- Köln [1]
Köln, ehemals deutsches Erzstift und Kurfürstentum im kurrhein. Kreis, das im Reichstag auf der rheinischen Bank die erste Stimme hatte, bestand aus mehreren gesonderten Teilen: längs des Rheins auf dem linken Ufer zwischen den Herzogtümern Jülich und Berg lag der Hauptteil, zwischen Jülich und dem Erzstift Trier ein andres Gebiet, und auf dem rechten Rheinufer lagen die Grafschaft Recklinghausen und das Herzogtum Westfalen. Die eigentlichen erzstiftischen Lande (ohne Recklinghausen und Westfalen) umfaßten etwa 2750 qkm (50 QM.) mit 100,000 Einw., das ganze vom Kurfürsten beherrschte Gebiet aber ungefähr 6600 qkm (120 QM.) mit 230,000 Einw. Der Erzbischof von K. war der dritte geistliche Kurfürst des Deutschen Reiches und Erzkanzler des heiligen römischen Reiches in Italien sowie des Papstes, seit Innozenz IV. auch geborner päpstlicher Legat. Bei der Wahl des römischen Königs hatte er als Kurfürst die zweite Stimme und genoß das Vorrecht, innerhalb des Erzstifts und außerhalb Deutschlands zur Rechten des Königs gehen zu dürfen. Zwischen ihm und dem Kurfürsten von Mainz bestand wegen der Kaiserkrönung ein langer Streit, der erst 1657 dahin entschieden wurde, daß stets derjenige die Krönung vollziehen sollte, in dessen Sprengel sie stattfinde; sofern sie aber an einem Ort außerhalb der beiden Bistümer vollzogen würde, sollten beide Kurfürsten miteinander abwechseln. Die Landstände des Erzstifts bestanden aus dem Domkapitel, den Grafen, der Ritterschaft und den Städten, und die Landtage wurden gewöhnlich in Bonn gehalten. Die Stadt K. hatte sich schon im 13. Jahrh. von der Herrschaft des Erzbischofs befreit, und dieser residierte meist in Brühl und Godesberg, später in Bonn. Das Domkapitel dagegen, das fast nur aus Mitgliedern reichsunmittelbarer Häuser bestand, hatte seinen Sitz in der Stadt K., wo sich auch die erzbischöfliche Kathedrale (der Dom) sowie das geistliche und das weltliche Hofgericht befanden. Das Erbhofmeisteramt des Erzstifts hatten die Grafen von Manderscheid, das Erbmarschallamt die Grafen von Salm, das Erbschenkenamt die Herzoge von Arenberg und das Erzkämmereramt die Grafen von Plettenberg inne. Die jährlichen Einkünfte betrugen etwa 600,000 Tlr. Das Wappen zeigte ein schwarzes Kreuz im silbernen Feld (Erzstift K.), ein weißes springendes Pferd im roten Feld (Herzogtum Westfalen), drei goldene Herzen im roten Feld (Herzogtum Engern) und einen silbernen Adler im blauen Feld (Grafschaft Arnsberg).
Die Legende nennt als den Stifter des Bistums K. den heil. Maternus, der mit dem vom Tod erweckten Jüngling zu Nain identifiziert wird. Erst im 4. Jahrh. kommt indes beglaubigt als Bischof ein Maternus vor. St. Kunibert, Bischof von K. 622–663, bereicherte das Stift durch seinen Einfluß und durch das Vermächtnis seiner Besitzungen Zeltingen und Rachtig a. d. Mosel, Rhens und Boppard. Unter Hildebold, Erzkaplan und Freund Karls d. Gr., wurde K. 785 Erzbistum, dem die Bistümer Lüttich, Minden, Utrecht, Münster und Osnabrück unterstellt wurden. Bruno, der Bruder Ottos I. (s. Bruno 1), seit 953 Erzbischof, wurde zugleich Herzog von Lothringen. Seine Nachfolger behaupteten diese Würde aber nur in dem schmalen Landstrich am Rhein, der später das weltliche Gebiet des Erzbistums bildet. In Brunos Geist wirkten seine Nachfolger Folkmar, Garo, Marinus und Heribert. Erzbischof Pilgrim, 1021 gewählt, war Kanzler Heinrichs II., sein Nachfolger Hermann II., Erzkanzler des apostolischen Stuhles. Auf ihn folgte Anno II. (1056–75), der Held des Annoliedes, Kanzler Heinrichs III. und Vormund Heinrichs IV. sowie Reichsverweser. Arnold 11., ein Graf von Wied (1151–56), erhielt vom Papste die unmittelbare Abhängigkeit der Metropolitane von Rom sowie das Recht zugestanden, den Kaiser in seinem Sprengel zu salben. Erzbischof Reinald von Dassel (1159–67) begleitete den Kaiser Friedrich I. nach Italien, verhalf ihm bei Tusculum zu einem Sieg und erhielt von ihm den Königshof in Andernach. Sein Nachfolger Philipp von Heinsberg (gest. 1191) erwarb nach der Ächtung Heinrichs des Löwen den westlichen Teil des alten Engern und Westfalen für das Erzstift; seitdem schrieben sich die Erzbischöfe von K. Herzoge von Westfalen und Engern. Seit dem 13. Jahrh. sind die Erzbischöfe damit beschäftigt, alle ihre Besitzungen zu einem Territorium zusammenzufassen und den Besitz möglichst auszudehnen und abzurunden. Dieses Bestreben führte zu beständigen Feindseligkeiten mit den benachbarten Dynasten und den Städten, besonders mit Soest und Köln. Die langen Streitigkeiten mit letzterm begannen schon unter Philipp von Heinsberg und erreichten ihre Höhe unter Konrad von Hochstaden (1238–61), Engelbert von Falkenburg (1261–74) und Siegfried von Westerburg (1275–97), verloren zwar nach der Austreibung des Erzbischofs Siegfried aus der Stadt an Schärfe, hörten jedoch nicht eher ganz auf, als bis bei der französischen Invasion die Selbständigkeit des Erzstifts und der Stadt aufhörten. Die vielen Fehden, die Wikbold von Holte (1297–1304), Heinrich von Virneburg (1304–32), Walram von Jülich (1332–49), Wilhelm von Gennep (1349–62), Adolf II. von der Mark (1363–64) und Engelbert III. von der Mark (1364–69) führten, stürzten das Erzstift in eine bedeutende Schuldenlast, deren Druck unter der langen Regierung Dietrichs von Mörs (1414–63) besonders stark wurde und Verpfändungen und Anleihen nötig machte. Als Dietrich der Stadt Soest (s. d.) neue Lasten auslegen wollte, stellte sich diese in den Schutz des Herzogs Adolf von Kleve und fiel nach einer heftigen Fehde 1449 an die Grafschaft Mark. Nach Dietrichs Tode benutzten die Stände die Gelegenheit, sich vor der Neuwahl zu organisieren und in der sogen. Erblandesvereinigung die Forderungen niederzulegen, die der neue Erzbischof anerkennen mußte. Dies war Pfalzgraf Ruprecht bei Rhein, der sich allerdings nicht viel darum kümmerte und dadurch eine Gehorsamsverweigerung der erzstiftischen Stände herbeiführte. Letztere bestellten in der Person des Domherrn, Landgrafen Hermann von Hessen, dem Stift einen Administrator. Es nutzte Ruprecht nichts, daß Karl von Burgund ihm zu Hilfe kam und die Stadt Neuß belagerte (1474); der Burgunder zog ab, und Ruprecht unterlag in dem Kampf; er starb 16. Juli 1480 auf der Feste Blankenstein. Am 11. Aug. 1480 wurde Hermann zu seinem Nachfolger gewählt und starb 1515.
Hermann V. (1515–46), Graf von Wied, anfangs heftiger Bekämpfer der Reformation, ging seit 1542 ernstlich mit dem Gedanken um, das Stift zu reformieren, mußte aber deshalb aus seinem Stifte weichen. Gebhard II., Truchseß von Waldenburg, trat offen über, verehelichte sich 1583, wurde jedoch exkommuniziert und abgesetzt und mußte sich in dem sogen. Kölnischen Krieg (s. d.) gegen den neuen Erzbischof, Herzog Ernst von Bayern, verteidigen. Trotz der Hilfe des Kurfürsten von der Pfalz unterlag er endlich durch das Einschreiten der Spanier und Bayern und zog mit seiner Gemahlin Agnes von Mansfeld nach Straßburg, wo er 1601 als Domdechant starb. Infolge dieses Krieges schuldete das Erzstift allein an Bayern 1,600,000 Tlr., eine Finanzreform war unabweisbar, und sie kam, 1599 begonnen, infolge allmählichen Verzichts der Stände auf ihre Privilegien, 1669 tatsächlich zustande. Ernsts Nachfolger und Neffe Ferdinand (1612–50) schloß sich im Dreißigjährigen Kriege der Liga an und wählte 1642 den bayrischen Prinzen Maximilian Heinrich zum Koadjutor, wofür Bayern auf die oben gedachte Schuld verzichtete. Letzterer ward 1650 Erzbischof, schloß ein Bündnis mit Ludwig XIV., veranlaßte dadurch den Einmarsch der Kaiserlichen und Holländer in das Erzstift und erhielt es erst im Nimwegener Frieden (1679) zurück. Maximilian Heinrich ist auch der Schöpfer der Rechtsordnung, die als Kölnisches Landrecht oder Kölnische Rechtsordnung bis in die neuere Zeit Gültigkeit hatte. Den nach Maximilian Heinrichs Tod unter französischem Einfluß von der Mehrheit des Kapitels gewählten Koadjutor Grafen Wilhelm Egon von Fürstenberg erkannten der Papst und der Kaiser nicht an. Der von diesen bestätigte, aber nur von neun Stimmen gewählte Erzbischof, Prinz Joseph Klemens von Bayern, vertrieb mit Hilfe der zweiten Koalition gegen Ludwig XIV. Fürstenberg 1689 und behauptete sich im Frieden von Rijswijk (1697), hielt es aber im Spanischen Erbfolgekrieg mit Frankreich und trat nach dem Einrücken der holländischen Truppen ins Kölnische 1702 und nach der Eroberung von Bonn 1703 unter französischen Schutz, ward 1706 in die Reichsacht erklärt und blieb in der Verbannung, meist in Lille, bis er durch die Friedensschlüsse zu Rastatt und Baden 1714 wieder in sein Land eingesetzt wurde. Joseph Klemens starb 1723, nachdem er den bisherigen Bischof von Münster und Paderborn, seinen Neffen Klemens August, zum Koadjutor angenommen hatte. Seine Kriegsmacht von 12,000 Mann stellte Klemens August im Siebenjährigen Krieg unter kaiserlichen Oberbefehl, wofür er von Frankreich bedeutende Subsidien bezog. Nach seinem Tode (1761), mit dem die Reihe der seit 1583 regierenden bayrischen Prinzen endigte, wurde Maximilian Friedrich, Graf von Königseck-Aulendorf, gewählt, der mit den Gütern der aufgehobenen Jesuitenkollegien in Bonn eine Akademie stiftete. Sein Nachfolger, Erzherzog Maximilian Franz von Österreich (seit 1785), regierte ganz im Geiste des Kaisers Joseph II., verwendete die Ersparnisse des Hofes zum Besten des Staates, förderte Künste und Wissenschaften, erhob die Akademie in Bonn zur Universität und hielt seine Gerechtsame dem Papst gegenüber mit Energie aufrecht. Er mußte indessen infolge der französischen Revolution schon 1794 das Erzstift verlassen und starb 27. Juli 1801. Um die Existenz des Erzstifts zu retten, wählte das Domkapitel zwar den Erzherzog Amadeus Viktor zu seinem Nachfolger; allein durch den Lüneviller Frieden 1801 wurde das Erzstift säkularisiert, und der Teil auf dem linken Rheinufer kam an Frankreich, während die auf dem rechten Rheinufer gelegenen Reste, mit Ausnahme der Ämter Altenwied und Neuenburg, die der Fürst von Wied-Runkel erhielt, an Nassau-Usingen fielen. Das Herzogtum Westfalen kam an Hessen-Darmstadt und die Grafschaft Recklinghausen an den Herzog von Arenberg, 1811 an den Großherzog von Berg.
Im ersten Pariser Frieden 1814 mußte Frankreich den bisher französischen Anteil des Erzstifts K. zurückgeben; derselbe ward Preußen zugeteilt, desgleichen die auf dem rechten Rheinufer gelegenen Reste des Erzbistums, die Nassau besessen hatte, die Grafschaft Recklinghausen und das Herzogtum Westfalen. Bei der neuen Organisation des Erzstifts auf Grund der päpstlichen Bulle »De salute animarum« 1821 wurde das Erzstift wieder hergestellt und demselben die Bistümer Trier, Münster und Paderborn unterstellt und der Freiherr Joseph Anton, Graf Spiegel zum Desenberg und Canstein, ein wissenschaftlich gebildeter und freisinniger Mann, im Dezember 1824 zum Erzbischof von K. ernannt. Ihm folgte 1835 Klemens August, Freiherr v. Droste zu Vischering (s. d.), der mit der preußischen Regierung den Streit über die gemischten Ehen (Kölnischer Kirchenstreit) anfing, der 1837 mit der Amtssuspension des Erzbischofs endigte. Das Erzbistum ward nun vom Domkapitel mittels eines Verwesers und Kapitelvikars, Hüsgen, verwaltet, dem auch im Mai 1838 die päpstliche Sanktion erteilt ward. Später (1841) wurde mit Zustimmung des Erzbischofs Droste zu Vischering der Bischof Johannes v. Geissel (s. d.) zu Speyer zum Koadjutor cum jure succedendi ernannt, der 1842 sein Amt antrat, ein ruhiges Verhalten beobachtete und nach seines Vorgängers Tod 1. Jan. 1846 demselben in der Würde als Erzbischof von K. folgte. Ihm folgte 1864 der Bischof von Osnabrück, Paul Melchers (s. d.), der bei Beginn des Kulturkampfes seine Diözese verließ und 12. Juli 1876 abgesetzt wurde. Nachdem er zum Kardinal erhoben worden, verzichtete er auf sein erzbischöfliches Amt, und im Einverständnis mit der preußischen Regierung ernannte der Papst 1885 den Bischof Krementz (s. d.) zum Erzbischof von K., der am 6. Mai 1899 starb. Ihm folgte der Paderborner Bischof Hubertus Simar (s. d.), der schon 23. Mai 1902 starb. Seitdem ist der bisherige Weihbischof Fischer (s. d. 4) Erzbischof. Vgl. Binterim und Mooren, Die alte und neue Erzdiözese K. (Mainz 1828–31, 4 Tle.; neubearbeitet von A. Mooren, Düsseld. 1892–93, 2 Bde.); Mering und Reischert, Die Bischöfe und Erzbischöfe von K. (Köln 1842–44, 2 Bde.); Varrentrapp, Hermann von Wied und sein Reformationsversuch in K. (Leipz. 1878); Jansen, Die Herzogsgewalt der Erzbischöfe von K. in Westfalen (Münch. 1895); Hansen, Zur Vorgeschichte der Soester Fehde (im 3. Ergänzungsheft zur »Westdeutschen Zeitschrift«, Trier 1888); Ennen, Geschichte der Reformation im Bereich der alten Erzdiözese K. (Köln 1849); Lossen, Der Kölnische Krieg (Münch. 1882–97, 2 Bde.); Ennen, Frankreich und der Niederrhein oder Geschichte von Stadt und Kurstaat K. seit dem Dreißigjährigen Kriege bis zur französischen Okkupation (Köln 1855, 2 Bde.); Walter, Das alte Erzstift und die Reichsstadt K. (Bonn 1866); Podlech, Geschichte der Erzdiözese K. (Mainz 1879); Maurenbrecher, Die preußische Kirchenpolitik und der Kölner Kirchenstreit (Stuttg. 1881).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.