- Smyrna [1]
Smyrna (türk. Ismir), Hauptstadt des asiatisch-türk. Wilajets Aidin (s. d.), wichtigster Handelsplatz Kleinasiens, liegt im Hintergrunde des 70 km weit eindringenden gleichnamigen Meerbusens (s. das Nebenkärtchen auf der Karte »Kleinasien«), einer Bucht des Ägäischen Meeres, amphitheatralisch um den 150 m hohen Berg Pagos, der die Überreste eines mittelalterlichen Schlosses trägt. Die Stadt entspricht im Innern wenig dem imposanten Anblick, den sie mit ihren über 4 km langen, neuen Kais (Marina) von außen gewährt; an hervorragenden Bauwerken besitzt sie nichts. Außer dem ausschließlich von Christen bewohnten Frankenviertel, dem schönsten Teil von S., im N., umfaßt die untere Stadt (nördlich am Meer) noch das Griechen- und Armenierviertel, während die obere Stadt nur das Türkenviertel, enge, abschüssige Gassen und Gäßchen mit elenden, meist hölzernen Häusern, enthält. Zwischen beiden liegt das schlecht gebaute Judenviertel. S. ist der Sitz des Generalgouverneurs der Provinz, eines katholischen, griechischen und eines armenischen Erzbischofs, der Konsuln der europäischen Staaten (darunter eines deutschen Generalkonsuls) und der Vereinigten Staaten von Amerika, eines Handelsgerichts und einer Bank (Kaiserlich Ottomanische Bank) mit mehreren Filialen im Innern Anatoliens.
Die Stadt hat einige unbedeutende und schlecht unterhaltene Befestigungen, zahlreiche (42), aber unbedeutende Moscheen, 5 katholische, 13 griechische, eine armenische, 3 prot. Kirchen, 5 Synagogen, griechische, deutsche, armenische, französische und englische Unterrichtsanstalten, einen wissenschaftlichen Verein (Evangelike Schole), Spitäler der verschiedenen fremden Nationen, mehrere Findel- und Waisenhäuser, viele Basare, Magazine, Karawansereien, Bäder etc. Die Industrie ist nicht von hervorragender Bedeutung und beschränkt sich auf Seiden-, Woll- und Baumwollmanufaktur, Töpferei, Gerberei etc., wozu neuerdings mehrere Maschinenfabriken und Eisengießereien gekommen sind. Die Teppichweberei, welche die sehr geschätzten Smyrnaer Teppiche (s. Teppiche und Smyrnaarbeit) liefert, hat ihren Sitz nicht in S., sondern in kleinen Städten des Innern. Von großer Wichtigkeit ist dagegen der Handel. Ausgeführt werden besonders (geordnet nach dem Werte): Rosinen, Gerste, Knoppern (Valonea), Baumwolle, Feigen, Opium, Tabak, Süßholz, Pferdebohnen etc.; eingeführt: Manufakturen und Gewebe, Eisen und Eisenwaren, Zucker, Kaffee, Hölzer, Petroleum, Reis, Glas- und Töpferwaren etc. Der Gesamtwert der Ausfuhr (überwiegend nach Großbritannien, dann Österreich-Ungarn, Frankreich, Deutschland, Vereinigten Staaten, Niederlanden etc.) betrug 1904: 92,26 Mill. Mk.; die Einfuhr (besonders aus Großbritannien, Österreich-Ungarn, Frankreich, Italien, Deutschland, Rußland) 1904: 60,8 Mill. Mk. Den Hafen von S. liefen 1904: 2465 Dampfer von 2,107,979 Ton. und 3893 Segelschiffe von 107,225 T. an. Großbritannien, Rußland, Österreich, Frankreich, die Türkei, Griechenland, Deutschland sind am meisten beteiligt. S. hat mit fast allen wichtigern Handelsplätzen des Mittelmeeres tägliche Dampfschiffverbindung; auch ist S. Telegraphenstation sowie mit Soma, über Alaschehr mit Afiun-Karahissar (Station der anatolischen Bahn), Ödemisch, Tire, Tschiwril und Diner (Weiterführung zum Egerdirsee und Zweigbahn nach Burdur konzessioniert) im Innern durch Eisenbahnen verbunden. Die Bevölkerung ist ein buntes Gemisch der verschiedensten Nationalitäten und wurde 1904 auf 275,000 geschätzt, wovon etwa 135,000 Griechen, 75,000 Mohammedaner, 35,000 Juden, 10,000 Armenier, 6500 Italiener, 2500 Franzosen, 2200 Österreicher, 1500 Engländer, meist Malteser, 210 Deutsche (2 deutsche Privatschulen) etc. – S. lag ursprünglich an der Nordküste des Meerbusens und war anfangs äolisch, kam aber 688 v. Chr. in den Besitz der Ionier. Von dem lydischen König Alyattes um 630 zerstört, blieb es über 4 Jahrhunderte wüst liegen, bis Antigonos 20 Stadien südwestlich ein neues S. gründete, das, mit einem trefflichen Hafen versehen, sich zu einer der reichsten Handelsstädte Asiens emporschwang. Nachdem es schon bei der Eroberung durch Dolabella gelitten hatte, wurde es 178 und 180 n. Chr. durch Erdbeben mitgenommen, aber durch Marcus Aurelius wiederhergestellt. Das Christentum fand in S. einen Hauptstützpunkt. Wechselnd waren seine Schicksale unter den Byzantinern. 1083 ward es von dem Seeräuber Tzachas erobert, 1402 von Timur und 1424, dauernd, von den Türken. Vgl. v. Scherzer, Smyrna (Wien 1873; 2. Aufl. in franz. Sprache, Leipz. 1880); Georgiades, Smyrne et l'Asie Mineure an point de vue économique, etc. (Par. 1885); Rougon, Smyrne, situation commerciale et économique (das. 1892).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.