Architektūr

Architektūr

Architektūr, im weitern Sinne soviel wie Baukunst, d.h. die Kunst, alle Arten von Baulichkeiten nach Zweck und Bedürfnis auszuführen, im engern Sinne die Hochbaukunst, die sich mit der Errichtung und Einrichtung von Hochbauten beschäftigt (weiteres über Einteilung und Technik s. Art. »Baukunst«). Geht der Architekt darauf aus, bei dem Bauwerk in erster Linie künstlerische Rücksichten walten zu lassen, so betritt er das Gebiet der schönen A. Mit den der letztern angehörigen Schöpfungen der Baukunst beschäftigt sich vorzugsweise die auf die Erkenntnis der Baudenkmäler vergangener Epochen gerichtete Forschung, die den Zusammenhang der Entwickelung der A. seit den Anfängen der menschlichen Kultur festgestellt hat. Einen Überblick über diese Entwickelung gibt die folgende geschichtliche Darstellung.

Geschichte der Architektur.

(Hierzu die Tafeln »Architektur I–XII« mit der »Zeittafel zur Geschichte der A.«, am Schluß dieses Bandes.)

Die Urgeschichte der A. ist, wie die der andern Künste, in Dunkel gehüllt. Ausgegrabene Höhlen, Hütten aus belaubten Zweigen oder Baumstämmen waren die ersten Bauwerke, die aus Menschenhand hervorgingen. Ein schlichter Stein bildete in jenen frühesten Tagen den Altar der Gottheit; ein Hügel von Erde türmte sich über den Gebeinen des toten Helden empor. Mit der Entwickelung des Menschengeschlechts nahmen jene rohen Denkzeichen ein bestimmtes Gepräge an, so: die Grabhügel, die sich in den nördlichen Ländern Europas in großer Zahl vorfinden, deren Fuß häufig durch einen Kreis von Steinen bekränzt, und deren Gipfel durch mächtige Steinplatten gekrönt wird; die Steinpfeiler, hohe, schlanke, oben spitze Steine, die einzeln oder in Gruppen beieinander stehen und besonders häufig im skandinavischen Norden vorkommen, wo man sie Bautasteine nennt und für Denkmäler gefallener Helden hält, und die sogen. Hünenbetten, in der Bretagne Dolmen oder Lechs, bei den Britanniern Cromlechs genannt, die ebenfalls für Grabmonumente oder Opferstätten gelten (vgl. Gräber, vorgeschichtliche). Die merkwürdigen Wagsteine (die Rockingstones der Engländer und Rokkestene der Skandinavier), Felsen, die auf eine oder zwei Unterlagen so ausgesetzt sind, daß man sie wie den Balken einer Wage bewegen kann, sowie die geweihte Stätten umschließenden Steinkreise finden sich vorzugsweise in den keltischen Ländern. Das bedeutendste der keltischen Heiligtümer in Frankreich liegt zu Carnac, bei Quiberon in der Bretagne, und bildet ein weites Feld, bedeckt mit gegen 4000 obeliskenartigen Steinpfeilern, die zum Teil eine Höhe von ungefähr 10 m erreichen und meist auf ihrem dünnern Ende stehen. Noch merkwürdiger ist das vorzüglichste der alten Heiligtümer in England, das bei Stonehenge (s. d.) unfern Salisbury befindliche. Als Beispiele einer zweiten Entwickelungsstufe treten uns die auf verschiedenen Inseln des Großen Ozeans zwischen Asien und Amerika aufgefundenen einfachen Monumente entgegen, die mit jenen des nördlichen Europa zu vergleichen sind und z. B. auf der Osterinsel große Steinhaufen von pyramidaler Form oder bei den Morais (heiligen Begräbnisorten) regelmäßig behauene, zum Teil mächtige Steine bilden, die zu einem einfachen architektonischen Ganzen zusammengefügt sind. Andre Beispiele einer frühen Entwickelung der Kunst finden wir in den alten Denkmälern von Amerika, die jedoch in keinem nachweisbaren Zusammenhange mit dem Entwickelungsgang der A. in Westasien und Europa stehen (s. Amerikanische Altertümer).

Die Architektur der orientalischen Völker.

An der Spitze dieses Entwickelungsganges steht nach den erhaltenen Baudenkmälern Ägypten (Tafel I). Das ganze sich an den Ufern des Nilstroms hinziehende Land enthält noch jetzt eine Menge von Denkmälern, von denen die ältesten, die kolossalen Grabdenkmäler des alten Memphis (Tafel I, Fig. 1 u. 2), die Pyramiden, die an den Abhängen der libyschen Bergkette auf einer Strecke von 8 Meilen in mehreren Gruppen zerstreut liegen, wahrscheinlich bis in das 4. Jahrtausend v. Chr. hinausreichen. In Beziehung zu ihnen steht der Sphinxkoloß, zwischen dessen Tatzen sich ein Tempelchen erhob. In der auf die Vertreibung der Hyksos folgenden Blüteperiode des ägyptischen Lebens sind die glänzendsten, an den Ufern des Nils aufgeführten Denkmäler entstanden, vor allen die Monumente von Theben in Oberägypten, die fast sämtlich dem 13. Jahrh. v. Chr. angehören. In diesen altägyptischen Bauwerken tritt wieder die Pyramide als älteste Architekturform hervor. Die Umfangsmauern der Tempel erhielten einen Anlauf und wurden an den Kanten mit Rundstäben geschmückt, die Decken mit einem horizontalen Abschluß und mit einer mächtigen Hohlkehle versehen (Tafel I, Fig. 19). Keine Fensteröffnung oder Säulenstellung unterbrach die gewaltigen Flächen dieser Umfangsmauern, die ein langgestrecktes Rechteck umschlossen und mit farbenreicher Bilderschrift bedeckt waren. Lange Doppelreihen von kolossalen Sphinxen oder Widdern führten zu dem hohen, schmalen Eingang, der zwischen zwei turmartige Pylonen gleichsam eingeschoben und bisweilen von Obelisken oder kolossalen sitzenden Herrscherstatuen flankiert ward. Die zu beiden Seiten des Einganges in die Pylonen eingelassenen Nuten (Tafel I, Fig. 4) dienten zur Aufnahme hoher, bei Festen mit flatternden Wimpeln geschmückter Masten. Die enge Pforte führte in den unbedachten, auf mindestens drei Seiten von einer bedeckten Säulenstellung umgebenen Vorhof, der sich bei einigen Tempeln hinter einem zweiten Pylonenpaar wiederholt, und von da in einen oft ebenso großen Saal, dessen schwere Steinbalkendecke auf Reihen dicht gestellter Säulen ruht. An diesen Saal, der in keinem ägyptischen Tempel fehlt, reihten sich die übrigen kleinern und düstern Räume des Heiligtums mit der engen, niedrigen Cella, die das Götterbild aufnahm (s. den Durchschnitt und den Grundriß Tafel I, Fig. 5 u. 9). Die ägyptische Säule (Tafel I, Fig. 12–18, und Tafel »Baustile I«, Fig. 1 u. 2) zeigt bereits die verschiedenen durch das Wesen der Säule bedingten Elemente in gesetzmäßiger Wiederkehr. Über einer runden Plinthe erhebt sich der runde, ganz unten mehr oder weniger eingezogene, nach oben zu allmählich verjüngte Schaft der Säule und nimmt das entweder kesselförmige, unten ausgebauchte, oben eingezogene geschlossene oder kelchförmige, unten etwas ausgebauchte, oben überfallende offene Lotoskapitell mit quadratischer Platte auf, worüber der aus starken, von Säule zu Säule reichenden Steinbalken bestehende Architrav ruht. Sowohl die Säulenschäfte als die Kapitelle erhalten bisweilen konvexe und konkave Längsrippen und sind teils mit Pflanzengebilden, teils mit Bilderschrift bedeckt. Insbesondere erhalten die offenen Lotoskapitelle Ornamente aus schlanken Pflanzenblättern oder auf elastischen Stielen sich wiegenden Blüten (s. Tafel »Ornamente I«, Fig. 7 u. 8). In späterer Zeit kam vorzugsweise das Kelchkapitell (Tafel I, Fig. 12) zur Anwendung, an dessen Stelle seit der Ptolemäerzeit ein mit einer Gesichtsmaske (Bildern der Isis oder Hathor) geschmückter Aufsatz trat (Tafel I, Fig. 17). Von den einzelnen Monumenten erwähnen wir die Reste der beiden riesigen Tempel zu Karnak (Tafel I. Fig. 12 u. 13) und zu Luksor (Tafel I, Fig. 4 u. 5), die durch eine fast 2 km lange Allee von Sphinxkolossen verbunden werden, den großen Tempelpalast bei Medinet Abu (Tafel I, Fig. 15 u. 18) und das nördlich von diesem gelegene Trümmerfeld mit vielen Bruchstücken kolossaler Statuen, von denen noch zwei aufrecht sitzen; eine davon ist die berühmte Memnonsstatue. Der nördlich davon befindliche Totenpalast ist ein Mausoleum des Ramses (Tafel I, Fig. 11). Als Werke derselben frühen Periode sind die Denkmäler von Abu Simbel (Ebsambul, Tafel I, Fig. 6 u. 7), Derr, Girscheh und Uadi Sebua in Unternubien zu betrachten, die ganz oder zum Teil in den Felsen gehauen sind. Bei den nach Anlage und Form mehrfach abweichenden Denkmälern der spätern Zeit, worunter sich der prachtvolle Tempel zu Dendrah unterhalb Theben (Tafel I, Fig. 17), der östliche und westliche Tempel auf der Insel Philä (Tafel I, Fig. 10 u. 14) und der große Tempel zu Edfu (Tafel I, Fig. 8 u. 9) aus der Ptolemäerzeit auszeichnen, ist die vordere große Säulenhalle fast nirgends mehr geschlossen, sondern mit offener Säulenstellung versehen. Auch in den gemeinnützigen Unternehmungen leisteten die Ägypter Ausgezeichnetes, besonders im Wasserbau zum Schutze gegen die jährlichen Überschwemmungen des Nils. Ihr Privatbau hielt sich dagegen, soweit sich aus Darstellungen von Wohnhäusern auf Wandgemälden (Tafel I, Fig. 21) und aus Grundrißspuren (Tafel I, Fig. 20) erkennen läßt, in bescheidenen Grenzen (weiteres s. Tafel »Wohnhaus I«).

Die A. der alten Völker des westlichen Asien diesseit des Indus kennen wir nur aus ungenügenden Berichten der Schriftsteller des Altertums und vereinzelten Resten ihrer Denkmäler. Zu den Bauwerken des einst so mächtigen Reiches von Babylonien gehört der durch die ältesten biblischen Sagen als »Turm von Babel« bekannte Tempel des Belus, ein massiver pyramidaler Bau, der an der Basis etwa 200 m breit und ebenso hoch war und in acht großen Absätzen emporstieg, und die alte königliche Burg, deren Mauern mit bildlichen Darstellungen großer Jagden auf wilde Tiere geschmückt waren. Die übrigen Trümmer von Babylon gehören der jüngern Zeit an, wo nach dem Sturze des alten Reiches durch das Eindringen der Chaldäer ein neues, chaldäisch-babylonisches Reich entstand. Zu diesen spätern Werken gehört ein zweiter königlicher Palast mit einem prächtigen Garten, der sich terrassenförmig erhob und später unter der Benennung der »hängenden Gärten der Semiramis« zu den »sieben Wundern der Welt« gezählt wurde. Der Trümmerberg El Kasr wird für den Rest des Palastes gehalten. Unter den Ruinenhügeln von Nimrud, die anscheinend Reste des alten Ninive sind, haben der beim Dorfe Chorsabad und der mehr nördlich gelegene Kujundschik wertvolle Bruchstücke (Tafel II, Fig. 1 u. 2, und Tafel »Ornamente I«, Fig. 1–5) enthalten. Das Baumaterial sind Steine aus gebranntem Ton, die durch ein Erdharz, z. T. auch durch Kalkmörtel, auf sehr feste Weise verbunden wurden. Die Bauten von Nimrud gehören dem 9., die von Chorsabad und Kujundschik dem 8. und 7. Jahrh. v. Chr. an.

Die Phöniker bildeten einen Teil desselben Volksstammes, dem die Babylonier angehörten. Mancherlei Tempel und andre Architekturen werden zwar erwähnt, aber was wir darüber wissen, bezieht sich meist nur auf die glänzende Ausschmückung, die sie durch edle Metalle erhielten. Zu den berühmtesten Denkmälern gehörten die von König Hiram erbauten Tempel zu Tyros. Unter den wenigen erhaltenen sind besonders eine etwa 5 m hohe Tempelcella und ein etwa 10 m hohes Grabmal zu Amrit (Tafel II, Fig. 9 u. 10) und die 1901 ausgegrabenen Reste des Tempels von Sidon bemerkenswert. Karthago besaß einen prachtvollen Tempel auf der Burg sowie großartige Hafenbauten und Befestigungen, von denen noch Reste vorhanden sind.

An die Bauwerke der Phöniker schließen sich die der Juden an. Unter der Regierung Salomos (um 1000 v. Chr.) wurde die alte transportable Stiftshütte durch einen massiven Tempel auf dem Berge Moria zu Jerusalem ersetzt. Nur ein geringer Teil seines kolossalen Unterbaues (Tafel II, Fig. 11) hat sich erhalten, aber von seiner Pracht enthalten die biblischen Schriften überschwengliche Schilderungen (vgl. Tempel). Über die Detailformen der hebräischen A. geben die Felsengräber bei Jerusalem Aufschluß, unter denen das sogen. Grab des Absalom (Tafel II, Fig. 14) besondere Beachtung verdient.

Die Volksstämme Kleinasiens haben vorzugsweise Grabmonumente hinterlassen, die sich noch in erheblicher Anzahl und mannigfacher Formbildung vorfinden. Die ältesten und primitivsten stammen von den Lydiern (ca. 700–600 v. Chr.) und haben meist die Form eines einfachen Tumulus, der auf kreisrundem Unterbau kegelförmig aufsteigt (Grab des Tantalos bei Smyrna). Ihnen gegenüber stehen die Felsgrottenbauten der Phrygier mit ihren künstlich ausgemeißelten Giebelfassaden (Grab des Midas im Tal Doghanlü), während die Grabmäler der Lykier (500–200 v. Chr.) wieder eine andre, noch reicher entwickelte Form darbieten. Man meißelte hier entweder aus dem freien Felsgestein das Grabmal als einen selbständigen monolithen Sarkophag heraus, oder man legte die Grabkammer im Felsen an und meißelte dem letztern eine Fassade auf, in beiden Fällen jedoch mit getreuer Nachahmung einer Holzkonstruktion; Beispiele finden sich bei Phellos, Antiphellos (Tafel II, Fig. 12), Myra etc. In einzelnen Werken macht sich hier auch griechischer Einfluß geltend, so bei den Gräbern von Telmissos (Tafel II, Fig. 13).

In der Glanzperiode des persischen Reiches nahmen die Könige ihr Hoflager besonders zu Ekbatana in Medien, Susa und Persepolis. Ekbatana war die Residenz des medischen Reiches gewesen und ihre Burg schon beim Beginn der Mederherrschaft auf großartige Weise angelegt worden. Die in der Nähe des heutigen Hamadan aufgefundenen Reste, namentlich Basis und Schaft einer Säule, stimmen mit den Formen der persepolitanischen A. überein. Von Susa, dessen Erbauung den ersten persischen Herrschern zugeschrieben wird, wissen wir, daß es in der Bauweise von Babylon angelegt war. Das eigentliche Heiligtum des persischen Reiches bildete aber der alte Stammsitz der persischen Herrscher, ursprünglich Pasargadä (»Perserlager«), von den Griechen Persepolis genannt. Hier stand die alte Burg des königlichen Geschlechts, hier wurden die Gebeine der Könige bestattet und ihre Ruhestätten durch glänzende Denkmäler bezeichnet. Hier erhob sich ein neuer, umfangreicher Palast (Tafel II, Fig. 3 u. 4). Das auf der Stätte der alten Residenz, in der Gegend von Murghab, erhaltene Grabmal des Kyros (Tafel II, Fig. 7) ist ein pyramidaler, aus kolossalen weißen Marmorblöcken ausgeführter Bau, der in sieben Stufen emporsteigt und auf der obern Fläche ein steinernes Häuschen trägt, das den goldenen Sarg des Königs enthielt. Gräber der spätern Könige sind in den Felsen gearbeitete Kammern mit verschlossenem und verborgenem Eingang, die an dem Äußern der Felswand durch eine ausgemeißelte Fassade (Tafel II, Fig. 8) bezeichnet sind. Die Halbsäulen der Fassaden haben ein Kapitell, das aus zwei nach den Seiten hinausragenden, mit den Leibern zusammenhängenden Einhörnern (Tafel II, Fig. 5 u. 6) besteht. Das merkwürdigste aller Monumente der persischen A. bilden die Reste des großen Palastes von Persepolis, die gegenwärtig den Namen Tschil Minar (»die vierzig Säulen«) führen (Tafel II, Fig. 3). An babylonische Anlagen erinnernd, erheben sie sich in mehreren breiten Terrassen auf einer Abdachung des Berges Rachmed und umschließen einen Raum von 440 m Länge und 280 m Breite.

Getrennt von dem Völkerleben des westlichen Asien entwickelte sich der Osten dieses Weltteils, dessen vornehmster Kultursitz Hindostan war. Die A., die sich dort ausbildete, steht aber in keinem nachweisbaren Zusammenhange mit der A. Vorderasiens, weshalb wir sie als eine gesonderte Erscheinung an andrer Stelle charakterisieren (s. Indische Kunst), ebenso wie die A. der Chinesen und Japaner (s. China und Japan).

Die griechische Arhitektur.

Als das erste Stadium in der Entwickelung der griechischen A. (Tafel III) betrachten wir die Schöpfungen, die dem Heroenzeitalter der griechischen Geschichte angehören. Die wichtigsten Äußerungen baukünstlerischer Tätigkeit finden wir in der Anlage von Burgen, deren gewaltige, von der spätern Sage als Kyklopenmauern bezeichnete Ringmauern aus polygonen Steinblöcken (Tafel III, Fig. 1 u. 3) bestanden. Die erhaltenen Mauerreste, die einen allmählichen Fortschritt der Technik erkennen lassen, sind teils aus rohen, kolossalen Blöcken aufgebaut, deren Lücken mit kleinern Steinen ausgefüllt wurden (Tafel III, Fig. 1), teils aus mehr oder weniger sorgfältig behauenen, mit ihren Kanten und Winkeln genau ineinander gefügten Steinen zusammengesetzt (Tafel III, Fig. 3). Das Streben, die Steine in horizontalen Schichten übereinander zu legen, führte endlich zum regelmäßigen Quaderbau. Die Seitenwände der in diesen Mauern angebrachten Tore haben in der Regel eine Neigung, die teils dadurch, daß die obern Steine über die untern mehr heraustreten, teils durch schräg stehende größere Pfosten erzeugt wird. Auch ihre Bedeckung ist häufig von giebelförmiger Gestalt. Das bedeutendste Werk dieser Art ist das Löwentor zu Mykenä (Tafel III, Fig. 2), dessen Giebel, ein dreieckiger Stein, die Reliefdarstellung zweier Löwen zeigt, die sich gegen eine kandelaberartige Säule emporrichten. Durch übereinander geschichtete, vorgekragte Quadersteine ist auch die Bedeckung der für Verteidigungszwecke bestimmten Galerien in der Burg von Tiryns (Tafel III, Fig. 4) gebildet, während die Decke des uralten Appolloheiligtums auf Delos (Tafel III, Fig. 5) aus schräg gegeneinander gelehnten Steinplatten besteht. Über die Beschaffenheit der Fürstenhäuser jener Epoche haben uns die Ausgrabungen von Schliemann einige Anhaltspunkte geliefert (vgl. Mykenä, Orchomenos, Tiryns, Troja), später (seit 1900) auch die von dem Engländer Evans auf Kreta veranstalteten, die in Knossos einen mit dem mykenischen verwandten Herrscherpalast zutage förderten. Die dieser ältesten Zeit angehörenden, früher sogen. Thesauren oder Schatzhäuser haben sich als Gräber fürstlicher Personen herausgestellt, deren bis jetzt 15 an verschiedenen Orten der Ostseite Griechenlands entdeckt worden sind. Es sind unterirdische, kreisrunde Räume, die durch kuppelförmige, aus horizontalen, allmählich vorgekragten Steinringen bestehende, oben durch je eine größere Platte geschlossene Überbaue bedeckt waren, und unter denen das sogen. Schatzhaus des Atreus zu Mykenä das merkwürdigste und am besten erhaltene ist. Schliemanns Ausgrabungen verdanken wir ein sehr reichhaltiges Material zur Unterstützung des Nachweises, daß die griechische A. ein Sprößling des Orients ist, und daß der griechische Geist aus den Überlieferungen Asiens und Ägyptens, vermutlich durch die Vermittelung der Phöniker, jene Gebilde edelster Harmonie entwickelte, deren herrlichstes Symbol der griechische Tempel ist. Die ältesten Göttertempel sind auch die ältesten Erzeugnisse nationalgriechischer Kunst. Der griechische Tempel in seiner ursprünglichen Anlage bestand nur aus der rechteckigen Zelle, in der das Götterbild ausgerichtet war, und aus einer offenen Vorhalle, die eine freie Säulenstellung erhielt, die man bei größern Anlagen später rings um das Tempelhaus führte. Als die Ausbildung der Tempelform ihren Höhepunkt erreicht hatte, wurde das architektonische Gerüst aus der Reihe der Säulen gebildet, die, auf einem gemeinsamen, aus mehreren Stufen bestehenden Unterbau errichtet, in geschlossener Kraft emporstrebten und den Architrav aufnahmen, der durch seine äußere Form die flache Bedeckung der Halle und ihre Verbindung mit dem Tempelhaus aussprach. Über dem Architrav erhob sich der für den bildnerischen Schmuck bestimmte Fries, der Zophoros oder »Bildträger«. Über dem Bildwerk des Frieses ruhte das Kranzgesims, dessen Hauptglied, eine stark vortretende Platte, einen festen Abschluß bildete. An der Schmalseite des Tempels und der ihr entsprechenden Rückseite stieg über dem Kranzgesims noch der Giebel empor, dessen Gestalt, ein flaches Dreieck, durch die Form des Tempeldaches bedingt war. In dem Giebelfeld war das bedeutsamste Bildwerk enthalten, das wiederum in dem kräftig vortretenden Giebelgesims seinen Abschluß fand. Je nach der einfachern oder reichern Anwendung einer einfachen oder doppelten Säulenstellung, nur an der Vorder- und Hinterseite oder auf allen Seiten des Tempels, unterscheidet man den Tempel in antis, den Prostylos, Amphiprostylos, Peripteros, Pseudoperipteros, Dipteros, Pseudodipteros. Nach der wegen des in der Mitte liegenden Einganges stets geraden Zahl der Säulen an der Vorderseite des Tempels nannte man die Tempel tetrastylos (viersäulig), hexastylos (sechssäulig), oktastylos (achtsäulig), dekastylos (zehnsäulig), dodekastylos (zwölfsäulig). Näheres s. Art. »Tempel« und die einzelnen eben genannten Gattungsbezeichnungen. Das geschlossene Tempelhaus bestand aus der eigentlichen Zelle (Naos), die bei den gewöhnlichen Anlagen keine Fenster hatte, und aus der Vorhalle (Pronaos), die mit jener durch eine große Tür verbunden war. Bei einzelnen Tempeln findet sich hinter der Zelle ein abgeschlossenes Hinterhaus (Opisthodom), das wohl meist als Schatzkammer diente. Der Amphiprostylos erhielt gewöhnlich an der Rückseite eine dem Pronaos entsprechende Halle (Posticum). Die Einzelform gestaltete sich nach den Eigentümlichkeiten des dorischen und ionischen Stammes, durch die die griechische A. ein zweifaches Gepräge erhielt, verschieden. Die dorischen Tempel zeigen schwere, gedrungene Verhältnisse. Zu den vollkommensten Schöpfungen des dorischen Stiles gehören das sogen. Theseion, der Parthenon (Tafel III, Fig. 6) zu Athen, der Tempel des Zeus in Olympia und die Tempel in Pästum (Tafel III, Fig. 7) und auf Sizilien. In der ionischen Bauweise erscheint die Form des architektonischen Gerüstes reicher gegliedert und zierlicher ausgebildet. Die Verhältnisse sind freier und leichter, das Ganze hat das Gepräge einer anmutvollen Majestät. Von großer Feinheit der Form sind der Tempel der Athene zu Priene und das Erechtheion (Tafel III, Fig. 8) auf der Akropolis zu Athen.

Als Bauwerke von Bedeutung reihen sich den Tempeln die Prachthallen an, die den Zugang zu dem heiligen Bezirk, der die Tempel umgab, bildeten: die Propyläen. Beispiele sind in Athen und Eleusis erhalten. Die für andre Zwecke bestimmten Säulenhallen wurden teils mit ringsum offenen Säulenstellungen, die eine gemeinsame Decke trugen, versehen, teils außerhalb der Säulen durch Mauern von dem allgemeinen Verkehr abgeschlossen, teils als oben offene Säulenhöfe eingerichtet. Hierher gehören die sogen. Basiliken, Gerichtshallen, die jedoch erst in der Periode der römischen Kunst ihre Bedeutung erhielten. Auch bei den Gymnasien pflegten die Säulenhallen den wichtigsten Schmuck zu bilden, nicht minder in den reichern Privatwohnungen der spätern alexandrinischen Zeit. Die Hauptanlage der Wohngebäude dieser spätern Zeit ist folgende: ein Säulenhof (als wichtigster Teil), um den die Räume der Männerwohnung, z. T. mit prachtvollen Säulensälen, gelegen waren; weiter zurück die Frauenwohnung, womit häufig, von dem Hauptbau durch kleinere Zwischenhöfe getrennt, besondere Gastwohnungen verbunden waren (s. den Grundriß auf Tafel »Wohnhaus I«). – Ausgedehnte Bauanlagen waren ferner die für die Spiele, gymnastischen und musischen Wettkämpfe bestimmten, für die das vollkommen aufgedeckte Olympia das großartigste Beispiel bietet, und die Theatergebäude, von denen sich noch zahlreiche Reste erhalten haben. Ihre Grundform läßt sich aus einer Rekonstruktion des Theaters zu Segesta auf Sizilien (Tafel III, Fig. 10) erkennen. Mit den Wettkämpfen im Zusammenhang stehen die von den Chorführern für den in musischen Spielen errungenen Sieg errichteten choragischen Monumente, entweder Säulen oder durchgebildete Architekturen, auf deren Gipfel ein Dreifuß aufgestellt war, oder tempelartige Bauten (Tafel III, Fig. 9). Die Grabmäler waren z. T. sehr einfach, bestanden aus schlichten Pfeilern, waren mit einem blumigen, den Akroterien der Tempel ähnlichen Schmuck gekrönt und enthielten an ihrer Vorderseite ein einfaches Bildwerk (s. Tafel »Grabmäler«, Fig. 2 u. 3), z. T. waren sie von altarähnlicher Form oder bildeten Felsgrotten, deren Fassade architektonisch dekoriert war. Einzelne Bauten der spätesten Zeit griechischer A., wie der Turm der Winde (Tafel III, Fig. 11), enthalten bereits ausländische Konstruktionsformen. Die Gesamtwirkungen der Schöpfungen der griechischen A. wurde noch wesentlich durch mehr oder weniger reiche Bemalung (Polychromie, s. d.) der Bauglieder und der ornamentalen Teile gehoben (s. Tafel »Ornamente I«, Fig. 35–37).

Die etruskische Architektur.

Als ein wichtiges Zwischenglied in der Geschichte der klassischen A. erscheinen die künstlerischen Bestrebungen Italiens, die den Boden vorbereiteten, auf dem sich nachmals die römisch-griechische Kunst entfalten sollte. Am besten erhalten sind die Bauwerke der Etrusker (Tafel IV, Fig. 1–11). Zu den altertümlichsten Werken altitalischer A. gehören die Mauern der alten Städte, die häufig in der kyklopischen Bauweise des alten Griechenland ausgeführt sind. Bei den in Etrurien vorkommenden Bauten dieser Art, wie bei den Mauern von Volterra, Fiesole, Cortona, Populonia, herrscht das Bestreben vor, die Steine regelmäßiger, in horizontalen Schichten übereinander zu legen. Hieran reihen sich die der Struktur der altgriechischen Kuppelgräber entsprechenden Anlagen, deren Räume durch Kuppeln, die aus horizontal vorgekragten, ringförmigen Steinschichten bestehen, abgedeckt sind. Unterirdische Gemächer dieser Art, vermutlich Gräber, finden sich zu Norba, Vulci, Tarquinii; ein ähnliches besitzt Rom in dem untern Gemach des Carcer Mamertinus, dem sogen. Tullianum, am Abhang des kapitolinischen Berges. Außer und neben dieser Kragsteinkonstruktion wendeten die Etrusker bereits den Gewölbebau (s. Konstruktion des Rundbogens, Tafel IV, Fig. 2) mit aus Keilsteinen gebildeten Bogen an, wie ihn die noch erhaltenen alten Tore von Volterra und Perugia (Tafel IV, Fig. 3 u. 4) zeigen. Ein andrer Gewölbebau findet sich zu Tusculum, wo er als Wasserbehälter für eine Wasserleitung dient (Tafel IV, Fig. 1). Zu den mächtigsten etruskischen Gewölbebauten gehören die zur Ableitung des in den Sümpfen und Seen am palatinischen Berg angesammelten Wassers bestimmten Kloaken zu Rom (Tafel IV, Fig. 5) und der um 393 ausgeführte, 2500 m lange Entwässerungskanal des Albanischen Sees. Eine hohe Bedeutung unter den erhaltenen Monumenten der etruskischen A. haben die Grabmäler, unter denen drei Gattungen zu unterscheiden sind. Die erste ist aus der Form der rohen Erdhügel hervorgegangen. Hierher gehört das Monument in der Nekropolis von Vulci, das den Namen der Cucumella führt (Tafel IV, Fig. 8), das sogen. Grabmal der Horatier und Curiatier bei Rom, das über einem viereckigen Unterbau fünf kegelförmige Spitzsäulen enthält (Tafel IV, Fig. 9). Die zweite Gattung besteht aus architektonischen Fassaden, die man aus den Wänden der Felsen gemeißelt hat, und die sich sehr zahlreich in den Nekropolen der etruskischen Orte Orchia und Aria (jetzt Castel d'Asso, Tafel IV, Fig. 10) vorfinden. Die dritte Gattung besteht aus solchen Grabmälern, die unterirdisch in den Tuffstein eingegraben sind. Von etruskischen Tempeln (Tafel IV, Fig. 6 u. 7) sind keine Reste auf unsre Zeit gekommen; wir kennen aber ihre Anlage und architektonische Ausbildung aus der Anweisung, die Vitruv zur Ausführung von Tempeln dieser Gattung, deren Stil von der spätern römischen Architekturschule als die toskanische Ordnung bezeichnet wird, hinterlassen hat. Den Etruskern ist auch die erste Ausbildung der von der griechischen abweichenden italischen Häuseranlage zuzuschreiben.

Die römische Architektur.

Was zu Rom in den ersten Jahrhunderten des Staates an architektonischen Kunstwerken ausgeführt wurde, verdankte man wesentlich den benachbarten Etruskern, sei es, daß die Arbeiten von etruskischen Künstlern ausgeführt wurden, oder daß man ihrer Lehre und ihrem Beispiel folgte. Als die römische Kultur sich mit der griechischen berührte, gewann letztere einen solchen Einfluß auf jene, daß auch die griechische Kunst nach Rom übertragen wurde und hier eine schöne Nachblüte erlebte. Die beiden Formprinzipien, die in der römischen A. (Tafel IV und V) zusammenfließen, sind die des griechischen Säulenbaues und des italischen Gewölbebaues. Die einfachen Gattungen der griechischen A., die dorische und die ionische, werden bei den Römern selten und, wo sie erscheinen, nur in einer nüchternen Ausbildung angewendet. Statt ihrer wird jetzt die korinthische Säulenform vorherrschend, deren volles Blätterkapitell dem Streben nach Pracht und Glanz besser entspricht als die Kapitellformen jener beiden Ordnungen; auch die Gliederungen des Gebälkes werden mannigfaltiger und mit reicherm Schmucke versehen. Die oblonge Halle wird durch ein Tonnengewölbe (Tafel IV, Fig. 12) überspannt und schließt, dem Eingange gegenüber, durch eine Nische mit halber Kuppel harmonisch ab. Über dem kreisrunden (oder achteckigen) Raum erhebt sich in stolzer Wölbung die Kuppel, und weiter ausgebildet, in Teile gesondert, erscheint dieser Raum, wenn an den Seiten der zylindrischen oder prismatischen Wandung Nischen mit Halbkuppeln ausgespart werden. Andre Räume werden durch Kreuzgewölbe (Tafel IV, Fig. 13) überspannt, und aus der verschiedenartigen Weise, wie Haupt- und Seitenräume überwölbt werden, entsteht das kombinierte Ganze. Am Äußern treten Bogenöffnungen neben und über Bogenöffnungen vor. Als freies und selbständiges Monument erscheint der Bogen, der sich über die Verkehrsstraßen hinwölbt. Die großartigen Bedürfnisse und der Luxus der Römer riefen eine Menge neuer Anlagen hervor, außer Tempeln Gebäude für Zwecke des öffentlichen Lebens, darunter besonders Basiliken in eigentümlicher Ausbildung. Tempel und Staatsbauten reihten sich um das Forum, das, selbst eine besondere architektonische Anlage, mit jenen ein imposantes Ganzes bildete. Der Gesundheit, aber auch dem öffentlichen Vergnügen und behaglichen Müßiggang wurden die Thermen gewidmet. Riesige Werke, wie Theater, Amphitheater, Naumachien, Zirkusse, erhoben sich. Zu unverwüstlicher Dauer wurden die für den öffentlichen Nutzen bestimmten Bauten ausgeführt, unter denen die Heerstraßen, Brücken und Wasserleitungen mit ihren mächtig geschwungenen Bogen und die öffentlichen Brunnen hervorzuheben sind. Ebenso glanzvoll erschienen die Ruhmesdenkmäler der Einzelnen: Ehrensäulen, Triumphbogen und Grabmonumente. Mit dem Glanze der öffentlichen Anlagen wetteiferten die Privatwohnungen, Häuser, Paläste, Villen.

Den lebendigern Aufschwung der römischen A. mit Beginn des 3. Jahrh. v. Chr. kennzeichnet der in dieser Zeit beginnende Bau der großen Heerstraßen und Wasserleitungen (s. Aquädukt), unter denen die Via Appia und der Aquädukt des Claudius (Tafel V, Fig. 3) hervorzuheben sind. Einen erneuten Aufschwung nahm die römische A. um den Beginn und noch mehr um die Mitte des 2. Jahrh. v. Chr., wo griechische Kunstwerke und griechischer Geschmack aus dem eroberten Griechenland nach Rom verpflanzt wurden. Die Monumente von Pompeji bezeichnen den Übergang von der griechischen zur römischen A. Unter Augustus entstand dann ein ganz neues, prächtigeres Rom. Noch herrlichere Bauten führte Trajan aus, besonders auf dem nach ihm genannten Forum. Aber auch die Provinzen wurden nicht vergessen, an verschiedenen Orten stiegen neue, prächtige Städte empor. Bis zur Zeit Hadrians hält sich der Stil der römischen A. ziemlich auf gleicher Höhe, und erst in der zweiten Hälfte des 2. Jahrh. n. Chr. zeigt sich allmähliches Sinken des Geschmacks. Die bedeutendsten noch vorhandenen Gebäude des römischen Altertums sind das von Agrippa 26 v. Chr. erbaute, unter Hadrian erneuerte und umgewandelte Pantheon zu Rom (Tafel IV, Fig. 14–16) und der von Hadrian 135 n. Chr. erbaute Tempel der Venus und Roma (Tafel IV, Fig. 17 u. 18). Die Theater, worunter das Theater des Marcellus hervorzuheben ist, wurden zunächst den griechischen nachgebildet, während die zu blutigen Kampfspielen bestimmten Amphitheater, wie das berühmte Kolosseum zu Rom, die zu Nîmes (Tafel V, Fig. 1 u. 2), Arles, Verona und Pola, die römische A. kennzeichnen. Außerdem gehörten neben den Prachtforen des Julius Cäsar und der Kaiser die Thermen zu den eigentümlichsten und großartigsten Anlagen Roms. Die Thermen des Caracalla (die rekonstruierte Ansicht eines Saales s. Tafel V, Fig. 10) aus der frühern Zeit des 3. und des Diokletian aus dem Anfang des 4. Jahrh. ragten durch Größe und Pracht hervor. Von großartigen Brückenanlagen aus dieser Zeit sind uns erhalten: der einfachere Pons Aelius (jetzt Ponte Sant' Angelo) und der zierlichere Ponte rotto (Pons Palatinus oder Senatorius) zu Rom sowie die ebenfalls zierlich ausgebildete Brücke des Augustus zu Rimini. Von den Ehrensäulen erscheinen in reichster Ausbildung die Säulen des Trajan und Mark Aurel zu Rom. Der römischen Kunst eigentümlich und sie in ihrer ganzen Majestät zeigend sind die Ehrenbogen, namentlich die Triumphbogen. Unter den erhaltenen sind die frühesten die Triumphbogen des Augustus zu Rimini und zu Susa in Piemont und der Siegesbogen zu Aosta, während der Bogen der Sergier zu Pola in Istrien der besten Zeit der römischen Kunst angehört. Unter den zu Rom erhaltenen ist der früheste der des Titus, dem sich die des Septimius Severus und des Konstantin (Tafel V, Fig. 7) anschließen. Die Grabmäler sind teils unterirdisch, teils als mehr oder weniger bedeutsame Werke über der Erde angelegt. Die unterirdischen Gräber sind entweder in den Fels gearbeitet, wie die Katakomben von Rom, Neapel, Syrakus, Malta, Alexandria etc., oder gemauert und überwölbt. Überreste bedeutenderer, über der Erde angelegter Grabdenkmäler sind das sogen. Grabmal des Vergilius am Posilippo, das sogen. Grabmal der Servilier bei Rom, das aus der Zeit des Julius Cäsar herrührende Grabmal der Cäcilia Metella bei Rom und das der Plautier bei Tivoli. In riesigem Maß vergrößert und bereichert erscheint die altertümliche Form in dem Mausoleum des Augustus auf dem Marsfeld und dem Mausoleum des Hadrian (Tafel V, Fig. 8 u. 9, nach der Restauration von Borgatti, die sich auf Ausgrabungen und Untersuchungen in den Jahren 1888 und 1889 stützt), dessen untere Teile den Kern des heutigen Kastells Sant' Angelo bilden. Die Anlage der römischen Wohnhäuser, die der pompejanischen verwandt ist und in dem Hause des Pansa in Pompeji (Tafel V, Fig. 4–6) einen Repräsentanten findet, unterscheidet sich von der griechischen dadurch, daß in ihr die Frauenwohnung minder bestimmt von der Männerwohnung gesondert war, dann durch die Verbindung des italischen (etruskischen) Atriums mit den der griechischen A. entsprechenden Räumen. Das Atrium bildete den Mittelraum in dem vordern Teil des Gebäudes und diente für die öffentlichen Geschäfte des Hauses, während sich hinten der Hof mit seiner Säulenumgebung anschloß. Reich und umfassend wurden auch die Villen der Vornehmen angelegt. Domitian gründete einen neuen Kaiserpalast auf dem Palatin, und die spätern Kaiser bauten daran fort. Sehr ausgedehnt war die Villa des Hadrian zu Tivoli, von der noch ein Labyrinth von Ruinen übrig ist.

Mit dem Beginne des 3. Jahrh. n. Chr. trat in der römischen A. das Bestreben hervor, die Massen auf eine mannigfaltigere Art zu gliedern, sie reicher zu beleben. Mit den Formen des griechischen Säulenbaues und der italischen Gewölbearchitektur vereinigen sich nicht selten bunt geschweifte, phantastische Bildungen, wozu eine überreiche, den architektonischen Kern überwuchernde Ornamentik tritt. Aber mitten aus dieser Auflösung der Kunst der alten Welt treten zugleich die Prinzipien einer neuen Kunstwelt immer deutlicher hervor, in der auf eine mehr malerische Wirkung hingearbeitet wird, während sich eine selbständigere Behandlung des Gewölbe- und Bogenbaues erkennen läßt. Die Hauptmotive dieser neuen Umwandlung der antiken A. hat man, wie es scheint, im Orient zu suchen, wo in dieser Zeit verschiedene großartige Bauanlagen ausgeführt wurden, unter denen sich die mächtigen Bauten zweier Städte Syriens auszeichnen, von denen bedeutende Reste bis auf unsre Zeit gekommen sind: Palmyra (Tadmor) und Heliopolis (Baalbek). Von dem mächtigen Schloß, das sich Kaiser Diokletian im Anfange des 4. Jahrh. zu Salonä, dem heutigen Spalato (Tafel V, Fig. 11 u. 12), in Dalmatien erbauen ließ, sind ebenfalls noch bedeutende Reste erhalten. Zu den charakteristischen Bauresten dieser Periode in Rom gehören die kolossalen und reichen Architekturfragmente, die einem Tempel des Sonnengottes angehören, den Aurelian in der zweiten Hälfte des 3. Jahrh. erbaute, der Tempel des Vespasian (fälschlich der Tempel der Concordia genannt) am Forum, der Janus Quadrifrons am Forum Boarium aus der Zeit Konstantins, die Basilika des Konstantin, bei der eine großartig neue Entfaltung des Gewölbebaues erscheint und die Art, wie das Kreuzgewölbe des Mittelschiffs angelegt ist, bereits das Prinzip der mittelalterlichen A. zeigt, und das Mausoleum der Constantia, außerhalb Roms, die heutige Kirche Santa Constanza. Durch Konstantin, der den Sitz der kaiserlichen Herrschaft von Rom nach Byzanz (Konstantinopel) verlegte, wurden auch hier mannigfache und ansehnliche Anlagen veranlaßt.

Die christliche Architektur im frühen Mittelalter.

Mit dem Siege des Christentums trat allmählich ein Umschwung in der A. ein. Die ersten gottesdienstlichen Versammlungen der Christengemeinden fanden wahrscheinlich in den Häusern reicher Mitglieder statt, in den dazu am meisten geeigneten Räumen des römischen Hauses, und als dann das Christentum in die Öffentlichkeit trat, entsprachen den Hallen des Wohnhauses am meisten die Basiliken, die inzwischen verödet waren und jetzt den Kultusbedürfnissen des Christentums angepaßt wurden. Die christliche A. ist also wie die alte christliche Kunst überhaupt aus der römischen hervorgegangen, der sie alle künstlerischen Elemente entlehnte (Tafel VI). Gegen das Ende des 4. Jahrh. gab sich jedoch bereits eine eigentümliche Umgestaltung der antiken Vorbilder kund, indem sich den größern Basiliken mancherlei Anbauten anschlossen (s. Basilika). Zu den ersten Basiliken Roms gehören Santa Maria Maggiore und die von Theodosius ausgeführte Kirche St. Paul vor Rom (Tafel VI, Fig. 1–3). Aus diesen und andern Elementen, namentlich aber aus dem Prinzip des Gewölbebaues entwickelte sich im 5. und vornehmlich im 6. Jahrh. im byzantinischen Reich ein eigentümlicher Baustil. Der Gewölbebau wurde von dem Zwange, den ihm früher die griechischen Formen auferlegt hatten, befreit; kräftige Pfeiler stiegen frei empor, durch Bogen verbunden, über denen sich der Raum zu einer leichten Kuppel wölbte. Andre Räume, meist mit Halbkuppeln oder auch andern Wölbungen bedeckt, an jene Bogen anlehnend, schlossen sich dem Hauptraum an (Tafel VI, Fig. 6 u. 7), oder es wurden Säulenarkaden in mehreren Reihen übereinander zwischen jene großen Pfeiler und Bogen eingesetzt. In Harmonie mit diesen Formen trat die Linie des Halbkreises auch als freier Abschluß der Außenwände hervor. Aber noch verharrte die byzantinische A. in der künstlerischen Durchbildung des Gewölbebaues auf einer niedrigen Stufe. Jeder Teil des Gebäudes blieb in sich beschränkt und abgeschlossen und wurde nur äußerlich an den andern gelehnt oder in ihn eingeschoben. Beide Bausysteme der altchristlichen Kunst, das des Basilikenbaues und das des byzantinischen Stiles, wurden von ihren beiden Hauptausgangspunkten. von Rom und Konstantinopel, hinausgetragen, wobei es an mancherlei Wechselwirkungen nicht fehlen konnte, wofür die Bauten zu Ravenna mit ihrer eigenartigen Behandlung der Details, namentlich mit den als Kämpfer dienenden Aufsätzen über dem Kapitell der Säulen (Tafel VI, Fig. 10 u. 11), besonders merkwürdig sind. Von den meisten ravennatischen Bauwerken, unter denen das Grabmal des Theoderich das interessanteste ist (Tafel VI, Fig. 4 u. 5), das jedoch noch völlig unter römischem Einflusse steht, haben sich Reste erhalten; dagegen sind Überreste altchristlicher A. in Frankreich, Deutschland und England nur sparsam vorhanden. In Deutschland hatte sich Aachen, die Hauptresidenz Karls d. Gr., einer besondern Gunst dieses großsinnigen Förderers der A. zu erfreuen, dem die Bauwerke von Ravenna als Vorbilder für seine Bauten gedient haben. In der Nähe des daselbst von Karl ausgeführten prachtvollen Palastes wurde 796–804 die durch einen Portikus mit ihm verbundene Münsterkirche erbaut, die noch steht und das vorzüglichste Beispiel altchristlicher A. diesseit der Alpen ist. Unter den durch Karl d. Gr. und seine nächsten Nachfolger an verschiedenen andern Orten erbauten Palästen und Villen waren der Palast von Ingelheim am Rhein und der Palast zu Nimwegen, wo sich ein 16eckiges, der Münsterkirche zu Aachen ähnliches Baptisterium erhalten hat, die hervorragendsten. Auf das Aachener Vorbild ist auch die nächstälteste der in Deutschland erhaltenen Kirchen dieser Art, die Michaelskirche in Fulda (Tafel VIII, Fig. 1), zurückzuführen. Aus der spätern Karolingerzeit stammt die Eingangshalle zum Kloster Lorsch im Odenwald (Tafel VIII, Fig. 2), in der noch antike Vorbilder nachwirken. Dem Basilikenstil gehören die ersten christlichen Bauunternehmungen im oströmischen Reich an. Die angeblich von der Mutter des Kaisers Konstantin, der heil. Helena, erbaute, noch stehende große Kirche zu Bethlehem bildet eine mächtige fünfschiffige Basilika mit einfachen römischen Säulen und geraden Gebälken. Die große Kirche der Verklärung auf dem Sinai, eine einfache Basilika, ist den darin vorhandenen Inschriften und bildlichen Darstellungen zufolge ein Werk aus der Zeit des Justinian. Von den koptischen Kirchen in Ägypten und Nubien, die die einfache Basilikenform zeigen, weisen einzelne auf die frühesten Zeiten des Christentums zurück.

Nachdem die Sophienkirche zu Konstantinopel 530 abgebrannt war, ordnete Kaiser Justinian den Neubau an, und an dieser neuen Sophienkirche (Tafel VI, Fig. 8 u. 9) bildete sich der byzantinische Baustil in seiner charaktervollsten Gestalt aus. Der Vollender des Neubaues ist Anthemius von Tralles, als dessen Gehilfen Isidorus von Milet und der Baumeister Ignatius genannt werden. 537 war der Bau vollendet und hat sich, von einzelnen Restaurationen unter den folgenden Kaisern und geringen Abänderungen seit seiner Umwandlung in eine Moschee abgesehen, bis heute erhalten. Die ältere Basilikenform ist allerdings noch zu erkennen, die Anwendung des Systems der Kuppelwölbungen hat aber der gesamten Erscheinung des Gebäudes ein wesentlich abweichendes Gepräge gegeben. Die Sophienkirche (s. Konstantinopel) blieb das Vorbild der byzantinischen A., und schon unter Justinian wurden ihr außer andern die Apostelkirche in Konstantinopel und die Kirche des Evangelisten Johannes in Ephesos nachgebildet. Die Kirche des heil. Bakchos zu Konstantinopel, die auch den Namen der kleinen Sophienkirche führt und ebenfalls noch vorhanden ist, kann als ein Mittelglied zwischen der Kirche San Vitale in Ravenna (s. Tafel VI, Fig. 10 u. 11, und Tafel »Baustile I«, Fig. 7) und der großen Sophienkirche betrachtet werden.

Von der byzantinischen ist die russische A. ausgegangen. Wladimir d. Gr. (981–1015) baute zahlreiche Kirchen, zu deren Ausführung er byzantinische Architekten berief. Die bedeutendsten Kirchen waren die der damaligen Residenzstadt Kiew, und unter diesen ragt die Kirche der heil. Sophia hervor, deren Name auf das byzantinische Vorbild deutet. In Nowgorod ließ der Großfürst Jaroslaw (um 1040) gleichfalls unter der Leitung griechischer Architekten eine andre Sophienkirche erbauen, ebenfalls eine Nachbildung der byzantinischen. In Moskau wurde 1326 auf dem Kreml der Grundstein zur Kirche der Verklärung der Mutter Gottes gelegt und in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. das Schloß des Kremls ausgeführt. Iwan III. Wasiljewitsch (1462–1505) und seine Nachfolger schmückten ihre Residenz mit prächtigen Bauten, und in diesen zeigt sich der russische Baustil zuerst von einer eigenartigen Seite. Zwar sind Grundlage, innere Einteilung und Anordnung der Kirchen ganz die des byzantinischen Baustils, doch ist das Innere schwerfällig, eng und düster. Desto größere Pracht wurde im Äußern entwickelt, wo sich asiatischer Einfluß zeigt, der teils aus den Zeiten der Mongolenherrschaft herrühren, teils aber auch in dem Zusammenhang Rußlands mit Asien begründet sein mag. Wo in der byzantinischen A. die Räume durch schlichte Kuppeln bedeckt wurden, da steigen hier turmartige Bauten, teils in breiter Masse, teils schlank und keck wie die Minarets der Mohammedaner in die Lüfte empor, oben von Kuppeln gekrönt, die bald als Halbkugeln, bald in Eiform, bald in der geschweiften Form einer Birne oder Zwiebel erscheinen. Das Äußere ist mit Ornamenten bedeckt, unter denen man byzantinische, italienische aus der Renaissancezeit, arabische und andre Formen findet, und die mit grellen, bunten Farben bemalt sind, während die Kuppeln meist in goldenem Glanze funkeln. Auf gleiche Weise wurden auch die Paläste und andre Bauten von Bedeutung geschmückt. Diese Bauweise hatte sich über ganz Rußland verbreitet, als Peter d. Gr. im Anfang des 18. Jahrh. dort modern-europäische Kultur einzuführen begann, in deren Gefolge denn auch der moderneuropäische Baustil allmählich einen überwiegenden Einfluß auf die russische Kunst gewann, der aber in neuerer Zeit unter dem Druck nationaler Bestrebungen wieder, vornehmlich bei Kirchenbauten, durch den alten Baustil verdrängt worden ist.

Die arabische (mohammedanische) Architektur.

Die neue Religion des Islam, die sich seit 610 zunächst über Arabien verbreitete, brachte eine neue Weise der Gottesverehrung, und diese bedurfte einer eignen Gestaltung der Kunst (Tafel VIII). Auch die Araber benutzten wie die ältesten Christen anfangs die Kunstformen, die sie in den von ihnen beherrschten Ländern vorfanden, für ihre Zwecke. Dies waren vornehmlich die Formen der spätern Römerzeit. Hiermit verband sich ein speziell orientalisches Kunstelement. Bereits die Römerbauten in Asien und Afrika hatten eine mehr oder weniger deutliche orientalische Färbung erhalten, und jetzt trat dies Element durch die unmittelbare Berührung mit den alten Kulturvölkern Asiens noch mehr hervor, und wie sich im Verlauf der Zeit die mohammedanischen Nationen selbständig entwickelten, so ging aus diesen Grundelementen auch eine eigentümliche Richtung der Kunst hervor. Bei den Monumentalbauten, vornehmlich den Moscheen, begegnen wir zwei Haupttypen, von denen der eine dem altchristlichen Basilikenstil, der andre dem byzantinischen Baustil näher steht. Bei der erstern Hauptform hat jedoch das Gebäude der Moschee in sich keinen architektonischen Mittelpunkt und keinen Schluß; es ist nur ein großer, viereckiger, von mehrfachen hintereinander liegenden Arkadenreihen umgebener Hof. Die einzelnen Schiffe, die die Arkadenreihen bilden, sind voneinander nicht unterschieden, und das Heiligtum (die Nische [Mihrab], die nach Mekka hindeutet, und wo insgemein der Koran aufbewahrt wird) ist, wenn auch reich dekoriert, doch für die architektonische Gesamtanlage als solche kein wichtiger, beziehungsreicher Punkt. Indem die ganze Anlage also nur die architektonische Dekoration eines offenen, heitern Platzes, der durch eine starke Mauer von dem Verkehr abgesondert ist, darstellt, befindet sich dabei stets ein mit einer kleinen Kuppel überwölbter Brunnen. Die umschließende Mauer hat im Äußern, mit Ausnahme der Portale und der Zinnen, keine architektonische Ausbildung, und nur der schlanke Turm, der sich an ihrer Seite erhebt, und von dem herab der Muezzin die Stunden des Gebets verkündet (das Minaret), gibt dem Gebäude nach außen hin eine Auszeichnung. Bei der zweiten Hauptform enthält der Körper des Gebäudes eine in sich geschlossene A., indem der Hauptraum durch eine Kuppel überdeckt ist, die Nebenräume gleichfalls überwölbt und mit jenem auf ähnliche Weise verbunden sind wie bei den Anlagen des byzantinischen Stiles. Vor dem Gebäude ist auch hier durchweg ein von gewölbten Portiken umgebener Vorhof. Das Äußere erscheint hier zum Teil in zierlicher Ausbildung, insbes. bilden die Minarets, die zu 2,4,6 an den Ecken des Gebäudes emporschießen, gegen dessen imposante Hauptmasse einen zierlich bewegten Gegensatz. Im Detail der mohammedanischen A. zeigt sich überall der orientalische Geist, aus dem der Islam hervorgegangen war, und der bei Überdeckung der Arkaden, Tür- und Fensteröffnungen zu Bogenformen führte, die der Kultur des Abendlandes neu waren. Dem schlichten Rundbogen treten der Hufeisenbogen und der Kielbogen (s. Tafel »Baustile I«, Fig. 9 u. 10) entgegen, die einen größern Abschnitt des Kreises als der Halbkreis bilden. Eine dritte Bogenform ist der aus zwei Bogenstücken bestehende, ebenfalls auf orientalischen Vorbildern beruhende Spitzbogen, dessen konsequente Anwendung sich zuerst in denjenigen Bauresten zeigt, die in Persien aus der Zeit der Sasaniden (226–651 n. Chr.) erhalten sind. Auch in Ägypten erscheint er bereits an Monumenten aus der frühesten Zeit der Herrschaft des Islam, vollkommen sicher aber an solchen, die dem Anfang des 9. Jahrh. angehören. Im allgemeinen kommt er mehr an den östlichen Monumenten des Islam vor, an welchen er teils rein und einfach, teils mit hufeisenförmigem Ansatz, teils oberwärts gedrückt, sehr häufig auch mit aufwärts geschweifter Spitze auftritt. Alle weitere Ausbildung des Details der mohammedanischen A. ist eine ornamentale, da alle Teile der A., die nur zur Aufnahme eines spielend bewegten Schmuckes geeignet waren, mit solchem überdeckt wurden, und in der Tat hat die mohammedanische Kunst hierin einen Reichtum und einen Schönheitssinn entwickelt, in dem ihre eigentliche Bedeutung für die folgende Zeit wurzelt. Gleichwohl bewegt sich auch diese Ornamentbildung in einem bestimmten und sogar trotz ihres Reichtums ziemlich eng abgegrenzten Kreise; fast überall beruht das Prinzip auf einer einzelnen schematischen Regel, die kein Gesetz lebendiger Entwickelung in sich trägt und durch ihre stete Wiederholung zuletzt ermüdet (s. Art. »Arabesken« und Tafel »Ornamente II«, Fig. 10–13). An den wichtigsten Stellen der Räume und der architektonischen Teile, die in dieser Weise verziert sind, erscheinen die das belebende Bildwerk ersetzenden Inschriften, Stellen aus dem Koran oder Verse, die einen besondern Bezug auf das Lokal und seinen Erbauer haben. Die Säulenkapitelle sind oft ähnlich dekoriert (s. Tafel »Baustile I«, Fig. 13–16), nicht minder die aus der Antike beibehaltene schwere Fläche der Bogenleibung. Die letztere wird gern durch kleine Zackenbogen ausgefüllt. Hierher gehört auch eine auf einzelne Bogen oder auch größere Räume angewandte zellgewebartige Ausbildung der Gewölbeform, wobei sich auch die obere Spitze des einen Gewölbestückes, die dem andern zum Ansatz dient, hängend niedersenkt, so daß das Ganze den Eindruck von Tropfsteinbildungen gewährt (Stalaktitengewölbe, s. Tafel VII, Fig. 3, und Tafel »Baustile I«, Fig. 8).

Die maurischen Bauwerke Spaniens unterscheiden sich von denen der übrigen mohammedanischen Völker ebenso wie die Geschichte und das Leben des Volkes, das sie errichtet. Kuppeln und Minarets finden wir hier nicht; aber die Arkaden haben das Gepräge einer Sicherheit und Bestimmtheit, die den Bauten des Orients nicht in gleichem Maß eigen zu sein pflegt. Für die ältere Bauweise ist die Moschee von Cordoba (Tafel VII, Fig. 1), für die spätere das in der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. erbaute und später erweiterte Königsschloß der Alhambra (s. d. und Tafel VII, Fig. 3 u. 4) bei Granada charakteristisch, das die letzte Entwickelung der maurischen A. in ihrer ganzen romantischen Pracht zeigt. Dieser Spätzeit gehört auch der Alkasar (»königliches Schloß«) in Sevilla an (Tafel VII, Fig. 6).

Der Stil der mohammedanischen Monumente Ägyptens steht ungefähr in der Mitte zwischen den Stilen der maurischen A. und der ostasiatischen Länder. Besonders wichtig sind die Monumente von Kairo, unter ihnen der Nilmesser (Mikjas) auf der Insel Roda, ein viereckiger, brunnenartiger Bau mit. Treppen, spitzbogigen Nischen an den Wänden und einer großen, reichverzierten Säule in der Mitte, an der man das Steigen und Fallen des Wassers beobachtete. Für die älteste unter den Moscheen von Kairo gilt die 643 gegründete, nach einem Brande 897 und später noch mehrfach erneute Moschee Amru, deren Säulen antiken Gebäuden entnommen sind und hohe, breite Spitzbogen mit hufeisenförmigem Ansatz tragen. Ungleich merkwürdiger ist die 885 gegründete und angeblich durch einen christlichen Architekten vollendete Moschee Ibn Tulûn (Tafel VII, Fig. 2), bei der die den Hof umgebenden Arkaden durch breite Pfeiler gebildet sind, über denen sich die einfachen, ebenfalls breiten Spitzbogen erheben. In die Ecken der Pfeiler sind kleine Säulen eingelassen, das früheste Beispiel einer architektonischen Vermittelung der Pfeilerflächen, die in der romanischen A. des Okzidents zu eigentümlichen Formenbildungen führte. Ein bezeichnendes Beispiel für den ausgebildeten mohammedanischen Moscheenstil ist die um die Mitte des 14. Jahrh. erbaute Moschee des Sultans Hassan (Tafel VII, Fig. 5). Diesen ägyptischen Monumenten reiht sich die große Moschee von Damaskus in Syrien an, deren Grundriß ebenfalls einen von Säulenhallen umgebenen Hof darstellt.

Auf Sizilien, das die Araber 827 eroberten, haben sich bei Palermo zwei arabische Schlösser, Zisa und Kuba, erhalten, die das Gepräge des arabischen Stiles tragen und hohe, kubische Massen mit Erkertürmen auf den Seiten bilden, während die Außenwände mit flachen, spitzbogigen Nischen versehen sind. In der Mitte des Innern befindet sich eine reichgeschmückte Halle (oder Hof). Bei den Moscheen der europäischen Türkei, vornehmlich den Prachtbauten von Konstantinopel, die den spätern Zeiten der mohammedanischen Kunst angehören, ist der byzantinische Kuppelbau vorherrschend. Das orientalische Gepräge erhalten diese Moscheen durch die Minarets, die den Körper des Gebäudes schlank und frei umstehen, durch die mehr oder weniger arabische Bildung des Details und durch die Anwendung von Inschriften statt des Bildwerkes.

In Indien ist das Gebiet des Gangesstroms vorzüglich reich an den prächtigsten Monumenten, von denen einige noch aus der Periode der vom Schluß des 12. bis zum Schluß des 14. Jahrh. blühenden Patanendynastie herrühren. In Dehli, der Residenz der Herrscher dieses Geschlechtes, finden sich zur Seite der spätern Prachtbauten noch einzelne Monumente jener Zeit, unter denen der sogen. Kutab-Minar, das Minaret, das Kutab als die stolze Triumphsäule des Islam errichtete, hervorragt. Die Monumente, die unter der Herrschaft des Großmoguls errichtet wurden, gehören zu den schönsten Erzeugnissen der mohammedanischen Kunst und zeigen vorherrschend den Kuppelbau. Die Masse des Gebäudes steigt in der Regel als ein fester, viereckiger Körper empor, dessen Außenseiten mit-Nischenwerk oder mit regelmäßig wiederkehrenden Öffnungen versehen und mit zierlichen Zinnen gekrönt sind, während der mittlere Teil von einer mächtigen Zwiebelkuppel bekrönt wird. Die auf den Ecken gewöhnlich angeordneten Minarets reihen sich dem Ganzen in harmonischer Weise an. Die Portale bilden gewöhnlich einen Vorbau von beträchtlicher Erhebung und werden durch eine große, spitzbogige Nische gebildet, in deren Grund die verhältnismäßig kleine Türöffnung sich befindet, und deren Seiten durch Minarets eingefaßt zu sein pflegen. Die Bogenform ist durchgängig die des Spitzbogens. Die berühmtesten dieser Bauwerke gehören der Zeit von 1550–1650 an und finden sich in Dehli und Agra und in deren Umgebung. Schah Jehan ließ zu Dehli 40 große Moscheen errichten, unter denen die sogen. große Moschee (die Jamna oder Dschamna) den Stil in seiner glänzendsten Entwickelung zeigt. Denselben Baustil sehen wir gleichzeitig in Persien verbreitet. Im höchsten Glanz erscheinen hier vornehmlich die stolzen Bauten, mit denen Schah Abbas d. Gr. (1585 bis 1629) seine Residenz Ispahan schmückte.

Die romanische Architektur.

Als im 10. Jahrh. die alten und die neuen Kulturverhältnisse sich voneinander zu scheiden begannen, neue Staaten sich bildeten und im Bereich der Künste mit frischer Kraft die Formen, die in den Werken der altchristlichen Kunst vorlagen, wieder aufgefaßt und zu einem lebensvollern Organismus umgebildet wurden, entwickelte sich zunächst eine in ihren Hauptzügen übereinstimmende Richtung, die noch unmittelbar auf den Elementen der frühern altchristlichen Kunst mit ihren aus der Antike herübergenommenen Formen beruhte, aber den Geist der neuen Zeit in der mehr oder minder freien Umbildung der alten Formen offenbarte. Indem man diesen Stil mit dem Namen des romanischen (Tafel VIII) bezeichnet, folgt man dem Vorgang der Sprachwissenschaft, die die Idiome, die sich gleichzeitig aus der alten Römersprache bildeten, mit demselben Worte benennt. Die Basilika erscheint zunächst noch als die Grundlage des Systems der romanischen A. (s. Tafel »Baustile II«, Fig. 17), die architektonische Struktur tritt aber bald in einer abweichenden Form auf, indem sie an die Stelle einer flachen Bedeckung der Räume das Gewölbe setzt. Die Träger der Arkaden, jetzt gegliederte Pfeiler statt der Säulen, werden an den Wänden des Mittelschiffes bis zur Decke hinausgeführt und dort durch weite, über das Schiff der Kirche hinausgesprengte Rundbogen miteinander verbunden, während der zwischen diesen Bogen enthaltene Raum nicht durch Kuppeln, sondern durch Kreuzgewölbe überbaut wird, die eine zusammenhängende, in der Halbkuppel der Altartribüne auslaufende Reihe von Gewölben bilden (s. Tafel »Baustile II«, Fig. 23). Während die niedern Seitenschiffe auf ähnliche Weise überwölbt werden, wird in der Durchschneidung von Querschiff und Langschiff zwar die dem byzantinischen System entsprechende Kuppel angewendet, die jedoch, den Kreuzgewölben entsprechend, aus einzelnen in der Mitte zusammenstoßenden und hier in einem gemeinsamen Schlußstein vereinigten Gewölbekappen zusammengesetzt zu sein pflegt. Völlig konsequent finden wir dies System zuerst in der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. in der Normandie, wo sich, nachdem das germanische Volk der Normannen daselbst seine Herrschaft gegründet, eine eigentümliche Blüte des Lebens entfaltete. In Italien kennen wir Bauten dieses Stiles vornehmlich nur in der Lombardei, wo ebenfalls das germanische Element von vorwiegender Bedeutung war. In der Bildung und Behandlung des architektonischen Details treten z. T. sehr bedeutsame Umbildungen der alten Form insbes. an der Bildung der Säulenkapitelle hervor. Nicht selten zwar, besonders in den Gegenden, wo das antike Element vorwiegt, sind die romanischen Kapitelle den antiken mehr oder weniger frei nachgebildet; häufiger jedoch und vornehmlich, wo das germanische Element das Übergewicht hat, erhalten sie die Form des sogen. Würfelkapitells (s. Tafel »Baustile II«, Fig. 20), das für die romanische A. besonders bezeichnend ist. Erst in der spätern Zeit des romanischen Stiles nähert sich das Kapitell wieder mehr der Kelchform (s. Tafel »Baustile II«, Fig. 24 u. 25). Der Bogen hat vorherrschend die Form des Halbkreises, neben dem sich als Nebenform der aus der mohammedanischen A. herübergenommene orientalische Spitzbogen am häufigsten da findet, wo die Kunst des Islam eine unmittelbare Einwirkung auf die romanisch-christliche auszuüben vermochte, wie in Sizilien. Der romanische Bogen zeigt sich zunächst noch ebenso schwer wie in der altchristlichen und römischen Kunst, namentlich bei den Bogen der Arkaden, die die Schiffe voneinander trennen (s. Tafel »Baustile II«, Fig. 18 u. 19), und bei den breiten Gurtbogen der Decke, zwischen die die Kreuzgewölbe eingespannt sind; wo aber der Bogen die dem Äußern zugewendeten Öffnungen des Gebäudes, besonders die Portale, überdeckt, zeigt er sich von vornherein in reicherer und flüssigerer Gestalt. Das romanische Ornament zeigt oft eine phantastische, wahrscheinlich auf den ursprünglichen Eigentümlichkeiten der germanischen Nationalität beruhende Richtung, indem Tier- und Menschengestalten, fabelhafte Gesichtsmasken, Drachen und ungeheuerliche Bildungen aller Art sich nicht selten mit einem vielfach geschwungenen und gewundenen Blattwerk zu anziehenden Phantasiespielen vereinigen. Auch in dem Verhältnis der bildenden Kunst zur A. zeigt sich ein höherer Grad der Entwickelung als in der altchristlichen Kunst, die insbes. den bildnerischen Schmuck der Portale betrifft. Der zunächst an Kirchenbauten entwickelte Baustil wurde dann auch auf Gebäude von geringerm Umfang, auf Baptisterien, die heiligen Grabkirchen, die Klöster und hier namentlich auf die Kapitelsäle und die Kreuzgänge (s. d.) übertragen und zeigt eine glänzende Entfaltung an den Prachträumen fürstlicher Paläste und Burgen.

In reichster Pracht romanischer A. erscheinen unter anderm zunächst die der ersten Hälfte des 13. Jahrh. angehörigen Klosterhöfe von San Paolo außer den Mauern und von San Giovanni in Laterano zu Rom, die Basilika San Piero in Grado in Toskana, der Dom zu Pisa und die Kirche San Miniato zu Florenz. Unter den romanischen Monumenten von Venedig, die eine entschiedene Entwickelung dieses Stiles zeigen, dabei aber im einzelnen manche Motive der mohammedanischen A. enthalten, ist die 976 begonnene und 1071 in ihrer ursprünglichen Anlage vollendete Markuskirche hervorzuheben. Die großartigen und prachtvollen Denkmäler, die die Normannen, vornehmlich im Verlauf des 12. Jahrh., in Sizilien errichteten, sind im römisch-christlichen, im byzantinischen oder mohammedanischen Stil ausgeführt. Das glänzendste Beispiel dieses normännisch-sizilischen Baustils geben der um 1174 begonnene und in kurzer Frist beendete Dom von Monreale, unfern von Palermo, und die Kathedralen von Messina und Palermo. Unter den romanischen Bauten der Lombardei sind die Dome von Modena, von Cremona, Piacenza, Parma und Ferrara zu nennen, während das bedeutendste Erzeugnis romanischer A. in Spanien die Kathedrale von Tarragona ist. Eins der ältesten Monumente der romanischen A. in Frankreich ist die Kirche St.-Front zu Périgueux in Guyenne. Zu den Monumenten des südöstlichen Frankreich, die im einzelnen noch die den alten Römerbauten jener Gegend entlehnten Motive erkennen lassen, gehören die Kirche Notre Dame du Port zu Clermont in der Auvergne, die Kirchen von Issoire, Brioude und Puyen-Velay. Die Monumente im westlichen Frankreich sind schwerer in den Formen, willkürlicher in der Kom position und überladen mit bildnerischem Schmuck. Das hervorragendste Beispiel einer solchen Pracht ist die Kirche von Notre Dame la Grande zu Poitiers. Wesentlich verschieden sind die Monumente im nördlichen Frankreich, wo die Normannen ein selbständiges Kulturleben begründeten. Ihre Werke zeigen das System der gewölbten Basilika, das hier jedoch mit einer schlichten, strengen Konsequenz ausgebildet ist, so daß wir die Norman die wenn auch nicht als den Ort der Erfindung, so doch als das Gebiet der ersten selbständigen Ausbildung dieses Systems betrachten müssen. Eins der frühesten Beispiele der romanischen Kunst ist die zwischen 1050 und 1066 erbaute Kirche St.-Georges von Bocherville, unfern von Rouen, während die ältern Teile der Kathedrale von Bayeux aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. stammen. Das umfassendste Beispiel des normännischen Baustils, wie er sich unter der Normannenherrschaft in England entfaltete, bietet die 1096 gegründete und im Laufe des 12. Jahrh. ausgebaute Kathedrale von Norwich. Die ältesten deutschen Gebäude dieser Periode gehören dem Schluß des 10. Jahrh. an. Eins der ersten Denkmäler des nördlichen Deutschland, welches die wichtigsten Zeugnisse jener Frühzeit der deutschen Kultur bewahrt, ist die Schloßkirche von Quedlinburg, deren älteste Teile der Zeit von 997–1021 angehören. Ähnlichen Stil zeigen die seit 961 errichtete alte Schloßkirche zu Gernrode und die 1014 erbaute Liebfrauenkirche zu Magdeburg. Die hervorragendsten Bauten in den alemannischen und schwäbischen Landen gehören, wie der nach 1052 erbaute Dom zu Konstanz, der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. und dem Verlauf des folgenden Jahrhunderts an. Eine Säulenbasilika von großartigen Verhältnissen und strengem Stil ist die um 1105 erbaute Klosterkirche von Paulinzelle in Thüringen, deren reichgebildetes Portal samt der Vorhalle der spätern Zeit des 12. Jahrh. angehört. Die hierher gehörigen Denkmäler der Stadt Hildesheim sind die Säulenbasilika auf dem Moritzberg, der Dom, worin Pfeiler mit je zwei Säulen wechseln, und die 1133 gegründete Kirche St. Godehard. Der Dom von Trier mit seinen der Antike nachgebildeten Pilastern ist ein wertvoller Bau der frühromanischen Periode. Die bedeutendste Entfaltung des Baues gewölbter Basiliken finden wir an den drei mittelrheinischen Domen zu Mainz, Worms und Speyer. Eine eigenartige Ausbildung erfuhr die romanische A. in ihrer reichern Entwickelung in einer Reihe niederrheinischer, besonders kölnischer Kirchen, deren charakteristische Eigentümlichkeiten im Äußern die sogen. Zwerggalerie, eine Arkadenreihe unter dem Dache, Rundbogenfriese und eine reichere Bildung der Chorpartien sind. Die Kirchen St. Gereon und St. Apostel in Köln (Tafel VIII, Fig 5 u. 6) und in Schwarzrheindorf gegenüber von Bonn sind typische Beispiele für diese lokale Wandlung des spätromanischen Stiles. Verwandten Stil mit den deutsch-niederrheinischen Bauten zeigen die romanischen Kirchen der benachbarten belgischen Lande, besonders die Kirche St. Servatius zu Maastricht, Notre Dame la Chapelle zu Brüssel und die Kathedrale von Tournai, während der höchste Glanz und Adel romanischer Dekoration sich an dem alten Teil, insbes. dem Portal des der letzten Periode des romanischen Stiles angehörenden Domes von Freiberg in Sachsen, der sogen. Goldenen Pforte (Skulpturen derselben s. Tafel »Bildhauerkunst VII«), entfaltet. Wo bei diesen und andern deutsch-romanischen Monumenten der Spitzbogen und andre Elemente der neuen französischen (gotischen) Bauweise auftreten, erscheinen sie als untergeordnete, fast zufällige Formen von dekorativer Bedeutung, die auf das Konstruktionsprinzip noch keinen Einfluß gewannen. Man hat diese Verbindung des Spitzbogens mit den Elementen der romanischen A. den Übergangsstil genannt, der sich bis gegen die Mitte des 13. Jahrh. erhielt. Zu den frühesten Denkmälern dieser Verbindung sind die noch dem 12. Jahrh. angehörige Stiftskirche St. Peter zu Fritzlar in Hessen, ferner die als Ruine noch vorhandene Kirche des Klosters Memleben an der Unstrut, das Schiff und Querschiff des Domes von Naumburg, der westliche Bau und das Querschiff der Kirche zu Freyburg an der Unstrut, der Dom zu Bamberg (Tafel VIII, Fig. 3 u. 4) als das reichste und glänzendste Beispiel und die alten Teile von St. Sebald zu Nürnberg zu rechnen, während unter den Bauten des südlichen Deutschland und der angrenzenden Länder die Pfarrkirche zu Wiener-Neustadt, die alten Teile an der Westseite von St. Stephan zu Wien, der angeblich aus dem Anfang des 11. Jahrh. herrührende Dom zu Basel, die Kirche zu Gebweiler im Elsaß, das Querschiff des Domes zu Freiburg i. Br., das Querschiff und das Chor des Domes zu Straßburg und die Pfarrkirche zu Gelnhausen hervorzuheben sind. An den ältern Teilen, zumal dem Chor des Domes von Magdeburg, obgleich schon 1208 oder 1211 begonnen, ist das Element des gotischen Stiles bereits überwiegend, ebenso an einzelnen Klostergebäuden der deutsch-romanischen A., insbes. an den Kreuzgängen, die die Klosterhöfe umgeben, und den Refektorien (Tafel VIII, Fig. 7). Unter den Denkmälern romanischer A. in den skandinavischen Ländern sind die selbständigsten die aus Holz gebauten Kirchen Norwegens, in denen das Material den Gesetzen des romanischen Stiles in eigenartiger Weise angepaßt ist. Die hervorragendsten dieser Holzkirchen sind die von Borgund, Gol (bei Christiania), Hitterdal und Wang (jetzt am Fuße des Riesengebirges aufgestellt). Vgl. auch Nordische Kultur (mit Tafel). In Schweden, wo teils englische, teils norddeutsche Vorbilder maßgebend waren, sind die ältesten Denkmäler der romanischen A. die Kirche von Husaby und die Cistercienserkirchen zu Alvastra, Vreta und Nydala. Die reichste Ausbildung hat die romanische A. in dem Dom zu Lund und in den Kirchen von Wisby erreicht. Die ältesten Bauten Dänemarks, von denen wir Kunde haben, sind dem Stil der norddeutschen verwandt, so die Krypte der Kirche von Viborg in Jütland (um 1133), die Cistercienserkirche von Soroe und die Stiftskirche von Ringstad (beide auf Seeland, um 1160–1170) und der Dom zu Ribe (Jütland).

Die gotische Architektur.

Der gotische Baustil (s. Tafel IX und die Tafeln »Kölner Dom« bei Art. »Köln«), der in der zweiten Hälfte des 12. Jahrh. sich aus und neben dem romanischen zu entwickeln begann und anfangs auch in Verbindung mit jenem auftrat, knüpft zunächst an das System der gewölbten Basilika. wie es sich in der romanischen Periode ausgebildet hatte, an. Der Grundplan der kirchlichen Monumente, die Hauptdisposition der Räume bleiben im wesentlichen dieselben; aber entschiedener als bisher tritt das Gefühl für das Ganze des architektonischen Werkes und für das gegenseitige Verhältnis seiner Teile hervor, lebensvoller erscheint der Organismus, der es durchdringt, wirksamer entfaltet sich die aufwärts strebende Bewegung, die den Geist und die Sinne des Beschauers zum Himmel emporzuziehen bestimmt ist. Die Pfeiler und Halbsäulen, die die Bogen und Gewölbe aufnehmen, steigen bei dem gotischen Kirchenbau selbständig und frei empor, und ihre Bewegung setzt sich in den Linien des Gewölbes fort. Die belebte Teilung der Gewölbemasse, die der romanische Baustil durch die Anwendung des Kreuzgewölbes gewonnen hatte, wird entschiedener dadurch hervorgehoben, daß nicht bloß Quergurte (zur Sonderung der Hauptteile des Gewölbes), sondern auch Kreuzgurte (zur Bezeichnung der Einzelteile des Gewölbes) eingeführt werden. Dieses System der verschiedenen Gurtungen bildet den eigentlichen festen Kern des Gewölbes; zwischen sie werden nur leichte Gewölbekappen von dreieckiger Gestalt zum Schluß der Decke eingesetzt. Somit kommt hier das Gewölbe nicht mehr als eine Masse in Betracht, sondern vorzugsweise nur die Struktur seiner Gurte, in die sich die aufsteigende Bewegung der Pfeiler auflöst, und in der der Gewölbedruck auf die einzelnen Punkte der Pfeiler, von denen sie ausgingen, zurückwirkt. Indem so die Masse des Gewölbes sich gliedert, genügen zu deren Stütze an der äußern Seite des Gebäudes einzelne Strebepfeiler, die zugleich Teile der Umfangsmauer bilden und im Innern als Träger der Gewölbegurte gegliedert sind, während sie nach außen die feste, widerstandsfähige Gestalt des Mauerkörpers bewahren. Die zwischen den Strebepfeilern gelegenen Teile der Umfangswände bieten somit die Gelegenheit zu weiten und hohen Fenstern, während nur eine leichte Füllmauer und untere Brüstung der Fenster eingeschaltet wird. Indem man sich ferner dem kühner aufsteigenden Spitzbogen (s. Tafel »Baustile II«, Fig. 32) zuwandte, den man bereits vielfach vorgebildet fand, hatte man eine Bogenform gewonnen, die große Abwechselung in Höhe und Weite der Bogen zuließ, ohne ihren Charakter zu verändern. Gurtgewölbe, Strebepfeiler und Spitzbogen bilden somit charakteristische Elemente der gotischen A., die sich daneben auch des Pfeilers oder der Säule bedient, an die sich leichte Halb- oder Dreiviertelsäulchen zum Tragen der Gewölbegurte anlehnen. Das Pfeiler- oder Säulenkapitell bildet eine leichte, umherlaufende Blätterkrone, die sich kelchförmig ausweitet und mit wenigen und leichten Deckgliedern versehen ist (s. Tafel »Kölner Dom II«, und Tafel »Baustile II«, Fig. 33 u. 34), während der Fuß nur unbedeutend ausladet und mit dem Schafte durch Vermittelungsglieder verknüpft ist. Für Bogen und Gurte des Gewölbes wird eine der der Pfeiler ähnliche Gliederung angenommen. Dasselbe Bildungsgesetz wie an den Gewölbebogen beherrscht die Einfassung der Fenster, während man in die Fensteröffnung ein Stabwerk einfügt, das in schmalen Säulchen besteht, die oben durch Spitzbogen verbunden sind. Zwischen die letztern und die großen Spitzbogen der Fenstereinfassung werden kreisförmige und andre geometrische Figuren bildende stabartige Glieder, das sogen. Maßwerk, eingespannt, die dem Ganzen Halt gewähren (s. Tafel »Baustile II«, Fig. 29–31). Unter den Fenstern, die die Oberteile des Mittelschiffs einnehmen, pflegt (wenigstens bei den völlig durchgebildeten Bauwerken) eine durchbrochene Galerie oder ein galerieähnliches Nischenwerk eingeschlossen zu sein. Die Einfassungen der Türen sind denen der Fenster ähnlich, nur reicher gebildet. Die Dächer haben bei dem aufstrebenden Charakter, den auch das Äußere ausdrückt, hohe, steile Form. Ein einfacher, um die Strebepfeiler und Brüstungsmauern umherlaufender Sockel gibt dem Gebäude eine feste Unterlage. Die großartigste Entfaltung der äußern A. zeigen die Fassade und die beiden Türme, die die Seiten der Fassade bilden. Die Bogen der Portale tragen nicht selten reichgeschmückte, denen der Fenster gleichende Giebel, die sogen. Wimpergen (s. Tafel »Kölner Dom III«, Fig. 6). Zwischen den Türmen und über dem Hauptportal wird ein besonderer Zwischenbau mit einem großen Prachtfenster, dessen Licht in das Mittelschiff fällt, angebracht, während die untern quadratischen Türme von je zwei Strebepfeilern an den Ecken umgeben und in mehrere Stockwerke, deren Wandflächen von schlanken, mit Maßwerk ausgefüllten Fensteröffnungen durchbrochen werden, geteilt sind und gewöhnlich in einen achteckigen, von Fenstern durchbrochenen Aufsatz, an dessen Ecken wieder freie Türmchen, die sogen. Fialen, emporsteigen, und über dem Aufsatz in eine schlanke achtseitige, mit weit ausladender Kreuzblume gekrönte, vielfach durchbrochene Pyramide auslaufen. Kleinere Blumen solcher Art, die sogen. Krabben, blühen aus jeder Spitze des Äußern empor; ebenso sind die Kanten der Giebel, der andern pyramidalen Teile und der von dem Mittelschiff über die Seitenschiffe nach den Strebepfeilern geführten Strebebogen mit Blumen besetzt (s. Tafel »Kölner Dom III«, Fig. 3, 6–8).

Die erste Entwickelung des gotischen Baustils tritt uns in Frankreich, und zwar in dessen nordöstlichsten Gegenden entgegen, was die zahlreichen Monumente in Ile de France, Champagne, Burgund und in den Nachbardistrikten der angrenzenden Landesteile bezeugen. Das, soweit nachweislich, älteste Monument ist das 1140–44 vom Abt Suger ausgeführte Chor der Abteikirche zu St.-Denis, dem die Kathedralen von Sens, Noyon und Senlis und seit 1163 die Notre Dame-Kirche zu Paris folgen. Verwandten Stil zeigen: die Kathedrale von Laon, die Kirche Notre Dame zu Dijon (1252–1334) und die Kathedrale von Auxerre. Während die 1260 geweihte Kathedrale von Chartres noch strenge Formen hat, zeigt die 1212 begonnene, 1250 vollendete Kathedrale von Reims, eine der glänzendsten Schöpfungen der gotischen A. (Tafel IX, Fig. 2), die konsequenteste Durchbildung des frühgotischen Stils. Bei der Kathedrale von Amiens (1220–88) nähert sich der architektonische Charakter bereits der besonders in Deutschland auftretenden freiern Entwickelung des Stiles. In der Normandie entwickelte sich der gotische Baustil später zu einer glänzenden Pracht, der es freilich mehr auf ein ebenso leichtes und zierliches wie kühnes und phantastisches Spiel der Formen ankommt. Das Palais de Justice und das Hôtel de Bourgtheroulde in Rouen und das Schloß Fontaine-le-Henri bei Caen sind charakteristische Beispiele der spätgotischen Palastarchitektur. Dasselbe System der gotischen A., das in den nordöstlichen Gegenden von Frankreich auftritt, herrscht auch in den Niederlanden vor. Indem aber dies System hier mit der größten Einseitigkeit aufgefaßt wird, erhält auch das Äußere oft einen schweren, nüchternen Charakter, und wo ein größerer Formenreichtum angewendet wird, erscheint er vorherrschend in dem Gepräge einer äußerlichen, mehr oder weniger willkürlichen Dekoration. Hierher gehören die meisten Kirchen gotischen Stiles zu Valenciennes, Tournai, Lille, Courtrai, Ypern, Brügge, Gent, Brüssel, Löwen, Mecheln, Antwerpen, Lüttich, Huy, Dinant etc., während die holländischen Kirchen zu Rotterdam, Delft, im Haag, zu Leiden, Haarlem, Amsterdam etc. Beispiele der nüchternsten A. darbieten, von denen nur die der spätern Periode dieses Stiles angehörigen Kirchen, so die im 14. Jahrh. erbaute, durch die Schönheit der Verhältnisse des Innern ausgezeichnete Kathedrale zu Antwerpen, die Kirchen St. Peter zu Löwen, St. Martin zu Halle (unfern Brüssel), St. Salvator zu Brügge eine Aus nahme machen. Der Dom St. Gudula zu Brüssel ist durch seine schöne Fassade aus dem Anfang des 16. Jahrh. ausgezeichnet, die sich in ihren Hauptmotiven der deutsch-gotischen Bauweise nähert. Die niederländischen Kirchen tragen das Gepräge von öffentlichen Hallen, neben denen die Stadthäuser, Fruchthallen und andre öffentliche Bauten der Art als wichtige und umfassende Anlagen erscheinen, an denen sich in den letzten Zeiten des gotischen Stiles sogar eine höhere künstlerische Ausbildung entfaltet. Das glänzendste und prachtvollste Beispiel solcher Bauanlagen ist das Stadthaus von Löwen (1448–1469), dem sich die Stadthäuser zu Brüssel, Gent (der ältere Teil gegründet 1481), Brügge (1376 gegründet), Oudenaarde, Arras, Mons und die Tuchhalle in Ypern (Tafel IX, Fig. 1) anreihen, denen der sich kühn über das Gebäude erhebende städtische Glockenturm, Belfroy (Beffroi) genannt, zur besondern Zierde gereicht.

In England trat der gotische Baustil fast ebenso früh wie in Frankreich auf, von wo er durch den Baumeister Wilhelm von Sens eingeführt wurde, der zum Neubau der Kathedrale von Canterbury berufen worden war. Die gotische A. nahm jedoch bald eine eigentümliche, von der französischen Behandlungsweise völlig abweichende Richtung an, indem jenes Streben nach einer reichern, mannigfaltigern Gliederung und Teilung der Formen, einer buntern und mehr spielenden Ornamentik, das bereits bei den romanischen Bauten in England hervorgetreten war, auch den Charakter des germanischen Stiles bestimmte. Für den Beginn der gotischen A. in England sind die Kathedrale von Canterbury und die Templerkirche zu London von Bedeutung; der ersten Hälfte des 13. Jahrh. gehört die Kathedrale von Salisbury an, die, aus Einem Guß, die erste selbständige Entwickelung des englisch-gotischen Baustils im ganzen wie in allen seinen Einzelheiten darstellt. Für eine strengere Organisation des gotischen Baustils gibt die Kathedrale von Exeter, deren wesentliche Teile 1280–1370 erbaut wurden, ein bezeichnendes Beispiel, während die 1270 begonnene Westminsterkirche zu London sich in der Anordnung des Grundrisses dem System der französischen Kathedralen nähert. Die edelste und reinste Durchbildung des gotischen Baustils zeigt sich im Schiff der Kathedrale von York (1291–1330), deren prächtige Fassade auf Tafel IX, Fig. 6, dargestellt ist. Manche entsprechende Motive finden sich an den malerischen Ruinen der Abtei von Tintern (unfern Monmouth), der Abtei von Netley (unfern Southampton), der Kapelle von Holyrood zu Edinburg, der Abtei von Melrose (am Tweed, Grafschaft Roxburgh) u.a. An einzelnen Monumenten der letzten Periode des gotischen Stiles entfaltet sich in England das eigne dekorative Element zu nirgends sonst erreichtem Glanz und Reichtum, besonders in der Ausbildung des sogen. Sterngewölbes. Als die ersten Beispiele dieser zierlichen Behandlungsweise sind der Kreuzgang der Kathedrale von Gloucester (1381), die Lady Chapel (Marienkapelle) der Kathedrale von Peterborough und die Kapelle des heil. Georg zu Windsor zu nennen. Das edelste und durchgebildetste Beispiel dieser Gewölbebildung enthält die Kapelle des King's College zu Cambridge (begonnen 1441, beendet 1530), und bis zur überschwenglichen Pracht entfaltet erscheint sie an der gleichzeitigen Begräbniskapelle Heinrichs VII. an der Westminsterabtei zu London. Die Engländer teilen die Entwickelung ihrer Gotik gewöhnlich in drei Perioden: early english (früh englisch, 13. Jahrh.), decorated style (der verzierte Stil, 14. Jahrh., Hauptwerk die Fassade der Kathedrale zu York) und perpendicular style (15. und 16. Jahrh.).

In Deutschland kam der gotische Baustil zwar etwas später als in Frankreich und in England zur Entfaltung und allgemeinen Anwendung, jedoch hat er hier sich am herrlichsten durchgebildet und das Kolossalste geschaffen. Die ältesten in Deutschland bekannten Beispiele der gotischen A. zeigen uns diesen Stil noch im Kampf mit den Hauptformen des romanischen. Als wichtigste Beispiele für sein erstes Auftreten in Deutschland sind das Schiff der Kirche zu St. Gereon in Köln (1212–27), der 1208 oder 1211 begonnene Dom von Magdeburg und die alte Pfarrkirche zu Regensburg zu nennen, die im Innern noch mit Pfeilern statt der Säulen versehen ist. In den westlichen Gegenden von Deutschland ist die 1227–1244 erbaute Liebfrauenkirche zu Trier von großer Wichtigkeit. Schlichter und klarer gestaltet sich der gotische Baustil an der Elisabethkirche zu Marburg (1235–83), dem ersten völlig gotischen Bauwerk in Deutschland, in vollständiger, durchaus harmonischer und höchst grandioser Entfaltung aber am Dom von Köln, 1248 gegründet, dem vollendetsten Meisterwerk der gotischen A. (s. Tafeln »Kölner Dom I u. II« bei Art. »Köln«). Als unerreichtes Muster künstlerischer Konzeption zeigt sich uns der Entwurf der Fassade mit den beiden mächtigen Türmen; im völligen Gegensatz gegen das zerteilende und trennende Galeriewesen des französischen Fassadenbaues steigt hier das Ganze unendlich gegliedert, aber in durchaus stetiger Entwickelung und mit stetem Bezug auf den höchsten Gipfelpunkt empor. Die auf Tafel I und II dargestellte West-, Süd- und Ostfassade und innere Ansicht geben ein Bild dieser ebenso reichen wie harmonischen Gesamtwirkung im Äußern und Innern, während der Querschnitt (Tafel II, Fig. 4) nicht nur die ebenso statisch motivierte wie künstlerisch durchgebildete Übertragung des Druckes der Mittelschiffgewölbe durch Strebebogen auf die innern und äußern Pfeiler der Querschiffe vorführt, sondern auch die gegliederte, an allen Seiten abgewalmte Dachkonstruktion der letztern zeigt, durch die die reiche Gliederung der Wände des Mittelschiffs bedingt wird. Die reich und edel durchgeführten Detailformen der Pfeiler, Wimpergen, Strebebogen, Krabben und Kreuzblumen sind auf Tafel II, Fig. 5–10, dargestellt. Nahe Verwandtschaft mit dem Kölner Dom verrät die Kathedrale von Metz, und in reich entwickelter, doch schon beträchtlich späterer Ausbildung zeigt sich eine Nachahmung des Systems des Kölner Domes an der Kollegiatkirche von Xanten. Von höchster Bedeutung für die weitere Entwickelung der Stilform der deutsch-gotischen A. ist ferner die Katharinenkirche zu Oppenheim, der sich als ein Beispiel reiner und edler Entfaltung des Stiles die Kirche von Wimpfen im Tal (1262–78) anreiht. Von Bedeutung sind ferner das Schiff des Münsters zu Freiburg i. Br. und das des Münsters von Straßburg, dessen Fassade im wesentlichen das Vorbild des französischen Kathedralstils befolgt. Zu den frühern Bauten des gotischen Stiles in den sächsischen und thüringischen Gegenden gehören außer dem Dom von Magdeburg das Chor der Kirche von Schulpforta (1251–68) und das etwa gleichzeitige Westchor des Domes von Naumburg. Ebenfalls um die Mitte des 13. Jahrh. begann der Bau des Domes von Halberstadt, während der Dom von Meißen erst im Verlauf des 14. und 15. Jahrh. seine jetzige Gestalt erhielt und das 1349–53 erbaute Chor des Domes von Erfurt als ein edles Werk jüngerer Zeit zu bezeichnen ist. Treffliche Beispiele für die weitere Gestaltung der deutsch-gotischen A. geben der um den Schluß der gotischen Periode in seiner jetzigen Gestalt beendete Dom von Regensburg, der St. Stephansdom zu Wien, der Dom zu Prag (1343–85), das Münster von Ulm, 1377 gegründet. In Franken sind die Frauenkirche (1355–61), die Lorenzkirche und das Chor der Sebalduskirche in Nürnberg (1361–77), die Frauenkirche von Ingolstadt (gegründet 1425), die Stadtkirche zu Wimpfen am Berg (gegründet 1494) zu nennen. Aus dem 14. und 15. Jahrh. stammen die Kirche St. Martin zu Landshut (1432–78), die Frauenkirche zu München (1468–94), die Peter- und Paulskirche (1423–97) und die Frauenkirche (1458–1473) zu Görlitz, der Dom zu Freiberg im Erzgebirge (nach 1484), das Schiff des Domes von Merseburg (um 1500), die Marienkirche zu Zwickau (1453–1536), die Liebfrauenkirche zu Halle (1529), die Nikolaikirche zu Zerbst (1446–94) u.a. Für die spätere Entwickelungszeit des gotischen Stiles sind ferner jene dekorativen Architekturen bezeichnend, die, wie die Lettner, Tabernakel u. dgl., zu kirchlichen Zwecken im Innern der Kirchen ausgeführt und reich mit plastischem Schmuck versehen wurden. Unter den spätgotischen Werken ähnlicher Art sind namentlich die Lettner im Dom von Magdeburg (begonnen 1448), im Dom von Halberstadt (beendet 1510) und der Apostelgang im Dom zu Münster hervorzuheben. Von den Tabernakeln ist das in St. Lorenz zu Nürnberg das berühmteste. Ihre Anordnung, doch meist in einfacherer Behandlung, wurde auch für die an öffentlichen Straßen errichteten Heiligenhäuschen, wofür das in einfach reinem Stil gebildete sogen. Hochkreuz bei Godesberg unfern Bonn (1333) und die sogen. Spinnerin am Kreuz bei Wien interessante Beispiele darbieten, und bei öffentlichen Brunnen beibehalten, unter denen der um 1360 errichtete sogen. schöne Brunnen zu Nürnberg und der Marktbrunnen in Braunschweig (s. Tafel »Brunnen«, Fig. 3) hervorragen. Für die Dekoration der öffentlichen, zu städtischen Zwecken errichteten Gebäude und Privatwohnungen hat der deutsch-gotische Baustil manche treffliche Formen geschaffen, wie dies viele Werke dieser Art zu Regensburg, Ulm, Nürnberg, Frankfurt a. M., Koblenz, Münster u.a. O. bezeugen. In den an der Nordseite des Harzes gelegenen Städten ist für solche Gebäude meist ein hölzernes Fachwerk angewandt, das zur Ausbildung einer zierlichen Holzarchitektur Veranlassung gegeben hat, deren bedeutendste Beispiele man zu Quedlinburg, Braunschweig, Hildesheim, Hannover und Halberstadt findet. Verhältnismäßig selten sind in Deutschland Rathäuser gotischen Stiles, da die ältern Bauten dieser Art meist während der Renaissance umgestaltet worden sind. Ein hervorragendes Beispiel ist das Rathaus in Braunschweig (1250 begonnen, die Arkaden seit 1393 errichtet; Tafel IX, Fig. 5). Der in den Küstenländern der Ostsee und in einigen an sie angrenzenden Gegenden von Deutschland: in Holstein, Mecklenburg, Pommern, den brandenburgischen Marken, in Preußen, auch (wie es scheint) in Kurland und Livland sowie in den skandinavischen Ländern entwickelte gotische Baustil, der sich vornehmlich im Backsteinbau betätigt, unterscheidet sich von der Ausbildung des Systems im westlichen Deutschland durch eine ungleich größere Schlichtheit und Strenge. Während die lebhaft durchgeführte Gliederung des architektonischen Ganzen, die rhythmisch bewegte Entwickelung seiner Teile gegen die Massenwirkung zurücktreten, fehlt es keineswegs an künstlerischem Sinn, der sich sowohl in dem kräftigen Ernst der Hauptformen als in der Kühnheit der Verhältnisse ausspricht. Eins der großartigsten Werke dieser Art ist das Schloß von Marienburg (s. d.), dem die übrigen Burgen des Deutschen Ordens zu Gollub, Thorn, Mewe, Rheden, Lochstädt u.a. verwandt sind.

In Italien blieb man im wesentlichen zunächst bei den Bedingungen des romanischen Gewölbebaues stehen. Was man an Spitzbogen, Giebeln, Spitzsäulchen und an dekorierenden Formen unmittelbar von der gotischen Bauweise annahm und mit jenem Element verband, erscheint nur als ein äußerliches Zugeständnis, das man dem allgemeinen Zeitgeschmack machte. Der italienisch-gotische Baustil bildet kein in sich abgeschlossenes Ganze, ist vielmehr, obgleich häufig mit reicher Dekoration versehen, in seinen wesentlichen Teilen meist unentwickelt. Eins der frühesten gotischen Monumente in Italien ist die Kirche San Francesco in Assisi, die 1218–30 durch einen Deutschen, Meister Jakob, erbaut sein soll; wenig jünger ist die Kirche Sant' Antonio zu Padua (begonnen 1231, in ihren wesentlichen Teilen 1307 beendet), in deren Hauptformen noch gar kein gotisches Element hervortritt. Das Innere des um 1150 begonnenen Domes von Siena, dessen Fassade Tafel IX, Fig. 4, wiedergibt, hat eigentümliche, edle Verhältnisse; die Ausbildung ist aber im wesentlichen die italienische, während der Dom von Orvieto (1290 begonnen) im Schiff, den Basiliken vergleichbar, noch Rundsäulen und Halbkreisbogen hat. Diesen Monumenten sind der Campo santo zu Pisa, der Dom von Arezzo und die Kirche Santa Maria Novella zu Florenz (1279) anzureihen. Höchst einfach und streng erscheint die Kirche Santa Croce zu Florenz (1294) von Arnolfo di Cambio, von dem 1296 auch der Dom Santa Maria del Fiore daselbst angelegt wurde, der eine reichere Durchbildung des italienischen Systems zeigt. Die Kirche San Petronio zu Bologna (begonnen 1390) ist ähnlich schwer und unorganisch in Formen und Verhältnissen. Das bei weitem großartigste aller kirchlichen Monumente gotischen Stiles in Italien ist der 1386 gegründete und in seinen Hauptteilen am Schluß des 15. Jahrh. beendete Dom von Mailand, neben dem die 1396–1499 erbaute, zu den reichsten und bedeutendsten der Lombardei gehörende Kartause bei Pavia zu nennen ist. Wie in der Dekoration der Kirchenfassaden, so entwickelt sich auch an den Palästen und öffentlichen Hallen von Italien der gotische Baustil nicht selten in eigentümlich glänzender Weise und zugleich so harmonisch, daß diese Bauwerke als die vollendetsten Schöpfungen des gotischen Stiles in Italien zu bezeichnen sind. Während der Signorenpalast von Florenz (Palazzo vecchio) und der von Siena, beide dem 13. und 14. Jahrh. angehörig, noch als schwere, burgähnliche Massen erscheinen, zeichnet sich die Loggia dei Lanzi in Florenz durch edle, würdige Verhältnisse aus. Sehr bedeutend ist ferner die Börse (Loggia dei mercanti) zu Bologna. An den öffentlichen Palästen einiger lombardischer Städte, wie Como, Cremona, Piacenza, entwickelt sich eine anziehende Dekoration, bei der romanische und arabische Elemente mit Glück benutzt sind. In reicher Pracht, moderne Formen ziemlich harmonisch mit jenen des gotischen Stiles verschmelzend, erscheint auch die Fassade des 1456 gegründeten sogen. großen Hospitals zu Mailand. Vor allem jedoch erhalten die Fassaden der Paläste von Venedig in dieser Periode eine ebenso charakteristische wie anmutvolle Gestalt, unter denen als eins der reichsten, aber noch schweren und minder entwickelten Beispiele der gegen die Mitte des 14. Jahrh. gebaute Dogenpalast zu nennen ist. Zierlicher ist eine Reihe von meist aus jüngerer Zeit herrührenden Privatpalästen am Canale grande, worunter die Paläste Foscari, Pisani, Sagredo und die Cà Doro hervorzuheben sind.

In Spanien und Portugal scheint sich der gotische Baustil in ungleich größerer Reinheit erhalten zu haben als in Italien, doch fehlt es im einzelnen, wie in der spanisch-romanischen A., auch nicht an Einflüssen des maurischen Baustils. Bei der Kathedrale von Burgos (1299) finden sich Pfeiler angewendet, die ganz aus Halbsäulen als Gurtträger zusammengesetzt sind (Tafel IX, Fig. 3). Ein reiches und glänzendes Äußere entfaltete sich an der Kathedrale zu Barcelona (angeblich 1217 gegründet), deren Fassade 1442 durch zwei Meister von Köln, Johann und Simon, angelegt worden sein soll. Zu den spanischen Kirchen dieser Periode gehören die Kathedrale von Segovia, deren Äußeres ziemlich massenhaft erscheint, von Sevilla, fünfschiffig mit glänzender Fassade, die Kirche de los Reies zu Toledo (1494–98) und die Kirche des Dominikanerklosters zu Valladolid, deren Fassade aber bereits eine wüste Ausartung zeigt, indem die verschiedenartigsten gotischen und maurischen Formen bunt durcheinander gewürfelt sind. Unter den Arkaden der Klosterhöfe finden sich mehrfache Reminiszenzen an die maurische Kunst. An öffentlichen städtischen Bauten, wie an dem Rathaus von Barcelona und an der Börse von Valencia, entwickelt sich ein nicht minder ansprechender Dekorationsstil. Die edelste und regelmäßigste Ausbildung des gotischen Baustils auf der gesamten Pyrenäischen Halbinsel tritt uns in der Kirche des Klosters von Batalha in Portugal entgegen, in deren Innerem, den besten deutsch-gotischen Bauten wenigstens nahestehend, ein vorzüglich reines System sich entwickelt.

Die Architektur der Renaissance, des Barock- und Rokokostils.

Die neuere oder Renaissancebaukunst, die in ihren letzten Ausläufern bis in unsre Tage hineinreicht (Tafel X, XI u. XII), beruht auf der Wiederaufnahme der antiken, und zwar vorzugsweise der römischen Bauformen, die sich der erwachenden historisch-wissenschaftlichen Richtung zunächst darboten. Die Wiege der neuern A. ist Italien, dessen Werke fast ausschließlich das Vorbild für die übrigen Länder blieben. Die erste Blütezeit dieser A. beginnt etwa um die Mitte des 15. Jahrh. Die Bauten dieser gewöhnlich als Frührenaissance bezeichneten Periode sind von einem frischen Lebenshauch beseelt, der ihnen ein eigentümlich anziehendes Gepräge verleiht. Man bemüht sich, mit Selbständigkeit die klassischen Formen aufzufassen und sie mit besonderer Rücksicht auf das von den antiken Gebäuden abweichende Ganze auszubilden, während sich später das Ganze vielmehr dem als Prinzip aufgenommenen antiken System fügen muß. Im Vordergrunde dieser Kunstperiode steht die Palastarchitektur. Die baulichen Massen werden kräftig und großartig zusammengehalten, ohne daß sie sich durch eine aufgeklebte Scheinarchitektur zu etwas anderm gestalten, als was sie sein sollen; aber da, wo die Massen sich naturgemäß in einzelne Teile sondern, namentlich an den Öffnungen der Fenster und Türen, entwickelt sich eine bewegtere Gliederung, wozu die Formen der antiken Kunst mit Geist und Geschmack verwendet werden. Bei den kirchlichen Monumenten konnten die antiken Vorbilder nicht ausreichen, weshalb diese Bauten weniger Bedeutung erlangten. Die bessern, die der ersten Hälfte des 15. Jahrh. angehören, zeigen ein Zurückgehen auf die einfache Basilikenform. Später erscheinen Gewölbeanlagen nach römischer Art mit massigen, durch Pilaster bekleideten Pfeilern oder mit Kuppeln in der von den Byzantinern erfundenen Form. Die Bautätigkeit Italiens im 15 Jahrh. kam zu besonders charakteristischem Ausdruck in einigen Hauptstädten, von denen Florenz zuerst zu nennen ist. Als Begründer der dortigen A. im modernen Sinne gilt Filippo Brunelleschi (1375–1444), von dem die kolossale Kuppel, mit der die Chorpartie des Domes von Florenz bedeckt ist (s. Tafel »Baustile II«, Fig. 40), die beiden Kirchen San Lorenzo und San Spirito und der Palast Pitti daselbst (dessen Oberbau und Hof aber erst später ausgeführt wurden) herrühren. Der Burgcharakter dieses Palastes bleibt für geraume Zeit der Typus der florentinischen Paläste. Die folgenden Architekten gaben der rohen Anlage zugleich das Gepräge künstlerischer Würde und Schönheit, indem sie durch angemessene Gestaltung der großen Werkstücke (der Bossagen), aus denen die Paläste ausgeführt wurden, durch ein kräftig abschließendes und krönendes Hauptgesims, durch zierliche Füllung der Fenster eine ebenso markige wie gefällige Gliederung des Äußern erzielten, wofür als wichtigste Beispiele der Palast, den Michelozzo Michelozzi für Cosimo Medici baute (jetzt Palast Riccardi), sowie der von Benedetto da Majano 1489 begonnene und von Simone Cronaca 1533 beendete Palast Strozzi zu Florenz (Tafel X, Fig. 1) zu nennen sind. Ähnliche Paläste finden sich in Siena; besonders bemerkenswert und den genannten völlig ähnlich ist unter diesen der Palast Piccolomini (begonnen 1469), der vermutlich von dem Florentiner Bernardo Rossellino herrührt. Unter den übrigen florentinischen Architekten der Zeit sind hervorzuheben: Giuliano da Majano und Leo Battista Alberti (1398 bis 1472), der zuerst mit einem gelehrten Studium des klassischen Altertums hervortrat.

Die venezianischen Paläste dieser Zeit zeichnen sich, im Gegensatze zu dem imponierenden Ernst jener von Toskana, durch eine eigentümliche Leichtigkeit und Eleganz und durch eine besondere Weise der Dekoration aus, die, aus byzantinischen Vorbildern erwachsen, in einem musivischen, aus verschiedenfarbigem Stein gebildeten Schmuck besteht, der in das Mauerwerk der Fassaden eingelassen ist. Die kirchlichen Gebäude, im Innern bedeutend, nehmen in der Gestaltung ihres Äußern an diesen Anordnungen teil. Unter den venezianischen Palästen dieser Periode sind als Hauptbeispiele zu nennen: der Palast Pisani a San Pulo, die Paläste Angaran (oder Manzoni) und Dario, der als Werk des Pietro Lombardo gelten de Palast Vendramin Calergi (1481), der Palast Corner Spinelli, der von Guglielmo Bergamasco 1525 erbaute Palast dei Camerlenghi und die am Markusplatz gelegenen, von Bartolommeo Buono erbauten alten Prokurazien. Unter den kirchlichen Gebäuden sind hervorzuheben: San Zaccaria (1457); die Scuola di San Marco, erbaut von Martino Lombardo (1485); die Scuola di San Rocco, seit 1517 von Bartolommeo Buono u.a. erbaut. Von dem gelehrten Architekten Fra Giocondo aus Verona rühren der Fondaco dei Tedeschi zu Venedig und der Ratspalast (Palazzo del Consiglioi) zu Verona her.

Mit dem Anfang des 16. Jahrh. beginnt in der Behandlung der antiken Bauformen eine größere kritische Strenge herrschend zu werden, verwandt mit den zuerst bei dem Florentiner Alberti hervorgetretenen Bestrebungen, wodurch zwar jetzt im allgemeinen eine gewisse äußere Reinheit des Stiles erreicht, zugleich aber jene lebensvollere Phantasie beschränkt wurde, die die Mehrzahl der Werke des 15. Jahrh. durchdrungen hatte. Rom ward für jetzt der bedeutsamste Mittelpunkt der italienischen A. Der erste für diesen Umschwung der architektonischen Richtung (Hochrenaissance) vorzüglich tätige Meister ist Bramante (1444–1514). Seine Mailänder Bauten tragen noch ganz das anmutige Gepräge, das die oberitalienische A. aus der spätern Zeit des 15. Jahrh. auszeichnet. Später ging Bramante nach Rom, wo ihn die unmittelbare Nähe der altrömischen Monumente zu einer strengern Nachahmung ihrer Formen angetrieben zu haben scheint. Unter den Werken der Frührenaissance nimmt die Fassade der Kartause von Pavia von Ambrogio Borgognone eine hervorragende Stelle ein. Dem Bramante nahe verwandt ist Baldassare Peruzzi (1481–1537), der in Rom mehrere Paläste und Villen erbaute, darunter die sogen. Farnesina (s. d.). Bedeutendere Nachfolger Bramantes in Rom waren Antonio da Sangallo der jüngere aus Florenz (gest. 1546), der Erbauer des Palastes Farnese, und Pirro Ligorio (gest. 1580), der bemüht war, sich völlig in den Geist des klassischen Altertums zu versenken, wovon die in den vatikanischen Gärten belegene Villa Pia Zeugnis gibt, die als das zierlichste und anmutvollste Beispiel antiker Villenarchitektur erscheint. Eine durchaus abweichende Richtung entwickelt sich in der italienischen A. durch die Bestrebungen Michelangelo Buonarrotis (1475–1564), der im Gegensatze zu den frühern Meistern, die mit naiver Anmut in den Formen der Antike sich bewegten, im Gegensatz auch zu seinen Zeitgenossen, die diese Formen mit gewissenhafter Treue festhielten, sie bei dem Bau der Peterskirche in Rom (Tafel X, Fig. 2–4) nach seiner genialen Willkür umzugestalten und somit den Ausartungen der Folgezeit das Tor zu öffnen beginnt. Die Schüler Michelangelos ahmten den architektonischen Geschmack des Meisters mit mehr oder weniger Treue nach. Gleichwohl fand diese willkürliche Behandlungsweise der A. in den nächsten Jahrzehnten nach Michelangelos Tod noch wenig Anhänger. So hielt unter den jüngern Zeitgenossen dieses Meisters zunächst Vignola (1507–73) streng an dem Studium des klassischen Altertums fest. Sein Hauptbauwerk ist das Schloß Caprarola auf dem Weg von Rom nach Viterbo. Gleichzeitig mit Vignola und in verwandter Richtung mit ihm bildete sich in Rom Galeazzo Alessi (1500–1572) aus, dessen in Genua ausgeführte Paläste weniger durch ihre Fassaden als durch die Anordnung der innern Räume, namentlich der Vestibüle, Höfe und Treppenhallen, ausgezeichnet sind, woran auch die später in Genua tätigen Architekten, z. B. B. Bianco (gest. 1656), in dem Palast der jetzigen Universität (Tafel X, Fig. 6) festhielten. Andre Eigentümlichkeiten gewahrt man bei den Architekten, die im 16. Jahrh. im venezianischen Gebiet beschäftigt waren. Unter den frühern Meistern sind Michele Sanmicheli von Verona (1484–1559) und Jacopo Sansovino (1479–1570), Erbauer der Bibliothek von San Marco in Venedig (Tafel X, Fig. 5), zu nennen, dessen Nachfolger Andrea Palladio von Vicenza (1518–80) der gefeiertste und einflußreichste Meister der modernen A. war. Allenthalben wurde noch lange nach seinen Rissen gebaut, und noch mehr sicherte er sich diesen nachwirkenden Einfluß durch das von ihm verfaßte Lehrbuch der A. Die bedeutendsten seiner Nachfolger in Venedig waren Vincenzo Scamozzi und Baldassare Longhena. Verwandte, doch nicht zu derselben Konsequenz gesteigerte Bestrebungen zeigen in jener Zeit: Bartolommeo Amanati zu Florenz (1511–92), Vollender des Palastes Pitti und Erbauer der Brücke Santa Trinità, Domenico Fontana zu Rom (1543–1607), Erbauer des neuen Lateranpalastes, u.a.

Der Begründer der Richtung des architektonischen Geschmacks, die das 17. Jahrh. charakterisiert, war Michelangelo. Ihm kam es vor allen Dingen darauf an, durch die Gewalt seiner Werke zu imponieren, durch kühne und überraschende Kombination den Beschauer mit Staunen und Verwunderung zu erfüllen, ohne auf die Reinheit, auf die innerliche Notwendigkeit der Mittel, die er zu solchem Zweck anwendete, Rücksicht zu nehmen. Dies Streben ward in ausgedehntem Maß um den Beginn des 17. Jahrh. aufgenommen; die architektonischen Werke dieser Periode haben einen gewissen pathetischen Schwung, der oft Großartigkeit des Sinnes verrät, oft aber auch in abenteuerlichen und übertriebenen Formen sich ergeht und mit Hohlheit des Gefühls verbunden ist (Barockstil). Charakteristisch hierfür sind die zur Fortsetzung und zur glänzendern Gestaltung des Baues der Peterskirche von Rum ins Werk gesetzten Bauten von Carlo Maderna (1556–1639) und Lorenzo Bernini (1589–1680). Arbeitete der letztere und seine Mitstrebenden im allgemeinen auf Grußartigkeit des Eindrucks hin, so trat ihnen eine andre Richtung gegenüber, die nur durch phantastische und launenhafte Kombinationen zu wirken strebte. Das Haupt dieser Partei war Francesco Borromini (1599–1667), der Nebenbuhler Bern in is. Alles Gradlinige in den Grund- und Aufrissen seiner A. ward soviel wie möglich verbannt und durch Kurven der verschiedensten Art, durch Schnörkel, Schnecken u. dgl. ersetzt; den Hauptformen entzog er die gesetzmäßige Bedeutung, während er die untergeordneten, mehr für die Dekoration bestimmten Nebenformen mit völliger Willkür als die wichtigsten Teile des Ganzen behandelte. Unter den Nachfolgern des Borromini, die im einzelnen dessen Willkür noch zu überbieten wußten, sind Giuseppe Sardi und Camillo Guarini (besonders in Turin tätig) hervorzuheben. Im 18. Jahrh. mochen sich in der italienischen A. Bestrebungen bemerklich, die zu einer strengern Formen behandlung zurückführen; doch bereiten sie keine neue geistige Entwickelung vor. Die bedeutendsten Meister dieser Zeit sind Filippo Juvara (1685–1735), der unter anderm die Superga bei Turin baute, und Luigi Vanvitelli (1700–1773), der Erbauer des Schlosses Caserta bei Neapel.

Außerhalb Italiens blieb bei den christlich okzidentalischen Völkern der gotische Baustil bis in das 16. Jahrh. hinein allgemein in Anwendung. Obwohl die Renaissance hier somit erst beträchtlich später eingeführt wurde, so givt sich doch bereits an den Monumenten des gotischen Stiles, die dem 15. und dem Anfang des 16. Jahrh. angehören, sehr häufig eine Behandlungsweise kund, die, ohne irgend eine Gemeinschaft mit dem Formenprinzip der Antike zu verraten, als ein Ausdruck des neuern Zeitgeistes zu betrachten ist, der in der Rückkehr zu einer größern Massenwirkung und zu dem Gesetz der Horizontallinie und den hiervon abhängigen Bogenformen besteht. Durch eine solche Richtung des künstlerischen Gefühls war auch hier die Einführung der antiken Formen vorbereitet, die von Italien aus seit dem Anfang des 16. Jahrh. erfolgte. Willig und selbständiger Produktion entsagend, nahm man die Grundsätze an, die die italienischen Meister in ihren Werken aufgestellt hatten. Besondere Eigentümlichkeiten begegnen uns in der neuern A. außerhalb Italiens vornehmlich nur da, wo die antiken Bauformen in den Zeiten ihrer ersten Einführung noch in einen gewissen Konflikt mit der ältern einheimischen Bauweise traten. Hierdurch sind manche interessante Schöpfungen entstanden, die zuweilen sogar noch an den Charakter der italienischen Werke des 15. Jahrh. erinnern. Frankreich namentlich besitzt manche bezeichnende Werke solcher Art in der A. verschiedener Schlosser. Die künstlerischen Unternehmungen des Königs Franz I. (1515–47) verschafften hier dem neuen Stil schnellern und leichtern Eingang als in andern Ländern. Die vorzüglichsten französischen Architekten, die in seiner und der nächstfolgenden Zeit tätig waren, sind: Jean Bullant (Schloß von Ecouen, um 1540), Pierre Lescot (die ältern Teile des Louvre, vollendet 1548) und Philibert Delorme. In der ersten Hälfte des 17. Jahrh. trat besonders Jacques de Brosse hervor, von dem der dem florentinischen Palaststil nachgebildete Palast Luxembourg in Paris herrührt. Derselben Zeit etwa gehört der Beginn der Fortsetzung des Lescotschen Louvrebaues durch Jacques Lemercier (gest. 1660) an (Tafel XI, Fig. 6). Unter den umfassenden Bauten, die in der spätern Zeit des 17. Jahrh. unter Ludwig XIV. entstanden, tritt am meisten die von Claude Perrault ausgeführte Hauptfassade des Louvre mit einer mächtigen Säulenhalle vor den obern Geschossen hervor, während das von J. H. Mansart, dem Erfinder der nach ihm benannten Dachform, gebaute Schloß von Versailles besonders dadurch von Bedeutung geworden ist, daß es ausländischen, namentlich deutschen, Architekten als Vorbild diente. Die französischen Architekten des 18. Jahrh. erscheinen durchweg, wie die gleichzeitigen Italiener, sehr nüchtern; nur Jacques Germain Soufflot (1713–81), der in seinem Kuppelbau der Kirche Ste.-Geneviève (des heutigen Pantheons) ein bei vielen Mängeln doch großartiges Werk zu stande brachte (Tafel XII, Fig. 6) und sich zuerst wieder an die reinern Formen der Antike anschloß, verdient unter ihnen ausgezeichnet zu werden. Die Franzosen nahmen übrigens die Stil begriffe Renaissance, Barock und Rokoko erst nach dem Vorgang der Deutschen an. Gewöhnlich bezeichnen sie die Stilwandlungen ihrer neuern A. nach den Regenten und unterscheiden einen Stil François I, Henri II, Louis XIII, Louis XIV, Style Régence, Louis XV und Louis XVI.

In Spanien fand die Renaissance ebenfalls bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrh. Eingang. Unter Karl V. ward hier unter anderm als ein Gebäude von italienischer Form der (unvollendete) Palast neben der Alhambra von Granada, nach den Plänen Machucas, erbaut, dessen trockner Ernst zu der spielenden Pracht des maurischen Königsschlosses einen charakteristischen Gegensatz bildet. Bedeutenderes geschah in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. unter Philipp II., der das Escorial (Kloster und Kirche San Lorenzo und Palast zusammen) von 1563–84 durch Juan de Toledo und Juan de Herrera errichten ließ.

In England kam der moderne Baustil nicht vor dem Anfang des 17. Jahrh. zu einer durchgreifenden Anwendung, obwohl seit der Mitte des 16. Jahrh. vereinzelte Bauwerke, namentlich Schlösser und Landsitze, auftreten, an denen die Elemente des neuen Stiles, wenn auch mehr dekorativ, neben den alten gotischen Grundformen erscheinen. Ein Beispiel dafür ist Cobham Hall (Tafel XI, Fig. 3), dessen Renaissanceteile dem Ende des 16. Jahrh. angehören. Der italienische Stil wurde vornehmlich durch Inigo Jones (1572–1652), einen Nachfolger Palladios, eingeführt. Der königliche Palast zu Whitehall, ein Teil des Hospitals von Greenwich bei London u. v. a. rühren von ihm her. Der bedeutendste der modernen englischen Architekten ist Christopher Wren, der von 1675–1710 den Neubau der Paulskirche zu London ausführte. Auch in England spricht man nach den Regenten von einem Elizabethan Style, Jacobean Style, Stil der Königin Anna etc. In den Niederlanden ist vornehmlich Jakob van Campen (gest. 1658), der Erbauer des großen Rathauses von Amsterdam, zu nennen.

In Deutschland entstanden bereits seit der Mitte des 16. Jahrh. mancherlei Bauanlagen italienischen Stiles, wie der Otto Heinrich-Bau des Heidelberger Schlosses (Tafel XI, Fig. 1). Doch wußte sich der deutsche Geist die antike Dekoration bald so vollständig anzueignen und ihr ein so entschieden nationales Gepräge zu geben, daß sich die deutsche Renaissance als selbständiges Glied aus der allgemeinen Renaissancebewegung herauslöste und namentlich in der dekorativen Gestaltung der Bauwerke, die meist ihre gotische Grundform behielten, und im Kunstgewerbe zu reizvollen und künstlerisch wertvollen Schöpfungen gelangte, die erst in neuerer Zeit ihre richtige Würdigung gefunden haben. Neben den fürstlichen Schlössern erstanden vorzugsweise in einer großen Anzahl von Rathäusern glänzende und stattliche Denkmäler, die sich je nach der geistigen Richtung ihrer Schöpfer bald enger an italienische Vorbilder anschlossen, wie z. B. die elegante Vorhalle des Rathauses zu Köln (Tafel XI, Fig. 2), teils die Formen des nationalen Giebelbaues festhielten und ihnen die fremdländische Dekoration unterordneten, wie z. B. das Rathaus zu Paderborn (Tafel XI, Fig. 5). Zu Anfang des 17. Jahrh. erfreute sich der nach italienischen Mustern gebildete Elias Holl von Augsburg eines besondern Ruhmes; er führte dort 1602 das Zeughaus (Tafel XI, Fig. 4) und 1615–20 das Rathaus auf. Gleichzeitig (1616–19), ebenfalls mit Anwendung des italienischen Stiles, ward das Rathaus zu Nürnberg durch Eucharius Karl Holzschuher erbaut. Zu den kraftvollsten Bauten aus dem Ende des 17. und dem Anfang des 18. Jahrh. gehören das wahrscheinlich nach einem Plane des Franzosen Blondel 1694 von Nehring angefangene und von Joh. de Bodt vollendete Zeughaus zu Berlin (Tafel XII, Fig. 2) und die Teile des dortigen königlichen Schlosses, die Andreas Schlüter in den Jahren 1698–1706 erbaut hat (Tafel XII, Fig. 3). Schlüter, der größte Künstler seines Zeitalters, namentlich in der Skulptur, strebt in seinen Architekturen ebenfalls nach einer lebendig malerischen Wirkung, verliert aber dabei ebensowenig die kraftvolle Gestaltung des Einzelnen wie den festen und massenhaften Charakter des Ganzen aus dem Auge. Als bedeutende Zeitgenossen Schlüters sind Joh. Bernhard Fischer von Erlach, dessen Hauptbau die 1716 begonnene und 1737 beendete Kirche St. Karl Borromäus zu Wien ist (Tafel XII, Fig. 5), ferner Johann Balth. Neumann, der von 1720–44 die fürstbischöfliche Residenz zu Würzburg erbaute, und G. W. v. Knobelsdorff zu nennen, von dem die bedeutendsten Bauten, die Friedrich II., König von Preußen, in den frühern Jahren seiner Regierung zu Berlin und Potsdam ausführen ließ, herrühren.

Die von Schlüter vertretene Richtung der deutschen A. entspricht in ihrem Stilcharakter im allgemeinen dem italienischen Barockstil, der seit der Mitte des 17 Jahrh. durch italienische Architekten vornehmlich in den katholischen Ländern Deutschlands und in Österreich in Aufnahme kam. Besonders reich an Schöpfungen des Barockstils (Kirchen und Palästen) sind Wien, Prag (s. den Palast Czernin auf Tafel XII, Fig. 1), Salzburg, Innsbruck, Bamberg, München und Mainz. Gegen diesen italienischen Barockstil erhob sich seit dem Ende des 17. Jahrh. mehr und mehr der Einfluß der französischen A., der schon im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrh. auch in Deutschland zur Herrschaft kam und zu der unter dem Namen Rokoko bekannten, eigenartigen Ausbildung gelangte. Das Rokoko ist kein eigentlicher Architektur-, sondern ein Dekorationsstil. Es setzt an die Stelle der prunkvollen Säulenausstattung und Gebälkarbeit römischer Herkunft ein üppiges Geranke von Muscheln und Schlinggewächsen, von Palmen und gebogenen Leisten, für deren Zusammenstellung nur leichtes Geringel und flache Haltung Gesetz sind (s. Tafel »Ornamente IV«, Fig. 17). Kahle Wände und Decken sind dem Rokoko am erwünschtesten, geradlinige Gliederungen vermeidet es. Charakteristisch ist ferner, daß es sich besonders im Innenraum entfaltet, in Verbindung mit eingelassenen Spiegeln, glitzernden Glaslüstern, Porzellan-Etageren und chinesisch-japanischen Kunsterzeugnissen, die überhaupt von größtem Einfluß auf den Stil geworden sind, und zwar in Form, Muster und Farbe. Die deutschen Residenzen sind noch reich an Schöpfungen der A. und der Dekorationskunst des Rokoko, unter denen der von Pöppelmann erbaute Zwinger zu Dresden (Tafel XII, Fig. 4), das Schloß Sanssouci bei Potsdam und die Pavillons von Nymphenburg hervorragen. Auch der auf das Rokoko (Style Régence und Louis XV) folgende, die Rückkehr zu größerer Strenge bezeichnende Stil Louis XVI fand an den deutschen Höfen Nachahmung. Man nannte diesen Stil, der sich als eine Reaktion gegen die Ausartungen des Rokoko darstellt und eine Wiederbelebung des antiken Stiles versuchte, später mit unbegründeter Verachtung den Zopfstil. Zum Durchbruch gelang die Anlehnung an die Antike aber erst gegen Ende des 18. Jahrh.

Die neuere Architektur.

Als die ältesten, auf die Veredelung des architektonischen Geschmacks unter Anschluß an die Antike gerichteten Versuche sind das von H. Gentz gegen Ende des 18. Jahrh. in Berlin erbaute (1885 abgebrochene) Münzgebäude und das Brandenburger Tor von Langhans anzuführen. Der Boden für diese Versuche war durch Winckelmann (1717–68) vorbereitet worden. Seinen wissenschaftlichen Forschungen folgten die Untersuchungen der Monumente des griechischen Landes selbst, die teils unmittelbar nachgeahmt, teils nur als Anregungen zu neuen Schöpfungen in griechischem Geiste dienten. Die letztere Richtung vertrat zuerst mit voller Entschiedenheit K. Fr. Schinkel (1781–1841), dessen reiche Tätigkeit in ausgeführten Bauwerken und Entwürfen den Sieg des griechischen Baustils, wie er damals erkannt und verstanden wurde, über die Kunst des 18. Jahrh. entschied, vornehmlich durch seine Hauptschöpfungen: das Alte Museum, die Hauptwache und das Schauspielhaus zu Berlin. Bei kleinern Anlagen, wie dem reizenden Charlottenhof in Potsdam, wußte er die A. mit der Gartenanlage auf das glücklichste zu verbinden, während er mit der Bauakademie zu Berlin die Backsteinarchitektur wieder belebte und modernen Zwecken dienstbar machte. Als Opposition gegen die einseitige Auffassungsweise, zu der die antikisierende Richtung häufig Veranlassung gab, entwickelte sich eine Richtung in der A., die an die Blüteperiode des romanischen Stiles anknüpfte, und dazu gesellte sich die Wiederaufnahme des gotischen Baustils, zunächst in England, wo überhaupt zwischen dem Mittelalter und der neuern Zeit keine so große Kluft vorhanden war wie in andern Ländern. In Deutschland sind mehrere Monumentalbauten gotischen Stiles ausgeführt worden, in denen aber auf der einen Seite mehr eine Aufnahme der Äußerlichkeiten dieses Stiles, auf der andern Seite eine Umbildung nach einer mehr klassischen Formenweise ersichtlich wird, während einzelne deutsche Architekten statt seiner zu dem romanischen Baustil zurückgegriffen haben. Diesen verschiedenen Entwickelungsstufen der modernen A. folgte seit der Mitte der 1860er Jahre, wieder als Reaktion gegen den allmählich zu leerem Formenwesen erstarrten Schinkelschen Klassizismus, eine Periode des Eklektizismus, in der alle Erscheinungsformen des Renaissancestils bis zu seinen letzten Ausläufern im Barock- und Rokokostil für profane Zwecke nachgeahmt wurden, während im Kirchenbau wieder ein enger Anschluß an romanische und gotische Muster zur Herrschaft gelangte. Auch gegen diesen Eklektizismus entstand seit dem Beginn der 90er Jahre des 19. Jahrh. eine Gegenbewegung, die einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit fordert und auf die Bildung eines neuen Stiles hinarbeitet, der modernen Geist auch in entsprechenden Formen zum Ausdruck bringen soll.

Neben Berlin wurde ein Schauplatz für großartige Bautätigkeit in neuester Zeit Bayern und insbes. München durch König Ludwig I. Leo v. Klenze hielt in der Glyptothek (1816–30), in der Walhalla bei Regensburg, in der Befreiungshalle bei Kelheim, in der Ruhmeshalle und in den Propyläen zu München an der Antike fest, und bei der Pinakothek, dem neuen Königsbau und Saalbau verstand er die Renaissance mit Geschick zu benutzen, während Gärtnerin der Ludwigskirche, Bibliothek und Universität sich den Stilen des Mittelalters im Geiste der romantischen Schule anschloß, Ziebland in der Basilika des heil. Bonifacius den altchristlichen und Ohlmüller in der Mariahilfkirche in der Vorstadt An den gotischen Stil vertrat.

König Maximilian II. (seit 1848) versuchte statt der Reproduktion der verschiedenen Baustile der Vergangenheit die Erfindung eines neuen Baustils hervorzurufen. Die Münchener Akademie der bildenden Künste forderte 1851 hierzu auf und erkannte den Entwürfen Wilhelm Stiers aus Berlin den Preis zu, die indes bei aller Reife in der Komposition zur Ausführung nicht geeignet schienen. Die im neuen Stil auszuführenden Bauten wurden deshalb Bürklein anvertraut, der sich namentlich durch seinen Bahnhof als einen glücklichen Vertreter der romanischen Richtung bewährt hatte, aber sonst weder in der neuen Maximiliansstraße und ihren öffentlichen Gebäuden noch in dem Regierungsgebäude und Maximilianeum etwas Selbständiges zu schaffen im stande war. Unter den neuern Monumentalbauten Münchens sind das gotische Rathaus von Hauberrisser, das im Renaissancestil erbaute Polytechnikum von Neureuther, der Justizpalast von Fr. Thiersch, das bayrische Nationalmuseum von G. Seidl, das neue Hofbräuhaus von Heilmann und Littmann, mehrere städtische Bauten von C. Hocheder und H. Grässel hervorzuheben. Über die weitere architektonische Entwickelung Münchens, wo sich der historischen Richtung zuerst eine moderne entgegengestellt hat, s. München. Eisenlohr (gest. 1853) hat in den Hochbauten der badischen Eisenbahn, namentlich an den Bahnhöfen von Heidelberg, Freiburg und Karlsruhe, den romanischen Stil wieder zu erwecken und unsern Bedürfnissen anzupassen gewußt, während Hübsch (gest. 1863) in Karlsruhe, der in dem Theater zu Karlsruhe, der Trinkhalle in Baden-Baden und der Kunstschule zu Karlsruhe seine besten Leistungen hinterlassen hat, die altchristliche und romanische Bauart weiter zu entwickeln strebte. In neuester Zeit ist Karlsruhe ebenfalls den verschiedenen Richtungen gefolgt, die einander in der Herrschaft abgelöst haben. Die hervorragendsten Vertreter der modernen, auf der italienischen fußenden Renaissance sind J. Durm und O. Warth. Einer freiern Verwendung antiker Formen verdankt die Stuttgarter Schule den Fortschritt zu einer edlen Renaissance, wovon der Königsbau und die Villa bei Berg von Leins, Egles Polytechnikum und Stuttgarts Privatbauten Beispiele darbieten. Unter den Leistungen der neuesten Zeit sind das Postgebäude von Tritschler, der Bahnhof von Morlock, das Gesellschaftsgebäude der Museumsgesellschaft von Reinhardt, die Villen und Privathäuser von Gnauth, das Landesgewerbemuseum von Neckelmann, mehrere monumentale Geschäftshäuser von Eisenlohr und Weigle und der Olgabau von Lambert und Stahl zu nennen.

Die bauliche Entwickelung Wiens, die bis 1848 unter dem Druck einer baubureaukratischen Reaktion gestockt hatte, datiert von diesem Jahr, in dem der Schweizer Architekt Müller aus Wyl, Zieblands Schüler, durch den in den italienisch-deutschen Formen des romanischen Stiles bewirkten Bau der Altlerchenfelder Kirche eine erste Anregung zum Fortschritt gab. Ihr folgte der Bau der neuen Synagoge im maurischen Stil von Förster und des riesigen Artilleriearsenals, das aus den Konkurrenzplänen der Architekten Hansen, Förster, Rösner, Siccardsburg und van der Nüll kombiniert war. Von diesen Architekten hat besonders Hansen (gest. 1891) durch den Renaissancepalast Erzherzog Wilhelms, den in dem Heinrichshof vereinigten großartigen Komplex von Miethäusern, das Parlamentsgebäude und die Akademie der bildenden Künste für Wien Epochemachendes geleistet. Während das von Siccardsburg und van der Nüll errichtete neue Opernhaus sich in den Formen der Spätrenaissance bewegt, hat Heinrich Ferstel (gest. 1883) in der Votivkirche ein edles gotisches Bauwerk, in dem Bank- und Börsengebäude und der Universität imponierende Bauten im Stil der florentinischen Paläste geschaffen. Unter den strengern Gotikern ist vor allen Friedr. Schmidt (gest. 1891) mit seiner Lazaristenkirche (1860 bis 1862), seinem akademischen Gymnasium (vollendet 1867) und dem im Stil italienischer Gotik ausgeführten Rathaus zu nennen. Auf seinem Gebiet war er ein trefflicher Meister und neben Statz, der zahlreiche Kirchen in den Rheinlanden erbaut hat, das tüchtigste Glied der kölnischen neugotischen Schule. Der Bau der Hofmuseen und des Hofburgtheaters nach Entwürfen Sempers von Hasenauer, der Justizpalast von A. v. Wielemans und der Neubau der Hofburg, von Hasenauer begonnen, von F. Ohmann fortgesetzt, bilden den monumentalen Abschluß einer Gruppe von Bauten, wie sie großartiger und phantasievoller keine zweite moderne Großstadt besitzt. Dieser Ära des Monumentalbaues ist seit Beginn der 90er Jahre des 19. Jahrh. eine neue Richtung der A. gefolgt, die die Bedeutung der bürgerlichen Baukunst gegenüber der monumentalen betont und teils im Anschluß an die historischen Formen, teils in unabhängiger Ausdrucksweise wirkt. Das Haupt dieser neuen Schule ist Otto Wagner, dem Wien die Hochbauten der Stadtbahn verdankt. Näheres über die neueste architektonische Entwickelung Wiens s. bei Artikel »Wien«, mit Tafel »Wiener Bauten«.

In Norddeutschland ist namentlich die Friedenskirche zu Potsdam, von Persius 1850 vollendet, ein glänzendes Muster des Basilikenstils, der auch im Backsteinrohbau in Stülers Jakobikirche zu Berlin zur Anwendung kam (1845). Stracks Petrikirche ist als erster Versuch, die Gotik modernen Kirchenbedürfnissen anzupassen, wenigstens von historischer Bedeutung. Genialer angelegt ist die im romanischen Stil erbaute katholische St. Michaelskirche von Soller. Zu den großen Profanbauten, mit denen Friedrich Wilhelm IV. die Stadt schmückte, gehört das Neue Museum von Stüler. Unter der Leitung von Strack wurde ein andrer Teil der Anlage, die Nationalgalerie, errichtet. Im Privatbau, besonders dem ländlichen, zu dessen Ausbildung die Straßen am Tiergarten und die reizenden Umgebungen Potsdams aufforderten, haben Strack, Knoblauch, Hitzig und besonders Persius Treffliches geschaffen. Von den öffentlichen Gebäuden dieser Periode sind ferner das im Backsteinrohbau ausgeführte Rathaus von Wäsemann, die im Renaissancestil erbaute Börse, das erste in Hausteinen ausgeführte Gebäude Berlins, und die deutsche Reichsbank von Hitzig hervorzuheben. Die im maurischen Stil ausgeführte Synagoge von Knoblauch zeichnet sich ebensowohl durch meisterhaften Grundriß wie durch die edlen Verhältnisse ihres Innern und ihrer originellen eisernen Kuppel aus. Unter den Kirchen der neuesten Periode sind die byzantinische Thomaskirche von Adler, die romanische Zionskirche von Orth, die Heilige Kreuzkirche von Otzen, die Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche von Schwechten, die Gnadenkirche von Spitta und der nach einem Entwurf Kaiser Friedrichs von J. C. Raschdorff erbaute Dom die künstlerisch hervorragendsten. Besonders zahlreich sind die Leistungen auf dem Gebiete des Eisenbahnbaues, unter denen der Görlitzer Bahnhof von Orth, der Lehrter und Potsdamer, der Anhalter von Schwechten und die Stadtbahnhöfe von Jakobsthal bei zweckmäßiger Anlage und künstlerischer Durchbildung eine mehr oder minder gelungene Verbindung des Steinbaues mit dem Eisenbau zeigen. Die Privatarchitektur weist eine Fülle von Bauten auf, die, in dem Charakter eines Palastes oder einer Villa gehalten, meist sowohl in Anlage als in Form vortrefflich sind. Auf diesem Gebiet haben sich in den letzten dreißig Jahren des 19. Jahrh. neben den Meistern der ältern Periode, wie Lucae und Gropius und Schmieden, besonders Ende und Böckmann, Kayser und v. Großheim, Kyllmann und Heyden, von der Hude, Otzen, Cremer und Wolffenstein, H. Grisebach hervorgetan. Eine Spezialität der Berliner A. ist das nach amerikanischen und englischen Mustern eigenartig ausgebildete Warenhaus geworden, wofür A. Messel einen mehrfach nachgeahmten Typus aufgestellt hat. Hervorragendes leistet die Berliner A. auch im Landhausbau, der in den Vororten Berlins Schöpfungen von hohem künstlerischen Wert hervorgebracht hat. Über die neueste Entwickelung der A. Berlins, in der das von P. Wallot entworfene und ausgeführte Reichstagsgebäude (s. Tafel bei »Reichstag«), das Landgericht I von Otto Schmalz und die städtischen Neubauten von L. Hoffmann, dem Erbauer des Reichsgerichtsgebäudes in Leipzig, Marksteine bilden, s. Näheres bei Art. »Berlin«, mit Tafel »Berliner Bauten I-III«. – Unter den Bauwerken Dresdens sind Sempers Theater (1841 vollendet, 1869 abgebrannt, von neuem nach seinem Plan 1872–77 erbaut) ausgezeichnet zugleich durch die Fülle bedeutenden Schmuckes, für welche Plastik und Malerei auf das freigebigste aufgeboten wurden, und sein Museum, der Schlußstein des mächtigen Zwingerbaues, hervorzuheben. Mit dem Jahre 1848 erreichte Sempers Tätigkeit vorerst in Dresden ihr Ende und fand in der Schweiz, wo er in dem eidgenössischen Polytechnikum zu Zürich und in dem Rathaus zu Winterthur Bauwerke in edlem Renaissancestil schuf, und später in Wien ihre Fortsetzung (s. oben). Über die Bauwerke der neuesten Zeit vgl. »Dresden«, mit Tafel »Dresdener Bauten«. Leipzig zeigt im Privatbau die Bevorzugung der Renaissance unter Dresdener Einfluß und erfreut sich im Museum des Müncheners Ludwig Lange, das 1858 vollendet und seit 1883 durch Lipsius und Licht erweitert wurde, eines seinem Zweck trefflich entsprechenden Gebäudes. Weiteres über die Leipziger Bautätigkeit in neuerer Zeit s. Art. »Leipzig«, mit Tafel »Leipziger Bauten«. Braunschweig hat durch Ottmer (1831–36) ein schönes, im Renaissancestil mit korinthischen Säulenstellungen erbautes Residenzschloß, das später, teilweise durch Feuer zerstört, in der alten Gestalt wiederhergestellt wurde, und durch Raschdorff ein in gotischem Stil erbautes Postgebäude erhalten. Die hervorragendste Leistung aus neuester Zeit ist die Wiederherstellung der Burg Dankwarderode durch L. Winter. Hannover hat bei bedeutendem Anwachs der Bevölkerung eine große Bautätigkeit entfaltet. Das 1852 eröffnete Theater von Laves ist ein prachtvoll ausgestatteter Renaissancebau im Rundbogenstil; außerdem sind Hases Museum (romanisch) und Christuskirche (gotisch), das Bahnhofsgebäude und das Museum der Provinz Hannover (1901) von H. Stier als Bauten von hervorragender Bedeutung zu erwähnen. Unter den öffentlichen Gebäuden Bremens sind die im gotischen Stil erbaute Börse von Müller, der Bahnhof, das Gerichtsgebäude und die Kunsthalle hervorzuheben. Von Köln aus, wo der gotische Stil durch den wieder aufgenommenen Dombau unter Zwirners Leitung treffliche Pflege fand, verbreitete er sich wieder auch durch Deutschland und rief namhafte Bauten hervor, unter denen die Nikolaikirche zu Hamburg von dem Engländer Gilbert Scott, 1863 eingeweiht, und die Kölner Bauten von Statz zu nennen sind. In Schwerin sind durch den von Schinkel beeinflußten A. Demmler mehrere Monumentalbauten entstanden, unter denen das im florentinischen Palaststil gehaltene Arsenal und das im Stil der französischen Frührenaissance errichtete, von Stüler vollendete Schloß die bedeutendsten sind.

Deutschland zunächst hinsichtlich der Bedeutung des neuesten architektonischen Schaffens steht Frankreich, wo die provinziellen Eigentümlichkeiten nicht so wie dort hervortreten, sondern Paris allein den Mittelpunkt aller Produktion bildet. Auf die streng antikisierende Richtung eines Percier und Fontaine folgte die freiere klassische Richtung des 1867 verstorbenen Hittorf aus Köln, der die edle Basilika St.-Vincent de Paul baute, und dem die Vollendung der Anlage der Place de la Concorde zu danken ist. Unter den Leistungen der Gotiker, die fast durchweg den frühesten Formen dieses Stiles sich anschließen, sind Viollet-le-Ducs Kirche in St.-Denis und die Kirche Ste.-Clotilde zu Paris von Gau aus Köln hervorzuheben. Von größerm Erfolg war der Anschluß an die Renaissance, wie er sich namentlich seit der Restauration und Erweiterung des Hôtel de Ville (nach der Zerstörung durch die Kommune in ziemlich engem Anschluß an den ältern Bau durch Ballu und Deperthes wieder aufgebaut) und in Dubans edler Schöpfung, der École des beaux-arts, zeigte. Eine ähnliche Richtung verfolgte Visconti, der sich als Meister in der Anlage von Denkmälern, wie der Fontäne St.-Sulpice, der Fontäne Molière, der Kaisergruft unter dem Invalidendom, bewährte und unter dem zweiten Kaiserreich die Pläne zum neuen Louvrebau machte. Die öffentliche wie die Privatarchitektur der neuen Stadtviertel kleidet sich mehr und mehr in die Formen der üppigsten Spätrenaissance, so in Garniers Neubau der Großen Oper, in einigen neuen Kirchen, St.-Augustin am Boulevard Malesherbes (von Baltard) und in Ste.-Trinité. Nur hier und da bringt die Privatarchitektur, namentlich in Landhäusern, Besseres zustande. Ein Versuch, durch Verbindung von romanischen, maurischen und Renaissance-Elementen einen neuen Stil zu schaffen, ist in dem 1877 zunächst für die Zwecke der Weltausstellung vollendeten Trocadéropalast von Davioud und Bourdais gemacht worden, der durch die für die Weltausstellung von 1900 erbauten, stark mit plastischem Schmuck überladenen Kunstpaläste von Girault, Thomas, Louvet und Deglane nicht übertroffen worden ist.

In England führten seit dem Anfang des 19. Jahrh. archäologische Forschungen zu einem noch reinern und völlig unvermittelten, dafür aber auch desto einseitigern Anschluß an klassische Vorbilder Mit der Zeit hat man sich der Spätrenaissance zugewendet, die man sowohl bei palastartigen Gebäuden als bei städtischen Wohn- und Geschäftshäusern an wendet. Daneben wird mit Vorliebe, wo es geht, die Gotik, meist in ihren spätesten Formen, angewendet (Barrys Parlamentshäuser). Der Schwerpunkt der englischen Bautätigkeit unsrer Zeit liegt in der Solidität des Technischen, zu der bisweilen eine geschmack volle Behandlung des Ornaments hinzutritt. Großartiges ist hier auf dem ganz modernen Gebiete des Glas- und Eisenbaues geleistet worden, wo der jetzt nach Sydenham übertragene Kristallpalast der ersten Weltausstellung von Paxton hervorzuheben ist. In jüngster Zeit hat sich in der Privatarchitektur ein eigen artiger Stil herausgebildet, der sich von der Überlieferung unabhängig zu machen sucht. Hier ist Norman Shaw in erster Linie zu nennen. Eine gleiche Bewegung ist auch in Belgien zu beobachten, wo besonders Vietor Horta und P. Hankar in Brüssel hervorgetreten sind. Über die hervorragendsten Bauwerke der neuesten Zeit enthalten die den betreffenden Hauptstädten etc. gewidmeten Artikel (nebst Tafeln) nähere Angaben. Eine Ergänzung der beifolgenden Tafeln »Architektur I-XII« bilden die Tafeln »Baustile I und II« und »Geschichte des Wohnhauses I und II«.

[Literatur.] Mit Übergehung der veralteten Literatur ist in erster Linie als Führer zu erwähnen: W. Lübke, Geschichte der A. (6. Aufl., Leipz. 1884–86, 2 Bde.), mit reichhaltigen Literaturnachweisen; als neuestes Werk die »Geschichte der A.« von D. Joseph (Berl. 1902, 2 Bde.). Daneben sind Schnaase, Geschichte der bildenden Künste (2. Aufl., Düsseld. 1865–1879, 8 Bde.), und Kugler, Geschichte der Baukunst (Stuttg. 1856–59, Bd. 1–3; fortgesetzt von Burckhardt und Lübke: »Renaissance in Italien, Frank reich und Deutschland«, und Gurlitt: »Geschichte des Barockstils, des Rokoko und des Klassizismus«), die Hauptwerke. Als Leitfaden sind auch W. Lübke, Abriß der Geschichte der Baustile (4. Aufl., Leipz. 1878) und v. Sacken, Katechismus der Baustile (14. Aufl. das. 1901) zu empfehlen. Für die A. des Altertums ist Perrot und Chipiez, Histoire de l'art dans l'antiquité (1881 ff., bisher 8 Bde.), das am größten angelegte und inhaltreichste Werk. Für die Kenntnis der griechischen A. hat K. Bötticher, Die Tektonik der Hellenen (2. Aufl., Berl. 1869 ff.), lange Zeit in hohem Ansehen gestanden, das aber durch die neuesten Forschungen erschüttert worden ist; die beste bautechnische Prüfung aller Überreste der griechischen und römischen A. enthalten: J. Durm, Die Baukunst der Griechen (2. Aufl., Darmst. 1892) und Baukunst der Etrusker und Römer (das. 1885). Für eine Hauptepoche der italienischen A. liefert O. Mothes, Die Baukunst des Mittelalters in Italien (Jena 1883), reiches Material. Die »Baukunst der Renaissance in Italien« hat J. Durm in historischer und technischer Entwickelung geschildert (Stuttg. 1902); weiter kommen in Betracht: H. Holtzinger, Die altchristliche und byzantinische Baukunst (2. Aufl., das. 1899); H. Otte, Geschichte der romanischen Baukunst in Deutschland (Leipz. 1874); G. v. Bezold, Die Baukunst der Renaissance in Deutschland, Holland, Belgien und Dänemark (Stuttg. 1900); R. Dohme, Geschichte der deutschen Baukunst bis zum Ende des 18. Jahrhunderts (Berl. 1887); G. Galland, Geschichte der holländischen Baukunst und Bildnerei (Frankf. 1889); H. v. Geymüller, Baukunst der Renaissance in Frankreich (Stuttg. 1898–1902).

Das Material an bildlichen Darstellungen ist durch die Monographien und Sammelwerke so ungeheuer angewachsen, daß wir nur die Sammlungen erwähnen, die eine Anschauung von der gesamten Entwickelungsgeschichte der A. gewähren, und von den auf einzelne Gebiete bezüglichen Publikationen nur die dem neuesten Stande der Wissenschaft entsprechenden. Eine allgemeine Übersicht geben: Gailhabaud, Denkmäler der Baukunst aller Zeiten und Länder (a. d. Franz. von Lohde, Hamb. 1842–50, 4 Bde.); Lübke und v. Lützow, Denkmäler der Kunst (7. Aufl., Stuttg. 1896; neue Bearbeitung 1902 ff.), und Seemanns »Kunstgeschichte in Bildern« (Leipz. 1900–1902, 5 Bde.). Die für einzelne Epochen wichtigsten Sammelwerke sind: Strack, Baudenkmäler des alten Rom (Berl. 1890); Schäfer, Die mustergültigen Kirchenbauten des Mittelalters in Deutschland (das. 1892–1902); Viollet-le Duc, Dictionnaire raisonné de l'architecture française du XI. an XVI. siècle (Par. 1854–68, 10 Bde.); Letarouilly, Édifices de Rome moderne (das. 1840–57) u. als Ergänzung dazu: Strack, Baudenkmäler Roms des 15.–17. Jahrhunderts (Berl. 1891); Reinhardt und Raschdorff, Palastarchitektur von Oberitalien und Toskana vom 13.–17. Jahrhundert. I. Genua. II. Toskana (das. 1882–88). III. Venedig (das. 1896 bis 1900); Stegmann und Geymüller, Die A. der Renaissance in Italien (Münch. 1887 ff.); Ortwein u.a., Deutsche Renaissance (Leipz. 1871–88, 9 Bde.); Fritsch, Denkmäler deutscher Renaissance (Berl. 1891, 3 Bde.); Lambert und Stahl, Motive der deutschen A. des 16., 17. und 18. Jahrhunderts (Stuttg. 1888–93); Palustre, La Renaissanceen France (Par. 1879 ff.); Ysendyck, Documents classés de l'art dans les Pays-Bas du X. au XVIII. siècle (Antwerp. 1880–89); Ewerbeck, Die Renaissance in Belgien und Holland (mit Neumeister u.a., Leipz. 1883–89, 4 Bde.); Uhde, Baudenkmäler in Großbritannien etc. (Berl. 1890–94); Neckelmann und Meldahl, Denkmäler der Renaissance in Dänemark (das. 1888); »Monumentos arquitectonicos de España« (Madr. 1859–79); Junghändel, Die Baukunst Spaniens (Dresd. 1889–92); Uhde, Baudenkmäler in Spanien und Portugal (Berl. 1392); Dohme, Barock- und Rokoko-A. (das. 1892, 3 Bde); Licht: Die A. Berlins (das. 1877), A. Deutschlands (das. 1879–82, 2 Bde.), A. der Gegenwart (das. 1889–1900) und A. des 20. Jahrhunderts (das. 1901 ff.).

Von Lehrbüchern der A. sind hervorzuheben das »Handbuch der Baukunde« (Berl. 1887 ff.), von dem die 2. Abteilung die »Baukunde des Architekten« (4. Aufl., das. 1895 ff.) bildet, und das umfangreiche »Handbuch der A.« (hrsg. von Durm u.a., Darmst. u. Stuttg. 1881 ff.), beide reich illustriert; daneben sind Mothes, Illustriertes Baulexikon (4. Aufl., Leipz. 1881–93, 4 Bde.), das »Dictionnaire raisonné d'architecture« von Bosc (Par. 1876–80, 4 Bde.) und das »Hochbau-Lexikon« von Schönermark u. Stüber (Berl. 1902 ff.) zu erwähnen. Zeitschriften: »Zentralblatt der Bauverwaltung« (amtliches Organ des preußischen Arbeitsministeriums), »Deutsche Bauzeitung«, »Zeitschrift für Bauwesen«, »Blätter für A. und Kunstgewerbe«, »Berliner Architekturwelt« (sämtlich in Berlin erscheinend); »Allgemeine Bauzeitung« und »Der Architekt« (Wien). In Frankreich sind die »Revue générale de l'Architecture«, der »Moniteur des Architectes« und die »Gazette des Architectes et du Bâtiment«. in England »The Architect«, »The Builder« und »The Building News«, für Holland das »Bouwkundig Weekblad« und die »Bouwkundig Tijdschrift«. für die Vereinigten Staaten die »American Architect and Building News« und »The American Builder« die Zentralorgane.


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