- Ostern
Ostern (Osterfest), das Fest der Auferstehung Jesu, hat wahrscheinlich seine deutsche Benennung von dem Feste der altsächsischen Frühlingsgöttin Ostara. Mit dem Kultus, der ihr vor Einführung des Christentums gewidmet wurde, hängen die Namen der Osterwälder, Osterberge und die Gebräuche des Osterfeuers, der Ostereier etc. (s. Ostergebräuche) zusammen. Der Ursprung des Festes dagegen ist jüdisch (s. Feste und Passah). Die kleinasiatischen Gemeinden hielten sich an den 14. Nisan des jüdischen Kalenders, während die römische und andre an sie sich anschließende Gemeinden davon ausgingen, daß vor allem die Jahresfeier der Auferstehung an dem unbeweglichen Sonntag nach dem Frühlingsvollmond begangen werde, wobei sie zur Erinnerung an das Leiden und den Tod Jesu den vorhergehenden Freitag ausersahen. Seit Mitte des 2. Jahrh. wurde diese Verschiedenheit der Feier Gegenstand des Streites (Passahstreit) zwischen den verschiedenen Kirchen, und das Nicänische Konzil (325) entschied sich im wesentlichen für die römische Sitte, indem es die Feier des seitdem vorzugsweise der Auferstehung geltenden Osterfestes auf den Sonntag nach dem 14. Nisan (Frühlingsvollmond) festsetzte. Die Anhänger der abweichenden Osterfeier bezeichnete man mit dem Ketzernamen »Quartodezimaner«. Auch gegenwärtig wird das Osterfest noch am Sonntag nach Frühlingsvollmond oder, wenn dieser selbst auf einen Sonntag fällt, am nächstfolgenden gefeiert. Der Frühlingsvollmond (die Ostergrenze, terminus paschalis) ist aber der, welcher entweder auf oder zunächst nach dem wegen dieser Osterberechnung auf 21. März festgelegten Frühlingsanfang fällt. Die sogen. Gaußsche Formel bietet eine leichte Methode, den jedesmaligen Ostertermin aus der Jahreszahl zu berechnen (s. Kalender, S. 458). Das jüdische Osterfest (s. Passah) fällt gewöhnlich in die Karwoche, jedoch nie vor den 26. März und nie hinter den 25. April gregorianischen Stils, während das christliche Osterfest zwischen 22. März und 25. April fallen muß. Der Feier des Auferstehungsfestes ging schon früh ein vorbereitendes Fasten (s. d.) voran. Das Fest selbst galt als die beliebteste Taufzeit, auch nahm die Kirche an ihm die reuigen Gefallenen (s. Lapsi) wieder auf. Die Bedeutung des Festes sowie der Umstand, daß nach ihm alle übrigen »beweglichen« Feste des Sommers berechnet wurden, bewirkte, daß man an vielen Orten mit dem Osterfest das Jahr begann. Ihm unmittelbar voraus ging die mit dem Palmsonntag (s. d.) beginnende Karwoche (s. d.), mit dem Gründonnerstag (s. d.) und dem Karfreitag (s. d.), dem sogen. Leidensostern (pascha staurosimon), das die griechische Kirche vom Auferstehungsostern (pascha anastasimon) unterschied. Der Ostersonnabend war in der alten Kirche ein allgemeiner, zur Vorbereitung auf die Taufe bestimmter Fasttag, an dessen Abend sich die Gemeinde zu einem feierlichen, bis zum Ostermorgen dauernden Nachtgottesdienst (Ostervigilie) versammelte. In Rom zeichnet sich jetzt der Ostersonnabend durch die Taufe und Konfirmation der Neubekehrten im Lateran und durch die große Messe in der Sixtinischen Kapelle aus. In der päpstlichen Kapelle werden das Feuer und die Osterkerze (cereus paschalis) geweiht; alle Familien lassen das Ostermahl segnen, das in einer Eiersuppe, einem Fladen und einem gerösteten Zicklein besteht; in der ganzen römischen Kirche werden die Ampeln in den Gotteshäusern mit frischem Öl versehen, alle Kerzen ausgelöscht und frisch angezündet (Lichtersabbat). Die Glocken schweigen vom Karfreitag bis zum Ostersonntagmorgen. Der Ostersonn- tag wurde schon in der alten Kirche als erstes Freudenfest begangen. Die Christen empfingen sich früh morgens mit dem Osterkuß und dem Zuruf: »Er ist auferstanden«, worauf der Begrüßte antwortete: »Er ist wahrhaftig auferstanden«. Ähnliches existiert heute fast nur noch in der griechischen Kirche. Eine mittelalterliche Sitte war das sogen. Ostergelächter (risus paschalis, s. Ostergebräuche). Die Feier dauerte in der alten Kirche die ganze Osterwoche, daher der nächste (sogen. weiße) Sonntag Osteroktave hieß; jetzt ist fast allgemein nur der Ostermontag noch ein kirchlicher Feiertag. Vgl. Piper, Geschichte des Osterfestes (Berl. 1845) und Karls d. Gr. Kalendarium und Ostertafel (das. 1858); Weitzel, Die christliche Passahfeier der ersten drei Jahrhunderte (Pforzh. 1848); Hilgenfeld, Der Paschastreit der alten Kirche (Halle 1860); Schürer, Die Passahstreitigkeiten des 2. Jahrhunderts (in der »Zeitschrift für die historische Theologie«, 1870); Freybe, Ostern in deutscher Sage, Sitte und Dichtung (Gütersl. 1893); J. Schmid, Die Osterfestfrage auf dem ersten allgemeinen Konzil von Nicäa (Wien 1905); Schwartz, Christliche und jüdische Ostertafeln (Berl. 1905) und Osterbetrachtungen (in der »Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft«, 1906).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.