- Mongolen
Mongolen, im weitesten Sinne die große Völkergruppe, die alle mongolenähnlichen Völker, also die polynesischen und asiatischen Malaien, die Völker Südost- und Ostasiens, die Bewohner Tibets, etliche Bergvölker des Himalaja, alle Nordasiaten samt ihren Verwandten in Nordeuropa, endlich die amerikanische Urbevölkerung, einschließt. Als allen gemeinsame Körpermerkmale sind zu bezeichnen das lange, straffe Haar, Armut oder gänzlicher Mangel an Bartwuchs wie an Leibhaaren, ledergelbe bis tiefbraune, bisweilen ins Rötliche spielende Hautfarbe, vorstehende Jochbogen, begleitet meist von einer schiefen Stellung der Augen. Zur eigentlichen mongolischen Rasse werden jene Völker gerechnet, die das östliche, mittlere und nördliche Asien, mit Ausnahme der im letztern Teil von Hyperboreern eingenommenen Striche und noch einen ansehnlichen Teil des nördlichen Europa bewohnen. Stammland ist Mittelasien. Nach der Sprache kann man diese Völker in solche mit mehrsilbigen und mit einsilbigen Sprachen teilen. Zur erstern Gruppe gehören die Uralier, Altaier, Japaner und Koreaner, zur zweiten die Tibeter und Himalajavölker, die Birmanen und Lohitavölker, die Tai- oder Schanvölker, die Anamiten, Chinesen und die isolierten Völker Hinterindiens. Mehrere dieser Völker spalten sich wieder in verschiedene Zweige, der uralische Volksstamm in den samojedischen und finnischen Zweig, von denen der letztere wieder in die ugrische, die bulgarische oder Wolga-, die permische und die finnische Familie zerfällt. Der altaische Volksstamm hat drei Zweige: den tungusischen (Tungusen und Mandschu), den eigentlichen mongolischen und den türkischen. Die noch zu dieser Gruppe gehörigen Japaner und Koreaner bilden einheitliche, in sich geschlossene Völkerfamilien. Der eigentliche mongolische Zweig zerfällt in die Ostmongolen, die Buräten (s. d.) und die Kalmücken (s. d.). Die eigentlichen M. oder Ostmongolen, die das eigentliche Stammland der Mongolei bewohnen, zerfallen wieder in eine Reihe von Stämmen, von denen die Khalka oder Chalcha in der Gobi die bedeutendsten sind. Wie die übrigen Mitglieder der Rasse sind sie durchschnittlich eher klein (163 cm bei den Männern, 150–153 cm bei den Frauen), mit kurzem Hals, schmächtigen Gliedmaßen, kleinen schwarzen Augen, schmalen geraden Augenbrauen, hohen vorstehenden Backenknochen, breiter und platter Nase, fleischigen Lippen, kurzem Kinn und großen, abstehenden Ohren. Die Schädelbildung ist brachykephal, der Breitenindex 81,40–81,49. Sie haben ein bräunliches Gesicht mit roten Wangen, auch teilen sie nicht mit den andern M. den Hang zum Fettwerden, sind vielmehr hager, aber kräftig. Als Charaktereigenschaften sind neben Faulheit Neugierde und Feigheit zu nennen, die vornehmlich durch die Chinesen großgezogen ist, denn früher war gerade Mut eine der glänzendsten Zierden der M. Scharfsinn, Offenherzigkeit und Gutmütigkeit wird ihnen nachgerühmt, doch trifft dies Lob nicht die höhern Stände, namentlich nicht die Priester (in Lamasereien über das ganze Land verstreut). Die Intelligenz tritt nur in den gewöhnlichen Beschäftigungen, Naturbeobachtung, Pfadfinden und Spurensuchen zutage. Die Stellung der Frau ist niedrig, da neben der Hauptfrau noch Konkubinen gehalten werden. Die Frauen sind wirtschaftlich, aber moralisch haltlos. Vgl. Birkner, Zur Anthropologie der M. (im »Globus«, 1904).
Die Sprachen der zur mongolischen Rasse gehörigen Völker sind ebenso mannigfaltig wie derenKulturstufen. Die Sprache der eigentlichen M. gehört zu den Uralaltaischen Sprachen (s. d.); der Wortschatz ist ein Gemisch aus eignen, chinesischen, türkischen und tibetischen Wörtern. Die Schrift ist eine uigurische, die ihrerseits eine aramäische Schriftgattung ist, und wurde im 13. Jahrh. angenommen; man schreibt in senkrechten Linien von der Linken zur Rechten. Grammatiken der mongolischen Sprache lieferten J. J. Schmidt (Petersb. 1831), Kowalewski (Kasan 1835) und Bobrownikow (das. 1849), eine mongolische Chrestomathie Kowalewski (das. 1836–47, 2 Bde.), Wörterbücher J. J. Schmidt (Petersb. 1835) und Kowalewski (»Dictionnaire mongol-russe-français«, Kasan 1844–49, 3 Bde.). Die Literatur ist vorzugsweise eine religiöse und besteht meist in Übertragungen aus dem Tibetischen und Chinesischen. Von den wenigen gedruckten Werken sind zu nennen: »Geschichte der Ostmongolen« von dem Mongolenfürsten Ssanang-Ssetsen (um 1660; mongolisch und deutsch von J. J. Schmidt, Petersb. 1829); »Die Taten des Gesser-Chan« (hrsg. von J. J. Schmidt, das. 1836; deutsch, das. 1839); »Mongolische Annalen von Altan-Tobtschi« (mongolisch und russisch von Galsang Gombojew, das. 1855); »Mongolische Märchensammlung« (mongolisch und deutsch von Jülg, Innsbr. 1868); »Proben der Volksliteratur der mongolischen Stämme« und eine »Mongolische Chronik« (hrsg. von Pozdnjejew, Petersb. 1880, 1883, russisch). Über die neuerdings am Orchon und Jenissei gefundenen alttürkischen und altkirgisischen (?) Inschriften s. Uralaltaische Sprachen.
Die Kleidung ist bei beiden Geschlechtern dieselbe, bei den Frauen nur etwas verziert. Sie besteht ursprünglich aus den Stoffen, welche die Viehzucht als Hauptbeschäftigung liefert und die sie selbst zurichten. Jetzt treten mehr und mehr an die Stelle der Pferdefelle und des Talars aus Filztuch chinesische Jacken und Tücher. Auf Kopfputz und Schmuck wird viel Wert gelegt. Hohe Schaffellmützen sind überall üblich, der Kopf wird rasiert, nur im Genick bleibt eine große Flechte hängen, der Bart wird geschoren, auch wohl ausgerupft. Die Frauen tragen Zöpfe, die sie mit Korallen, Bändern und Glasperlen verzieren und über die Brust herabhängen lassen. Die Wohnungen bestehen in runden Jurten aus hölzernen Gitterwänden, die mit Filzdecken behängt sind; in der Mitte ist der Herd, auf dem nur Dung gebrannt wird, gegenüber der Tür der Hausaltar, daneben die wertvollsten Besitztümer. Teppiche oder Filzdecken dienen zum Sitzen und Schlafen. Im Winter beherbergt die Jurte auch die kleinern Haustiere. Die Nahrung ist größtenteils der Viehzucht entnommen. Ein Hauptgericht ist Ziegeltee mit Hirsemehl, Salz, Butter und Milch. Aus der Milch werden Butter und Käse bereitet und der Kumys destilliert; der Opiumgenuß ist jetzt allgemein, Branntwein wird viel, Wasser nie getrunken. Fische und Vögel gelten für unrein. Die Kessel scheuert man mit trocknen Exkrementen des Viehes, wie überhaupt die Unsauberkeit der M. groß ist, das Baden ist ihnen ebenso wie den Chinesen und Kalmücken unbekannt. Die Haustiere, der Reichtum der M., sind: Fettschwanzschaf, Pferd, Kamel, seltener Rind, das auch zum Tragen und Reiten abgerichtet wird, und Ziege. Neben der Viehzucht wird noch etwas Jagd betrieben. So sind die M. echte Nomaden; kleine Mittelpunkte einer seßhaften Bevölkerung sind die Kuren oder Flecken, aber nur die Fürsten, Beamten, Soldaten im Dienst wohnen hier in Häusern. Die ursprünglich rein patriarchalische Verfassung ist seit der Unterwerfung der M. unter die Mandschudynastie durch eine chinesische militärische und bureaukratische Organisation in Stämmen, diese in »Bannern«, ersetzt worden. Vgl. Artikel »Mongolei« (Literatur) und die ethnographische Karte bei Artikel »Menschenrassen«.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.