- Mauren
Mauren (Mohren, Morisken, span. Moros), ein Mischvolk aus arabischen und andern Elementen, bildet gegenwärtig den Hauptbestandteil der Städtebevölkerung von Marokko, Algerien und Tunis und ist unter andern Verhältnissen in Senegambien und Ceylon zu finden. Ursprünglich wurde der Name M. (Mauri oder Maurusci; von dem phönikischen Mauharin, d. h. die Westlichen, nach andern von dem spätgriechischen μανρoσ, d. h. schwarz, abzuleiten) von den Alten den Bewohnern der Atlasgegenden, d. h. Berbern, gegeben; ihr Land hieß Mauretanien (s. d.). Nach den Eroberungen der Sarazenen (Araber) im 7. Jahrh. auch über diesen Teil Afrikas ging der Name M. auf die aus M. und Arabern gemischte Bevölkerung der Städte des Atlasgebiets, besonders der Küste, über, wurde jedoch, mit dem Eindringen der Araber (711) nach Spanien, dort auf diese selbst (los Moros) übertragen, während die echten, unverfälschten Nachkommen der alten M. sich in die Gebirge zurückzogen und den Namen Berber (Amazirghen) annahmen. Die Mauro-Araber brachten Wissenschaften und Künste nach Spanien. Während das übrige Europa in Barbarei versank, blühten in Cordoba, Granada und andern maurischen Städten Gelehrsamkeit und Künste, namentlich Baukunst und Dichtkunst. Nach dem Fall Granadas 1492 ging ein Teil der M. nach Afrika, die meisten aber blieben in Spanien, traten äußerlich zum Christentum über und lebten unter dem Namen Morisken als fleißige, ruhige Untertanen, bis die aus Glaubensfanatismus hervorgegangenen Bedrückungen unter Philipp II. 1568–70 einen Aufstand der Morisken in Granada hervorriefen. Über 100,000 wurden vertrieben, von den übrigen, wenige noch heute vorhandene Reste in den Gebirgen Granadas ausgenommen, verließ, als unter Philipp III. 1609 sie gleiches Schicksal traf, 1/2 Mill. Spanien und kehrte nach Afrika zurück. Vgl. Rochau, Die Moriskos in Spanien (Leipz. 1853); Dozy, Geschichte der M. in Spanien (deutsch, das. 1874, 2 Bde.); Boronat y Barrachina, Los moriscos españoles y su expulsion (Valencia 1901, 2 Bde.); Lea, The Moriscos of Spain (Philad. 1901); S. P. Scott, History of the Moorish Empire in Europe (das. 1904, 3 Bde.).
Gegenwärtig nennt man M. in Nordafrika die in den Städten als Kaufleute angesessenen Araber, die mit berberischem, aus dem langen Aufenthalt in Spanien von weiblicher Seite auch mit spanischem Blut gemischt sind. Durch edle, regelmäßige Gesichtszüge, schönen Bart, weiße Hautfarbe, aber auch durch Neigung zu Fettleibigkeit unterscheiden sie sich von reinen Arabern und Berbern. Ihre Sprache ist das sogen. westliche Arabische, mit vielen berberischen und spanischen Wörtern vermischt. Einige Geschlechter, die ihre bis zu den andalusischen Vorfahren reichenden Überlieferungen bewahrt haben, heißen Andalos. Ebenso werden als M. bezeichnet die nördlich vom Senegal wohnenden Trarsa, Brakna und Duaisch, die aus Schwarzen oder arabischen und berberischen Mischlingen und einigen reinen Arabern und Berbern bestehen und dieselben charakteristischen Körper- und Geisteseigenschaften wie ihre nördlichern Verwandten haben, sich aber infolge eines entbehrungsvollen Hirten- und Kriegerlebens durch Gewandtheit und Zähigkeit auszeichnen. Hager, aber außerordentlich unreinlich, zerfallen sie in vier Kasten: die Krieger oder Hassan, die Marabut oder Tolba, beide als eroberndes Volk von alter mohammedanischer Abstammung weit über den andern stehend, die Asunug oder Lameh, Nachkommen der unterworfenen Urbevölkerung, und die kriegsgefangenen, hartbehandelten Sklaven. Endlich nennt man M. in Ceylon (s. d., S. 854,2. Spalte) die Nachkommen arabischer Abenteurer und singhalesischer Mütter, die, 1901: 224,719 Köpfe stark, den größten Teil des Handels zwischen den Europäern und den Eingebornen vermitteln. Wahrscheinlich aus dem südlichen Arabien herkommend, hatten sie bereits im 14. Jahrh. den ganzen Handel der Insel in ihren Händen, waren im 16. Jahrh. sogar eigentliche Herren des Landes, bis sie durch die Europäer zwar ihr politisches, nicht aber ihr kommerzielles Übergewicht verloren.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.