Papst [1]

Papst [1]

Papst (v. griech. pappas, lat. papa, Vater), Titel des Bischofs in Rom als des Oberhauptes der römisch-katholischen Kirche (s. Primat). Nach der römisch-katholischen Auffassung von Matth. 16,17–19, Luk. 22,31 u. 32, Joh. 21,15–17 hat Christus seinem Jünger Petrus eine vorzügliche Gewalt vor den andern Aposteln und über dieselben in seiner Kirche verliehen. Der hiermit geschaffene Primat, d.h. die oberste priesterliche (Schlüssel-) Gewalt, die oberste Lehrgewalt und die oberste Leitung der gesamten Kirche sind dann nach dem Tode des Petrus, den die römische Kirche als Gründer des Bistums Rom betrachtet, auf den jedesmaligen Bischof von Rom, als Nachfolger Petri, übergegangen. Indes ist diese Begründung des römischen Primats erst später aufgekommen. In Wirklichkeit verdankt der Primat seine allmähliche Entstehung den Umständen, unter denen sich die christliche Kirche in dem Römerreich ausbreitete, und der Stellung, die Rom und seine Bischöfe dabei einzunehmen durch örtliche und zeitliche Verhältnisse veranlaßt und befähigt wurden. Roms alter Ruhm und seine überwiegende Weltstellung gingen auf die in Rom frühzeitig entstandene Christengemeinde über, und hierzu gesellten sich noch neue, kirchengeschichtlich bedingte Vorzüge. Die Gemeinde in Rom war im Abendland die einzige, die sich apostolischen Ursprungs und darum auch des Besitzes der allein wahren Lehrüberlieferung rühmen konnte. Der Apostel Paulus hatte an sie geschrieben, sie besucht, in ihrer Mitte den Tod gefunden, und mindestens seit dem 2. Jahrh. bestand die Überlieferung, daß auch das Haupt der zwölf Apostel, Petrus, den Grund des römischen Christentums gelegt habe. Frühzeitig waren daher die Blicke aller abendländischen Kirchen vorzugsweise auf Rom gerichtet, und von dorther entnahmen die Gemeinden in Italien, Gallien, Spanien, Britannien, Afrika etc. die Normen ihres eignen Verhaltens um so lieber, als gerade von Rom aus besonders viel für Verbreitung des Christentums im Westen und Norden geschah. Dazu kam, daß in den ersten christlichen Jahrhunderten viele durch glänzende Talente und politischen Scharfblick ausgezeichnete Männer den römischen Stuhl innehatten. Der Gedanke der Herrschaft über die gesamte Kirche ward von ihnen früh erfaßt und weise und konsequent verfolgt. Was einer von ihnen an Gütern, Ehren oder Rechten erwarb, vermehrte das Erbe des heil. Petrus und gab dem Nachfolger die Mittel zu weiterm Erwerb. Endlich begünstigten die politischen sowie die kirchlichen Zerwürfnisse im spätern Römerreich die Erhöhung Roms. Die morgenländischen Prälaten waren untereinander durch Eifersucht und Jahrhunderte währenden Ketzerstreit entzweit. In solchen Fehden gab der römische Bischof als mächtiger Verbündeter oder als Schiedsrichter oft die Entscheidung.

Die Geschichte des Papsttums läßt sich in acht Perioden zerlegen. Die erste Periode umfaßt die drei ersten Jahrhunderte der Kirche. Weder die Namen noch die Angaben über die Regierungszeiten der ältesten römischen Bischöfe sind sicher verbürgt, wie denn überhaupt eine monarchische Organisation der römischen Kirche vor der ersten Hälfte des 2. Jahrh. historisch nicht angenommen werden kann. Erst von Sixtus I. (Xystus) an gilt die Sukzession als sicher Die Papstkataloge gehen von dem angeblichen Pontifikat des Apostels Petrus aus, schwanken in dei Reihenfolge der drei Namen Linus, Anacletus (oder Cletus) und Clemens I. und zählen dann folgendermaßen weiter:

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Vgl. hierüber Lipsius, Chronologie der römischen Bischöfe (Kiel 1869); Duchesne, Le liber pontificalis (Bd. 1, Par. 1886); Harnack, Geschichte der altchristlichen Literatur; 2. Teil: Die Chronologie. Bd. 1 (Leipz. 1897); Mommsen, Gestorum ponti ficum Romanorum, vol. I: Liber pontificalis (in den »Monumenta Germaniae historica«, Berl. 1898) Im ganzen windet sich die Geschichte der römischen Bischöfe mühsam durch diese Jahrhunderte des Druckes in des erhoben doch einige unter ihnen, wie namentlich Viktor 1., schon jetzt mit mehr oder minder Glück Ansprüche auf einen kirchlichen Primat, und die über ragende Bedeutung Roms ward schon von Irenäus im Abendland bezeugt.

Die zweite Periode umfaßt die drei Jahrhunderte von Silvester I. bis Gregor I. mit folgenden Päpsten:

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Die beiden bedeutendsten Päpste in dieser Reihe sind Leo I. und Gregor I., die beide um der Sicherheit willen, mit der sie ihre Auffassung von der welt beherrschenden Stellung Roms in die Wirklichkeit um zusetzen verstanden, den Beinamen »der Große« er halten haben. In dem Titel Pontifex maximus oder Summus pontifex, den beide führten, kam das Bewußtsein, das heidnische Rom beerbt zu haben, zu deutlichem Ausdruck. Der Titel papa, den in der griechischen Kirche alle Priester, in der abendländischen in älterer Zeit und noch im 6. Jahrh. alle Bischöfe führten, wird allmählich ausschließliche Bezeichnung der Päpste. Ebenso werden auch die früher gleichfalls allgemeiner angewandten Bezeichnungen »apostolischer Herr«, »apostolischer Sitz« u. dgl. allmählich auf Rom beschränkt. Überhaupt ist diese Periode die Zeit der weitern Durchbildung der hierarchischen Ideen und ihrer praktischen Verwirklichung in einem großen Teil des Römerreichs und bei mehreren germanischen Völkern. Wie der Übertritt des kaiserlichen Weltbeherrschers zur christlichen Kirche, so kam auch die gleichzeitige Verlegung der kaiserlichen Residenz nach Konstantinopel dem römischen Bischof zustatten, indem sie ihn aus der dem Aufblühen seiner Macht nicht günstigen Atmosphäre der Hofluft befreite. Rom blieb doch in den Augen der Völker die erste Stadt der Welk und das Oberhaupt seiner Kirche demnach der erste Bischof der Christenheit, wenngleich die Konzile von Konstantinopel (381) und Chalcedon (451) den Patriarchen von Konstantinopel dem römischen unmittelbar zur Seite stellten. Allerdings blieben die römischen Bischöfe trotz mancher Privilegien, womit sie von den ersten christlichen Kaisern ausgestattet wurden, durchaus deren Untertanen. Aber es bezeichnete einen Fortschritt in der kirchlichen Machtstellung der römischen Bischöfe, daß dem P. Julius I. und damit dem römischen Stuhl überhaupt auf dem Konzil zu Sardica 342 (343) das Recht zugesprochen wurde, bei Appellationen verurteilter Bischöfe als Revisionsinstanz zu fungieren. Bald war das Urteil des römischen Bischofs auch in Glaubensstreitigkeiten kaum mehr zu umgehen. Unter ihnen finden wir wenig spekulative Köpfe oder hervorragende Gelehrte; desto mehr praktischen Takt und strenge Konsequenz besaßen sie. Rom stellte keine Theorien auf, sondern hielt sich an das Bewährte, Sichere; was auf einer allgemeinen Synode entschieden war, das war für Rom fast ausnahmslos Glaubensnorm, und es hatte daher fast immer den Ruhm der Rechtgläubigkeit für sich. Nur einmal geriet dieser Ruhm ins Wanken, als der wegen seiner Opposition gegen den Arianismus von Konstantius verbannte P. Liberius unter kaiserlichem Druck das Sirmische Glaubensbekenntnis (s. d.) unterschrieb. Bei dem Eindringen der germanischen Stämme wußte der römische Bischof das ganze Gewicht geltend zu machen, wodurch jemals geistliche Würde der geringern Kultur imponiert hat. Attilas Abzug von Rom, der Überlieferung nach durch Leos d. Gr. Zureden bewirkt, galt bald als Wunderbeweis für die päpstliche Macht. Den Goten gegenüber schloß sich das italienische Volk nur noch enger an den einheimischen Machthaber an, der am sichersten gegen die fremden, dazu arianischen Eroberer Schutz verhieß. Eine Einbuße an Ansehen erlitt aber der römische Stuhl infolge der Unterwerfung Italiens unter die oströmische Herrschaft durch Belisar, so daß seit Ende des 6. Jahrh. der P. seiner politischen Bedeutung nach in der Tat nur Untertan des griechischen Kaisers und Untergebener seines Stellvertreters, des Exarchen zu Ravenna, war. Mehr als einmal haben byzantinische Kaiser über römische Bischöfe Gericht gehalten, Absetzungsurteile, Verbannungen und andre Strafen ausgesprochen. Trotzdem blieb man im Abendland daran gewöhnt, daß Rom den ersten Rang in Anspruch nahm; schon ein Dekret Valentinians III. vom Jahre 445 hatte den Anordnungen des Papstes in kirchlichen Angelegenheiten Gesetzeskraft verliehen. Ließ sich der unbedingte Primat auch noch lange nicht überall durchführen, erhoben namentlich auch die wichtigsten der abendländischen Bischofssitze, wie Mailand, Ravenna, Aquileja, von Zeit zu Zeit gegen die Einmischung des Papstes in ihre Angelegenheiten Protest, so überzeugte man sich doch immer allgemeiner davon, daß, wenn die Kirche eine Einheit bilden solle, das sie repräsentierende Oberhaupt in Rom residieren müsse (s. Hierarchie). Manche Einzelheiten der Praxis verraten, zu welcher Bedeutsamkeit der apostolische Stuhl in dieser Periode nach und nach gelangte. So drückt die Anstellung von Vikaren des römischen Bischofs in entlegenen Ländern die Idee aus, daß dort, wohin das päpstliche Auge selbst nicht blicken könne, ein Vertreter dafür gehalten werden müsse. Ebenso wurde es jetzt schon als notwendig angesehen, das bischöfliche Pallium von Rom zu holen.

Die dritte Periode reicht vom Anfang des 7. bis in die Mitte des 9. Jahrh. oder von Gregor I. bis auf Nikolaus I. Die Päpste dieser Periode sind:

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Immer fester begründete Rom seine Hierarchie unter den germanischen Stämmen. Die fränkischen Könige zwar behaupteten lange Zeit auch in kirchlichen Dingen große Selbständigkeit, dasselbe war in Spanien zur Blütezeit des Westgotenreiches der Fall. England dagegen war durch seinen Apostel Augustinus (s. d. 2) in möglichst enge Beziehung zu dem römischen Stuhl gebracht, und Bonifatius, der Apostel der Deutschen, hatte dem römischen Stuhl den Eid der Treue geleistet und, vom P. zum Vikar des päpstlichen Stuhles ernannt, die Kirche des fränkischen Reiches der päpstlichen Hoheit unterworfen und eng an Rom gefesselt. Gleichzeitig gab der Bilderstreit (s. Bilderdienst und Bilderverehrung) den Anlaß zur Trennung der Päpste von den byzantinischen Kaisern. Das Exarchat fiel zwar zunächst in die Gewalt der Langobarden, aber eben gegen diese ging nun das Papsttum einen dauernden Bund mit den Karolingern in Frankreich ein. So geschah es, daß Pippin seine Thronbesteigung durch Stephan II. sanktionieren, sich selbst von ihm salben ließ und ihn dafür von dem Andrang der Langobarden befreite. Dabei wurden durch die später von Karl d. Gr. bestätigte Schenkung Pippins Rom und sein Gebiet sowie der Exarchat von Ravenna und die Pentapolis dem P. verliehen; die Grundlage zur weltlichen Herrschaft des Bischofs von Rom war gelegt (s. Kirchenstaat). Freilich verblieb die Oberherrschaft über diese Gebiete dem König, und auch Karl d. Gr., der von Leo III. zum Kaiser gekrönt wurde, betrachtete und behandelte den P. nur als einen, wenn auch als den ersten Bischof seines Reiches. Aber schon unter Ludwig dem Frommen erschien Gregor IV., den Lothar I. nach seiner Erhebung mit über die Alpen geführt hatte, gleichsam als der Schiedsrichter im Streite des kaiserlichen Hauses; sein Nachfolger Leo IV. trat in Italien als der berufene Verteidiger des Reiches gegen die Sarazenen auf; und unter dessen Nachfolger Benedikt III. begann die päpstliche Kanzlei in den Briefen der Päpste den Namen des Absenders dem des Adressaten, welchen Standes er auch sein mochte, voranzustellen. Erstreckte sich die Gewalt des Papstes auch nur auf Sachen des Dogmas, der kirchlichen Disziplin und des religiösen Zeremoniells, da der Kaiser das eigentliche Kirchenregiment selbst übte, Bischöfe ernannte, Synoden berief, kirchliche Gesetze bestätigte und durch Aufnahme in die Kapitularien zu Reichsrecht erhob: so erschien doch bereits der römische Bischof als der erste Mann im Reiche nächst dem Kaiser. Bei ihren Eingriffen in die dogmatischen Streitigkeiten des Morgenlandes hatten die Päpste nicht immer eine glückliche Hand. Honorius I. wurde, weil er dem Monotheletismus das Wort geredet hatte, lange nach seinem Tode durch das sechste ökumenische Konzil und den P. Agatho mit dem Anathem belegt.

Die vierte Periode begreift die Zeit von der Mitte des 9. bis zum letzten Viertel des 11. Jahrh. oder von Nikolaus I. bis Gregor VII. mit folgenden Päpsten:

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Waren schon seit etwa 500 eine Reihe von einflußreichen Fälschungen zur Verherrlichung des Papsttums vorgenommen worden, so gewann jetzt das Papsttum eine neue und zwar weitaus die mächtigste Stütze durch die in Frankreich entstandenen, angeblich von einem gewissen Isidorus Mercator verfaßten Dekretalen (s. Pseudo-Isidorus). Viele der neuen Dekretalen gingen durch ihre Aufnahme in die Rechtsbücher der Kirche allmählich in das gemeine Recht über und wurden die wichtigste Grundlage für das papale System. Keine Kritik enthüllte die ungeheure Täuschung; und die Päpste nahmen an, was ihnen das Zeitalter bot. Nikolaus I. vertrat die Ansprüche des römischen Primats in ihrem vollen Umfang und mit fester Überzeugung. Er zwang den König Lothar II. von Lothringen, seine verstoßene Gemahlin wieder anzunehmen, bot, unter Berufung auf die falschen Dekretalen, dem ganzen französischen Klerus unter seinem Führer Hinkmar von Reims die Spitze, kassierte die von einer französischen Synode vollzogene Absetzung des Bischofs Rothad von Soissons und setzte seinerseits die Erzbischöfe von Köln und Trier ab. Auch gegenüber dem konstantinopolitanischen Patriarchen (s. Photios) machte er die Ansprüche des römischen Stuhles nachdrücklich gelten d. Seine Nachfolger vermochten zwar diese Machtstellung nicht zu behaupten, doch gab die Schwäche der letzten Karolinger der päpstlichen Politik eine treffliche Gelegenheit, bei allen wichtigern Angelegenheiten ihren Einfluß geltend zu machen. Diese Schwäche hatte freilich auch die Folge, daß in Italien, ja in Rom selbst, Bürgerkriege ausbrachen, in denen der P. mehrmals das Geschick der besiegten Partei teilen mußte. Römische Adelsfamilien, an ihrer Spitze Theodora und Marozia, konnten es versuchen, das Papsttum ganz zu einer nationalen Macht und zu einem weltlichen Besitztum umzugestalten. Mit Sergius III. begann die Zeit der sogen. Pornokratie (s. d.), der erst das Einschreiten der deutschen Kaiser ein Ende machte; aber jetzt ruhte die Hand der Ottonen schwer auf den Italienern. Die völlige Unterordnung der päpstlichen unter die Kaisergewalt war am entschiedensten um die Mitte des 11. Jahrh. ausgeprägt. Aber die Kaiser befreiten zugleich das Papsttum von der Herrschaft des römischen Adels und stellten seine moralische Autorität wieder her. Heinrich III. selbst beseitigte 1046 drei rivalisierende Päpste und setzte fromme, der kirchlichen Reformpartei angehörende Männer, von denen Leo IX. der bedeutendste war, in die päpstliche Würde ein. Daher nahm das Papsttum im 11. Jahrh. gleichzeitig mit der Zunahme des durch die Bestrebungen der Cluniacenser wachgerufenen streng religiösen Eifers in der Christenheit einen mächtigen Aufschwung. Die Pseudo-Isidorischen Dekretalen kamen jetzt zu vollster Geltung, und der P. erntete für die Handhabung der ihm darin übertragenen Macht den Dank der Mitwelt. Überall war er der Unterstützung des Volkes gewiß, wenn er unwürdige Geistliche absetzte und auf Synoden frei schaltete, um kirchliche Mißbräuche abzustellen. Bald konnte es das so erstarkte Papsttum unternehmen, die Schwäche der deutschen Reichsregierung nach dem Tode Heinrichs III. zu benutzen, um seine Unabhängigkeit von der weltlichen Gewalt des Staates zu erstreben. Einen wichtigen Schritt auf diesem Wege bedeutete das von Nikolaus II. auf Betrieb des Kardinals Humbert von Selva Candida, aber wohl auch Hildebrands, des spätern Gregors VII., 1059 erlassene Dekret über die Papstwahl. Es räumte den allein entscheidenden Einfluß auf die Wahl dem Kardinalkollegium ein, brach dadurch den Einfluß, den das römische Volk und der Adel bisher geübt hatten, und schränkte die Rechte, die dem Kaiser zustanden, bis zur Bedeutungslosigkeit ein. Kurz vorher, unter Leo IX., hatte der alte Streit mit dem Nebenbuhler in Konstantin op el endgültig zum Schisma zwischen dem Orient und dem Okzident geführt (s. Griechische Kirche); allein Rom verlor dadurch keine Provinz, in der es bis dahin Rechte von Belang ausgeübt hatte.

Die fünfte Periode reicht vom letzten Viertel des 11. bis zum Anfang des 14. Jahrh, d.h. von Gregor VII. bis zur Verlegung des päpstlichen Stuhls nach Avignon. Sie zeigt uns das Papsttum auf dem Gipfel seiner Macht und seines Glanzes. Die Päpste dieser Periode sind:

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Die Idee, die sich Gregor VII. vom Papsttum gebildet hatte und die in vieler Beziehung schon von Pseudo-Isidor ausgesprochen worden war, hat eine doppelte Seite, eine politische und kirchliche. Alle frühern Verherrlicher des Papsttums wollten den römischen Bischof nur zum Primas der Kirche erheben; nach Gregors Willen aber sollte er als Repräsentant Gottes auf der Erde erscheinen, von dem nicht bloß die kirchlichen, sondern auch die weltlichen Gewalten abhängen, dem nicht bloß die bischöfliche Autorität, sondern auch die Majestät der Könige untergeben sei. Es ist die Idee einer alles umfassenden Theokratie, an deren Spitze der P. steht, gleichsam eines großen Lehnsverbandes, der allen kirchlichen und weltlichen Besitz umschließt, und dieser Idee gemäß handelten Gregor VII. und seine Nachfolger, wenn sie Fürsten bannten und absetzten, über Kronen verfügten und Länder verschenkten. Den ersten Schritt zum Kampf gegen die weltliche Macht tat Gregor in der Aufnahme des Investiturstreites (s. Investitur). Es handelte sich um die Beseitigung des Rechtes der Landesherren, vor allen des Kaisers, die Bischöfe und die Äbte der Reichsklöster einzusetzen und zu belehnen, wobei der Umstand, daß die Belehnung der erstern mit den kirchlichen Symbolen von Ring und Stab vollzogen wurde, der strengern kirchlichen Richtung besonders anstößig erschien. Das Wormser Konkordat von 1122, das Calixtus II. mit Heinrich V. abschloß, bedeutete in dem langen Kampf zwar einen großen Erfolg, aber noch keinen vollständigen Sieg. Diesen errang erst im Beginn des 13. Jahrh. Innozenz III., seit dessen Zeit der Einfluß der Krone auf die Besetzung der geistlichen Ämter im Reich so gut wie völlig aufgehoben war. Der zweite Hauptzweck, die Unterwerfung des geistlichen Standes und aller kirchlichen Autoritäten unter die Alleingewalt des Papstes, wurde bereits von Gregor VII. im Prinzip erreicht. Die Geistlichkeit wurde durch den Glaubenseid, durch den Zölibat etc. von allem Verband mit Staat und Familie abgelöst und zu einem großen Heer von päpstlichen Beamten umgewandelt. Von ihrer Unterwürfigkeit legten alle Kirchenbeamten gleich bei ihrer Einführung Zeugnis ab: die Erzbischöfe holten in Rom das Pallium, die Bischöfe erhielten von Rom ihre Konfirmation, und während ihrer Amtsführung ward ihnen das Untertänigkeitsverhältnis dadurch stets ins Gedächtnis zurückgerufen, daß alle einzelnen Rechte des Bischofs und Erzbischofs auch vom P. in ihrem Sprengel ausgeübt wurden, er sich als Ordinarius, sie aber als Delegierte hinstellte. Sein Gesetzgebungsrecht wurde innerhalb der Kirche souverän und unumschränkt; es war lediglich eine Konsequenz dieser Anschauung, wenn in der Folge auch die alleinige Befugnis zur Dispensation von den kirchlichen Normen dem P. zugesprochen wurde, so daß alle andern kirchlichen Gewalten sie nur kraft päpstlicher Vollmacht ausüben konnten. Ebenso unumschränkt wurde innerhalb der gesamten Kirche das Straf- und Begnadigungsrecht des Papstes: während er nach Gregor VII. der höchste Richter aller Geistlichen und Laien war, sollte er selbst von niemand auf Erden zur Rechenschaft gezogen werden können: er war nicht bloß der Nachfolger Petri, sondern der Stellvertreter Christi auf Erden. Die päpstliche Universalmonarchie, wie sie in weiterer Entwickelung der Ideen Gregors VII. im 12. und 13. Jahrh. ausgebildet wurde, fand ihre Hauptträger und Vertreter nach Gregor in Hadrian IV. und Alexander III. zu Friedrichs I. Zeit, dann in dem größten aller Päpste, dem ersten wirklichen Souverän des Kirchenstaates, Innozenz III., nach ihm in Gregor IX. und Innozenz IV., den hartnäckigen Gegnern Friedrichs II., endlich in Bonifatius VIII., der die Grundsätze der Hierarchie in ihrer äußersten Konsequenz aussprach, aber einem überlegenen Gegner, König Philipp IV. von Frankreich, unterlag. Die Kaiser hatten sich beugen müssen; England, Polen, Ungarn, Bulgarien, Aragonien, Sizilien waren als dem päpstlichen Stuhl zinspflichtige Königreiche in Anspruch genommen; hätten die Kreuzzüge, an sich schon ein Erweis päpstlicher Macht über die Gemüter, Erfolg gehabt, so wäre auch der Orient tributpflichtig geworden. Die Könige der Erde nannten sich Söhne des Papstes und waren bei den schlechten Verfassungsverhältnissen ihrer Länder, bei der Furcht der Völker vor dem Interdikt, bei der Empörungslust der Vasallen gegen Könige, deren Recht und Macht fraglich zu werden anfing, in vielen Beziehungen von Gunst und Wohlwollen der Päpste abhängig. Doch erwarb sich in diesen Zeiten das Papsttum auch hohe Verdienste um Schlichtung von fürstlichen Streitigkeiten durch ausgedehnten Schutz der Untertanen und ihrer Rechte genen Willkür und Tyranei.

Die sechste Periode reicht von der Verlegung des päpstlichen Stuhls nach Avignon unter Clemens V. 1309 bis zur Reformation. Die Päpste dieser Periode sind:

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Clemens V. war durch den Einfluß der französischen Krone zum P. erhoben worden. Unter ihm und seinen Nachfolgern sah sich die päpstliche Macht in den Dienst der der französischen Politik gestellt und wurde von ihr vielfach als Werkzeug der Eifersucht, die Frankreich gegen Deutschland nährte, gemißbraucht. Zugleich sank die Achtung vor dem Papsttum und sein moralisches Ansehen durch die deutlicher hervortretende Tendenz der römischen Kurie, ihre weitgehenden Rechte zu finanziellen Zwecken auszunutzen, wozu die infolge der Entfernung aus Italien eingetretene Minderung der Einkünfte aus dem Kirchenstaat und die kostspielige Hofhaltung nötigten und das Streben nach irdischem Reichtum reizte. Bald ertönten in der ganzen Christenheit die Klagen über die Käuflichkeit von Pfründen und Benefizien, Absolutionen und Dispensen, Privilegien und Urteilen am päpstlichen Hof, über die ungeheuern Lasten, die das Papsttum unter immer neuen Vorwänden durch Steuern und Taxen, Annaten und Zehnten, Reservationen und Spolien der Welt auferlegte. Vermehrt wurden diese Übelstände und Erpressungen, als beim Beginn des päpstlichen Schismas 1378 die Haushaltungen verdoppelt wurden. Das Schisma entstand, als nach dem Tode Gregors XI., der von Avignon nach Rom zurückgekehrt war, sein Nachfolger Urban VI. durch seine rücksichtslose Strenge gegen die Entartung der hohen kirchlichen Würdenträger und den Einfluß der Franzosen im Kardinalskollegium die Mehrzahl der Kardinäle zum Abfall reizte. Diese wählten Clemens VII., der wieder nach Avignon ging, während Urban in Italien blieb. Das Abendland zerfiel so in zwei Hälften, und auch nach dem Tode der Rivalen war an keine Vereinigung zu denken; denn sofort beeilte sich jede Kardinalpartei, durch die Wahl eines Nachfolgers ihre Stellung zu sichern. So kam es, daß 40 Jahre lang kein allgemein anerkannter P. zu finden war, und ebensolange vernahm man die Bannflüche des einen Papstes gegen den andern. Gleichzeitig konsolidierten sich die Staatsgewalten, besonders in Frankreich, immer selbstbewußter, und zugleich stieg die Autorität der weltlichen Wissenschaften. Eine Krise nahte; man rief nach »Reform an Haupt und Gliedern«, und bald fand man, nach dem Vorgang der Universität Paris, nur in einem allgemeinen Konzil die Möglichkeit der Rettung (s. Episkopalsystem und Konzil). Zwar zu Pisa, wo man 1409 einen neuen P. in der Person Alexanders V. einsetzte, ehe die allgemein ersehnte Reform der Kirche in Angriff genommen war, gewann man, da auch die abgesetzten Päpste nicht von ihren Posten wichen, nur statt zweier hinfort drei Oberhäupter. Diese drei Päpste wurden sodann in Konstanz beseitigt, zwei durch Absetzung, der dritte durch Resignation; auch ward der Grundsatz aufgestellt, daß das Konzil über dem P. stehe. Abermals beging man indes den Fehler, noch vor beendigter Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern 1417 ein neues Oberhaupt, Martin V., einzusetzen. Dieser benutzte geschickt die Uneinigkeit im Schoß der Versammlung, unterhandelte mit den einzelnen, räumte wenig ein und schloß 1418 das Konzil, ohne eine wesentliche Einbuße seiner Macht erlitten zu haben. Auch der energische Anlauf, den die Reformbestrebungen auf dem Konzil zu Basel (1431–43) nahmen, auf dem es noch einmal zur Absetzung Eugens IV. und zur Wahl eines Gegenpapstes Felix' V. kam, führte schließlich nicht zum Ziel. Es gelang der päpstlichen Politik, nachdem die französische Kirche sich durch die Pragmatische Sanktion zu Bourges 1438 die durch die bisherigen Beschlüsse des Konzils angestrebten Vorteile gesichert hatte, das Konzil mehr und mehr lahmzulegen; Deutschland wurde durch das Wiener Konkordat von 1448 mit sehr dürftigen Zugeständnissen abgefunden. So brachten die großen Konzile der Welt die ersehnte Reform der Kirche nicht. Bald ertönten wieder die alten Klagen über den Mißbrauch der geistlichen Befugnisse des Papsttums, jetzt namentlich für die Pflege seiner weltlichen Interessen zur Erweiterung des Kirchenstaates und der päpstlichen Macht in Italien. Indem die Päpste Kunst und Wissenschaft pflegten und an der glänzenden Blüte der italienischen Renaissance ihren vollen Anteil hatten, prägte sich doch die weltliche Art ihres Fürstentums mehr und mehr aus. Und indem so sein geistlicher Charakter zurücktrat, kam es in die Hände ganz unwürdiger Persönlichkeiten, schließlich in die des verworfenen Alexander VI., der, mit Lastern aller Art befleckt, den päpstlichen Stuhl bestieg und das höchste Amt der Christenheit entwürdigte, um seinen eignen und seiner Familie Leidenschaften, ihrem zügellosen Streben nach Macht und Genuß zu frönen. Seine Nach sol ger, Julius II. und Leo X., hielten sich zwar von solchen Lastern frei; beide waren namhafte Staatsmänner, Julius ein Krieger auf St. Peters Thron; aber auch bei ihnen traten die Pflichten des geistlichen Amtes weit hinter den Interessen des weltlichen Fürstentums zurück.

Die siebente Periode reicht von der Reformation bis zur französischen Revolution (1517–1789). Die Päpste dieser Periode sind:

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Der Abfall der germanischen Nationen in der Reformation erschütterte das Papsttum in seinen Grundfesten; es entstanden protestantische Mächte, die den Päpsten ganz frei gegenüberstanden und ihnen keinerlei Vorrang, am wenigsten das Privilegium eines mit besondern Gaben und Vorrechten ausgestatteten Priestertums und einer sichtbaren Repräsentation Christi, zugestanden. Das Papsttum mußte daher alles aufbieten, um nicht bloß die Verluste an seinem Herrschaftsterritorium zu ersetzen, sondern vor allem seine Autorität als geistliche Macht der Welt gegenüber zu restaurieren. Die nächsten Schritte wurden im Kampf gegen den Protestantismus zum Schutz des noch Gebliebenen und zur Wiedereroberung des Verlornen getan. Unter den Maßregeln dieser Art steht das Tridentinische Konzil (s. d.) obenan, das den katholischen Lehrbegriff scharf begrenzte. Auch die Geltendmachung der dogmatischen Prinzipien in der äußern Praxis durch Revision der liturgischen und kanonischen Schriften, durch Einführung des Index librorum prohibitorum und durch die Stiftung des Jesuitenordens, in dem der römische Stuhl eine überaus wichtige Stütze erhielt, gehört hierher. Von dem Papstideal eines Gregor VII und Innozenz III. war man stillschweigend zurückgekommen. Oft lag während dieser Jahrhunderte die Mutterkirche mit weltlichen Gewalten auch katholischer Staaten im Hader, ohne über ihren Trotz den Sieg gewinnen zu können. Bann und Interdikt hatten ihre Schrecken verloren. In dem Hader über die gallikanische Kirchenfreiheit mit Ludwig XIV. wurde dem römischen Stuhl bei allem Respekt gegen seine Glaubenssätze doch gerade der Gehorsam verweigert, den er am liebsten zum Glaubenssatz erhob. Anderseits ist nicht zu verkennen, daß der päpstliche Stuhl nach den Stürmen der Reformation sich wieder auf mehr religiösen als politischen Grundlagen befestigte, zuweilen sogar auch in politischen Verwickelungen die Lösung herbeiführte oder vermittelte. In letzterer Hinsicht war seine Stellung um so wichtiger, als in Italien die politischen Pläne Österreichs, Frankreichs und Spaniens auseinander stießen und die Freundschaft des Papstes ein förderlicher Bundesgenosse für jede der streitenden Parteien war. Auch machte sich die Überlegenheit des italienischen Geistes in diplomatischen Künsten geltend, ehe durch Ludwig XIV. Frankreich tonangebend für das übrige Europa ward. Unter solchen Umständen blieb der schamlose Nepotismus, den viele Päpste übten, die furchtbare Finanzverwirrung, die unter Innozenz X. sogar den Kornhandel zum Monopol der päpstlichen Kammer machte, für die Ehre des Stuhles Petri ohne wesentliche Nachteile; Rom und der Kirchenstaat litten wohl unter den Mißbräuchen schlechter Verwaltung, indes das Papsttum als solches blieb ziemlich unangefochten. Zeichen der Zeit waren es jedoch, daß der Westfälische Friede, die Grundlage der modernen Staatenverhältnisse, vom P. vergeblich verworfen wurde, daß sich seit Karl V. kein deutscher Kaiser mehr vom P. krönen ließ, daß die Nationalkirchen, besonders in Frankreich, wieder nach Selbständigkeit verlangten (s. Gallikanische Kirche). In der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. ward dann die durch die »Aufklärung« hervorgerufene Reformbewegung auch in katholischen Staaten den Päpsten und ihrem Einfluß auf die Regierung der Kirche immer gefährlicher. Sie trat insbes. deutlich in der Opposition gegen den Jesuitenorden hervor, dem das Papsttum so viel verdankte, und den, nachdem er in den meisten romanischen Ländern von der Staatsgewalt unterdrückt worden war, Rom selbst 1773 aufheben mußte.

Die Päpste der achten Periode, von der französischen Revolution bis auf die Gegenwart, sind:

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Gewaltige Stürme begannen in dieser Periode zunächst auf dem kirchlichen Gebiet. Nicht allein die dogmatische Grundlage des Katholizismus war durch die Opposition der englischen und französischen Freigeister längst erschüttert, sondern durch die kirchenrechtlichen Untersuchungen eines Justinus Febronius (Hontheim) war auch die päpstliche Universalherrschaft auf das ernstlichste angefochten und eine aristokratische Regierung der Landeskirchen durch ihre Bischöfe, kontrolliert vom P., aber unter der höchsten Autorität des über dem P. stehenden allgemeinen Konzils (Episkopalsystem), empfohlen worden. Solcherlei Gedanken fanden damals in der katholischen Welt vielfachen Anklang; die vier Erzbischöfe Deutschlands traten in Bad Ems (1786) zusammen, um die Unabhängigkeit der bischöflichen Gewalt von der römischen festzusetzen (s. Emser Kongreß). Kaiser Joseph II. suchte die kirchlichen Verhältnisse seines Reiches aus landesherrlicher Machtvollkommenheit umzugestalten und einen aufgeklärten, von Rom unabhängigen Priesterstand heranzuziehen. Die französische Revolution schien nicht nur dem Priestertum und der Hierarchie, sondern der Kirche überhaupt, ja dem Christentum ein Ende machen zu wollen, und selbst die weltliche Souveränität des Papstes über den Kirchenstaat wurde aufgehoben, als französische Armeen Italien überschwemmten und auch Rom in eine Republik verwandelten. Napoleon I. wünschte zwar im Interesse seiner allgemeinen Politik eine Neuordnung der zerrütteten kirchlichen Verhält nisse und ließ sich deshalb mit Pius VII. in Unterhandlungen ein; aber in dem Konkordat von 1801 war kaum noch ein Schatten der alten Papstgewalt erhalten, und wenn der französische Kaiser sich 1804 vom heiligen Vater in Paris krönen ließ, so erschien der P. dabei nur als Vasall des neugeschaffenen Herrscherthrons. Die politische Gesetzgebung Frankreichs verstieß vielfach gegen die alten Satzungen der Kirche, besonders in den Bestimmungen über Schließung und Trennung der Ehe. Auch die weltliche Stellung des Kirchenfürsten ward durch des Kaisers Pläne beengt, und schließlich kam es dahin, daß der P., der vergeblich noch einmal zu der alten Waffe des Bannes gegriffen hatte, 1809 weltliche Macht und persönliche Freiheit zugleich verlor. Die Wiederherstellung des Papsttums mit voller Souveränität über den Kirchenstaat 1814 war ein diplomatischer Akt des Wiener Kongresses, wozu Rußland, England und Preußen wesentlich mitgewirkt hatten. Von nun an erstrebte Pius VII. konsequent die Restauration der päpstlichen Herrschaft und gewann allmählich, bei wenigen fehlgeschlagenen Versuchen, der Kurie eine Prärogative nach der andern wieder. Die Herstellung des Jesuitenordens (7. Aug. 1814), der Abschluß günstiger Konkordate mit katholischen Staaten, die Wiedereinführung der Inquisition in Rom (1814), der Index, das Verbot des Freimaurerordens, der Stil seiner Bullen, Breven und Hirtenbriefe charakterisieren das unausgesetzte Streben dieses Papstes nach neuer Begründung der Hierarchie. Leo XII. und Pius VIII. fuhren fort, im Geiste der begonnenen kirchlichen Restauration zu handeln; aber sie besaßen nicht die kluge Umsicht ihres Vorgängers, gerieten in harte Konflikte und ließen den Kirchenstaat im Zustand höchster politischer Aufregung zurück.

Gregor XVI. verkannte als Regent des Kirchenstaates die Forderungen des Zeitgeistes und erregte immer von neuem Empörungsversuche gegen sein hartes, mittelalterliches System. Mit besserm Erfolg trat er als Kirchenfürst den katholischen und akatholischen Staaten gegenüber. Einer seiner ersten Erlasse war die Konstitution »Sollicitudo ecclesiarum« (vom 31. Aug. 1831), worin erklärt wurde, daß der heilige Stuhl aus Rücksicht auf das Wohl der Christenheit und zur Aufrechthaltung der geistlichen Verbindungen die faktisch bestehenden Regierungen jedesmal anerkennen werde, ohne dadurch in der Rechtsfrage irgendwie zu entscheiden. Sein Nachfolger Pius IX. schien als Mann der Reform das Pontifikat einer bessern Zeit entgegenführen zu wollen, aber nur zu bald wurden Wünsche laut, denen der P. nicht gerecht werden konnte, und nur durch französische Hilfe ward seine Autorität 1849 in Rom hergestellt. Den empfindlichsten Schlag aber erlitt das Papsttum, als Napoleon III. zuließ, daß Viktor Emanuel 1860 den größten Teil des Kirchenstaates dem Königreich Italien annektierte. Seinem Verlangen, Rom zur Hauptstadt des Reiches zu erheben und den P. mit einer Garantie seiner kirchlichen Befugnisse sowie einer entsprechenden Besoldung abzufinden, widerstand Frankreich bis zum großen deutschen Krieg. Im September 1870 aber zogen die italienischen Truppen in Rom ein. Seitdem ist der P. nur noch Kirchenhaupt, und es mußte daher sein Verhältnis zu den Staatshäuptern Europas, zu denen er bisher gezählt, auf einen neuen staats- und völkerrechtlichen Ausdruck gebracht werden. Alle Proteste Pius' IX. dagegen, seine Zurückweisung des italienischen Garantiegesetzes änderten an dieser Sachlage nichts. Dagegen stieg die kirchliche Macht des Papsttums während des ungewöhnlich langen Pontifikats Pius' IX. ungemein, und der päpstliche Absolutismus, der alle Befugnisse der untern Instanzen in sich aufgesogen hatte, erlangte seinen formellen Abschluß durch die Verkündigung der päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem vatikanischen Konzil 18. Juli 1870. Pius' IX. Nachfolger Leo XIII. (seit 1878) verharrte allerdings in der ablehnenden Haltung gegen Italien, trat aber in kirchlicher Beziehung gemäßigter auf, suchte die demagogische Presse der klerikalen Parteien zu zügeln und mit den Regierungen, besonders mit dem Deutschen Reich und Preußen durch Beendigung des Kulturkampfes, ein gutes Verhältnis herzustellen. Auch der französischen Republik gegenüber, auf deren Unterstützung eine starke Partei in Rom und der P. selbst in der Hoffnung auf den Wiedergewinn der verlornen weltlichen Macht immer noch zählten, befolgte Leo XIII. eine freundliche Haltung und suchte die französischen Klerikalen zum Anschluß an die republikanische Staatsform zu bewegen. Allein nach seinem Tode verlor die französische Partei im Kardinalskollegium ihren Einfluß; und indem Pius X. sich in seiner Regierung mehr von kirchlich-religiösen als von politischen Gesichtspunkten bestimmen ließ, steigerte sich der Konflikt zwischen dem Papsttum und der französischen Regierung, vorbereitet durch deren gesetzgeberische Maßregeln gegen die klösterlichen Kongregationen, 1904 zu offenem Kampfe. Als der P. ohne Rücksicht auf das immer noch in Geltung stehende Konkordat gegen zwei französische Bischöfe Disziplinarmaßregeln traf, brach Frankreich die diplomatischen Beziehungen mit dem päpstlichen Stuhl ab und bereitete die Trennung von Staat und Kirche vor, die durch Gesetz vom 9. Dez. 1905 rechtsgültig, vom P. aber durch die Enzyklika vom 11. Febr. 1906 verworfen wurde.

Was die Papstwahl anlangt, so wurde in den ersten drei Jahrhunderten der P., wie jeder Bischof, von Geistlichkeit und Volk gewählt. Als die Kaiser Christen wurden, beanspruchten sie bald das Recht, bei der Papstwahl mitzuwirken, insbes. bei zwiespaltigen Wahlen zu entscheiden. Auch Odoaker und die ostgotischen Könige, obwohl Arianer, übten Einfluß auf die Besetzung des päpstlichen Stuhles aus. Nach Vernichtung der gotischen Herrschaft hatten die Kaiser von Konstantinopel und in ihrem Auftrag die Exarchen von Ravenna das Bestätigungsrecht; vor der Bestätigung sollte die Weihe des gewählten Papstes nicht stattfinden. Ein gleiches Bestätigungsrecht vor der Weihe nahmen auch seit 824 die karolingischen Kaiser in Anspruch. Nachdem seit dem Verfall der karolingischen Macht auch die Besetzung des päpstlichen Stuhles der Gewalt der römischen Großen anheimgefallen war, bestimmte Otto I., daß ohne seine und seines Sohnes Genehmigung kein P. gewählt oder geweiht werden solle. In der Folge haben dann je nach den politischen Verhältnissen entweder römische Große oder die Kaiser (unter diesen namentlich Otto III. und Heinrich III.) über den päpstlichen Stuhl verfügt, bis das oben (S. 405) erwähnte Dekret Nikolaus' II. von 1059 den Einfluß der einen wie der andern verdrängte. Seitdem wurden die Päpste von den Kardinälen gewählt; ein Gesetz Alexanders III. von 1179 setzte fest, daß zur Gültigkeit der Wahl eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Kardinäle erforderlich sei und unter Ausschluß jedes andern Einflusses genüge. Auf dem Konzil von Lyon wurde 1274 zur Vermeidung langer Vakanzen die Einrichtung des Konklave (s. d.) beschlossen; das Wahlverfahren im einzelnen ist durch päpstliche Verfügungen, namentlich von 1621, 1625 und 1732, geregelt. Weiteres s. Konklave.

[Literatur.] Quellen: Die päpstlichen Akten, Schreiben, Bullen und Breven sind am vollständigsten im »Magnum bullarium Romanum« gesammelt (beste Ausg., Turin 1857–72, 24 Bde.; Supplement, Neap. 1885, reicht bis 1758), die ältern Papstbriefe bis 440 bei Constant, »Epistolae Romanorum pontificum« (Par. 1721; neue Ausg. von Schoenemann, Götting. 1796), von 461–523 bei Thiel (Braunsb. 1867). Dazu kommen die Regestensammlungen von Jaffé (bis 1198; 2. Aufl. von Kaltenbrunner u.a., Berl. 1885–88, 2 Bde.), Potthast (bis 1304, das. 1874–1875, 2 Bde.), mit den Ergänzungen von v. Pflugk-Hartung (bis 1197; Stuttg. 1881–88, 3 Bde.). Die päpstlichen Register von 1216 an werden seit 1883 von der École française de Rome herausgegeben. Eine Auswahl der wichtigsten päpstlichen Kundgebungen bietet Mirbt, Quellen zur Geschichte des Papsttums und des römischen Katholizismus (2. Aufl., Tübing. 1901), eine »Statistik der Päpste« Prinz Z. V. Lobkowitz (Freib. 1905). Zum Liber diurnus und Liber Pontificalis vgl. die betreffenden Artikel.

Darstellungen: Ranke, Die römischen Päpste in den letzten vier Jahrhunderten (10. Aufl., Leipz. 1900, 3 Bde.); Wattenbach, Geschichte des römi-Papsttums (Berl. 1876); Döllinger, Das Papsttum (bearbeitet von Friedrich, Münch. 1891); Creighkon, History of the papacy from the great schisma to the sack of Rome (bis 1527; 2. Aufl., Lond. 1901, 6 Bde.) und History of the papacy during the period of the reformation (das. 1882–94, 5 Bde.); Nielsen, Geschichte des Papsttums im 19. Jahrhundert (a. d. Dän., 2. Aufl., Gotha 1880, 2 Tle.); Langen, Geschichte der römischen Kirche (bis Innozenz III., Bonn 1881–93, 4 Bde.); Gnoli, Roma ei papi nel seicento (Bd. 1, Mail. 1895); Pastor, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters (bisher 4 Bde., 1.–4. Aufl., Freiburg 1899–1906); Nürnberger, Zur Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts; Papsttum und Kirchenstaat (Mainz 1897 bis 1900, 3 Bde.); Graf v. Hoensbroech, Das Papsttum in seiner sozial-kulturellen Wirksamkeit (4. Aufl., Leipz. 1902, 2 Bde.); Grisar, Geschichte Roms und der Päpste im Mittelalter (Freiburg 1898 ff.); Haller, Papsttum und Kirchenreform (Berl. 1903, Bd. 1); Labanca, Il papato (Turin 1905).

Über die Papstwahl vgl. Zöpffel, Die Papstwahlen vom 11. bis zum 14. Jahrhundert (Götting. 1871); Souchon, Die Papstwahlen von Bonifatius VIII. bis Urban VI. (Braunschw. 1888) und Die Papstwahlen in der Zeit des großen Schismas (das. 1898–99, 2 Bde.); Wurm, Die Papstwahl, ihre Geschichte und Gebräuche (Köln 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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