- Olympĭa [1]
Olympĭa, der berühmte Schauplatz der Olympischen Spiele im alten Griechenland, der durch die vom Deutschen Reich 1875–81 veranstalteten Ausgrabungen bloßgelegt worden ist, wodurch eine genaue Übersicht über sämtliche Kultus-, Fest- und sonstigen Gebäude, die Plätze der Weihgeschenke, Denkmäler etc. gewonnen wurde (vgl. nebenstehenden Plan). O. lag in der elischen Landschaft Pisatis, nur wenige Stunden vom Meer entfernt, der Insel Zakynthos (Zante) gegenüber und umfaßte einen weiten, im S. vom Alpheios, im W. vom Kladeos, im N. und Osten durch mehrere Hügel (Kronion, Olympos) begrenzten Raum. Die Gegend war im Altertum eine geweihte, mit schönen Pflanzungen, zahlreichen Bauten und Tausenden von Bildwerken geschmückte Stätte täglicher Opfer und während der Tage des aller vier Jahre stattfindenden Festes ein Sammelplatz vieler Tausende von Besuchern, selbst aus den fernsten Gegen den, wohin griechische Kultur gedrungen war. Tausendjährige Vernachlässigung hat aus der Stätte eine ungesunde, nur mit niedrigem Gestrüpp bedeckte, wüste Ebene gemacht, die erst neuerdings durch sorgsame Kultur wieder fruchtbar geworden ist (Mais- und Gerstenfelder, Wein- und Korinthenbau, Ölbaumpflanzungen). Der ganze Raum zerfiel in drei Teile: 1) den nur den Göttern gehörenden, von einer Mauer umschlossenen Tempelbezirk, die sogen. Altis, mit zwei Haupteingängen an der Nord- und Südecke der Westmauer; 2) die außerhalb der Altis befindlichen Anlagen für die verschiedenen Wettkämpfe; 3) die nötigen Räumlichkeiten für das Kultuspersonal, für das Unterkommen und die Bewirtung der Festgäste, für geschäftlichen und geselligen Verkehr.
Den Mittelpunkt der Altis in räumlicher Beziehung wie in religiöser Bedeutung bildete der große Altar des Zeus, der auf einem umfangreichen steinernen Unterbau aus der mit Wasser aus dem Alpheios vermischten Asche der verbrannten Schenkelknochen der Opfertiere errichtet war, und auf dem täglich Opfer dargebracht wurden. In der Nähe standen drei andre Heiligtümer: nordwestlich das Heräon, ein dorischer Tempel der Hera mit kostbaren Weihgeschenken (darunter der Kasten des Kypselos), in dem später der Hermes des Praxiteles gefunden wurde; westlich das Heiligtum des Pelops (Pelopion), ein mauerumschlossener, mit Statuen geschmückter Tempelhain, und nordöstlich das Metrōon, das Heiligtum der Göttermutter. Südwestlich vom Zeusaltar erhob sich der berühmte Tempel des olympischen Zeus (Olympieion), von den Eleern zur Erinnerung an ihren Sieg über die Pisaten errichtet (um 450 v. Chr.); als Baumeister wird Libon genannt. Es war ein dorischer Peripteros, an Größe fast dem attischen Parthenon gleich, mit 6×13 Säulen, aus mit seinem Stuck überzogenem Muschelkalk, der Unterbau aus Kalkstein, dagegen das Dach, die Architektur im Innern der Cella sowie der plastische Schmuck der beiden Giebelfenster (im östlichen die Vorbereitungen zum Wettkampf zwischen Pelops und Önomaos, nach Pausanias von Paionios [s. d.] aus Mende, im westlichen der Kampf der Lapithen und Kentauren, nach Pausanias von Alkamenes) und der je sechs Metopen über dem Eingang zum Vortempel und zum Hinterhaus (Opisthodom), die Taten des Herakles darstellend, aus weißem Marmor. Das Innere enthielt in einem besondern Raum der Cella das größte und schönste Werk hellenischer Plastik, die berühmte Kolossalstatue des thronenden Zeus von Pheidias, aus Gold und Elfenbein nach der Schilderung Homers gearbeitet. In der Nähe des Opisthodoms stand der wilde Ölbaum, von dem ein Knabe mit goldenem Messer die Kränze für die Sieger abschnitt, und zwischen dem Tempel und dem großen Altar vier Säulen mit einem Dach, die eine Holzsäule als Rest vom Haus des Önomaos schützten. Von andern Baulichkeiten innerhalb der Altis sind durch die Ausgrabungen bloßgelegt worden: an der Nordwestecke das der Hestia geweihte Prytaneion, worin den Siegern ein Festmahl gegeben wurde; südlich davon das Philippeion, eine mit Bildsäulen geschmückte Rotunde, von Philipp von Mazedonien nach der Schlacht von Chäroneia errichtet, und an der Südseite der Altis das Buleuterion, das Sitzungslokal der Kampfrichter, mit einer Statue des Zeus Horkios (Schwurgott). Den östlichen Abschluß der Altis bildeten zwei von N. nach S. gestreckte Hallen, die sogen. Echohalle, 100 m lang, und die Südosthalle, die Nero zu einem Wohnhaus für seinen berüchtigten olympischen Aufenthalt umbauen ließ. Außerdem ist eine große Anzahl von Fußgestellen und größern Unterbauten für Siegerstatuen, Gruppen, Weihgeschenke etc. aufgedeckt worden. An der Nordseite der Altismauer lagen an dem vortretenden Fuße des Kronoshügels von W. nach Osten die Exedra des Herodes Atticus und zwölf Schatzhäuser verschiedener Städte: Sikyon, Metapontion, Megara, Gela u.a. Letzteres grenzte im Osten an das Stadion, die Rennbahn für die Wettläufer (von W. nach Osten 192 m lang), von dem weiter östlich der Hippodrom, die doppelt so lange Anlage für Wettrennen und Wettfahrten mit Rossen und Wagen sich erstreckte. In der Nähe des letztern stand ein Tempel der Demeter, dessen Priesterin das Ehrenrecht hatte, den Kampfrichtern gegenüber dem Kampfe zuzuschauen. Von Bauten und Bauanlagen außerhalb der Altis sind entdeckt worden: an der Westseite nördlich das Gymnasion mit den Wohnungen und Übungslaufbahnen der Wettläufer, südlich davon die Palästra mit einem dorischen Binnenhof, dann ein Gebäudekomplex, in dem ein Heroon, die Werkstätte des Pheidias, Priesterwohnungen und eine byzantinische Kirche enthalten sind, und ganz im S. der umfangreichste Profanbau von O., der für ein Absteigequartier der Ehrengäste in der römischen Zeit gehalten wird und mit dem von Pausanias erwähnten Leonidäon identisch sein soll. Der Eingang in die Altis, diesem Gebäude gegenüber, soll in der ältern Zeit das Haupttor für die Prozessionen gewesen sein. Alle diese Bauten wurden nach dem Zerfall des römischen Reiches durch Verwüstungen und Plünderungen von Menschenhand, durch Erdbeben, Überschwemmungen des Alpheios und andre Naturereignisse zerstört und verschüttet, so daß sie fast spurlos vom Erdboden verschwanden. Der erste, welcher der geweihten Stätte wieder Aufmerksamkeit zuwandte, war der Engländer Chandler, der in seinen, »Travels in Greece« (1776) darüber berichtet. Winckelmann forderte zu Ausgrabungen daselbst vergeblich auf. Spätere Nachrichten brachten Dodwell, Gell und besonders Stanhope (»Olympia«, 1824). Eine französische Expedition (1831) hatte wenig Erfolg; doch brachte sie mehrere Metopen vom Zeustempel heim, die jetzt im Louvre aufgestellt sind. Seitdem ruhten die Forschungen auf dem Boden des alten O. gänzlich, bis 1852 E. Curtius den Plan zu Nachgrabungen daselbst von neuem anregte, dessen Verwirklichung durch die deutsche Reichsregierung nach Vereinbarung mit der griechischen Regierung mit einem Aufwand von 800,000 Mk. erfolgt ist. Die Ausgrabungen begannen im Oktober 1875 unter Leitung von E. Curtius und Adler und wurden 20. März 1881 abgeschlossen. Eine Beschreibung der Örtlichkeiten Olympias gibt Curtius in seinem Vortrag »O.« (Berl. 1852) und in dem Werk »Peloponnesos« (Gotha 1852. 2 Bde.). Doch sind alle ältern Forschungen wie auch die ersten amtlichen Publikationen (1875–82) durch das Hauptwerk: »Olympia. Die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabungen« (hrsg. von Curtius und Adler, 5 Text- und 4 Tafelbände, das. 1890–97) überholt. Vgl. auch Bötticher, O., das Fest und seine Stätte (2. Aufl., Berl. 1885); Laloux und Monceaux, Restauration d'Olympie (Par. 1890); Kaupert und Dörpfeld, O. und Umgegend. Zwei Karten und ein Situationsplan (Berl. 1882); Trendelenburg, Der große Altar des Zeus in O. (das. 1902).
Die in O. gefundenen Skulpturen, Architekturteile. Terrakotten, Bronzen etc. sind Eigentum der griechischen Regierung geblieben, die ein Museum in O. nach dem Plan Adlers zur Aufbewahrung der Funde von O. erbaut hat. Ein Teil der zahllosen Erzeugnisse der Kleinkunst (Terrakotten und Bronzen, meist Idole, Votivbilder, Waffen, Schmucksachen, Gefäße) ist in den Besitz der deutschen Regierung übergegangen, die sie dem Berliner Museum überwiesen hat. Die deutsche Reichsregierung hat auch Gipsabgüsse der hervorragendsten Werke der Bildhauerkunst hergestellt, die von Berlin aus an andre Museen abgegeben werden. Eine Gesamtausstellung der Giebelgruppen mit Ergänzungen ist im Albertinum in Dresden versucht worden. Die hauptsächlichsten Bildwerke, die in O. gefunden wurden, sind: die Gruppen des Ostgiebels (s. Tafel »Bildhauerkunst IV«, Fig. 1) und Westgiebels (Fig. 3 u. 5) des Zeustempels, mehr oder minder beschädigte Figuren und Köpfe aus Marmor, die Metopen des Zeustempels (Fig. 4), der Hermes des Praxiteles (Fig. 2), die Nike des Päonios (Fig. 6), das Giebelfeldrelief des Schatzhauses von Megara (Zeus im Gigantenkampf), der Marmorkopf einer Aphrodite, der Bronzekopf einer Siegerstatue (Fig. 8) und eines Zeus und 43 marmorne Bildnisnamen von Mitgliedern des römischen Kaiserhauses.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.