Persĭen

Persĭen

Persĭen (hierzu die Karte »Persien«), im Lande selbst Iran genannt, vorderasiatische Monarchie, die größere Westhälfte des alten Ariana, im N. vom Fluß Aras, dem Kaspischen Meer, dem untern Atrek und dem Nordabhang des nördlichen Randgebirges von Chorasan bis Serachs, im S. vom Persischen Meerbusen und Arabischen Meer begrenzt, während es im W. in dem armenisch-kurdischen Hochgebirge an Türkisch-Kurdistan und Irak Arabi, im O. an Afghanistan und Belutschistan stößt. Der Flächenraum wird zu 1,645,000 qkm, die Bevölkerung (1902) auf 91/2 Mill. (s. unten, S. 610) geschätzt.

Bodengestaltung.

Das ganze Gebiet bis zum Indus (Afghanistan und Belutschistan eingeschlossen) ist ein im einzelnen mannigfach abgestuftes, abflußloses Hochland, rings von Randgebirgen umgeben und in der Mitte (Namak-Sar in Kirman) bis zu 300 m ü. M. eingesenkt. Im Innern finden sich, wie in Zentralasien (s. d.), von Flugsand und Löß erfüllte, an Salzausblühungen und Salzseen reiche Steppen und Wüsten, so namentlich die große Salzwüste oder Descht-i-kevir in Chorasan und die Descht-i-Lut im SO. In den Gebirgen Persiens walten drei Richtungen vor, darunter zwei von beschränkter Verbreitung: eine ostwestliche im äußersten Südosten (Zamirân- und Daramgebirge) und eine ONO.-WSW. im östlichen Elburzgebirge (s. d.). Fast alle andern Gebirge, längs der Küste wie im Innern, verlaufen von Südosten nach Nordwesten, also wie der westliche Himalaja, der Kaukasus etc. Vom Grenzgebirge gegen die Turkmenensteppe im NO. bis zu den letzten Vorbergen des Puschti Kuh gegen das Tiefland des Tigris wiederholt sich diese Richtung unzähligemal, besonders scharf in den zahlreichen parallelen Kalkzügen von Luristan und Chusistan, deren geologischer Bau ganz ähnlich dem des Elburz ist. Im ganzen scheinen in P. sämtliche geologische Formationen vertreten zu sein, von den besonders vom Elwendgebirge bei Hamadan bis zum Urmiasee bekannten altkristallinischen Schiefern bis zu den jüngern Eruptivgesteinen (Trachyte, Andesite, Phonolithe und Basalte im Elburz, östlich vom Urmiasee und in Kirman) und jüngsten Detritusbildungen (vgl. Asien, S. 857). Übrigens sind Geologie und Orographie Persiens noch immer wenig erforscht. Am Persischen Meerbusen wie am Kaspischen Meer bleibt zwischen den Randgebirgen und der Küste Raum für eine flache Strandzone. Die Gebirge erscheinen, außer im April und Mai, wo ein grüner Anflug entsteht, einförmig rotbraun und dürr. Daher ist Bodenkultur nur in den untern Teilen der Gehänge, im Übergangsgebiet zu den Hochebenen, in den Hügellandschaften und den die Flüsse säumenden Landstrichen möglich. Zu den angenehmsten Landschaften gehören die sanften Südgehänge des Elburz, namentlich die Landschaft Schimran im N. von Teheran, mit vielen, zwischen immergrünen, herrlichen Gärten gelegenen Dörfern. Der höchste Berg in P. ist der vulkanische Demawend (s. d.) im Elburz mit 5670 m, doch haben die höchsten Stufen der südöstlichen Randgebirge gleichfalls sehr bedeutende Erhebungen (Kuh-i-Dena 5180, Kala 4220, Alidjuk 4200 und viele Gipfel über 3000 m); auch im NO. (Chorasan) und im SO. (Vulkane) sind Gipfel über 4000 m bekannt. Hydrographisch läßt sich P. in drei Gebiete teilen: in den Norden, den Süden und das abflußlose Innere. Der große Wechsel in den Erhebungen des Landes bedingt eine sehr ungleiche Verteilung der Niederschläge: an der Südküste des Kaspischen Meeres sind sie sehr bedeutend und erzeugen dort die üppigste Vegetation, im Innern und an den südlichen Küsten sind sie sehr selten und stellenweise fast gleich Null. Reich an Flüssen ist darum nur der Norden, das Gebiet des Kaspischen Meeres, mit dem Aras (dem alten Araxes), dem Kisil Uzen oder Sefid Rud, den zahlreichen kurzen, aber wasserreichen Flüssen Masenderans und dem Gürgen und Atrek, die beide im nördlichen Chorasan entspringen. Auch der Süden und besonders der Südwesten sind nicht ganz arm an Flüssen, die im Randgebirge entspringen und nach kurzem Laufe teils in den Tigris, wie der Kercha und Karun, teils in den Persischen Meerbusen, wie der Hindian, Hillah, Mand, Nabend etc., münden. Schiffbar ist außer dem Aras nur der Karûn (s. d.). Durchaus arm an Niederschlägen und Flüssen ist das abflußlose Innere, dessen wenige Flüsse bald im Wüstensande versiegen oder sich in Salzseen und Sümpfe (Urmiasee, Nirîs oder Bachtegân und Hamunsumpf) ergießen. Beim Austritt aus dem Gebirge bewässern diese Flüsse meist fruchtbare Oasen, so die Umgegend von Kum, Kaschan, Ispahan, Jezd, Kirman, Tebbs etc.

Klima und Naturprodukte.

Das Klima weist, abgesehen von dem fast durchgehenden Mangel an Niederschlägen, außerordentliche Gegensätze auf; in einigen Gegenden tritt der Winter verhältnismäßig streng auf, in andern herrscht fast ewiger Sommer mit glühender Hitze. Die höchsten Gebirgsketten bleiben lange mit Schnee bedeckt. Während an den Küsten wegen der großen Luftfeuchtigkeit die Hitze unerträglich ist, wird ihre Wirkung im Innern durch die Trockenheit gemildert, und die Nächte bringen wegen der Klarheit des Himmels eine bedeutende Abkühlung (Buschir [Südpersien, 8 m Seehöhe] Januar 14,1°, Juli 31,2°, im Innern des Landes Januar 10–16°, Juli meist über 34°). In der Gegend von Teheran fällt in der Regel im Winter etwas Schnee, der Sommer ist regenlos. Der Nordwesten Persiens ist etwas feuchter, indessen beschränken sich die Regenfälle auf die kältern Monate. Meist ist künstliche Bewässerung notwendig. Im ganzen ist P. (mit Ausnahme der feuchten Niederungen an der Küste des Golfs und des Kaspischen Meeres) ein gesundes Land.

Der ganze Küstenstrich am Persischen Golf bis hinauf zu den Gehängen der Randgebirge gegen die iranische Steppe zeichnet sich durch den Anbau der Dattelpalme aus. Der südliche Küstenstrich prangt im Frühling im üppigsten Blumenflor. In den Randgebirgen tritt außer am Nordabhang des Elburz, dessen artenreiche Wälder aber durch Raubbau bedroht sind, der Baumwuchs zurück gegen Sträucher, Halbsträucher und Stauden. Besonders charakteristisch sind stachelige Formen und Dornsträucher. Bis zu den eigentlichen alpinen Formationen herrschen stachelige Karyophylleen u. Kompositen, Astragalus- und zahlreiche Acantholimon-Arten, welch letztere streckenweise den Vegetationscharakter ganz allein bedingen. Dazu kommen baumartige Sträucher, wie Crataegus, Pirus glabra und die weitverbreitete Elaeagnus hortensis, ferner Amygdalus-, Rhamnus-, Lycium- und Atraphaxis-Arten und etwa 200 Tragantsträucher, die dichtästige, von Stacheln starrende Polster bis zu 1 m Durchmesser bilden. Die salzhaltigen Hochflächen des Innern bilden eine zusammenhängende Steppenregion. Am Fuß des zentralen Gebirgszuges erstreckt sich eine Hochsteppe, wo neben Halophyten, wie die Chenopodiazee Haloxylon ammodendron, dem Saxaul und Tragantsträuchern Gummiharz liefernde Doldengewächse vorherrschen. Die eigentliche persische Salzwüste enthält nur vier Oasen, sonst fehlt organisches Leben hier ganz. Von einheimischen Kulturpflanzen sind zu nennen Granatbaum (Punica Granatum) und Feige (Ficus carica). Überall wird in Südpersien der weiße Maulbeerbaum gezogen, und neben den europäischen Getreidearten und Obstbäumen gedeihen Reis, Wein, Mohn, Tabak und Agrumen. In hoher Blüte steht die Rosenzucht, besonders berühmt dafür ist die Gegend von Schiras. – Mit seiner Tierwelt bildet P. einen Teil der mittelländischen Subregion der paläarktischen Region; bemerkenswert ist das Vorkommen des Löwen; ferner finden sich Leoparden, Wölfe, Schakale, Hyänen, Füchse, Stachelschweine, schöne und starke wilde Schafe, Bergziegen, Bären, Antilopen und Hirsche in großer Mannigfaltigkeit, große Wildschweine u.a.; ein Charaktertier ist auch der wilde Esel, der Shour oder Khevdecht der Perser. Zur Gazellenjagd richtet man den Gepard ab. Fischerei ist nur in den Mündungen der ins Kaspische Meer fließenden Ströme ergiebig und wird verpachtet. Die Vögel sind überwiegend paläarktisch mit geringen orientalischen Beimischungen. Das persische Pferd ist kräftig und ausdauernd und durch die arabische Rasse aufgebessert worden. Kamele bilden in den sandigen Landstrichen den Hauptbesitz der Bevölkerung; sonst bedient man sich zum Tragen von Lasten der Maultiere. Der Reichtum der Wanderstämme besteht in Schafen. Außerdem finden sich Rinder, namentlich aber Ziegen und fast alle europäischen Geflügelsorten. Auch die ausgebreitete Bienenzucht und die Zucht der Seidenraupe verdienen Erwähnung. Der Mineralreichtum Persiens, namentlich an Kupfer-, Eisen- und silberhaltigen Bleierzen, ist bedeutend; außerdem finden sich Zinn (bei Aserbeidschan); Antimon, Nickel, Kobalt bei Jezd; Zink bei Teteran; Mangan bei Kirman; dann besonders unerschöpfliche Steinsalzlager im Tertiär sowohl am Urmiasee und weiter nach SO. als am Südabhang des Elburz und in Chorasan; ferner Alaun, Borax, Salpeter, in den Salzsteppen neben Kochsalz auch Bittersalz und schwefelsaures Natron, dann Naphtha, Schwefel etc.; endlich Steinkohle (namentlich am Elburz bei Hif, Nissam etc.) und Braunkohle (bei Tebriz), beide noch der Ausbeutung harrend. Von Edelsteinen sind berühmt die Türkise, die bei Maadan in Chorasan in einem trachytischen Gestein vorkommen. Gold, Silber und andre Erze sind anscheinend nicht häufig. Die Regierung vereinnahmt aus dem Bergbau nur etwa 300,000 Mk.

Bevölkerung, Kultur.

Die Zahl der Bevölkerung Persiens läßt sich in Ermangelung einer eigentlichen Zählung nicht genau angeben; Houtum-Schindler schätzte 1881 folgendermaßen:

Tabelle

(4,6 Menschen auf 1 qkm), doch werden neuerdings im ganzen 9,5 Mill. angenommen. Davon sind etwa 8 Mill. Schiiten, 800,000 Sunniten und mohammedanische Sektierer, 9000 Parsen, 35,000 Juden, 45,000 Armenier, 25,000 Nestorianer und Chaldäer. Diese Bewohner sind nach Abstammung, Sitte und Sprache außerordentlich verschieden (Perser, Turktataren, Turkmenen, Armenier, Nestorianer, Chaldäer, Juden, Kurden, Araber, Zigeuner, Neger, Afghanen, Belutschen, Hindu, etwa 1200 Europäer etc.). Die Mehrzahl besteht aus Tadschik, den seßhaften Ureingebornen oder Ureinwanderern, namentlich im NW., im S. und in den mittlern Provinzen. Daneben besteht ein Viertel oder ein Drittel der Bevölkerung aus eingewanderten Stämmen, die sich durch Gewohnheiten und Lebensweise von jenen unterscheiden. Sie heißen Ilijat (d.h. Familien) und bewohnen die Nordostgrenzen und die Gebirgsländer im NW., W. und SW. Einige leben stets unter Zelten, im Winter in den tiefern Ebenen (Kischlaks oder Winterquartiere), im Sommer auf den kühlern Bergen (Jailaks oder Sommerquartiere); andre in Städten. Nahrung und Kleider geben ihnen ihre Schafherden, aus deren Milch sie die durch ganz P. verkaufte flüssige Butter (Raffan) bereiten; Pferde und Kamele ziehen sie zum Verkauf. Außerdem besitzen sie Rinder, Maultiere, Ziegen, Esel und schöne Hunde. Jedem Stamm ist sein Bezirk angewiesen, und wo einer darüber hinausgreift, entstehen harte Kämpfe, die z. B. in Luristan nie ganz aufhören. An der Spitze der kleinen Gemeinden nehmen Alte oder Risch e sefids (»Weißbärte«) die Rechte ihres Stammes auch der Regierung gegenüber wahr, schlichten Streitigkeiten und vollziehen die Verordnungen des Gouverneurs (Hakim). Von Geld wissen die Ilijat wenig, sie zahlen mit Schafen oder Wolle. Ihre schwarzen Zelte bestehen aus Ziegenhaarfilz, den die Frauen weben, ihre Gerätschaften aus Teppichen, die einen gesuchten Handelsartikel (Ausfuhr 1904 über 8 Mill. Mk.) bilden, Polstern, dem nötigen Küchengeschirr, einem Kessel zum Butterauslassen und einem Schlauch zur Bereitung von saurer Milch und Butter. Die Ilijat sind zwar zu Kriegsdienst und Abgaben verpflichtet, aber verhältnismäßig viel weniger belastet als die übrigen Perser. Viele Ilijat sind mit der Zeit feste Städtebewohner geworden, so daß man Schehr nischin (Städter) und Sohra nischin (Feldbewohner) unter ihnen unterscheidet. Die Ilijat umfassen verschiedene Völkerstämme. Bis zur Eroberung Persiens durch die Araber (um 650) mag die Bevölkerung weniger gemischt gewesen sein, aber von da an wird das Volk allmählich ein andres. Um die Mitte des 13. Jahrh. kamen mongolische Scharen unter Hulaga von O. her ins Land, und Timur durchzog mit seinen Scharen seit 1380 mehrfach das ganze Gebiet und brachte neue Mischungen hinzu. Daher unterscheidet man türkische, arabische und lakische Ilijat mit eigner Sprache und eigner Tradition bezüglich der Urheimat und der Wanderung nach P. Der zu den türkischen Ilijat gehörige, noch um Astrabad wohnende, an Zahl schwache Stamm der Kadscharen beherrscht durch die jetzige, aus ihm hervorgegangene Dynastie, welche die Türken vor den Persern bevorzugt, die ganze übrige Bevölkerung. Zu den lakischen (altpersischen Ursprungs) gehören die Kurden in Chorasan (275,000) und im W. Persiens und die Luren, die in Feili (kleine) und Bachtijaren (große Luren) zerfallen. Außerdem finden sich in allen Städten Juden; im NW. (Aserbeidschân, im O. von Ardilan, im NW. von Irak Adschmi und zwischen Ispahan und Kirman) Türken; am Urmiasee und bei Ispahan Armenier; im SW. und an der Straße von Hormuz Araber; im NO. Turkmenen: fast alles kriegerische und räuberische Völker.

Die eigentlichen Perser (s. Tafel »Asiatische Völker II«, Fig. 15) sind im allgemeinen von mittlerm, schlankem Wuchs. Kopf und Gesicht haben kaukasisches Gepräge: die Nase kühn gebogen, die Augen groß und dunkel, der Mund weich und sinnlich, die Gesichtsfarbe weiß, Haare dicht und schwarz. Das Haar wird auf dem Scheitel und am Hinterkopf geschoren; an den Seiten fällt es meist in Locken herab. Der Bart wird voll und lang getragen. In der Nationalkleidung der Männer ist die Kopfbedeckung, eine fast 1/2 m hohe kegelförmige Mütze von schwarzem Filz oder Schaffell mit eingestülpter Spitze, charakteristisch. Nach gewissen Charaktereigentümlichkeiten hat man die Perser die asiatischen Franzosen genannt. Sie sind in ihren Manieren angenehm, gewandt und lebhaft, geschwätzig und voller Komplimente, halten viel auf äußern Schein und Anstand, lieben Pracht und Luxus und erscheinen höherer Bildung weit zugänglicher als die Türken. Dabei sind sie aber arglistig, prahlerisch, geizig, diebisch und die ersten Lügner der Welt. Gegen ihresgleichen artig, sind sie gegen ihre Obern knechtisch, gegen Untergebene äußerst hochmütig. In religiöser Beziehung bekennen sich die Perser, sowohl Tadschik als Ilijat, fast ausschließlich zum Mohammedanismus, und zwar sind sie eifrige Schiiten (s. d.), daher geschworne Feinde der sunnitischen Türken, Araber etc. Sie tragen strengste Rechtgläubigkeit zur Schau, sollen aber insgeheim stark zum Sektenwesen und Skeptizismus neigen. Die Korangelehrten heißen in der Stellung von Geistlichen Molla, die höhern Geistlichen Muschtahid (Glaubensverteidiger), die Obergeistlichen der großen Städte Imam Dschuma. Eine Art Hohepriester ist der Muschtahid von Kerbela (s. d.), dessen Stelle aber seit 1895 unbesetzt ist. Sejids (Nachkommen des Propheten), die auf Kosten des Landes faulenzen, gibt es in P. eine große Menge, doch sind sie meist Betrüger. Daneben hat der pantheistische Sufismus viele Anhänger in zwei Hauptabteilungen: Sufi Mutascharria (Sufi nach dem Gesetz), die den Koran als Gotteswort anerkennen, aber in vielem sinnbildlich auslegen, und Sufi Muttak (vollkommene Sufi), die jede offenbarte Religion verwerfen und nur aus dem innern Lichte, das jedem Menschen innewohne, die wahre Erkenntnis schöpfen. Die Zahl der Schiiten wird auf 8 Mill., die der Sunniten auf 800,000 angegeben. Die orthodoxen Armenier (45,000) bilden zwei Diözesen unter je einem Bischof in Tebriz und Ispahan. Außerdem finden sich in einzelnen Orten Christen (Nestorianer 25,000), Juden und Parsen (9000). Die persische Sprache (s. d.) ist indogermanischen Stammes und im Orient verbreitet wie die französische im Okzident. Von der frühern geistigen Blüte Persiens sind kaum noch Spuren übrig, die große Masse des Volkes ist in völlige oder halbe Barbarei versunken. Der Schriftschatz der Perser von ältern Zeiten her aber ist sehr bedeutend, besonders auf dichterischem Gebiet (s. Persische Literatur), und die glänzendsten Dichter der Vorzeit, wie Firdusi, Sadi, Hafis, Dschami, stehen noch jetzt in hohen Ehren. Von wesentlicher Bedeutung im Volksleben sind in dieser Beziehung die dem Land eigentümlichen Naqqal (Geschichtenerzähler), die ein Geschäft daraus machen, Stücke aus den Dichtern sowie mündlich überlieferte Geschichten und Sagen öffentlich vorzutragen. Druckereien gibt es in Teheran, Ispahan und Tebriz, doch liefern sie nur groben Steindruck; dagegen gelten die Perser für die besten Schönschreiber des Orients. Die Wissenschaft steht in P. trotz ihrer 72 Zweige und trotz neuerlicher Hinzuziehung europäischer Lehrer auf sehr niedriger Stufe. Doch ist eine bedeutende Anzahl staatlich unterstützter Medresen (s. d.) vorhanden, wo Lesen, Schreiben, persische, arabische und türkische Sprache und Literatur, Redekunst, Dichtkunst, Arzneikunde, Korankenntnis und Moral gelehrt werden. Sterndeuterei steht allenthalben in hohem Ansehen. Das Schulwesen liegt sehr danieder, doch sind Anfänge einer Besserung durch Zusammenwirken von Regierung und öffentlichen Subskriptionen zu erkennen. Europäische Sprachen und Bildung sind namentlich durch die seit 1849 in Teheran bestehende Polytechnische Schule mit einigen europäischen Lehrern eingeführt worden. Unter den Künsten ist nur die Architektur hoch entwickelt; sie ist geschmackvoll, reich an Stalaktitenschmuck, Spiegelbekleidung und Blumenmalerei der Wände und Kuppeln, gibt sich aber mehr im Innern der Häuser zu erkennen. Der persischen Malerei fehlt es an Perspektive und Schattierung; auch die Musik steht auf niedriger Stufe. Ansehnliche Kunstwerke sind aus früherer Zeit erhalten. Vgl. die Tafeln »Architektur II«, »Bildhauerkunst II« und »Ornamente«.

In bezug auf das Standeswesen behaupten den ersten Rang die Schah Zadeh (die dem König zunächst stehenden Prinzen), den zweiten die Emir Zadeh (die entfernten Verwandten der Königsfamilie). Dann folgen die Molla (Geistlichen), die Chan (Landadel) und die etwas niedriger stehenden Beg. Den ersten Bürgerstand bilden die zum Teil sehr reichen und mächtigen Kaufleute (Tadsch ir), den untersten die Handwerker und Landbauer. Alle Schriftkundigen werden als Mirza bezeichnet. Eine große Plage bilden die Derwische oder Bettelmönche. Die Stellung der Frauen in P. ist nach den Ständen sehr verschieden. In den niedern sind sie Gehilfen der Männer und erscheinen auch vor Fremden unverschleiert. In den höhern, wo Vielweiberei herrscht, zeigen sie sich öffentlich nur dichtverschleiert und halten sich auch im Zenana (Harem) von jedem männlichen Umgang fern. Ihr Beruf ist die Überwachung des Hausstandes und die Erziehung ihrer Kinder; die meisten sind treffliche Köchinnen und Zuckerbäckerinnen. Ins Zenana darf der Mann nicht unangemeldet, und wenn die Frauen Besuch hoben, überhaupt nicht eintreten; dagegen stehen den Frauen Besuche bei ihren El lern und weiblichen Verwandten ohne Erlaubnis frei. Der Abschluß der Heiraten geschieht durch Bevollmächtigte beider Teile; die Braut wird dann nachts zu Pferd von Freunden beider Familien mit Musik und Fackeln nach dem Hause des Bräutigams geführt, der sie an der Tür empfängt. Das Vermögen der Frau bleibt ihr Eigentum; nur wenn sie auf Scheidung, die in P. sehr leicht ist, anträgt, muß sie es dem Mann überlassen.

Die Häuser der Dörfer sind einstöckig, gewöhnlich aus getrockneten Erdziegeln oder aus Lehm und Steinen gebaut, und haben nur zwei Räume. Bei den bessern Stadthäusern, die nach der Straße kahle, fensterlose Wände haben, gelangt man durch einen kurzen Gang in den Hof (Haiat), der meist mit Fliesen belegt ist und in der Mitte ein Wasserbecken mit Springbrunnen und Gartenanlagen enthält. Um diesen Hof ist das Haus ausgeführt, dessen Hauptteil den Hintergrund bildet, während sich an der Eingangsseite Wirtschaftsräume, zu beiden Seiten kleinere Gemächer befinden. Der hintere Teil ist zweistöckig mit plattem Dach; der untere Stock enthält den Hauptsaal (Diwan Chaneh), der gegen die Hofseite durch eine oft sehr kostbare Wand aus farbigem Glas (Urusi) abgeschlossen ist. Die drei andern Seiten sind innen getüncht und mit Blumen und Laubwerk in Blau und Gold bemalt; an den Wänden liegen dicke Filzstücke (Nemmud) zum Niedersetzen. Der obere Stock ist zu Schlafzimmern (Guschwara) eingerichtet; im Sommer dient das platte Dach als Schlafstätte. Die Häuser der Vornehmen sind umfangreich und zerfallen in zwei Hauptabteilungen: das Merdana (Männerhaus) und das Zenana oder Enderun (Frauenhaus), das hinter jenem liegt und durch einen zweiten Hof mit Gartenanlagen davon getrennt ist. Die Straßen der persischen Städte sind der Sammelplatz von Schmutz und Elend allerart und dabei so eng, daß sie ein beladenes Lasttier kaum passieren kann. An die hohen, fensterlosen Mauern, welche die Wohnhäuser der Reichen und jedes Grün verstecken, sind die Schmutzhöhlen der Armen angeklebt. Den Namen Straße verdienen nur die Basare, namentlich in Schiraz, Ispahan, Teheran, Tebriz etc., meist gewölbte, gut ausgeführte Ziegelbauten, wo Händler und Handwerker ihre Stätte haben. Karawansereien (s. d.) findet man überall. Die meisten Städte sind von einer hohen Erdmauer eingefaßt, die mit Türmen besetzt und zuweilen durch einen tiefen Graben geschützt ist.

Die Perser sind meist sehr mäßig und nähren sich vorzugsweise von Pflanzenkost. Gegessen werden flache Brote aus Durra oder Weizen, nächstdem Reis (Pilaw), Eier, Milch, Butter, dicke Sahne, Erbsen und Gartenfrüchte. Bei den Mahlzeiten sitzt man mit gebogenen Knien auf den Fersen; das Tischtuch (von gedrucktem Zitz) liegt auf dem Teppich des Fußbodens, und ein Brotfladen vor jedem Tischgenossen dient als Teller. Die Speisen werden in kupfernen Platten, dazu Scherbett (in Wasser gelöste Obstgallerie) in Porzellantassen nebst geschnitzten Holzlöffeln aufgetragen. Man ißt mit den Fingern, ohne ein Wort dabei zu sprechen. Nach dem Eisen bei den Wasserpfeifen (s. Tafel »Rauchgeräte II«, Fig. 9) beginnt die Unterhaltung. Bei Besuchen finden viele Förmlichkeiten statt; der gewöhnliche Gruß besteht darin, daß man die rechte Hand auf die linke Brust legt und den Kopf neigt. – Nach der bestehenden Zeitrechnung beginnt der Tag mit Sonnenuntergang. Als Mohammedaner zählen die Perser nach Mondjahren; dort wird noch nach dem uralten Sonnenjahr die Frühlings-Tagundnachtgleiche als eine Art Neujahrstag (Nauruz) mehrere Tage festlich begangen. Als Buß- und Bettag wird der Todestag des Imam Hassan, des vergifteten Enkels Mohammeds, gefeiert. Andre Trauerfeste sind das Moharrem (die ersten zehn Tage des ersten Monats) zum Andenken an die Ermordung der Söhne Alis, Hassan und Husein, und der 19. Tag des Ramasan zum Andenken an die Ermordung Alis selbst.

[Erwerbszweige.] Unter den Erwerbszweigen steht der Ackerbau obenan, obschon ein großer Teil des Landes dafür untauglich ist, zudem nicht einmal aller anbaufähige Boden in der Nähe von Bächen und Flüssen oder künstlichen Kanälen (Kenat) wirklich bebaut ist. Der unsinnige Befehl der Regierung zu Beginn der 1860er Jahre, alles taugliche Land mit Mohn zu bestellen, führte hauptsächlich zu der Hungersnot 1869–72, die dem Lande 11/2 Mill. Menschen raubte. Noch 1904 wurden für 161/2 Mill. Krân Opium ausgeführt. Häntzsche rechnet in P. 10 Proz. bebautes Land (meist in den Gebirgsländern, nicht in den Ebenen), 10 Proz. Wiesen und Weiden, 5 Proz. Wald und 75 Proz. Brache, Wüsten, Felsen etc. Über die Produkte des Landbaues s. oben. Infolge des Steuerdrucks kann bloß die mäßige Lebensweise und die Wohlfeilheit aller Bedürfnisse den landbauenden Tadschik aufrechterhalten. Von Mineralien (s. oben) werden nur etwas Eisen, Blei, Kupfer, Arsen, Türkise etc. in der primitivsten Weise ausgebeutet. In den mechanischen Künsten ist P. ebenfalls zurück, auch die Fabrikation einiger früher berühmter Industrie- und Luxusartikel (Kupfergeräte, Filigranarbeiten, damaszierte Waffen, Fayencen, Schals, Teppiche) leidet infolge der europäischen Einfuhr. Der Handel, für den der Perser eine Vorliebe zeigt, wird gehemmt durch die zerrütteten innern Verhältnisse des Reiches, die Unsicherheit des Eigentums und der Person, den Mangel an Kapital und Arbeitskraft, an schiffbaren Flüssen und Seehäfen, die geringe Ermutigung der Gewerbstätigkeit von obenher, die schlechte Verwaltung der Staatseinkünfte, die Schwierigkeit des Transports auf den schlechten Landstraßen (auf Pferden, Kamelen und Maultieren); doch sind wenigstens die Binnenzölle 1901 gesetzlich aufgehoben worden, an deren Statt 5 Proz. Ein- und Ausfuhrzoll dem Werte nach erhoben werden. Seit dem zwischen Rußland und P. im Frieden von Turkmantschai (22. Febr. 1828) abgeschlossenen Vertrag haben auch andre europäische Mächte mit P. Handelsverträge abgeschlossen (das Deutsche Reich 11. Juni 1873), und die Ausfuhr persischer Stoffe und Erzeugnisse nach Europa hat sich bedeutend gehoben. Nach Rußland geschah sie zuerst über Astrachan und Tiflis, seit Entwickelung der Dampfschiffahrt auf dem Schwarzen Meer jedoch in großen Karawanenzügen von Tebriz über Erzerum nach Trapezunt. Nachdem Rußland die Bahnen von Baku über Tiflis nach Poti und Batum am Schwarzen Meer gebaut hat und namentlich nach Vereinbarung eines neuen Zolltarifs zwischen Rußland und P. 27. Okt. 1901 ist der Handel zwischen beiden Staaten außerordentlich gewachsen; jedoch hat sich auch das rivalisierende England durch Vertrag vom 9. Febr. 1903 Handelsvorteile gesichert und sucht seinen Einfluß besonders vom Persischen Meerbusen und von Belutschistan aus (neue Karawanenstraße über Nuschki nach Kirman) zu erweitern. Man schätzte 1904 den gesamten Außenhandel auf 237 Mill. Mk. (142 Mill. Einfuhr und 95 Mill. Ausfuhr); dabei waren Rußland mit 131 Mill. (71 Mill. Einfuhr, 60 Mill. Ausfuhr), England mit 54 Mill. (47 Mill. Einfuhr, 7 Mill. Ausfuhr), Frankreich mit 8,5, Österreich-Ungarn mit 5,5, Deutschland mit 2,5 Mill. Mk. Einfuhr beteiligt. Deutsche Waren kommen aber noch für mindestens 1 Mill. Mk. über Kleinasien nach P. Die Hauptausfuhrartikel sind: Rohseide, Seidenabfälle, Tabak, Opium, Teppiche, Schals, Felle, getrocknete Früchte, Gummi, Baumwolle, Getreide, Reis, Fische; die Haupteinfuhrartikel: Webstoffe (namentlich Baumwollwaren), Zucker (fast 33 Mill. Mk.), Papier, Tee, Roheisen und Kupfer; ferner Tuch, Schuhwaren, Stahlwaren, Waffen, Hausgeräte, Stearinlichte. Als wichtigster Handelsplatz Persiens ist Tebriz, an der Karawanenstraße nach Trapezunt und Tiflis, außerdem vom Kaspischen Meer aus leicht erreichbar, zu erwähnen. Rescht, Barfurusch, Asterabad, Ispahan, Schiras, Jezd, Kirman und Meschhed sind Handelsplätze zweiten Ranges; Teheran ist für den Handel von untergeordneter Bedeutung. Der europäische Handel, soweit er nicht über Tebriz geht, hat seinen Hauptsitz in den Häfen des Persischen Meerbusens (s. d.). Persische Kaufleute weilen oft jahrelang im Ausland (vorzugsweise in Tiflis, Nishnij Nowgorod und Konstantinopel). Bankrotte sind selten. Von europäischen Mächten sind das Deutsche Reich, Rußland, Frankreich, Großbritannien, Österreich-Ungarn, die Türkei, Italien, die Niederlande. Griechenland und außerdem die Vereinigten Staaten von Amerika in P. durch Gesandtschaften und Konsulate vertreten. P. hat bisher (seit 1888) nur eine kleine Eisenbahn von Teheran nach Schah Abdul-Azim (10 km) und nur zwei fahrbare Straßen Teheran-Kum und Teheran-Kaswin (je 145 km). Rußland hat sein Vorrecht zum Eisenbahnbau in P. nicht ausgenutzt, aber eine wichtige Straße, Kaswin-Enzeli, 1899 eröffnet. England hat dagegen eine Karawanenstraße Ahwas-Ispahan 1900 fertiggestellt. Die von den Engländern (Indo-European Telegraph Department) hergestellten Telegraphenlinien haben 7780 km Strecke, 11,300 km Drähte und 95 Bureaus. Die seit 1877 von Österreichern geschaffene Briefpost (100 Bureaus) ist seit Übernahme durch die Zollbehörde in Händen belgischer Beamter. Die Münzeinheit ist der Krân aus Silber, der 1874 dem Franken gleichwertig war, jedoch von der verpachteten Münzstätte verschlechtert und dann auf 4,603 g mit 9/10 Feinheit = 74,57 Pfennig der Talerwährung festgesetzt wurde; er enthält 20 Schâhî zu 50 Dinar (s. Tafel »Münzen VI«, Fig. 7). Die Goldmünze Tomân sollte = 10 Krân sein, hat aber den doppelten Kurswert erreicht (s. Tafel »Münzen V«, Fig. 15). Nickelmünzen zu 1 und 2 Schâhî von 4,5 und 3 g ersetzen schlechte Kupferstücke und haben ihr Verhältnis zum Silbergeld behauptet. Das Recht zur Ausgabe von Noten besitzt allein die Kaiserliche Bank und hat sie zu einem Drittel mit Münzen zu decken. Maße und Gewichte. Wegen der landschaftlichen Verschiedenheit der Größen hat der Diwan für den auswärtigen Handel einige Normalmaße festgestellt, darunter die Königselle (Zer i Schah, Sär) oder Gäz von 16 Gereh (Girre) oder Knoten = 1,04 m, die Postmeile (Fersach) von 3 Mil zu 4000 Ellenbogen (Zera jid) = 6210 m. 1 Dschêrib der Regierung hat 1000 Quadratellen. Sowohl trockne als flüssige Waren verkauft man nach dem Gewichte, dessen Grundeinheit der Miskâl = 4,6 g sein soll und 24 Nachod (Nochud) enthält. 1 Karwâr (Halwar)-100 Man oder Män; 1 Man von Tebriz = 8 Abbâssî von 5 Sir zu 16 Miskâl -2,944 kg.

Staatliche Verhältnisse.

Die Regierung ist in den Händen des Schahs (seit 1. Mai 1896 Musaffer ed-din, Sohn des ermordeten Nasreddin), und dieser, mit dem vollen Titel. »Schah in Schah (König der Könige), dessen Banner die Sonne ist, der heilige, erhabene und große Monarch, der unumschränkte Herrscher und Kaiser aller Staaten von P.«, auch »Vizeregent des Propheten«, regiert rein despotisch. Am 30. Aug. 1858 wurde ein Staatsministerium mit acht Mitgliedern eingesetzt; jetzt gibt es 20 Minister mit und noch einige ohne Portefeuille. An der Spitze steht der Großwesir. Der Staatsrat (Medschlissi schura) aus den Prinzen und Ministern wurde 1875 fast ganz aufgehoben, nur 5 bis 6 Minister werden dazu herangezogen. Jedem größern Landesteil ist ein Hakim vorgesetzt, meist aus der Königsfamilie. Große Städte sind einem Kelanter (Polizeichef) und einem Darogha (Marktmeister), jeder Stadtteil und jedes Dorf einem Kedchuda unterstellt. Alle diese Beamten suchen sich für ihre Verantwortung nach obenhin durch Bedrückungen und Erpressungen gegen die Untergebenen zu entschädigen. Die Rechtspflege gründet sich, wie bei allen Muslimin, auf den Koran. An ihrer Spitze steht in jedem Landesteil ein Scheich ul Islam als Hakim i Schera, d.h. Richter des geschriebenen Gesetzes, dem das Urf oder das gemeine Recht gegenübersteht, wonach dann der Hakim ganz willkürlich entscheidet. Die meisten Hakim haben Recht über Leben und Tod; andre können nur mit Schlägen, Verstümmelung oder Gefängnis bestrafen. Der Scheich ul Islam hat noch eine Anzahl Kadi als Einzelrichter unter sich. Bestechung ist häufig. Die Einkünfte des Schahs erwachsen ordentlicherweise aus der Grundsteuer (Mal i Diwan) und aus Zöllen. Jene wird teils in Geld, teils in Produkten bezahlt und von den Kedchuda eingetrieben. Die Güter zahlen nominell ein Fünftel, in der Tat aber ein Drittel des Ertragswertes; was über ein Fünftel hinausgeht, bleibt in den Händen der Steuererheber. Wer Kronland bebaut, zahlt die Hälfte des Ertrags. Wer eignen Boden besitzt, muß auch für das brachliegende Feld Steuer entrichten, und wer mit der Steuer im Rückstand bleibt, verliert das ganze Grundstück. Dazu kommt die unregelmäßige Steuer (Sadir Awariz) bei Ausrüstung eines Heeres oder unter irgendeinem Vorwand und ermöglicht den Unterbeamten besondere Erpressungen. Die ordentlichen Einkünfte der Regierung wurden 1904 auf 73 Mill. Krân angegeben. Im Staatsschatz sollen sich an Gold, kostbarem Geschirr und Edelsteinen 9 Mill. Toman befinden, er nimmt auch die Überschüsse aus der Staatsverwaltung auf. 1900 gestattete die russische Regierung der Russischen Bank, eine Anleihe von 22,5 Mill. Rubel zu 5 Proz. der persischen Regierung auszugeben gegen Garantie aus den Zöllen, und 1902 erfolgte eine Erhöhung um weitere 10 Mill. Rubel.

Das persische Heer steht hinter denen andrer Nationen weit zurück. Nominell hat man zwar 1875 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, doch findet sie praktisch keine Anwendung. Die Regierung verlangt vielmehr von den Gemeinden die Stellung einer bestimmten Zahl von Leuten, wobei die Höhe der Steuerzahlungen die Grundlagen der Berechnung abgeben. Die Dienstpflicht soll im aktiven Heer 3 Jahre sein, doch wird diese Zeit infolge ausgedehnter Beurlaubungen nie erreicht; in der Reserve beträgt die Dienstzeit 9 Jahre. Es bestehen: Infanterie: 80 Bataillone zu je 800 Mann, in 8 Dasteh (Halbkompanien) geteilt; Kavallerie: 1 Kosakenbrigade von 4 Regimentern zu je 400 Mann, 2 Kompanien Fußkosaken zu je 150 Mann, 125 irreguläre Regimenter zu je 300 Mann; Artillerie: 18 Regimenter und 13 Dasteh Feldartillerie mit zusammen 6300 Mann und 2 Kosakenbatterien. Das Offizierkorps ist zum größten Teil nach unsern Begriffen wertlos, weil die Stellen nur benutzt werden, um ihren Inhabern möglichst viel pekuniäre Vorteile zu sichern. Bloß die Offiziere der österreichischen Militärmission, die 1878 ins Land kam, der russischen Militärmission, die in hohem Ansehen steht und anscheinend die Kosakenbrigade selbständig verwaltet, und die Kosakenoffiziere machen hiervon eine Ausnahme. Höchste Verwaltungsbehörde ist das Kriegsministerium, das jedoch auf die nächst niedern Behörden, die Regiments- etc. Inhaber, sehr wenig Einfluß hat. Da stets etwa drei Viertel der Truppen beurlaubt sind, ist kaum von einem stehenden Heer zu sprechen. Die Infanterie ist mit Werndl-Gewehren, die Artillerie meist mit Uchatius-Geschützen bewaffnet, außerdem sind noch eine große Zahl alter Geschütze aller Zeiten und Kaliber und einige wenige moderne Geschütze vorhanden. An militärischen Anstalten ist ein Arsenal, eine Patronen- und eine Pulverfabrik vorhanden, die aber alle wenig leisten. Es existiert eine Polytechnische Schule, auf der auch militärische Fächer gelehrt werden. Obwohl das Menschenmaterial sich zum Dienst gut eignet, ist infolge der herrschenden Verwahrlosung P. mit dieser Armee so gut wie wehrlos, doch soll eine Neuorganisation in 12 Divisionen nach europäischem Muster bevorstehen; die Stärke der 1. Division soll auf 7700 Mann Infanterie in 9 Bataillonen, 2900 Mann Kavallerie, 500 Mann Artillerie festgesetzt sein.

Die Kriegs- und Handelsflagge ist Weiß mit grünem Rand, außer am Flaggenstock, und mit einem schreitenden, schwerttragenden, gelben Löwen vor einer gelben Sonne in der Mitte (s. Tafel »Flaggen I«). Das Wappen zeigt in Blau einen auf grünem Boden schreitenden, vorwärts sehenden goldenen Löwen, einen krummen Säbel in der rechten Pranke schwingend; hinter dem Löwen eine goldene Sonne (s. Tafel »Wappen IV«, Fig. 14). Die Landesfarben sind Grün, breites Weiß und Rot. – Orden sind: der nur vom Schah getragene Aaliorden, der Sonnen- und Löwenorden (1808 gestiftet, s. Tafel »Orden III«, Fig. 3) mit fünf Klassen und der von Nasreddin 1873 gestiftete Frauenorden mit einer Klasse. – Das Reich zerfällt administrativ in 33 Generalgouvernements, die wieder in Buluk oder Mehal (Kreise) geteilt sind. Der Hakim residiert gewöhnlich in der Hauptstadt, während er in der Provinz durch einen Wesir vertreten wird. Die größten Generalgouvernements sind Aserbeidschân, Kurdistan mit Kirmanschahan, Luristan, Arabistan, Ispahan mit Jezd etc., Fars, Kirman, Chorasan mit Seïstan, Semnan mit Danghan im W., S. und O. des Reiches. Der Norden zwischen dem Kaspischen Meer und Kaschan ist in 25 zum Teil sehr kleine Bezirke geteilt, deren Größe und Grenzen wie die der Generalgouvernements häufig wechseln. Hauptstadt des Reiches ist Teheran.

[Geographisch-statistische Literatur.] Außer den Reisewerken von M. Wagner (Leipz. 1852), Petermann (das. 1860), Brugsch (»Reise der preußischen Gesandtschaft nach P.«, das. 1862), Vambéry (Pest 1867), Arnold (Lond. 1876), Anderson (das. 1880) vgl. Polak, Persien (Leipz. 1865, 2 Bde.); Khanikow, Mémoire sur l'ethnographie de la Perse (Par. 1866); »Eastern Persia: an account of the journeys of the Persian Boundary Commission 1870–1872« von Goldsmid, Blanford u.a. (Lond. 1876, 2 Bde.); Wills, In the land of the Lion and the Sun (das. 1883) und Persia as it is (Lond. 1886); Stolze und Andreas, Die Handelsverhältnisse Persiens (Ergänzungsheft 77 zu »Petermanns Mitteilungen«, Gotha 1885); Rausch v. Traubenberg, Hauptverkehrswege Persiens (Halle 1890); Benjamin, Persia and the Persians (Lond. 1886); Dieulafoy, La Perse, la Chaldée et la Susiane (Par. 1886); J. Bassett, Persia, the land of the Imâms (Lond. 1886); S. Hedin, Genom P., Mesopotamia etc. (Stockh. 1887) und Genom Khorasan och Turkestan (das. 1892–93, 2 Bde.); Curzon, Persia and the Persian question (Lond. 1892, 2 Bde.); E. G. Browne, A year amongst the Persians (das. 1893); Morgan, Mission scientifique en Perse (Par. 1894 ff., noch unvollendet); J. Bleibtreu, P., das Land der Sonne und des Löwen (Freiburg 1894); S. G. Wilson, Persian life and customs (2. Aufl., Lond. 1896); T. E. Gordon, Persia revisited, 1895 (das. 1896); Stahl, Reisen in Nord- und Zentralpersien (Ergänzungsheft 118 zu »Petermanns Mitteilungen«, 1896), Zur Geologie Persiens (ebenda, Nr. 122,1899) und Reisen in Zentral- und Westpersien (in »Petermanns Mitteilungen«, 1905, Heft 1); Feuvrier, Trois aus à la cour de Perse (Par. 1899); J. Adams, Persia by a Persian (Lond. 1900); E. Kauder, Reisebilder aus P., Turkestan und der Türkei (Bresl. 1900); Lorini, La Persia economica contemporanea (Rom 1900); Landor, Across coveted lands (Lond. 1902, 2 Bde.); P. M. Sykes, 10,000 miles in Persia (das. 1902); Iljenko, Skizzen über P. (russ., St. Petersb. 1902); W. Schulz, Zustände im heutigen P. (a. d. Pers. des Ibrahim Beg, Leipz. 1903); Th. Strauß, Eine Reise an der Nordgrenze Luristans (in »Petermanns Mitteilungen«, 1905, Heft 12); Greenfield, Die Verfassung des persischen Staates (Berl. 1904); J. Wilson, Handbook for travellers in Asia Minor, Transcaucasia, Persia, etc. (Lond. 1895). Karten: »Persia, Afghanistan and Beluchistan«, 1:3,800,000 (hrsg. von der königl. Geogr. Gesellschaft in London, 1892); T. H. Holdich, Map of Persia, 1: 1,013,760 (6 Blätter, Lond., India Office, 1897; besonders gut in den östlichen Teilen); wichtig sind auch die Routenaufnahmen von A. F. Stahl und Th. Strauß in den oben angeführten Arbeiten.

Geschichte.

Die Perser gehören zu dem arischen (indogermanischen) Völkerstamm und bewohnten seit ältester Zeit den südwestlichen Teil des Hochlandes von Iran, die schöne und fruchtbare Landschaft Persis. Sie führten als Ackerbauer und Hirten, Jäger und Krieger ein abgehärtetes, mäßiges Leben und waren in zehn Stämme eingeteilt, unter denen die Pasargaden die vornehmsten waren. Sie verehrten Ahuramazda (Ormuzd) als ihren höchsten Gott, den Gott des Lichtes und des Guten, dem Angramainyu (Ahriman), der Gott der Finsternis und des Bösen, feindlich gegenüberstand; die Sonne (Mithra) wurde fast Ahuramazda gleichgestellt, und das Feuer war ihnen besonders heilig. Im 9. Jahrh. v. Chr. wurden sie zuerst von den Assyrern bekriegt und von Salmanassar II. (um 840) zur Zahlung eines Tributs gezwungen. Sie blieben ihnen untertan bis zu der Zerstörung des assyrischen Reiches. Die Erzählung Herodots von der Befreiung der Meder und der Unterwerfung der Perser durch den medischen König Phraortes (660) ist eine medisch-persische Sage, deren historischer Kern sich auf eine vereinigte Empörung der Meder und Perser unter Phraortes gegen die Assyrer 630 beschränkt, die niedergeschlagen wurde. Von 606–550 bildeten die Perser unter der Herrschaft von Unterkönigen aus dem Geschlechte der Achämeniden einen Teil des medischen Reiches, bis Kyros den König Astyages stürzte, ein Ereignis, das schon früh von vielgestaltigen Sagen umwoben und verdunkelt wurde. Hiermit beginnt die Geschichte des altpersischen Reiches, das 550–330 bestand. Nachdem Kyros das ganze Hochland von Iran, das obere Mesopotamien und andre Länder unterworfen hatte, zog er gegen den König Krösos von Lydien, den er nach der unentschiedenen Schlacht bei Pteria 547 in seiner Hauptstadt Sardes selbst gefangen nahm. Hierauf unterjochten seine Feldherren Mazares und Harpagos die ionischen und äolischen Städte an der Küste. 539 eroberte Kyros Babylon und dehnte seine Herrschaft über das Euphrat- und Tigrisgebiet sowie ganz Syrien aus. Dem so entstandenen großen Reiche gab er eine vorzügliche innere Organisation. Nachdem er 530, wahrscheinlich im Kampfe gegen die Derbiker im nordöstlichen Iran, seinen Tod gefunden, folgte ihm sein Sohn Kambyses, der 525 nach dem Siege bei Pelusion das ägyptische Reich, Nubien und Libyen eroberte. Als er die Nachricht von einem Aufstand empfing, den ein medischer Magier, Gaumâta, angezettelt hatte, indem er sich für den auf Kambyses' Befehl heimlich vor dem ägyptischen Feldzug ermordeten Bruder desselben, Bardija (Smerdis), ausgab, kehrte er nach Asien zurück, starb aber 522 in Syrien, angeblich an einer Wunde, die er sich beim Besteigen seines Pferdes mit dem eignen Schwerte beigebracht hatte, in Wirklichkeit aber wohl durch Meuchelmord. Gaumâta behauptete sich, unterstützt von den Magiern, welche die Herrschaft wieder an die Meder bringen wollten, im Besitz des Königtums, bis er im Oktober 522 von dem Achämeniden Dareios und dessen Genossen in seiner Burg in Medien ermordet wurde.

Dareios bestieg nun den Thron, hatte aber anfangs mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, da fast alle Provinzen den Aufstand Gaumâtas benutzt hatten, um sich von der persischen Herrschaft loszureißen. Indes gelang es ihm durch Energie und Umsicht, alle Aufstände zu unterdrücken, auch Babylon nach 18monatiger Belagerung 518 wiederzuerobern und die Grenzen des Reiches durch Eroberung der Gegenden südlich vom Kaukasus und des nordwestlichen Indien zu erweitern. Das wiederhergestellte Reich, das ganz Vorderasien nebst Ägypten umfaßte, organisierte er neu, indem er es in 20 Statthalterschaften oder Satrapien einteilte, die außer einem nach ihrer Größe und ihrem Vermögen abgestuften Tribut und einer Anzahl Truppen noch bedeutende Naturallieferungen für den Hof und das Heer, namentlich bei einem Durchmarsch, zu leisten hatten. Die Satrapen waren dem König unbedingten Gehorsam schuldig und wurden durch Späher, die »Augen« und »Ohren« des Königs, kontrolliert. Den unterworfenen Völkern ließ er ihre Religion, Sprache und Sitten sowie auch ihre innere Verwaltung. Die Residenz des Königs, Susa, wo er einen prachtvollen, kostspieligen Hofhalt hielt (15,000 Personen), war mit den entferntern Reichsteilen durch Kunststraßen und Posten verbunden. Durch einen erfolglosen Zug gegen die Skythen 513 wurde Dareios in Kriege mit den Griechen verwickelt (s. Perserkriege). Zwar eroberte er Thrakien und Mazedonien und schlug einen Aufstand der kleinasiatischen Ionier (500–494) nieder, aber die große Unternehmung seines Schwiegersohnes Mardonios scheiterte 492 am Berg Athos, und seine Feldherren Datis und Artaphernes wurden 490 bei Marathon von den Athenern entscheidend geschlagen. Hierauf bereitete Dareios einen dritten Heereszug vor, sollte aber seinen Zweck nicht erreichen, denn Ägypten fiel ab, und er mußte seine ganze Macht auf dessen Rückeroberung verwenden. Der Tod ereilte ihn 485, und sein Sohn Xerxes erbte den Rachekrieg gegen Griechenland, den er, nach Unterwerfung Ägyptens und Unterdrückung eines Aufstandes in Babylon, 480 mit einem ungeheuern Heer unternahm. In der Schlacht bei Salamis siegte jedoch abermals die Freiheitsliebe der Griechen, und Xerxes mußte nach Asien zurückkehren, während die Griechen nach dem Sieg über das persische Landheer bei Platää 479 allmählich die thrakische Küste, die Inseln zwischen Griechenland und Kleinasien und die Westküste Kleinasiens von der Perserherrschaft frei machten.

Von nun an war das Reich in merklichem Sinken begriffen: die Könige und auch das persische Volk entarteten durch Verweichlichung und Wollust, und die Satrapen gewannen eine immer selbständigere Stellung. Xerxes ward 465 mit seinem ältesten Sohn ermordet und hatte seinen zweiten Sohn, Artaxerxes I. Longimanus (»Langhand«), zum Nachfolger. Derselbe dämpfte einen Aufstand in Baktrien, unterwarf 462–455 das abgefallene Ägypten wieder und beendigte die Empörung des Satrapen Megabyzos in Syrien durch Unterhandlungen. Er starb 425, und ihm folgte sein einziger legitimer Sohn, Xerxes II., auf dem Thron. Doch schon nach 45 Tagen ermordete ihn Sogdianos, der Sohn einer Nebenfrau des Artaxerxes, der nun den Thron bestieg, 424 aber von einem andern Halbbruder, Ochos, aus dem Wege geräumt wurde. Ochos nahm als König den Namen Dareios II. an; die Griechen gaben ihm wegen seiner Abkunft von einer Nebenfrau den Beinamen Nothos (»Bastard«). Unter ihm bietet die Geschichte des Perserreichs nichts dar als eine Kette von Empörungen bald königlicher Prinzen, bald mächtiger Satrapen, bald unterworfener Völker, das Innere des Palastes aber, hauptsächlich durch die Schuld seiner entarteten Gattin Parysatis, alle Greuel des Seraillebens. Er starb 404. Ihm folgte sein ältester Sohn, Artaxerxes II. Mnemon. Derselbe schlug seinen Bruder Kyros den Jüngern, der ihn mit einem Heer von 100,000 Mann Asiaten und 10,000 griechischen Söldnern vom Thron stoßen wollte, 401 bei Kunaxa, nordwestlich von Babylon, und erlangte auch infolge der Uneinigkeit der Griechen 387 im Frieden des Antalkidas die Herrschaft über die kleinasiatischen Griechen und einen maßgebenden Einfluß in Griechenland selbst wieder. So wurde das Dasein des alten Perserreichs zwar noch gefristet; die unterworfenen Fürsten und Völker, ja selbst die Zendstämme sehnten sich jedoch nach Unabhängigkeit, und ein großer Aufstand, der sich über Syrien, Phönikien, Phrygien, Karien, Kappadokien, Kilikien, Pamphylien und Lykien verbreitete, ward nur durch Mord und Verrat unterdrückt. Artaxerxes starb 361, worauf Ochos als Artaxerxes III. Ochos den Thron bestieg. Gleichfalls durch Mord, Verrat und Geld siegte dieser über die rebellierenden Phöniker und Kyprier und machte 345 Ägypten wieder zur persischen Provinz. 337 ward er von seinem Günstling, dem Eunuchen Bagoas, vergiftet und der jüngste von seinen Söhnen, Arses, nach Ermordung von dessen Brüdern auf den Königsstuhl erhoben. Als dieser selbständig auftreten wollte, fand er 335 durch denselben Bagoas sein Ende, und ein Seitenverwandter des königlichen Hauses, Dareios III. Kodomannos, bestieg den Thron. Dieser konnte den Untergang des zerrütteten Reiches nicht aufhalten. Nachdem seine Satrapen 334 am Granikos von Alexander d. Gr. besiegt worden waren, erlag er selbst mit einem ungeheuern Heere der kleinen mazedonischen Streitmacht 333 bei Issos und 331 bei Arbela und ward 330 auf der Flucht nach dem Norden seines Reiches von einem Satrapen, Bessos, ermordet. Hiermit endete das altpersische Reich.

Alexander d. Gr. beabsichtigte, Perser und Griechen möglichst zu Einem Volk zu verschmelzen; er ward von den Persern als ihr König anerkannt, vermählte sich mit Dareios' Tochter Stateira und nannte sich selbst König von Asien. Sein früher Tod (323) zerstörte indes sein unvollendetes Werk; ein lange anhaltender Kampf entspann sich unter seinen Feldherren über den Besitz seines Erbes. Siegreich ging daraus der Satrap von Babylon, Seleukos Nikator, hervor, der 312 das Reich der Seleukiden begründete, das, mit Ausnahme Ägyptens und anfangs auch Kleinasiens, so ziemlich wieder die Bestandteile des alten Perserreichs umfaßte. Aber um 250 benutzten mehrere Satrapen die durch weitere Kämpfe der Diadochen entstandene Verwirrung im Seleukidenreich, um sich unabhängig zu machen, und so entstanden die Reiche von Baktrien (s. d.) und der Parther (s. Parthien), welch letztere sich als Erben der Perser betrachteten und altpersisches Wesen annahmen. Medien und Persien gingen im Partherreich auf. Indes die eigentlichen Perser wollten die Parther nie als ihnen ebenbürtig anerkennen, und 224 n. Chr. gründete Ardaschir (Artaxerxes IV.), Sohn Pabaks, der sich zum Herrscher über die Gegend von Istachr (Persepolis) aufgeschwungen, nachdem er die Parther in mehreren Schlachten besiegt und den letzten Arsakiden, Artabân V., getötet hatte, das mittelpersische Reich der Sasaniden.

Artaxerxes 1. (224–241) nannte sich König der Könige und bemühte sich, das altpersische Wesen wiederherzustellen und in Religion, Sitte und geschichtlicher Tradition an das Reich des Kyros und Dareios anzuknüpfen. Die Lichtreligion des Zoroaster in ihrer alten Reinheit wurde als die Nationalreligion wieder eingeführt, der alte Priesterstand der Magier wieder eingesetzt. Ekbatana war im Sommer, Madâin am Tigris auf den Trümmern des alten Ktesiphon im Winter die Residenz. Auch der Umfang des alten Reiches sollte wiederhergestellt werden. Aber Armenien vermochte er nicht zu erobern, und als er 233 in das römische Mesopotamien einfiel, trieb ihn Alexander Severus zurück. Artaxerxes hatte seinen Sohn Sapor I. (Schâhpuhr, 241–272) zum Nachfolger. Dieser wurde 242 von Gordianus geschlagen, erlangte aber in einem Frieden mit Kaiser Philippus Armenien und Mesopotamien, schlug den Imperator Valerianus 260 bei Edessa, drang in Syrien ein, eroberte Antiochia, nahm Valerianus gefangen und ging unter großen Verheerungen bis nach Kappadokien vor, ward aber auf dem Rückmarsche von Odänath II. von Palmyra, den er beleidigt hatte, überfallen und geschlagen und später sogar in Ktesiphon selbst bedroht. Unter seiner Herrschaft trat Mani (s. Manichäismus) auf. Sapors Nachfolger Hormisdas (Ormazd I., Ohramazd, 272–273) begünstigte die Manichäer; Varanes I. (Bahrâm, 273–276) aber ließ Mani kreuzigen. Sein Sohn und Nachfolger Varanes II. (275–292) verlor an die römischen Kaiser Carus und Diokletian Mesopotamien und Armenien. Auf ihn folgte nach seinem Sohn Varanes III., der nur vier Monate regierte, Narses (293 bis 303), der nach wechselvollen Kämpfen gegen den Cäsar Galerius 297 fünf Gaue Kleinarmeniens abtreten mußte. Ihm folgte sein Sohn Hormisdas II. (301–309), diesem nach Ermordung, bez. Vertreibung zweier älterer Söhne sein nachgeborner Sohn, Sapor II., d. Gr. (309–379). Dieser entriß den Römern Armenien und Teile Mesopotamiens und schlug sie 345 unter Constantius bei Singara. Über die Christen verhängte er seit 342 blutige Verfolgungen, nicht wegen ihres Glaubens, sondern wegen der dem Zoroastrismus gefährlichen Organisation ihrer Kirche. 359 verlangte Sapor von Rom ganz Mesopotamien zurück, was zu einem neuen Kriege führte. Er rückte in Mesopotamien ein, mußte aber zurückweichen, als der römische Kaiser Julian 363 einen Angriff auf P. selbst unternahm. Schon war Sapors Residenz Ktesiphon in den Händen der Römer; Mangel an Nahrungsmitteln und das Ausbleiben von Verstärkungen zwangen aber Julian zum Rückzug, auf dem er 26. Juni im Bezirk von Maranga den Tod fand. Sein Nachfolger Jovian mußte den freien Abzug aus P. durch einen schimpflichen Frieden erkaufen. Sapor wendete nun seine Macht von neuem gegen Armenien, das, da der Kaiser Valens von der Gotengefahr in Anspruch genommen war, endlich bezwungen und dem Reich der Sasaniden einverleibt, nach seinem Tod aber sich selbst überlassen wurde.

Sapors II. Stiefbruder Artaxerxes 11. (379–383) ward wegen zu großer Strenge gegen den Adel nach vier Jahren abgesetzt. Seine Nachfolger waren Sapors II. Sohn Sapor III. (383–388), Varanes IV. (388–399) und Jesdegerd I. (Isdegerd, 399–420), der, friedliebend und gerecht gegen Andersgläubige, den Haß der Magier auf sich lud und wahrscheinlich ermordet wurde. Nach dessen Tode kam sein Sohn Varanes V. (420–438), mit dem Beinamen Gôr (»Wildesel«), zur Herrschaft. Unter diesem nahm eine Christenverfolgung größern Umfang an; mehrere Niederlagen, die er gegen die Römer erlitt, nötigten ihn aber zu einem Frieden, der freie Religionsübung in P. gestattete. Auf Varanes folgte Jesdegerd II. (438–457), auf diesen 457 sein Sohn Hormisdas III., den aber schon 459 sein Bruder Pêrôz (Fîrûz) mit Hilfe der Hephthaliten oder weißen Hunnen in Baktrien vom Thron stürzte. Derselbe kehrte später seine Waffen wider seine Bundesgenossen, verlor aber 484 auf einem Feldzug Sieg und Leben. Die Großen des Reiches, an ihrer Spitze Zarmihr, ernannten nun seinen Bruder Balâsch zum König; dieser vermochte nicht, sich der Hephthaliten zu erwehren und ward daher 488 von Kobad (Kawadh), dem Sohne des Peroz, gestürzt. Kobads lange, aber durch mancherlei Wirren (unter ihm verkündete Mazdak seine religiös-kommunistischen Ideen) beunruhigte Regierung endete 531, nachdem er seinen dritten Sohn, Chosro I. (Chosroes, 531–578), zu seinem Nachfolger ernannt hatte. Dieser, mit dem Beinamen Anoscharwân (Nuschirwan, »der mit unsterblicher Seele«), ließ, selbst Freund der Philosophie eines Platon und Aristoteles, die Werke griechischer Philosophen, wie auch berühmte indische Bücher, so »Kalila und Dimna«, in die Sprache seines Landes, das Pehlewi, übertragen (vgl. Arabische Literatur, S. 658), nahm im Anschluß an die Schließung der Akademie von Athen (529) griechische Philosophen dauernd bei sich auf, bewies seine Toleranz gegenüber den Christen, besonders den aus Edessa vertriebenen Nestorianern, legte Schulen an, beförderte den Ackerbau, hob den Wohlstand des Volkes, ordnete die Rechtspflege und die Steuern und schaffte im Staatshaushalt manche Mißbräuche ab. Mit dem oströmischen Kaiserreich und seinen nördlichen und östlichen Nachbarn führte er mehrere erfolgreiche Kriege, in denen er Syrien plünderte und sein Reich vom Indus bis zum Mittelmeer, vom Jaxartes bis an die Grenze Ägyptens ausdehnte; 570 ließ er durch Wahriz sogar das Glückliche Arabien unterwerfen. Aber unter der ungeschickten Regierung seines Sohnes Hormisdas IV. (578–590) gingen die Früchte der langen und kraftvollen Regierung Chosros I. in unglücklichen Kriegen gegen die Römer wieder verloren. 590 wurde dieser gestürzt und erdrosselt und sein Sohn Chosro II. (Parwes, 590–628) auf den Thron gesetzt, der zwar von dem aufständischen Feldherrn Varanes (Bahrâm Tschûbîn) vertrieben, aber vom oströmischen Kaiser Maurikios gegen Abtretung einiger Gebietsteile wieder in seine Hauptstadt zurückgeführt wurde.

Chosro II. regierte anfangs friedlich und zeigte sich dem Christentum geneigt. Erst nach seines Gönners Maurikios Ermordung (602) begann er den Krieg gegen den oströmischen Usurpator Phokas, eroberte Persarmenien, nahm Epiphania, Edessa, Antiochia, Damaskus und zerstörte 614 Jerusalem. 616 drang ein persisches Heer in Ägypten ein, während ein andres durch Kleinasien bis Chalkedon vorrückte und Konstantinopel bedrohte. Überall wurden die Christen verfolgt und die reichen Länder ausgeplündert. Erst 623 befreite der Kaiser Heraklîos Vorderasien, schlug 627 ein persisches Heer an der Grenze Irans selbst und drang nun verheerend in das Innere des Reiches ein. Schon war er im Begriff, einen Angriff auf Ktesiphon zu unternehmen, als Chosros Sohn Siroës (Kavâdh Schêrôê), unterstützt von der Aristokratie, die Fahne des Aufstandes aufpflanzte. Chosro ward gefangen gesetzt und getötet (628). Siroës schloß nun mit den Oströmern einen Frieden, in dem er die eroberten Länder zurückgab. Das Unglück erreichte seinen Höhepunkt dadurch, daß damals das ganze Irak durch eine Überschwemmung des Euphrat und Tigris in einen großen Morast verwandelt wurde und eine furchtbare Pest ausbrach. Dieser erlag auch Siroës nach sechsmonatiger Regierung. Ihm folgte sein siebenjähriger Sohn Ardaschîr (Artaxerxes III.). Derselbe ward jedoch schon 630 ermordet, und nun folgten zwei Jahre wilder Anarchie und Bürgerkriege, in denen der Thron nicht weniger als elfmal seinen Besitzer wechselte und die letzten Kräfte des persischen Reiches aufgerieben wurden, gerade zu der Zeit, als die Angriffe der Araber begannen. Am 16. Juni 632 (dem Datum der Ära des Jesdegerd) bestieg Jesdegerd III., Chosros Enkel, den Thron, der nach der Niederlage seines Heeres in der dreitägigen Schlacht bei Kadesîa und Dschalûla und der Eroberung seiner Residenz Madâin 636, wie einst Dareios III., nach Medien und von da nach Merw floh und nach fruchtlosen Kämpfen 651 durch Meuchelmord fiel. Sein Sohn Pêrôz führte als Flüchtling am chinesischen Hofe bis 661 noch den persischen Königstitel. Bereits 640 hatten die Araber Armenien, Georgien und Schîrwân erobert, 644 Fars und 645, nach dem Siege bei Nihâwend 642, Hamadhan und die nördlich davon gelegenen Provinzen. So erlag das Reich der Sasaniden dem Schwerte der Araber, die Religion des Zoroaster dem Islam.

P. hatte kulturell den größten Einfluß auf den Islam und das Kalifat, zerfiel aber politisch. Die Verwaltung der Kalifen begünstigte das Streben der Statthalter nach Selbständigkeit, es regte sich aber auch zeitweise und örtlich das persische Nationalgefühl. So schwangen sich in Aserbeidschan die Sâdschiten (879–929) zu Herren auf, in Taberistân und Gîlân die Aliden (864–928), in Nischapur die Tahiriden (819), bis die Saffariden (873–900) sie verdrängten; länger (874–999) dauerte in Chorasan der Einfluß der Samaniden von ihrer Hauptstadt Bochara aus; diesen Provinzkönigen, wie auch dem mächtigen Reiche der Bujiden (934–1055) machte aber seit 1037 die türkische Dynastie der Seldschuken ein Ende, von denen in P. zwei Zweige, in Hamadan von 1037–1157, in Kermân von 1041–1187, herrschten. Diese Reiche schwemmten die Mongolenzüge hinweg. 1223 fiel Dschengis-Chan in P. ein; ein Enkel von ihm, Hulâgu, stiftete in P. die Dynastie der Il-châne (1256–1349), die zeitweilig über alle Länder zwischen Oxus im N., Tigris im W., Indus im O. gebot. Allen Versuchen, eine neue persische Dynastie zu gründen, machte 1380 Timur (Tamerlan) ein Ende, der P. mit seinen Heeren überzog und 1387 in Ispahan ein fürchterliches Blutbad anrichtete, wobei 70,000 Köpfe zu einer Pyramide zusammengeschichtet wurden. P. blieb seinem großen asiatischen Reich einverleibt, und der Grund war gelegt zur Herrschaft der Mogulsultane in P. (1393–1505). Unter der Uneinigkeit der letzten Sultane gelang die Wiederaufrichtung einer Dynastie persischer Abstammung aus der Familie der Sefî (Safi) und damit die Begründung des neupersischen Reiches.

Ismaïl ben Scheich Heidar, Nachkomme von Sefî (Safi) ud Din, einem Sufi (Mystiker), dessen Großvater Dschunaid aus Aserbeidschan vom Turkmenenfürsten Dschehân Schah vertrieben worden war, warf sich in Schirwan zum Führer der Perser auf und erhob die Bezeichnung Schiit, die bisher die schimpfliche Bedeutung eines Sektierers gehabt hatte, zu einem Ehrentitel und die schiitische Lehre zur Staatsreligion; 1502 konnte er den Titel »Schah« (König) annehmen; 1508 beherrschte er P. von Herât bis Bagdad. Erfolgreich gegen die Turkmenen im O. seines Reiches, wurde er im W. von dem türkischen Sultan Selim 1. geschlagen (1514) und verlor Mesopotamien und das westliche Armenien bis Mosul. Sein Sohn Tahmâsp I. (1524 bis 1576), literarisch veranlagt, aber schwach und bigott, verlor in drei unglücklichen Feldzügen gegen den großen türkischen Sultan Soliman I. Bagdad und Armenien bis Wân und mußte sogar die Hauptstadt von Tebriz nach Kâswîn verlegen. Sein Tod veranlaßte wieder wilde Thronstreitigkeiten, bis 1582 in Chorasan sein Enkel Abbas I. (s. Abbas 2) zum Herrscher ausgerufen ward, der sich den Beinamen des Großen verdiente, indem er einerseits in langwierigen Kämpfen im Innern des Reiches und mit Bochara, Chiwa, den Türken, selbst mit den Portugiesen um die Insel Ormus im Persischen Golf den Thron befestigte und das Reich erweiterte und anderseits durch energische Reformen in der innern Verwaltung, Besserung der sozialen Zustände, Hebung des Handels, des Gewerbes und der Künste und bemerkenswerte religiöse Toleranz das Land zu großer Blüte brachte. Auf Abbas (gest. 1629) folgte ein Jahrhundert der Schwäche. 1722 schwang sich ein Afghane, Mahmud, auf den Thron, seine unerhörten Grausamkeiten führten aber 1725 seine Erwürgung herbei. Sein Vetter Eschref (bis 1730), unter dem die West- und Südufer des Kaspischen Meeres an Rußland und die westlichen Provinzen des Reiches an die Türkei verloren gingen, wurde von Nâdir Schah (s. d.) gestürzt, einem turkmenischen, genauer afscharischen Häuptling, der anfangs für die Sefewiden Tahmâsp II. und Abbas III. regierte, 1736 aber, nach Beseitigung des letztern, sich selbst zum Herrscher machte. Schon als Regent nötigte er 1735 die Russen, die kaukasischen Küstenländer bis auf Baku und Derbent zurückzugeben. Siegreich gegen Ösbegen in Bochara, Georgier und Afghanen, trug Nadir seine Waffen 1738–39 bis nach Dehli, wo er den Großmogul von Indien in seine Gewalt bekam und die Indusländer vorübergehend P. zuteilte. Zuletzt von Tyrannenfurcht und Verfolgungswahnsinn beherrscht, wurde er 1747 ermordet. Kerîm Chan aus dem kurdischen Zendstamm vereinigte vom Süden aus wieder P. zu einem Reich und herrschte von 1759–79 als weiser, schlichter Herrscher; 1763 gestattete er den Engländern eine Niederlassung in Buschir sowie den Handel im Persischen Golf. Nach seinem Tode wiederholte sich die alte Erscheinung von Thronentsetzungen und innern Kriegen, bis 1794 Aga Mohammed (Mehemmed) Chan, aus dem turkotatarischen Stamme der Kadscharen von Masenderan, wo er eine hohe Hofstellung einnahm, ein ehrgeiziger, energischer und zäher, aber hinterlistiger und grausamer Charakter, die noch jetzt in P. regierende Dynastie der Kadscharen gründete. Aber schon 1797 wurde Aga Mohammed ermordet. Sein Neffe Fath Ali regierte bis 1834. In den Kämpfen gegen die Russen (1804 bis 1813) verlor P. durch den Frieden vom 24. Okt. 1813 in Gulistan den größten Teil seiner kaukasischen Besitzungen. Höchst unklug ward von P., wohl in der Hoffnung auf englische Hilfe, mit dem es 1814 ein Bündnis geschlossen hatte, unter Führung des (1833 verstorbenen, begabten und europäischen Einflüssen zugänglichen) Kronprinzen Abbas Mirza 1826 der Kampf um seine Besitzungen in Transkaukasien wieder aufgenommen; er endete im Frieden von Turkmantschai (23. Febr. 1828) mit dem Verlust von Eriwan und Nachitschewan, der Zahlung der Kriegskosten und dem Verzicht auf eine Kriegsflotte auf dem Kaspischen Meer.

Im J. 1834 bestieg Mohammed (Mehemmed, Mehmed) Schah, Enkel von Fath Ali und Sohn von Abbas Mirza, den Thron, dem 1848 sein älterer Sohn, Nasreddin oder Nâßir ed Din (s. d.), folgte. 1856 geriet P. durch die Besetzung Herats in Konflikt mit England. England erklärte 1. Nov. 1856 an P. den Krieg, besetzte die Insel Charak vor Buschir und zwang P., das, ohne Kriegsflotte, seine Gestade England preisgegeben sah, im Pariser Frieden vom 4. März 1857 zum Versprechen, in allen Streitigkeiten mit Herat oder Afghanistan vor der Kriegserklärung Englands Vermittelung eintreten zu lassen. 1873 trat der Schah eine schon lange beabsichtigte Reise nach Europa an, die 1877 und 1889 wiederholt ward. Die Erwartungen, die sich an diese in Persiens Geschichte unerhörten Reisen geknüpft hatten, erfüllten sich nicht; die innere Verwaltung blieb so schlecht wie sie war, die Verarmung ergriff immer weitere Kreise. Nur eine österreichische Militärmission, deren Entsendung 1877 ausgewirkt worden war, erwarb sich durch die Reorganisation und Schulung der Truppen Verdienste; auch begann langsam die Anlage von Telegraphenlinien und Schienenwegen. Dem Baron Reuter wurden die am 23. Juli 1872 ihm verliehenen Konzessionen zur Anlage von Eisenbahnen, Ausbeutung der Minen, Schiffbarmachung der Flüsse und Ausnutzung der Wälder im Februar 1874 wieder entzogen. Die Versuche Persiens, sich Ansehen unter den Turkmenen zu verschaffen, mißlangen; die Feldzüge von 1860 und 1876 gegen Merw endeten mit einer völligen Niederlage der Perser. Indem Rußland die Achal-Teke unterwarf und Merw besetzte, ward es auch hier nächster Nachbar von P., dessen nördliche Grenze der Vertrag vom 12. März 1882 festsetzte. Nâßir ed Dîn wurde 1. Mai 1896 in einer Moschee bei Teheran von einem fanatischen Babiten (?) ermordet, worauf sein zweitältester Sohn, Muzaffer ed Dîn Mirza (s. d.), geb. 25. März 1853, zum Schah ausgerufen wurde. Dieser, mit natürlicher Klugheit begabt und von den besten Absichten beseelt, hat dem Lande den Frieden zu erhalten und sich populär zu machen verstanden. Wie sein Vater, hat er dreimal, 1900, 1902 und 1905, Europa besucht; aber erst nach langem Drängen erhielt P. 11. Aug. 1906 eine Verfassung, deren Einzelheiten noch nicht feststehen. Als Pufferstaat zwischen Rußland und England (Indien) wird P. von beiden Großmächten heiß umworben. Der anfangs stark überwiegende Einfluß Rußlands, der 1902 zu einem russisch-persischen Handelsvertrag, zu einem russischen Darlehen von 11 Mill. Rubel, Konzession von Straßen- und Eisenbahnbauten an Rußland und einer direkten Dampfschiffahrt zwischen Odessa und den persischen Häfen am Persischen Golf führte. hat in den letzten Jahren nachgelassen und muß durch den unglücklichen russisch-japanischen Krieg weitere Einbuße erleiden. Grenzstreitigkeiten mit der Türkei nahmen zuzeiten, so noch 1906, bedenklichen Charakter an.

[Geschichtsliteratur.] Barbier de Meynard, Dictionnaire géographique, historique et littéraire de la Perse (Par. 1861); Malcolm, History ot Persia (2. Aufl., Lond. 1828; deutsch, Leipz. 1830, 2 Bde.); Gobineau, Histoire des Perses (Par. 1869, 2 Bde.); Markham, History of Persia (Lond. 1874); Justi, Geschichte des alten P. (Berl. 1879); Justi und Horn, Geschichte Irans (im »Grundriß der iranischen Philologie« von Geiger und Kuhn, Bd. 2, S. 395–604, Straßb. 1896–1904); Nöldeke, Aufsätze zur persischen Geschichte (Leipz. 1887); Rawlinson, The seventh great oriental monarchy (Lond. 1876); v. Gutschmid, Geschichte Irans und seiner Nachbarländer seit Alexander d. Gr. (Tübing. 1888); Watson, A history of Persia (19. Jahrh., Lond. 1866); Benjamin, Persia (in der »Story ot nations«, das. 1888); F. Spiegel, Eranische Altertumskunde (Leipz. 1871–78, 3 Bde.); Labourt, Le christianisme dans l'empire perse sous la dynastie sassanide, 224–632 (Par. 1904); Bridges, The dynasty of the Kaj ars (Lond. 1833); Tomaschek, Zur historischen Topographie von P. (Wien 1883–1885, 2 Tle.); Nagase, Die Entwickelung der russischen und englischen Politik P. und Afghanistan betreffend bis 1838 (Halle 1894); Krahmer, Die Beziehungen Rußlands zu P. (Leipz. 1903); Dieulafoy, L'art antique de la Perse (Par. 1882–89, 5 Tle.); Perrot und Chipiez, Histoire de l'art dans l'antiquité, Bd. 5 (das. 1890); Gayet, L'art persan (das. 1895); Sarre, Denkmäler persischer Baukunst (Berl. 1901 ff.); Schwab, Bibliographie de la Perse (Par. 1876).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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