Göttingen

Göttingen

Göttingen, Stadt und Stadtkreis im preuß. Regbez. Hildesheim, im ehemaligen Fürstentum G., 148 m ü. M., liegt anmutig im weiten Tal der Leine, am Fuß des östlich sich erhebenden, 380 m hohen Hainbergs, wird von der Neuen Leine (einem Mühlkanal) durchflossen, welche die Altstadt von der Neustadt und der Masch trennt.

Wappen von Göttingen.
Wappen von Göttingen.

G. hat 6 evangelische, eine katholische und eine Baptistenkirche sowie eine Synagoge; darunter verdienen Erwähnung: die zweigetürmte Hauptkirche St. Johannis aus dem 12. Jahrh. und die gotische Jakobikirche mit 98 m hohem Turm; ferner sind bemerkenswert: das Universitätsgebäude am Wilhelmsplatz, der mit der Erzstatue König Wilhelms IV. (von Bandel) geschmückt ist, das Bibliotheksgebäude, das Kollegienhaus am Weender Tor, das Rathaus am Markt, die Provinzialirrenanstalt, südwestlich von der Stadt auf einem Hügel gelegen, die Anatomie, das naturhistorische Museum, das landwirtschaftliche Institut und das Gymnasium. An Denkmälern sind zu nennen: das Wöhlerdenkmal (von Hartzer), ein Denkmal des Dichters Bürger, ein Gauß-Weberdenkmal und ein Bismarckturm. Die Zahl der Einwohner beläuft sich mit der Garnison (1 Infanterie-Reg. Nr. 82) auf (1900) 30,234, davon 2640 Katholiken und 638 Juden. In industrieller Beziehung sind nennenswert: die Fabrikation von Tuch- und Wollwaren, Zucker, Chemikalien, mathematischen, physikalischen, optischen und musikalischen Instrumenten, seinen Back- und Fleischwaren und die Bierbrauerei. Auch ist der Buchhandel von Bedeutung. Der Handel wird unterstützt durch eine Handelskammer und eine Reichsbanknebenstelle. G. ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Elze-Kassel und Bebra-G. sowie der Kleinbahn G.-Rittmarshausen. Unter den Bildungsanstalten nimmt die Universität den ersten Rang ein. Sie zählte 1903: 121 Dozenten, 1529 Studierende und hat eine Bibliothek, die gegenwärtig 500,000 Bände und 5000 Manuskripte umfaßt und besonders für neuere Literatur die reichste in Deutschland ist; ferner ein Kunstmuseum und ansehnliche Sammlungen (darunter Blumenbachs berühmte Schädelsammlung), Sternwarte, mehrere große klinische Anstalten, physikalisches Kabinett, ausgezeichneten botanischen Garten (von Haller angelegt), chemisches Laboratorium, pädagogisches Seminar, landwirtschaftliche Akademie, naturwissenschaftliches Museum etc. Die königliche Sozietät der Wissenschaften (gleichfalls von Haller gestiftet) zerfällt in drei Klassen: eine physikalische, mathematische und historisch-philologische, und zählt gegenwärtig etwa 80 Mitglieder. Außerdem hat G. ein Gymnasium, eine Oberrealschule, Handelsschule, Gewerbeschule, Waisenhaus, ein städtisches Altertumsmuseum, Theater etc. Von Behörden haben dort ihren Sitz das Landratsamt für den Landkreis G. und ein Landgericht. Der Magistrat zählt 7, das Kollegium der Bürgervorsteher 12 Mitglieder. In der Nähe der Stadt sind der Rohns- oder Volksgarten sowie die städtischen Anlagen am parkartig bewaldeten Hainberg und die Dörfer Grone, Weende, Geismar und Reinhausen mit dem Bürgertal vielbesuchte Punkte. Über Mariaspring, nördlich von G., erheben sich die Ruinen der Burg Plesse, auf zwei isolierten Kegelbergen bei Gelliehausen, südöstlich von der Stadt, die Trümmer der beiden Gleichen (s. d. 2) und weiter nach S. die Ruine der Burg Hanstein. Zum Landgerichtsbezirk G. gehören die 12 Amtsgerichte zu: Duderstadt, Einbeck, Gieboldehausen, G., Herzberg, Moringen, Münden, Northeim, Osterode, Reinhausen, Uslar und Zellerfeld. – G. kommt als Gutingi bereits in Urkunden von 950–960 vor und war lange Zeit nur ein Dorf, in dessen Feldmark die kaiserliche Pfalz Grone lag. Der Ort erhielt 1210 vom Kaiser Otto IV. Stadtrecht und war später zeitweilig (1286 bis 1463) Hauptstadt eines besondern welfischen Fürstentums. Das 14. Jahrh., in dem G. Mitglied der Hansa war, bildete die erste Glanzperiode der Stadt. Diese schaffte 1530 den katholischen Gottesdienst ab Im Dreißigjährigen Kriege wurde G. nach längerer Belagerung 2. Aug. 1626 von Tilly eingenommen und erst 11. Febr. 1632 vom Herzog Wilhelm von Weimar befreit. Der neue Aufschwung Göttingens beginnt mit Errichtung der Universität (1737), um die sich Albrecht v. Haller und Gerlach Adolf v. Münchhausen (s. d.) das größte Verdienst erwarben. G. ist außerdem bekannt geworden durch den »Göttinger Dichterbund« (s. d.) und die 1837 erfolgte Absetzung von sieben Professoren (der »Göttinger Sieben«: Albrecht, Dahlmann, Ewald, Gervinus, Jakob und Wilhelm Grimm und W. Weber), die gegen die Aufhebung der Verfassung durch König Ernst August protestiert hatten (vgl. Hannover [Königreich], Geschichte). Vgl. Rößler, Die Gründung der Universität G. (Götting. 1855); Unger, G. und die Georgia Augusta (das. 1861); »Göttinger Professoren« (Gotha 1872); Frensdorff, G. in Vergangenheit und Gegenwart (2. Aufl., Götting. 1887); Erdmann, Geschichte der Kirchenreformation in G. (das. 1888); Mejer, Kulturgeschichtliche Bilder aus G. (Hannov. 1889); Behrendsen, Die mechanischen Werkstätten der Stadt G. (Melle 1900); Meyermann, Göttinger Hausmarken und Familienwappen (Gött. 1904); »Urkundenbuch der Stadt G. 1401–1500« (hrsg. von Schmidt, Hannov. 1867); »Urkunden der Stadt G. aus dem 16. Jahrhundert« (hrsg. von Hasselblatt und Kästner, Götting. 1881).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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