haus Lothringen. Als die Religionskriege von neuem ausbrachen, benahm sich der König unentschlossen und haltlos. Die Guisen arbeiteten unterdes im stillen an dem Wachstum ihrer Macht und brachten endlich nach dem unter der katholischen Partei allgemeinen Unwillen erregenden Friedensschluß zu Beaulieu (5. Mai 1576), in dem den Hugenotten freie Religionsübung zugestanden wurde, die berüchtigte Heilige Ligue, angeblich zur Beschützung des katholischen Glaubens, im Grund aber zum Sturz des Hauses Valois, zustande. H. erklärte sich zwar kurz darauf zum Haupte derselben und stellte gegen die Hugenotten drei Armeen ins Feld; der Sieg des Königs von Navarra bei Coutras 20. Okt. 1587 gab jedoch dem Krieg eine für die Liguisten und den Hof üble Wendung, die der Herzog von Guise dazu benutzen wollte, den König gänzlich zu verderben. Die Häupter der Ligue erregten 12. Mai 1588 in den Straßen der Stadt Paris einen Volksaufstand (Tag der Barrikaden). Der König mußte nach Chartres entfliehen und unterschrieb 19. Juli einen Vergleich, wonach dem Herzog von Guise die Würde eines Generalstatthalters, dem Kardinal von Bourbon das Recht der Thronfolge zugesichert und der Ligue das Versprechen der Ketzervertilgung gegeben ward. Allein während der Versammlung der Reichsstände zu Blois wurde 23. Dez. der Herzog von Guise im Vorzimmer des Königs ermordet, und sein Bruder, der Kardinal von Lothringen, erlitt am folgenden Tage dasselbe Schicksal im Gefängnis. Da erhoben sich Paris und andre Städte des Reiches im offenen Aufstande. H. warf sich (3. April 1589) dem König von Navarra in die Arme, ward aber dafür vom Papst in den Bann getan. Beide Könige zogen mit dem Heere der Hugenotten gegen Paris, allein im Lager zu St.-Cloud stieß ein junger fanatisierter Dominikanermönch, Jacques Clément, den König 1. Aug. 1589 nieder. Am folgenden Tage verschied H., nachdem er den König von Navarra zum Thronerben eingesetzt. Mit ihm erlosch das Haus Valois im Mannesstamm. Vgl. Marquis Eman. de Noailles, Henri de Valois et la Pologne en 1572 (Par. 1867, 3 Bde.); dela Barre-Duparcq, Histoire de Henri III (das. 1882); Robiquet, Paris et la Ligue sous le règne de Henri III (das. 1887); Lady Jackson, The last of the Valois and the accession of Henry of Navarra (Lond. 1888).
31) H. IV., König von Frankreich, geb. 13. Dez. 1553 in Pau, gest. 14. Mai 1610, der erste König aus dem Hause Bourbon, Sohn Antons von Bourbon und der Johanna d'Albret, Tochter und Erbin Heinrichs von Navarra und Béarn. Er wurde im protestantischen Glauben erzogen, dem seine Mutter und sein Oheim, Prinz Condé, mit Eifer anhingen. Trotz des Unterrichts durch gelehrte und würdige Männer lernte H. wenig, und der wiederholte Aufenthalt am Pariser Hof gab früh seinem lebhaften, scharfen Geist eine frivole und ironische Richtung. Der Tod seines Vaters vor Rouen 1562 und der Ausbruch des zweiten Religionskriegs (1567) machten ihn zum nominellen und nach dem Tode Condés bei Jarnac (13. März 1569) zum wirklichen Oberhaupt der Hugenotten. Nach dem Frieden von St.-Germain (1570) mußte er sich mit Karls IX. Schwester Margarete vermählen und durch diese Heirat die Aussöhnung besiegeln. Sechs Tage danach, 24. Aug. 1572, fand das furchtbare Gemetzel statt, das unter dem Namen der Bluthochzeit oder Bartholomäusnacht bekannt ist. Dem Tode konnte sich H. nur durch den Besuch der Messe entziehen; aber bei der ersten Gelegenheit (3. Febr. 1576) entfloh er aus Paris und stellte sich an die Spitze der Hugenotten, deren Glauben er auch wieder annahm, die er aber, selbst ohne tieferes religiöses Gefühl, nur als eine politische Partei betrachtete und zur Erlangung einer einflußreichen Stellung ausnutzte. Als der Tod Franz' von Anjou (10. Juni 1584) H. zum legitimen Thronerben machte und die katholische Ligue, von Papst Sixtus V. und Philipp II. von Spanien unterstützt, Heinrichs Oheim, den altersschwachen Kardinal von Bourbon, als Thronfolger proklamierte, brach 1585 ein neuer Krieg aus, in dem H. die ganze Spannkraft seines Geistes, seine glänzenden militärischen und politischen Fähigkeiten bewies. Am 20. Okt. 1587 schlug er das königliche Heer bei Coutras. Eine entscheidende Wendung trat dann ein, als Heinrich III. nach der Empörung von Paris und der Ermordung Heinrichs von Guise (23. Dez. 1588) in sein Lager flüchtete und beim Zuge gegen die aufrührerische Hauptstadt 1. Aug. 1589 ermordet wurde. Nun war H. nach dem Salischen Gesetz König von Frankreich, der erste der Bourbonen; indessen die Behauptung des Thrones war schwierig. Die Ligue, von allen eifrigen Katholiken unterstützt, und Paris blieben unversöhnliche Gegner und wurden von Spanien mit Geld und Truppen versehen. Indes erlitten sie 14. März 1590 durch H. bei Ivry eine furchtbare Niederlage. H. begann nun die Belagerung von Paris, jedoch dies wie nachher Rouen wurden von spanischen Heeren unter dem Herzog von Parma entsetzt. Mayenne wagte es, für Januar 1593 die Generalstände des Reiches behufs einer neuen Königswahl nach Paris zu berufen. Ehe es aber zu dieser kam, gewann H. durch seinen abermaligen Übertritt zur katholischen Religion (in St.-Denis 23. Juli 1593) die Schwankenden für sich, beugte durch dies bei seinem religiösen Indifferentismus leichte Opfer einer dauernden Spaltung Frankreichs vor und ermöglichte die Herstellung des Friedens. Sogleich fielen ihm die meisten noch rebellischen Provinzen und Städte zu; am 27. Febr. 1594 wurde er in Chartres gekrönt, und 22. März öffnete ihm Paris die Tore. Zwar brach 1595 offener Krieg mit Spanien aus: indes sprach Papst Clemens VIII. 15. Sept. 1595 den König von allen kirchlichen Strafen los, 1596 unterwarfen sich die Liga und ihr Haupt Mayenne zu Folembray, und 2. Mai 1598 schloß auch Philipp II. von Spanien zu Vervins einen für H nicht ungünstigen Frieden. Das Edikt von Nantes (13. April 1598) aber sicherte den frühern Glaubensgenossen Heinrichs ihre Gleichstellung mit den Katholiken und war die erste Betätigung der Gewissensfreiheit in Europa.
Einen kurzen Krieg mit Savoyen um Saluzzo (1600), in dem H. die Provinz Bresse erwarb, und einige Aufruhrversuche abgerechnet, hatte der König nun zwölf Jahre Ruhe, die er zur Reorganisation des durch die Bürgerkriege arg zerrütteten Reiches verwendete. Rastlos arbeitete er daran, dabei durch klaren, raschen Blick, gutes Gedächtnis und vortrefflich gewählte Räte unterstützt. Zunächst galt es, die Autorität der Staatsgewalt wiederherzustellen und ein starkes Königtum zu errichten. Er erhielt die katholische Kirche in ihrer Abhängigkeit von der königlichen Gewalt, entzog dem Adel das Recht, Truppen zu halten, vernichtete die Macht der Gouverneure der Provinzen und beseitigte die munizipale Selbständigkeit; die Generalstände wurden nie zusammenberufen, die Provinzialstände in enge Schranken gewiesen. Die Finanzen verwaltete Maximilian von Béthune, Marquis von Rosny und Herzog von Sully, so gut, daß die auf 350 Mill. Livres angeschwollene Schuldenlast um 125 Mill. verringert, trotz Verminderung der direkten Steuern um 4 Mill. die Staatseinnahme auf jährlich 39 Mill. mit 18 Mill. Überschuß gesteigert und ein Schatz von 41 Mill. angesammelt wurde. Verkehrsstraßen wurden angelegt, das Kleingewerbe von vielen Schranken befreit, die Großindustrie, namentlich die Seidenmanufaktur, in Aufschwung gebracht; Ackerbau und Viehzucht blühten auf; in Kanada wurde 1608 die erste Kolonie zu Quebec gegründet. Der Wohlstand hob sich rasch, die Bevölkerung stieg bis 1610 von 10 auf 13 Mill. Auch Künste und Wissenschaften förderte H. Sein Hauptaugenmerk richtete er aber auf die auswärtige Politik. Sein Ziel in derselben war die Schwächung der habsburgischen Macht (der H. zugeschriebene Plan einer europäischen Republik ist Erfindung Sullys), die, obwohl namentlich in Spanien innerlich morsch, doch noch Mittel- und Südeuropa beherrschte. Im jülich-klevischen Erbfolgestreit stellte er sich auf die Seite der Feinde des Kaisers, der Possedierenden Fürsten von Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg, schloß eine Allianz mit Savoyen, und der Ausbruch des Krieges gegen die Habsburger sollte 1610 zu gleicher Zeit in Italien, in Navarra und am Rhein erfolgen. Am 17. Mai wollte der König zur Hauptarmee nach Chalons abreisen, 13. Mai fand in St.-Denis die Krönung der Königin Maria von Medici statt, die Regentin sein sollte; aber 14. Mai wurde H., als er in Paris in offenem Wagen durch eine enge, versperrte Straße fuhr, von Franz Ravaillac erdolcht. Heinrichs Tod wendete vom Haus Habsburg eine große Gefahr ab; die Geschicke Europas nahmen einen andern Lauf. – H. war kein sittlich reiner Charakter. Er war nicht rachgierig, aber im höchsten Grad undankbar, und zügellose Sinnlichkeit beherrschte ihn bis zu seinem Too. Unter seinen zahlreichen Geliebten sind Gabrielle d'Estrées, von der die Herzoge von Vendôme abstammen, und Henriette d'Entragues zu nennen. Hoch zu schätzen ist H. als Feldherr und Staatsmann, und Frankreich hat von ihm in fast allen Beziehungen die Richtung vorgezeichnet erhalten, in der es sich im 17. und 18. Jahrh. bewegte und zu glänzenden Erfolgen gelangte. H. war von mittlerer Statur, sehnigem Körperbau, nicht schönen, aber charakteristischen Gesichtszügen. Von seiner zweiten Gemahlin, Maria von Medici, mit der er sich 1600 nach der Trennung der Ehe mit Margarete von Valois vermählte, hinterließ er drei Töchter und zwei Söhne, deren ältester, Ludwig XIII., sein Nachfolger wurde. Vgl. Péréfixe, Histoire de Henri IV (1661; neue Ausg. von Andrieux, Par. 1822); Poirson, Histoire du règne de Henri IV (3. Aufl. 1865, 4 Bde.); Lescure, Henri IV 1553–1610 (1873); Lacombe, Henri IV et sa politique (3. Aufl. 1878); M. Philippson, König H. IV. von Frankreich (im »Neuen Plutarch«, Bd. 1, Leipz. 1874); De la Barre-Dubarcq, Histoire de Henri IV (1884); Lady Jackson, The first of the Bourbons (Lond. 1890, 2 Bde.); Jung, Henri IV considéré comme écrivain (1855); Guadet, Henri IV, sa vie, son œuvre, ses écrits (1879); Zeller, Henri IV et Marie de Médicis (1878); Rott, Henri IV, les Suisses et la Haute Italie (1882); Philippson, H. IV. und Philipp III. Die Begründung des französischen Übergewichts in Europa 1598 bis 1610 (Berl. 1870–73, 3 Bde.); Anquez, Henri IV et l'Allemagne (Par. 1887); Fagniez, L'économie sociale de la France sous Henri IV (das. 1897).
32) H. V., bei den französischen Legitimisten Name des Grafen von Chambord, s. Chambord.
[Haïti.] 33) H. I., Kaiser von Haïti, s. Christophe.
[Hessen.] 34) H. I., das Kind, erster Landgraf von Hessen, geb. 24. Juni 1244, gest. 21. Dez. 1308, war der Sohn Heinrichs I. von Brabant und Sophies, der Tochter des Landgrafen Ludwig des Heiligen von Thüringen und der heil. Elisabeth. Seine Mutter kämpfte nach Heinrich Raspes, des letzten Landgrafen von Thüringen, Tode (1247) als seine nächste Erbin mit Heinrich dem Erlauchten von Meißen um Raspes Erbe, konnte aber durch den Vertrag von 1265 für H., bis dahin »das Kind von Brabant« genannt, nur Hessen erlangen. H. schlug seinen Sitz in Kassel auf, säuberte das Land von Raubrittern und schützte es gegen die Anmaßungen des Erzbischofs von Mainz, griff auch in die zerrütteten Verhältnisse seines väterlichen Erbes Brabant tatkräftig ein und unterstützte König Rudolf I. in dem Kriege gegen Ottokar von Böhmen. 1292 erhielt er vom König Adolf Boyneburg und Eschwege und die Belehnung mit Hessen als erblichem Reichsfürstentum und ist der Begründer des hessischen Fürstenhauses.
35) H., Prinz von Hessen und bei Rhein, geb. 28. Nov. 1838 in Bessungen bei Darmstadt, gest. 16. Sept. 1900 in München, zweiter Sohn des Prinzen Karl von Hessen und der preußischen Prinzessin Elisabeth, jüngerer Bruder des spätern Großherzogs Ludwig IV., unter der Leitung des spätern Generals Adolf v. Grolman ausgebildet, seit 1854 Leutnant im 1. Hessischen Infanterieregiment, studierte 1856–57 in Göttingen und Gießen, trat 1859 als Hauptmann in preußische Dienste, wurde 1861 Major und nahm am dänischen Feldzug 1864 im Hauptquartier teil. Seit 1866 Oberstleutnant beim Königshusarenregiment, machte er den Krieg von 1866 bei der Elbarmee mit, zeichnete sich als Oberst und Kommandeur des 2. Garde-Ulanenregiments im deutsch-französischen Kriege 1870/71 aus, erhielt am Ende des Feldzugs das Kommando einer Kavalleriebrigade, wurde 1873 Generalmajor, 1879 Kommandeur der 25. (hessischen) Division, Generalleutnant, 1886 General der Kavallerie und 1887 zur Disposition gestellt und lebte seit 1892 in München. Er war zweimal morganatisch vermählt: 1878–79 mit Karoline Willich, genannt v. Pöllnitz, die zur Freifrau zu Nidda erhoben wurde, seit 189216 mit der Sängerin Emilie Hrzik v. Tobulska aus Agram, die den Titel Freifrau v. Dornberg erhielt.
[Kärnten.] 36) Herzog von Kärnten, aus dem görz-tirolischen Haus, kämpfte 1298 für Albrecht I. bei Göllheim, ward 1307 nach dem Erlöschen der Przemysliden und dem Tode des Habsburgers Rudolf zum König von Böhmen erwählt, wurde aber 1310 entsetzt und zog sich nach seinen Stammlanden Kärnten und Tirol zurück; doch übte er noch bei der Königswahl seines Neffen Friedrich des Schönen von Österreich (1314) sein titulares Wahlrecht als Kurfürst aus und entsagte der böhmischen Krone erst 1324 zugunsten Johanns von Luxemburg. Er starb 2. April 1335 auf Schloß Tirol. Seine Tochter war Margarete Maultasch.
[Kastilien.] 37) H. I., König von Kastilien, Sohns Alfons' VIII., geb. 1203, folgte seinem Vater 1214 unter Vormundschaft des Grafen von Lara, wurde aber 1217 von einem fallenden Dachziegel getötet.
38) H. II., de la Merced, Graf von Trastamara, König von Kastilien, geb. 1333, gest. 29. Mai 1379, natürlicher Sohn Alfons' XI. und der Eleonora de Guzman, mußte, als Peter der Grausame den Thron bestiegen hatte, nach Portugal entfliehen. Peters Grausamkeit und Willkür hatten dem Prinzen bald eine große Partei verschafft, und schon 1354 erhob er die Fahne des Aufruhrs, mußte aber 1356 nach der Einnahme von Toro flüchten. 1365 und 1366 drang er, unterstützt von französischen Truppen unter Bertrand Duguesclin (s. d.), in Kastilien ein, eroberte fast das ganze Reich, wurde aber 1367 bei Najera vom Schwarzen Prinzen, der Peter zu Hilfe gekommen, vollständig geschlagen. Ein zweiter, wiederum mit Duguesclin unternommener Einfall endete dagegen mit dem Siege bei Montiel (14. März 1369). Peter wurde von H. eigenhändig ermordet. H. ergriff darauf die Zügel der Regierung, wies die Anmaßungen des Königs Ferdinand von Portugal siegreich zurück und stellte die Ruhe vollkommen her.
39) H. III., der Kränkliche, König von Kastilien, Enkel des vorigen, geb. 1379 in Burgos, gest. 25. Dez. 1406, erhielt als der erste Thronfolger 1388 den Titel »Prinz von Asturien«, folgte seinem Vater Johann I. 1390 unter Vormundschaft eines Regierungsrates, erklärte sich aber, da dessen Ränke allgemeine Verwirrung herbeizuführen drohten, 14 Jahre alt, 1393 mit Zustimmung der Stände für majorenn. Durch Klugheit und überraschende Energie wußte er die Mißvergnügten zu beschwichtigen und auch ohne Krieg das Ansehen des Reiches gegen die Portugiesen, die afrikanischen Seeräuber und die Mauren in Granada zu wahren.
40) H. IV., der Ohnmächtige, König von Kastilien, geb. 1423, gest. 12. Dez. 1474, Enkel des vorigen, folgte seinem Vater Johann II. 1454. Er war ein ausschweifender, entnervter Fürst. Als ihm seine zweite Gemahlin, Johanna von Portugal, 1462 eine Tochter gebar, wurde deren Legitimität angezweifelt und ihr nach dem Liebhaber der Königin, Beltran de la Cueva, der Name »Beltraneja« beigelegt. Dies benutzte der unzufriedene Adel als Vorwand zu einem Aufstand und erhob 1465 den elfjährigen Bruder Heinrichs, Alfons, auf den Thron. Nach einem mehrjährigen Bürgerkrieg und nach Alfons' Tod erkannte H. seine Schwester Isabella im Vertrag von Toro (5. Sept. 1468) als Thronerbin an. Sein Günstling, der Marques von Villena, veranlaßte ihn noch einmal, sich gegen Isabella zu erklären; allein der Adel nötigte H., sich mit ihr zu Segovia zu versöhnen. Er war der letzte männliche Sproß des Hauses Trastamara.
[Mecklenburg.] 41) H. V., Herzog von Mecklenburg, geb. 3. Mai 1479, gest. 6. Febr. 1552, ältester Sohn des Herzogs Magnus und seiner Gemahlin Sophie von Pommern, lebte am Hofe des Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Kulmbach, trat in den Dienst des Kaisers Maximilian und blieb in diesem Verhältnis bis zu seinem Regierungsantritt 20. Nov. 1503. Wenn H. auch nicht alleiniger Herrscher war und lange mit seinem Bruder Albrecht (gest. 1547), der eine Landesteilung begehrte, im Zwist lag, so führte er doch tatsächlich die Regierung. Obwohl die Macht der Stände wuchs, verstand H. seine Landeshoheit durchzusetzen und zwar nicht zum wenigsten durch die friedliche allmähliche Einführung der Reformation, die ihm der Umstand erleichterte, daß sein siebenjähriger Sohn Magnus 1516 Bischof von Schwerin geworden war. Ohne lutherisch zu werden, ließ H. seit 1524 alles geschehen, was die Reformation fördern konnte, trat allerdings 1526 dem Torgauer Bund bei, beobachtete aber seit 1527 eine seinem Lande vorteilhafte politische Neutralitätspolitik, trat persönlich 1533 offen zum Luthertum über, ließ seiner Verbreitung freien Lauf, begann aber erst 1537, ein landesherrliches Kirchenregiment einzurichten. Die landesgesetzliche Anerkennung des evangelischen Bekenntnisses erfolgte erst in der Kundgebung vom 20. Juni 1549, die als Antwort auf das Augsburger Interim erging. Vgl. Schnell, H. V., der Friedfertige, Herzog von Mecklenburg (Halle 1902).
42) H. Wladimir Albrecht Ernst, Herzog, s. unten: Niederlande (45).
[Meißen.] 43) H. III., der Erlauchte, Markgraf von Meißen, geb. 1216, gest. vor dem 8. Febr. 1288, Dietrichs des Bedrängten und Juttas von Thüringen jüngster Sohn, folgte seinem Vater 1221 unter Vormundschaft seines Oheims, des Landgrafen Ludwig des Frommen von Thüringen, nach dessen Tode 1227 unter der Herzog Albrechts von Sachsen. Schon 1230 für mündig erklärt und 1234 mit Konstanze, der Tochter des Herzogs Leopold von Österreich, vermählt, beteiligte er sich 1237 an dem Kreuzzug gegen die Preußen, geriet bald mit den Markgrafen von Brandenburg in Fehde und stand auf der Seite des Kaisers gegen den Papst. Zum Dank dafür erteilte ihm Friedrich II. 1242 eine Eventualbelehnung mit Thüringen und der Pfalz Sachsen und verlobte 1243 seine Tochter Margarete mit Heinrichs Sohn Albrecht; erst nach Konrads IV. Abzug aus Deutschland erkannte H. dessen Gegenkönig Wilhelm von Holland an. Sein Recht auf Thüringen konnte er nach Heinrich Raspes Tode 1247 nur mit dem Schwerte behaupten. Nach langwierigem Kriege trat er Hessen an Heinrich, das Kind von Brabant (s. Heinrich 34), ab und behielt Thüringen, das er seinem Sohn Albrecht gab, und die Pfalz Sachsen. Diese Erwerbungen vergrößerten den wettinischen Länderbesitz, der jetzt von der Oder bis zur Werra, vom Erzgebirge bis zum Harz reichte, wesentlich. Häusliche Zwistigkeiten, hervorgerufen durch die Unwürdigkeit seines Sohnes Albrecht, trübten seine spätern Jahre (s. Albrecht 14). H. war ein tapferer, edler, gerechter, kunstsinniger, freigebiger und prachtliebender Fürst, zählt auch zu den Minnesingern. Er war in zweiter Ehe vermählt mit Agnes von Böhmen, in dritter mit der Ministerialin Elisabeth v. Maltitz, die ihm Friedrich den Kleinen und Hermann gebar. Vgl. Tittmann, Geschichte Heinrichs des Erlauchten (Leipz. 1845–46, 2 Bde.); Bartsch, Die Lieder des Markgrafen Heinrich (in den »Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Meißen«, Bd. 1, 1886); J. A. v. Wagner, H. der Erlauchte, Markgraf von Meißen (Bautzen 1898).
[Niederlande.] 44) Wilhelm Friedrich H., Prinz der Niederlande, geb. 13. Juni 1820 in Soestdijk als zweiter Sohn des Königs Wilhelm II, gest. 13. Jan. 1879 in Luxemburg, trat als Offizier in die Marine und ward nach seines Vaters Tode 1849 von seinem Bruder Wilhelm III. zum Statthalter des Großherzogtums Luxemburg ernannt. Er hob die Dampfschiffahrt nach Indien und Amerika und war in Luxemburg sehr beliebt. Auch war er Admiralleutnant der niederländischen Flotte. Am 19. Mai 1853 vermählte er sich mit der Prinzessin Amalie von Weimar (geb. 20. Mai 1830, gest. 1. Mai 1872), Tochter des Herzogs Bernhard von Weimar; die Ehe blieb kinderlos. Zum zweitenmal (24. Aug. 1878) mit der Prinzessin Maria von Preußen (geb. 14. Sept. 1855), ältesten Tochter des Prinzen Friedrich Karl, verheiratet, starb er bald, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Vgl. Arendt, H., Prinz der Niederlande (Luxemb. 1879).
45) H. Wladimir Albrecht Ernst, Prinz der Niederlande, Herzog von Mecklenburg-Schwerin, geb. 19. April 1876 in Schwerin, jüngster Sohn des 1883 verstorbenen Großherzogs Friedrich Franz II. aus dessen dritter Ehe mit der Prinzessin Marie von Schwarzburg-Rudolstadt, besuchte seit 1888 das Vitzthumsche Gymnasium in Dresden, darauf die Kriegsschule in Metz, unternahm 1894 eine längere Reise nach Asien und Amerika, trat dann in das preußische Heer u. wurde Oberleutnant im Gardejägerbataillon. Am 16. Okt. 1900 verlobte er sich mit der Königin Wilhelmine der Niederlande, ward vor seiner Vermählung (7. Febr. 1901) Generalmajor der niederländischen und indischen Armee, Admiral der niederländischen Flotte sowie Prinz der Niederlande und Mitglied des Staatsrats. Kaiser Wilhelm beförderte ihn zum Generalmajor in der preußischen Armee, der Herzog-Regent von Mecklenburg-Schwerin zum mecklenburgischen Generalmajor.
[Österreich.] 46) H. II. Jasomirgott (der Beiname stammt erst aus dem 13. Jahrh.), Markgraf und Herzog von Österreich, geb. 1114, gest. 13. Jan. 1177, Sohn Leopolds III. und Agnes', Tochter König Heinrichs IV., wurde 1141 nach dem Tode seines ältern Bruders, Leopold IV., Markgraf, erhielt 1142 von König Konrad III. das Herzogtum Bayern und heiratete Heinrichs des Löwen verwitwete Mutter Gertrud, die aber schon im folgenden Jahre starb. Der Kampf mit den Welfen entbrannte von neuem und währte bis 1146; 1147 entstanden Streitigkeiten mit dem ungarischen König Geisa. Im Gefolge des Kaisers machte H. den zweiten Kreuzzug mit und vermählte sich auf der Rückfahrt in Konstantinopel 8. Sept. 1148 mit der byzantinischen Prinzessin Theodora. König Friedrich Rotbart nahm ihm Bayern wieder ab, entschädigte ihn aber auf dem Reichstag zu Regensburg 8. Sept. 1156 durch Erhebung Österreichs zum Herzogtum und Verleihung besonderer Freiheiten (privilegium Fridericianum minus). 1158 beteiligte sich H. an der Heerfahrt König Friedrichs nach Italien und machte auch die Belagerung Mailands mit. Infolge des kirchlichen Schismas trübte sich das Verhältnis zwischen Kaiser und Herzog, und schließlich bewog der Kaiser die przemyslidischen Fürsten 1175 zum Einfall in Österreich, wobei sie von Ungarn und Polen unterstützt wurden. Mitten in diesen Kriegsstürmen starb H. in Wien infolge eines Sturzes vom Pferde. Wie die Lostrennung Österreichs von Bayern sein Werk war, so war er auch der Begründer Wiens als fürstlicher Residenz; aus seiner Zeit stammt der älteste Teil (Westseite) der Stephanskirche; auch brachte er 1155 die Schotten nach Wien, in deren Klosterhof und an deren äußern Kirchenwand sich Denkmäler von ihm befinden.
[Portugal.] 47) H. der Seefahrer (Dom Henrique el Navegador), Infant von Portugal, jüngster Sohn des Königs Johann I., geb. 4. März 1394 in Oporto, gest. 13. Nov. 1460 in Sagres, zeichnete sich zuerst bei der Eroberung von Ceuta (1415) durch Tapferkeit aus. Zum Großmeister des Christusordens ernannt, wollte er durch Entdeckungen im nordwestlichen Afrika den Umfang der maurischen Herrschaft erkunden und nachforschen, ob er nicht im Innern des Erdteils christliche Herrscher finde. Er errichtete deshalb in Sagres (Algarve) die erste Sternwarte Portugals, ein Seearsenal und eine Kosmographenschule. Auch rüstete er fast alljährlich Schiffe aus, welche die Westküste Afrikas erforschen sollten. So wurde 1418 Porto Santo, 1419 Madeira entdeckt, Inseln, die Johanns I. Nachfolger Eduard (Duarte) 1433 seinem Bruder H. schenkte; 1434 drangen Gil Eanes und Gonçalez über das Kap Bojador vor, 1441 wurde das Kap Blanco, 1443 die Bai von Arguin, 1445 durch Diniz Dias das Kap Verde und 1455 die Kapverdischen Inseln entdeckt, endlich das fruchtbare Senegambien gefunden und das Vorurteil zerstört, daß die heiße Zone unbewohnbar sei. Die von H. veranstalteten Seereisen nach Westen führten 1447 zur Auffindung der Azoren. Er hat die Portugiesen mit der edlen Leidenschaft für kühne Seeunternehmungen erfüllt und den Grund zu der großartigen Entwickelung seines Volkes gelegt. Anfangs durch Vorurteil und Engherzigkeit vielfach behindert, genoß er zuletzt allgemeine Verehrung. Sein Wahlspruch war: »Talent de bien faire«. Vgl. De Veer, Prinz H. der Seefahrer und seine Zeit (Königsb. 1864); Major, Life of prince Henry of Portugal, surnamed the Navigator (Lond. 1868) und Discoveries of prince Henry the Navigator and their results (das. 1877); Beazley, Prince Henry the Navigator (das. 1895).
[Preußen.] 48) Friedrich H. Ludwig, Prinz von Preußen, geb. 18. Jan. 1726 in Berlin, gest. 3. Aug. 1802, gewöhnlich Prinz H. genannt, dritter Sohn Friedrich Wilhelms I., Bruder Friedrichs II., ward, wie dieser, streng erzogen. Erst 16 Jahre alt, wohnte er 1742 als Oberst und Adjutant des Königs dem Feldzug in Mähren bei und machte die Schlachten von Caslau (1742), im zweiten Schlesischen Krieg die von Hohenfriedeberg und Soor (1745) mit. Seit 25. Juni 1752 mit der Prinzessin Wilhelmine von Hessen-Kassel vermählt, erhielt er vom König das Schloß Rheinsberg und einen neugebauten Palast in Berlin, doch begannen bald die durch Heinrichs allzu große Empfindlichkeit und verschiedene politische Anschauung (H. war ganz Franzose) hervorgerufenen Mißverständnisse zwischen ihm und dem König. Im Anfang des Siebenjährigen Krieges befehligte er unter dem König eine Brigade, deckte 1758 an der Spitze der zweiten Armee von 25,000 Mann die Südgrenzen des preußischen Staates gegen eine Übermacht, drang 1759 in Böhmen ein, zerstörte die Magazine der Österreicher und brachte der Reichsarmee in Franken empfindliche Verluste bei. In die Mark Brandenburg gerufen, hielt er nach den Niederlagen bei Kai 23. Juli und Kunersdorf 12. Aug. durch geschickte Manöver das österreichische und russische Heer so lange in Untätigkeit, bis sein Bruder den erlittenen Verlust ersetzt hatte. 1760 bot er mit 35,000 Mann den Russen die Spitze und entsetzte Breslau, doch sah er sich im Feldzug von 1761 ganz auf die Verteidigung beschränkt. Von Anfang des Krieges an mit der nach seiner Meinung allzu genialen, d. h. tollkühnen Kriegführung seines Bruders unzufrieden, stand er an der Spitze einer weitverbreiteten Opposition im Offizierkorps und fügte sich oft nur ungern. Es kam daher wiederholt zu Mißhelligkeiten, und 1762 forderte H., durch Vorwürfe Friedrichs gekränkt, seine Entlassung. Mit Mühe versöhnte ihn der König. Durch den Sieg bei Freiberg 29. Okt. 1762 führte H. das Ende des Krieges herbei, und Friedrich II. bezeichnete ihn mit seiner Ironie als den einzigen General, der im ganzen Kriege keinen Fehler gemacht habe. Nach dem Frieden lebte H. wieder zu Rheinsberg den Wissenschaften und Künsten, ging 1770 in Angelegenheiten Polens nach Petersburg, rückte im Bayrischen Erbfolgekrieg 1778, den H. übrigens durchaus nicht billigte, mit 90,000 Mann in Sachsen und nach der Vereinigung mit dem Kurfürsten von Sachsen in Böhmen ein, mußte sich aber aus Mangel an Lebensmitteln wieder zurückziehen. 1784 unterhandelte er in Paris vergeblich wegen eines Bündnisses gegen die Vergrößerungspläne Österreichs, übte auch unter Friedrich Wilhelm II. auf die Leitung der auswärtigen Politik, z. B. den Abschluß des Baseler Friedens (1795), großen Einfluß aus. H., ein kleiner steifer Herr mit häßlichem Gesicht, starb in Rheinsberg, wo er einen kleinen Hof hielt und allen von Friedrich II. verkannten oder mit Undank belohnten Offizieren des Siebenjährigen Krieges ein Denkmal errichtet hat. Er liegt im dortigen Park begraben unter einer Pyramide, die mit einer von ihm selbst verfaßten merkwürdigen Grabschrift versehen ist. Seit 1889 führt das brandenburgische Füsilierregiment Nr. 35 seinen Namen. Vgl. Bouillé, Vie privée, politique et militaire du prince Henri de Prusse (Par. 1809); Schmitt, Prinz H. von Preußen als Feldherr im Siebenjährigen Kriege (Greifsw. 1885–97, 2 Bde.); Krauel, Prinz H. von Preußen in Paris während der Jahre 1784 und 1788–89 (Berl. 1901) und Prinz H. von Preußen als Politiker (das. 1902); »Briefwechsel zwischen Prinz H. von Preußen und Katharina II. von Rußland«, hrsg. von Krauel (das. 1903). Seine militärische Korrespondenz enthält Schöning, Der Siebenjährige Krieg (Potsd. 1851, 3 Bde.).
49) H. Friedrich Karl, Prinz von Preußen, geb. 30. Dez. 1781, gest. 12. Juli 1846 in Rom, war der dritte Sohn Friedrich Wilhelms II., befehligte 1806 bei Auerstädt eine Infanteriebrigade, war 1813 im Hauptquartier Wittgensteins, wurde nach dem Frieden Großmeister des Johanniterordens, war aber kränklich und verbittert und siedelte 1819 auf immer nach Rom über, wo er die letzten 20 Jahre sein Zimmer nicht mehr verließ, aber sich lebhaft mit Kunst und Literatur beschäftigte. Seit 1845 war Moltke sein Adjutant, der auch seine Leiche nach der Heimat brachte. Daß er in Rom katholisch geworden sei, ist unbegründet.
50) Albert Wilhelm H., Prinz von Preußen, geb. 14. Aug. 1862 in Potsdam, zweiter Sohn des nachmaligen Kaisers Friedrich III. (s. d., S. 118), besuchte 1875–77 das Gymnasium zu Kassel und widmete sich dem Seedienst. Mit der Korvette »Prinz Adalbert« unternahm er 1878–80 seine erste Weltreise, wurde 1887 Korvettenkapitän, 1889 Kapitän zur See und Oberst à la suite des 1. Garderegiments zu Fuß, 1896 Konteradmiral und 1897 Kommandant des großen Kreuzers Deutschland, mit dem er 16. Dez. nach Ostasien abging. 1898 mit dem Oberkommando des Kreuzergeschwaders in Ostasien beauftragt und seit Dezember 1899 Vizeadmiral, kehrte er im Februar 1900 zurück, wurde 10. Sept. 1901 Admiral der deutschen Flotte (daraufhin auch von England und Österreich) und 21. Sept. 1903 Chef der Marinestation der Ostsee. Im Frühjahr 1902 besuchte er im Auftrage seines kaiserlichen Bruders unter großen Ehrungen die Vereinigten Staaten. Seit 24. Mai 1888 ist H. mit Prinzessin Irene von Hessen, Tochter des Großherzogs Ludwig IV., vermählt, die ihm drei Söhne (der älteste geb. 20. März 1889; der jüngste geb. 9. Jan. 1900, gest. 26. Febr. 1904) schenkte. Sein gewöhnlicher Wohnsitz ist das Schloß zu Kiel, seit 1900 ist er Doktor-Ingenieur honoris causa der Technischen Hochschule zu Charlottenburg. Vgl. Langguth, Prinz H. von Preußen (Halle 1891).
[Reuß.] 51) H. Posthumus, Burggraf von Gera, aus dem Hause Reuß, geb. 10. Juni 1572 nach seines Vaters, Heinrichs des jüngern, Tode, gest. 3. Dez. 1635, erhielt eine vortreffliche Erziehung, studierte in Jena und Straßburg und übernahm 1595 die Regierung seines Landes, das er zu dem jetzigen Umfang von Reuß jüngerer Linie erweiterte. Er verwaltete das Land vortrefflich, gründete gute Schulen und sorgte für eine gewissenhafte Rechtspflege. Bei den Kaisern stand er in hohem Ansehen. In Gera ist ihm ein Standbild errichtet.
52) H. VI. Reuß, Graf und Herr von Plauen, sächs. General, geb. 7. Aug. 1649, gest. 11. Okt. 1697, Sohn des regierenden Grafen Heinrich des ältern und Sybille Magdalene, geborne Burggräfin von Kirchberg, nahm seit 1669 nacheinander brandenburgische, münsterische, spanische und holländische Dienste und w. ir 1677 Geheimrat und Landeshauptmann im Dienste des Markgrafen von Bayreuth, b. s ihn 1679 Kurfürst Johann Georg III. von Sachsen zum Obersten eines neuerrichteten Dragonerregiments machte, mit dem er sich als Generalmajor beim Entsatze von Wien auszeichnete. Im Reichskrieg gegen Ludwig XIV. ward H. vor Mainz, das Marquis d'Uxelles mit 10,000 Franzosen verteidigte, zweimal verwundet und danach zum Generalfeldmarschall-Leutnant befördert. Joh. tun Georgs III. (gest. 1691) Nachfolger fesselte H. ebenfalls und benutzte im zu geheimen Missionen an König Wilhelm III. von England, Prinzen von Oranien, und den Kurfürsten von Bayern. Von Kurfürst Friedrich August I., dem Starken, zum Generalfeldzeugmeister befördert, befehligte H. 1694 das sächsische Kontingent am Rhein und kreuzte, eine Hauptschlacht vermeidend, durch geschickte Truppenbewegungen die feindlichen Absichten, führte 1695/96 die Sachsen gegen die Türken und wurde bei Zenta so verwundet, daß er, eben erst zum Generalfeldmarschall befördert, an den Folgen starb. Entgegen der Anschauung seiner Zeit verwarf H. die gewaltsamen Werbungen, suchte die Disziplin unter Vermeidung der üblichen barbarischen Strafen auf die Ehre zu gründen und kam darum besonders mit dem Generalfeldmarschall v. Schöning in Konflikt, nach dessen Tode (1696) er das Oberkommando über die ganze sächsische Armee erhielt. Seit 1681 auch Landesherr in seinem kleinen Staate, sorgte er auch aus der Ferne treu für Land und Volk. Vgl. »Gespräche im Reiche derer Toten«, 64. Entrevue (Leipz. 1723); B. Schmidt, Graf H. VI. Reuß ä. L., der Held von Zenta (Greiz 1897).
53) H. XXII., Fürst von Reuß älterer Linie, geb. 26. März 1846, gest. 19. April 1902, Sohn des Fürsten Heinrich XX. und der Prinzessin Karoline von Hessen-Homburg, folgte 8. Nov. 1859 seinem Vater in der Regierung und stand bis 28. März 1867 unter Vormundschaft seiner Mutter. Als H. die Regierung selbständig übernahm, gab er seinem bis dahin absolut. regierten Land eine Verfassung und sorgte treu für die Verwaltung seines schuldenfreien Landes. Aber mit seiner Stellung als Bundesfürst vermochte er sich nicht auszusöhnen, pochte auf seine Souveränitätsrechte und benutzte jede Gelegenheit, um eine dem preußischen Königshaus und dem Deutschen Reiche feindliche Gesinnung an den Tag zu legen; unter den deshalb erfolgenden Angriffen, namentlich des »Kladderadatsch«, hatte H. viel zu leiden. H. war seit 8. O't. 1872 mit der Prinzessin Ida von Schaumburg-Lippe (geb. 28. Juli 1852, gest. 28. Sept. 1891) vermählt. Da der Erbprinz Heinrich XXIV. (geb. 20. März 1878) regierungsunfähig ist, mußte an seiner Stelle eine Regentschaft eingesetzt werden, die dem nächsten volljährigen und regierungsfähigen Agnaten des fürstlichen Gesamthauses zusteht, in diesem Falle dem regierenden Fürsten von Reuß jüngerer Linie, Heinrich XIV. (s. unten 54), der sofort nach Erlangung der Regierung alle reichsfeindlichen Einrichtungen und höhern Beamten beseitigte und im Falle des Ablebens des Erbprinzen die beiden Fürstentümer Reuß unter seiner Herrschaft vereinigen wird. H. hatte fünf Töchter: Prinzessin Emma, geb. 1881, vermählt 1903 mit dem österr. Oberleutnant Graken Künigl; Marie, geb. 1882, vermählt 1904 mit dem österr. Leutnant Freiherrn Ferdinand von Gnagnoni; Karoline, geb. 13. Juli 1884, seit 30. April 1903 vermählt mit Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar; Hermine, geb. 1887, und Ida, geb. 1891.
54) H. XIV., Fürst von Reuß jüngerer Linie, geb. 28. Mai 1832, Sohn des Fürsten Heinrich LXVII. und der Prinzessin Adelheid von Reuß-Ebersdorf, folgte seinem Vater 11. Juli 1867 in der Regierung. bewahrte sich im Gegensatz zur ältern Linie als reichstreu und übernahm nach des Vetters Tode 1902 die Regentschaft für den regierungsunfähigen Erbprinzen. Er war seit 6. Febr. 1858 mit der Herzog in Agnes von Württemberg (gest. 9. Juli 1886) vermählt. Der Erbprinz Heinrich XXVII., geb. 10. Nov. 1858, ist seit Januar 1903 preußischer Generalmajor.
[Sardinien.] 55) König von Sardinien, s. Enzio.
[Schlesien.] 56) H. II., Herzog von Schlesien und Polen, Sohn Herzog Heinrichs I. und der heil. Hedwig von Meran (s. Hedwig 2), folgte 1238 seinem Vater, förderte unter dem Einfluß seiner frommen Gemahlin, Anna von Böhmen, die kirchlichen Gründungen und die Germanisierung seines Landes, wurde aber in seinem segensreichen Wirken durch den Einfall der Mongolen unter Batu 1241 unterbrochen. Zuerst in Liegnitz belagert, fand H. 9. April 1241 bei Wahlstatt an der Katzbach in der für ihn unglücklichen Schlacht den Tod. Doch veranlaßte sein heldenmütiger Widerstand die Mongolen zur Umkehr. H. wurde in Breslau beigesetzt.
[Thüringen.] 57) H. Raspe IV., Landgraf von Thüringen, zweiter Sohn Hermanns I. und Sophiens von Bayern, vertrieb nach dem Tode seines ältern Bruders, Ludwigs des Frommen (gest. 1227), dessen Gemahlin, die heil. Elisabeth, samt ihren Kindern von der Wartburg und übernahm die Landgrafschaft Thüringen nebst der Pfalzgrafschaft Sachsen, anfangs in Vormundschaft seines Neffen Hermann II., nach dessen Tode 1241 in eignem Namen. H. unterstützte die Böhmen gegen die Mongolen, ward 1242 Reichsverweser für Konrad, den Sohn Kaiser Friedrichs II., schloß sich aber bald der päpstlichen Partei an und ward von dieser nach Friedrichs II. Absetzung auf dem Konzil zu Lyon (1245) 22. Mai 1246 in Veitshochheim bei Würzburg zum Gegenkönig erwählt. Da seine Wahl größtenteils von geistlichen Fürsten ausgegangen war, hieß er spottweise der »Pfaffenkönig«. Mit päpstlichen Geldern sammelte er ein Heer und schlug König Konrad 5. Aug. 1246 bei Frankfurt, erkrankte aber während der Belagerung von Ulm und starb auf der Wartburg 17. Febr. 1247. Mit ihm erlosch der Mannesstamm des thüringischen Landgrafengeschlechts. Um sein reiches Erbe erhob sich der thüringische Erbfolgestreit (s. Thüringen).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.