- Amiens
Amiens (spr. amiäng), Hauptstadt des franz. Depart. Somme, an der schiffbaren, mehrfach geteilten Somme, die hier die Celle aufnimmt, Knotenpunkt der Nordbahn, hat eine von Heinrich IV. herrührende Zitadelle und von hervorragenden Gebäuden eine 1220–88 erbaute Kathedrale mit zwei unvollendeten Türmen, prachtvoller Fassade, hohem Schiff und schönen Chorstühlen, ein Meisterstück gotischer Baukunst; ferner sind zu nennen das Stadthaus, wo 1802 der Friede (s. unten) geschlossen wurde, der Justizpalast und das Museum. Die Zahl der Einwohner beträgt (1901) 81,633 (als Gemeinde 90,758). Blühend ist die Fabrikation von Schafwollen- und gemischten Geweben (sogen. Amiensartikel), Baumwollensamt und Teppichen. Außerdem hat A. Baumwoll-, Flachs- und Seidenspinnereien, Färbereien und Druckereien, Fabriken für Maschinen, Chemikalien, Zucker etc. und treibt ansehnlichen Handel mit Zucker, Wolle, Ölsaat, Getreide, Gemüsen und Entenpasteten. A. hat ein Lyzeum, Normalschule, Vorbereitungsschule für Medizin, Museum für Kunst und Altertümer, eine öffentliche Bibliothek von 60,000 Bänden, Akademie der Wissenschaften und Künste und einen botanischen Garten. Es ist Sitz des Generalkommandos des 2. Armeekorps, des Präfekten, eines Bischofs, eines Appellhofs und eines Handelsgerichts. – A. kommt schon im Altertum unter dem Namen Samarobriva als Hauptstadt der Ambiani vor und war bereits vor Ankunft der Römer in Gallien ein mächtiger Ort. Das Gebiet, die ehemalige Grafschaft Amienois, war bis 1185 Lehen der Bischöfe von A.; 1435–77 gehörte es den Herzögen von Burgund. Viel genannt ist Peter von A., der erste Kreuzzugsprediger. 1597 eroberten die Spanier A., verloren es aber trotz heldenmütiger Verteidigung bald wieder an Heinrich IV. Hier wurde 27. März 1802 der Friede von A. zwischen England und Frankreich unterzeichnet: England gab die eroberten spanischen und holländischen Kolonien bis auf die Inseln Ceylon und Trinidad wieder heraus, auch Frankreich erhielt seine Kolonien zurück; die Republik der sieben Ionischen Inseln ward anerkannt und Malta dem Johanniterorden zurückgegeben; die Franzosen sollten Rom, Neapel und Elba räumen, dem Haus Oranien ward Entschädigung verheißen; der Pforte ward außer der Integrität aufs neue der Besitz von Ägypten und zudem das Schutzrecht über die Ionischen Inseln zugesichert. Die Anmaßungen Napoleons führten aber schon 18. Mai 1803 den Wiederausbruch des Krieges herbei. Bei A. gewann General v. Manteuffel mit dem 8. und 1. Korps 27. Nov. 1870 einen entscheidenden Sieg über die 30,000 Mann starke französische Nordarmee. Tags darauf wurde vom General v. Goeben die Stadt besetzt; am 30. Nov. ergab sich auch die Zitadelle. Vgl. de Calonne, Histoire de la ville d'A. (Amiens 1898–99, 2 Bde.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.