Oder

Oder

Oder, 1) (lut. Viadŭa, neulat. Odagra, slaw.Vjodr und Odra) einer der Hauptströme Deutschlands, entspringt in Mähren auf dem Odergebirge, dem südöstlichsten Ausläufer der Sudeten (s. d.), 627 m ü. M., am Lieselberg. Bald tritt sie im südöstlichen Lauf in das österreichisch-schlesische Fürstentum Troppau ein, geht dann wieder nach Mähren über und wendet sich mit dem Eintritt in die Lücke Prerau-Oderberg, welche die Sudeten von den Karpathen scheidet, nach NO. Nachdem sie links die Oppa empfangen hat, bildet sie die Grenze zwischen Schlesien und Mähren und nach Aufnahme der Ostrawitza die Grenze zwischen dem preußischen und österreichischen Schlesien und geht, nachdem sie die Olsa aufgenommen, unterhalb des Städtchens Oderberg ganz in den preußischen Staat über, den sie nun in seiner größten Breite (die Provinzen Schlesien, Brandenburg und Pommern) auf einer Strecke von 714 km durchfließt. Ihr Lauf hat anfangs, mit bedeutenden Krümmungen nach W., nordwestliche, dann nördliche Hauptrichtung. Im Regbez. Frankfurt ist sie durch den 100,6 km langen Oder-Spreekanal mit der Spree verbunden, während der Müllroser oder Friedrich Wilhelms-Kanal weiter abwärts eine Verbindung mit dem erstern herstellt; im Regbez. Potsdam verbindet der Finowkanal (s. d.) die O. mit der Havel. Zwischen Göritz und Reitwein tritt die O. in das Oderbruch, das sich bis Oderberg ausdehnt, 56 km lang, 12–30 km breit ist und im obern und mittlern Teile vorwiegend fruchtbares Ackerland, im untern größtenteils vortreffliche Wiesen umschließt (vgl. die Schriften von Christiani, 2. Aufl., Freienwalde 1872; Hilliges, Wriezen 1874; Borkenhagen, Neubarnim 1905). Im nördlichen Teile desselben machte ehemals die O. die größte Krümmung, die aber durch den 1747–53 angelegten Oderkanal oder die Neue O. beseitigt ward, indem dadurch nach und nach der Alten O. das Wasser gänzlich entzogen wurde, so daß diese 1832 bei Güstebiese vollständig abgedämmt werden konnte. Gegenwärtig sammelt die Alte O. die Gewässer aus den Abzugsgräben des Oderbruchs sowie aus einer Reihe von Bächen von der Platte von Barnim, die, mit dem Finowkanal vereinigt, bei Hohensathen der Neuen O. zugeführt werden. Hier wird auch ein 1905 vom Landtag zum Bau genehmigter neuer Kanal, der Großschiffahrtsweg Stettin-Berlin, die O. verlassen, um mit teilweiser Benutzung des Finowkanals und andrer Wasserstraßen die Reichshauptstadt zu erreichen. Seine Länge wird von Hohensathen bis zur Mühlendamm-Schleuse in Berlin 106,7 km betragen. Unmittelbar darauf beginnt die O. den Durchbruch durch den pommerschen Landrücken und tritt unterhalb Schwedt in die Provinz Pommern ein, die sie in Vor- und Hinterpommern scheidet; oberhalb Garz teilt sie sich in zwei Hauptarme, von denen der östliche unter dem Namen der Großen Reglitz oder des Zollstroms sich nach Greifenhagen wendet und zwischen Stettin und Damm in den Dammschen See fließt, während der westliche Arm den Namen O. beibehält und auf seinem Laufe nach Stettin durch mehrere kleinere Arme mit der Großen Reglitz in Verbindung steht. Ein oberhalb Stettin aus der eigentlichen O. abgehender Arm heißt die Kleine Reglitz, die sich in den Dammschen See ergießt. Der Abfluß des letztern, der Damansch, in den die Ihna mündet, vereinigt sich wieder mit dem Hauptstrom; dieser geht alsdann, dreifach geteilt, die Jasenitzsche Fahrt links, die Große Strewe in der Mitte und die Kleine Strewe rechts, in das Papenwasser, darauf in das Stettiner oder Pommersche Haff, das durch die Inseln Wollin und Usedom von der Ostsee getrennt ist, mit derselben aber wieder durch drei starke ausfließende Ströme, Dievenow, Swine und Peene, welche die Inseln Usedom und Wollin bilden, in Verbindung steht (s. Karte »Pommern«).

Das Flußgebiet der O. umfaßt 112,000 qkm (2034 QM.) und wird durch die Sudeten vom Donau- und Elbegebiet getrennt. Ihr Lauf beträgt 905 km. Die Nebenflüsse der O. sind rechts: außer den schon genannten Flüssen Ostrawitza und Olsa die Ruda, Birawka, Klodnitz, Malapane, Brinitze, Stober, Weida, Bartsch, Warthe, Miezel, Schlibbe, Rörike, Thue, Plöne und Ihna; links: außer der schon genannten Oppa die Zinna, Hotzenplotz (Ossa), Glatzer Neiße, Ohlau (Ohle), Lohe, Weistritz, Katzbach, der Bober mit dem Queis, die Lausitzer Neiße, Finow und Weise. Von den Städten, die an der O. liegen, sind die bemerkenswertesten im Österreichischen: Odrau; in Schlesien: Ratibor, Kosel, Oppeln, Brieg, Ohlau, Breslau, Steinau, Glogau, Beuthen und Neusalz; in Brandenburg: Krossen, Frankfurt, Küstrin und Schwedt; in Pommern: Garz, Greifenhagen und Stettin. Der Strom wird auf seinem Laufe zuerst bei seinem Eintritt in das preußische Gebiet von sanften Höhen begleitet, die meist sehr waldig sind. Dann aber fließt er größtenteils zwischen flachen, zum Teil sumpfigen Ufern, und nur stellenweise treten Höhen an ihn heran, wie z. B. in der Gegend von Krappitz, wo sich der Annaberg erhebt, bei Krossen, wo einige mit Wein bebaute Hügel sich dem Ufer nahen, weiter unten, wo Sandhügelreihen den Strom bis Frankfurt begleiten, und endlich zwischen Hohensathen und Stettin im Durchdruch durch den pommerschen Landrücken. Die Tiefe der O. ist im ganzen gering und beträgt bei niedrigem Wasserstand oberhalb Glogau nur 0,9, von Glogau bis Schwedt 1 m, die Breite bei Ratibor über 30, bei Oppeln 78, bei Brieg 132, bei Breslau 176 und im Oderbruch 250 m. Um den Wasserspiegel immer auf einer bestimmten Höhe zu halten, ist an der Hotzenplotz bei Krappitz die Erbauung eines Stauweihers geplant. Das Gefälle des Stromes ist bedeutend, besonders in Schlesien, wo es oberhalb Brieg auf 10 km mehr als 4, unterhalb bis zur brandenburgischen Grenze 3–4 m beträgt; bei Schwedt liegt der Wasserspiegel der O. nur noch 0,2 m ü. M. Das starke Gefälle und der Umstand, daß dem Strome mehrere reißende Gebirgsflüsse zufließen, die ihm bei der Schneeschmelze im Gebirge oder bei starkem Regen bedeutende Wassermassen öfters plötzlich zuführen und dadurch große Anschwellungen und gefährliche Überschwemmungen veranlassen, bewirken, daß derselbe nur mit bedeutendem Kostenaufwand als ein schiffbarer Hauptstrom erhalten werden kann; trotzdem ruht im Hochsommer die Schiffahrt wegen Wassermangels oft eine Zeitlang. Die Regulierung der O. von Kosel bis Breslau ist teils ausgeführt, teils in der Ausführung begriffen. Unterhalb Breslau ist die Arbeit seit 1886 beendet. Auch unterhalb Küstrin werden ähnliche Verbesserungen ausgeführt und so die Schiffahrt auf dem ganzen Strome bedeutend gebessert. Die schiffbare Strecke beträgt 715,9 km und beginnt bei Ratibor, die Tiefe wechselt zwischen 1 und 6 m. Die Fischerei ist an der O. bedeutend, namentlich in der Gegend von Stettin. Von Stettin hinab kann der Strom von Seeschiffen befahren werden. Der Haupthafen desselben, der zugleich der Handelshafen für Stettin ist, befindet sich bei Swinemünde auf der Insel Usedom. In Breslau kamen 1903 an: 2653 beladene Frachtschiffe mit 440,000 Ton. Ladung; es gingen ab: 4020 Schiffe mit 908,000 T. Ladung. Vgl. »Der Oderstrom, sein Stromgebiet und seine wichtigsten Nebenflüsse; hydrographische, wasserwirtschaftliche und wasserrechtliche Darstellung« (Berl. 1896, 3 Bde., mit Atlas von 36 Karten; daraus besonders erschienen: »Karten des Oderstromgebietes«, 5 Blatt, 1: 600,000); »Führer auf den deutschen Schiffahrtstraßen«, bearbeitet im preuß. Ministerium der öffentl. Arbeiten, 5. Teil: Das Odergebiet (2. Aufl., das. 1904); Wutke, Die schlesische Oderschiffahrt in vorpreußischer Zeit (Bd. 17 des »Codex diplom. Silesiae«, Bresl. 1896); Kotze, Die Wasser-, Deich- und Schiffahrtspolizei im Stromgebiet der O. (das. 1905); Fontane, Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Bd. 2: Das Oderland (8. Aufl., Stuttg. 1905); K. Brämer, Die O. und ihr Gebiet (in der »Zeitschrift des königl. preußischen Statistischen Büreaus«, Berl. 1899).

2) Fluß im Südharz, im preuß. Regbez. Hildesheim, entspringt südwestlich vom Brocken, bildet den 1632 m langen Oderteich, aus dem der 1713–22 angelegte, 71/4 km lange Rehberger Graben die Andreasberger Hüttenwerke und Gruben mit dem nötigen Aufschlagwasser versorgt, durchfließt das romantische Odertal, verläßt den Harz bei Lauterberg und mündet rechts in die Rhume.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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