- Gesicht [1]
Gesicht (Angesicht, Antlitz, Facies, Vultus), die vordere Kopfpartie, die hauptsächlich die Sinnesorgane und Mundhöhle umfaßt und oben durch die Stirn, unten durch den Unterkiefer abgeschlossen wird. Beim Menschen reicht das G. von der vordern Haargrenze des Kopfes bis zum untern Ende des Kinnes. Anthropologisch kommt am G. in Betracht die Form, die durch das Verhältnis der verschiedenen Dimensionen zueinander sowie durch den Gesichtswinkel bedingt wird. Die Form des Gesichts kann, von vorn gesehen, lang oder rund, breitoval, spitzoval, abgestumpft, viereckig u. a., von der Seite gesehen, in der obern Partie gegen den Horizont sehr steil ansteigend oder etwas geneigt, in der untern Partie vorspringend oder zurückweichend u. a. m. sein. Die wichtigsten Maße des Gesichts sind der Längsdurchmesser (am Lebenden von der vordern Haargrenze bis zum niedrigsten Punkt des Kinnes genommen, am Skelett s. Schädel) sowie der Breitendurchmesser (Entfernung der weitesten Ausladung der Jochbogen; s. Schädel). Die Zunahme der einzelnen Teile des Gesichts von der Geburt bis zur Beendigung des Wachstums ist folgende:
Nach Holl findet in dem G. des Menschen von der Geburt an bis zum vollendeten Wachstum ein steter Umformungsprozeß in der Weise statt, daß das extrem breite und extrem niedrige G. des Neugebornen in ein weniger breites, aber hohes übergeführt wird. Die Umformung macht sich namentlich in den Höhedimensionen bemerkbar. Der Campersche Gesichtswinkel ist der Winkel, den eine von dem hervorragendsten Punkte der Stirn dem Profil entlang bis zu dem hervorragendsten Teile des Oberkiefers gezogene Linie mit einer in horizontaler Richtung von dem äußern Gehörgang zur Grundfläche der Nasenhöhle gezogenen zweiten Linie bildet. An Menschenschädeln fand Camper den Winkel am Erwachsenen etwa zwischen 70 und 80° schwanken, 80° beim Europäer, 70° beim Neger und Kalmücken. Je mehr das Gebiß hervorragt, desto kleiner wird der Winkel; beim Orang-Utan erreicht er nur noch 58°, beim Mandrill 40°, beim Hafen 30°, beim Pferd 23°. Der je nach der Gemütsstimmung wechselnde Gesichtsausdruck beruht im wesentlichen auf der Tätigkeit der Gesichtsmuskeln (s. Tafel »Muskeln«, Fig. 1) und wird besonders durch Augen und Mund, als die beweglichsten Teile des Gesichts, hervorgebracht. Die Gesichtsfarbe zeichnet sich bei den Weißen von der übrigen Hautfarbe durch ein lebhafteres Kolorit aus, und zwar vornehmlich an den Backen, deren Röte auf dem lebhaftern Blutumlauf beruht. Ost treten in der Gesichtsbildung mehrerer Individuen gewisse Ähnlichkeiten hervor, so bei Familiengliedern (Familiengesicht). Außerdem zeigen Volksstämme, ganze Völker und Menschenrassen bei aller individuellen Verschiedenheit der Gesichtszüge eine gewisse Übereinstimmung in denselben.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.