- Athēn
Athēn (hierzu Karte »Umgebung von Athen«), die Hauptstadt Attikas, der hochgefeierte Mittelpunkt althellenischer Kultur, gegenwärtig Hauptstadt des Königreichs Griechenland, liegt am Saronischen Golf (Busen von Ägina) zwischen dem Zusammenfluß der kleinen, im Sommer fast vertrocknenden Flüsse Kephisos und Ilissos. Von der See, mit deren drei Buchten Piräeus, Munychia und Phaleron die Stadt einst durch feste Mauern verbunden war, ist sie etwa 4 km entfernt. Wenn man in den kleinen, doch sehr sichern Hafen Piräeus einfährt, gewahrt das Auge eine von mäßigen Bergen begrenzte weite Ebene, deren Länge 23 und deren Breite 6–9 km beträgt. Die tiefste Einsenkung wird von einem Olivenwald erfüllt, der, schmal, aber lang, etwa 2 km vom Piräeus anfängt. Östlich von diesem erhebt sich isoliert ein Felsenhügel (270 m lang, bis 135 m breit), die Akropolis, die alte Burg von A. Von ihr als dem eigentlichen Kern der Stadt gehen wir bei der topographischen Beschreibung des alten A. aus.
Das alte Athen (Athenä).
(Vgl. den Plan von Alt-Athen auf S. 24.)
Die Akropolis soll von Kekrops gegründet worden sein und daher zuerst Kekropia geheißen haben. Auf einem steilen, bis 156,2 m ü. M. und etwa 80–100 m über die Stadt sich erhebenden Felsen ruhend, bildete sie eine natürliche Festung, die schon früh an der Süd- und Westseite durch eine starke Mauer, das Pelargikon, verstärkt worden war. Nach der Verwüstung durch die Perser wurde sie durch Stützmauern noch unzugänglicher gemacht und zu einem einzig dastehenden Heiligtum umgeschaffen; Kimon machte dazu den Anfang, Perikles vollendete das Werk. Den Eingang bildeten auf der Westseite die berühmten Propyläen, ein Prachttor mit 8,5 m hohen Säulen, das Perikles 437–432 mit einem Aufwand von 2012 Talenten (ca. 91/2 Mill. Mk.) von Mnesikles aus weißem Marmor errichten ließ. Von der Stadt aus führte zu denselben eine breite, gewundene, für Pferde und Wagen gangbare Fahrstraße, auf welcher der panathenäische Festzug zum Tempel der Schutzgöttin der Stadt hinaufstieg. Das Tor hatte zur Seite vorspringende Flügelgebäude, südlich auf einer Bastion einen um 432 erbauten Tempel der Athene Nike, der, ein kleiner, zierlicher Marmorbau mit je vier ionischen Säulen an beiden Seiten, seit 1835 durch die Bemühungen von Roß, Schaubert und Hansen sich wieder aus den Ruinen erhoben hat, und nördlich eine Gemäldehalle (Pinakothek), von der die Mauern erhalten sind. In den innern Burgraum eingetreten, gelangte man, den Bezirk der Artemis Brauronia und die 1889 aufgedeckte Chalkothek rechts lassend, zu der Hauptzierde der Akropolis, zu dem kolossalen Parthenon, einem Tempel der Athene Parthenos, den Perikles von Iktinos und Kallikrates neben einem ältern, nördlicher gelegenen, von den Persern zerstörten Athenetempel, dem sogen. Hekatompedon, um 454–438 v. Chr. erbauen ließ (s. Tafel »Architektur III«, Fig. 6). Der Tempel, aus pentelischem Marmor erbaut, ist 69,5 m lang, 30,8 m breit, 19,8 m hoch und nach O. gekehrt. Er ruht auf einer hohen Plattform, hat ringsum eine einfache Säulenhalle (Peripteros), an der Front 8, an jeder Langseite 17 Säulen dorischer Ordnung, jede 10,4 m hoch und von 1,9–1,4 m im Durchmesser. Der Tempel war mit den herrlichsten Bildwerken ausgeschmückt. Die Metopen enthielten die Kentauromachie, den Amazonenkampf und andre Helden- u. Götterkämpfe. An der Außenwand der Cella sah man den panathenäischen Festzug (s. Tafel »Bildhauerkunst III«, Fig. 7). Die Statuengruppen im Giebelfeld stellten im W. den Streit zwischen Athene und Poseidon um das Land, im O. die Geburt der Athene dar. Sie wurden 1811 durch Lord Elgin größtenteils nach England entführt. Aus der Säulenhalle der Ostseite kommt man in die Cella, den eigentlichen Tempel, dann in das Allerheiligste, den eigentlichen Parthenon, wo die Tempelgeräte aufbewahrt wurden. In der Cella stand das Meisterstück der alten Bildhauerkunst, die über 12 m hohe, aus Gold und Elfenbein zusammengesetzte Bildsäule der Athene Parthenos von Pheidias, welche die Göttin stehend und in voller Rüstung, auf der vorgestreckten Rechten eine 2 m hohe Nike tragend, darstellt. Zwischen dem Parthenon und den Propyläen stand im Freien die kolossalste der Statuen des Pheidias, das bronzene, ca. 25 m hohe Bild der Athene Promachos, der helfenden und abwehrenden Gottheit, mit Helm, Schild und Lanze. Die Schiffer, welche die Südspitze von Attika umsegelten, konnten die vergoldete Lanzenspitze sehen, so weit ragte das riesige Bild, von dem das Piedestal noch zu erkennen ist, über Propyläen und Parthenon hinaus. Dem gegenüber, der nördlichen Mauer nahe, befand sich das uralte kombinierte Heiligtum der Athene Polias und des Poseidon Erechtheus, an das sich die ältesten Zeremonien, Mythen und Erinnerungen knüpften. Nachdem es im Perserkrieg zerstört worden, wurde es im ionischen Stil erneuert, aber erst 407 v. Chr. vollendet. Unter den drei Vorhallen ist die südliche, die berühmte Karyatidenhalle, von höchstem Reiz. Hauptteile des Tempels waren die beiden mit der Rückseite aneinander stoßenden Cellen, die eine (westliche) das Erechtheion genannt, die andre (östliche) der Athene geweiht; von beiden getrennt war eine Kapelle gegen W., das Pandroseion. Nach der einen jener Cellen wird auch oft das Ganze Erechtheion genannt (s. Tafel »Architektur III«, Fig. 8). Im Mittelalter wurde es als Kirche, von den Türken als Harem benutzt; erst in der neuesten Zeit ist das Innere vollständig aufgeräumt und von allen modernen Zutaten gesäubert worden. Das Hauptgebäude mißt 20,3 m in der Länge und 11,21 m in der Breite. In der Nähe stand auch der der Athene geheiligte Ölbaum.
Nordwestlich von der Burg, den Propyläen gegenüber, steigt ein Hügel 115 m empor, der Areopag (»Areshügel«), der Sitz des über Mordtaten urteilenden Gerichts; eine in den Felsen gehauene Treppe führte hinaus. In der Umgebung ist der Tempel des Ares zu suchen. Hier hat wahrscheinlich der Apostel Paulus 54 n. Chr. seine berühmte Rede gehalten. Südwestlich vom Areopag liegt der Pnyx genannte Felshügel, wo nach den einen sich das alte Heiligtum des »höchsten Zeus« befand, der hier bilder- und tempellos verehrt wurde. Andre erkennen darin den Ort der Volksversammlungen. Mächtige Felsblöcke bilden den Unterbau des großen, in den Fels gehauenen Halbzirkels, der an der Südwestseite durch eine hohe, lange, glatt gehauene Felswand geschlossen wird. In der Mitte der Wand springt ein Felswürfel hervor, zu dem zwei Treppen hinausführen, und worin die einen die Rednerbühne haben erkennen wollen, während dort gefundene Weihgeschenke mit Inschriften ihn nach der Ansicht andrer als Altar dartun. Westlich von diesem Heiligtum finden sich Spuren von in den Felsen gehauenen Häusern, Zisternen, Gräbern, Treppen etc., die Reste der ältesten Ansiedelungen im ganzen Stadtgebiet. Uralt müssen dieselben sein, weil Gräber und Häuser sich dicht nebeneinander befinden, was schon Solon aus gesundheits-polizeilichen Gründen verbot. Am südöstlichen Ende dieser ältesten Stadt liegt der Felshügel Museion (147,4 m) mit dem noch erhaltenen Monument des Philopappos, eines Nachkommen des letzten Königs von Kommagene, gegen 114 n. Chr. unter Trajan erbaut. Der Hügel selbst wurde von Demetrios Poliorketes 299 v. Chr. vorübergehend zur Burgfeste umgewandelt.
Im Tal zwischen der Pnyx und dem Museion lief eine Fahrstraße nach dem Hafen Phaleron, nördlich von all diesen Hügeln aber die berühmte piräeische Fahrstraße, die aus dem Piräeus in die Stadt führte. Der breite Fahrweg erreichte die Stadtmauer in dem Piräeischen Tor und führte nun geradeaus nach dem Mittelpunkte des Verkehrs von A., der Agora, einem länglich-viereckigen, von mehreren nicht zusammenhängenden Hauen und andern Gebäuden begrenzten Platz im N. des Areopags, von wo der innere Kerameikos, ein von der Hauptstraße des Dromos durchschnittener städtischer Demos, nordwestlich zum stark befestigten Tor Dipylon sich erstreckte. Vor letzterm befand sich der äußere Kerameikos, eine Vorstadt, wo längs der Landstraße, wie es die antike Sitte war, die Toten bestattet wurden. Dort wurde, namentlich seit 1870, bei der heutigen Kirche Hagia Triada ein großer Teil des an Architektur und Plastik reichen Hauptbegräbnisplatzes von Alt-A. frei gelegt. An der Westseite der Angora oder des Staatsmarktes (der dem Handel und Wandel dienende Kaufmarkt lag zwischen diesem und dem Dipylon) stand, mit det Vorderseite gegen O., die Königshalle, wo det zweite Archon (Archon Basileus) seinen Amtssitz hatte, und anderen Wänden die Gesetze des Drakon und Solon angeschrieben waren. In der Nähe standen mehrere Bildsäulen, die des Konon, des Timotheos, des Evagoras und des Zeus Eleutherios. Hinter der letztern, südlich von der Königshalle, erhob sich die des Zeus Eleutherios. Dann folgte der Tempel des Apollon Patroos mit mehreren Bildsäulen dieses altionischen Stammgottes. Oberhalb (westlich) der Königshalle, am Abhang des Theseion-Hügels, wird uns ein Tempel des Hephästos angegeben und in der Nähe ein Tempel der Aphrodite Urania. Einen großen Teil von der Westseite des Marktes nahm die bunte Halle (Poikile) ein, deren drei Wände von Pantänos, Polygnotos und Mikon mit großen Gemälden aus der Sage und Geschichte Griechenlands geschmückt waren (daher der Name); zur Zeit des Lukian war sie der Versammlungsort der stoischen Schule. Vor ihr stand eine Erzstatue des Solon, zu der später die des Seleukos Nikator kam; zwischen der Königshalle und der Poikile die eherne Statue des Hermes Agoräos sowie ein kleines, mit einem Siegeszeichen geschmücktes Tor, das den nördlichen Abschluß des Staatsmarktes bildele. Nördlich von der Poikile lag, schon am Kaufmarkte, die Stoa des Attalos (Reste davon erhalten) und wahrscheinlich südlich von der Agora, am Abhang des Areopags, das Heiligtum der Göttermutter Kybele, das Metroon, und das Buleuterion, wo der Rat der Fünfhundert seine Sitzungen hielt. Jetzt ist dieser Platz, wie überhaupt die ganze Agora, mit modernen Gebäuden bedeckt, und da fast keine Ruinen erhalten sind, sind obige Ansetzungen keineswegs sicher. Das Metroon enthielt die Statue der Göttin von Pheidias und diente als Staatsarchiv. In der Nähe des Buleuterion war die Tholos, ein Rundgebäude mit Kuppel, zu Staatsopfern und Mahlzeiten bestimmt, zu denen sich die Prytanen täglich versammelten. Etwas höher nach der Akropolis zu war der Markt mit Bildsäulen geziert, namentlich mit denen der Stammheroen, der sogen. Eponymoi, von denen die zehn attischen Phylen ihre Namen hatten. Auch die Statuen der Staatsmänner Lykurg und Kallias, des Demosthenes, des Pindar und der Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton standen hier. Südlich davon, an der Ostseite des Areopag, lag der heilige Bezirk der Eumeniden mit des Ödipus Grab sowie wahrscheinlich der vom jüngern Peisistratos errichtete Altar der zwölf Götter. Der früher gleichfalls hier gesuchte Tempel der Aphrodite Pandemos ist 1888 durch Inschriftenfunde bei der Südwestecke der Akropolis fixiert worden.
Nordwestlich vom Markt erhebt sich ein Hügel mit dem besterhaltenen aller griechischen Tempel, der in christlicher Zeit als Kirche des heil. Georg diente, dem sogen. Theseion, das die Gebeine des Theseus, die Kimon von der Insel Skyros nach A. gebracht hatte, umschloß und seit 465 v. Chr. erbaut wurde. Er galt früher für ein Heiligtum des Hephästos, jetzt für dem Apollon Patroos geweiht, da die Hauptfigur des Frieses diesen Gott als Vernichter der Kyklopen darstellt. Der Tempel, mit 6×13 Säulen von 5,8 m Höhe, ist im reinsten dorischen Stil aus pentelischem Marmor gebaut und bis auf einen kleinen Teil des Portikus und das Dach der Cella wohlerhalten. Auch von den Skulpturen aus der Schule des Pheidias, mit denen der Tempel geschmückt war, haben sich wertvolle Überreste, namentlich einige von den Metopen, Taten des Theseus und Herakles darstellend, nebst dem Fries der Schmalseiten der Cella erhalten. Der Umfang des Tempels beträgt nur 31,8×13,8 m, die Höhe 10,3 m. (Vgl. Sauer, Das sogen. Theseion und sein plastischer Schmuck, Leipz. 1899.) Das nächste bemerkenswerte Gebäude östlich der Agora war das Gymnasion des Ptolemäos (ungewisser Lage) mit den Bildsäulen des Ptolemäos, des Libyers Juba und des Stoikers Chrysippos. Es enthielt außer den Räumen für gymnastische Zwecke zahlreiche kleinere Gemächer für wissenschaftlichen Unterricht sowie eine Bibliothek. An seine Stelle trat später die ausgedehnte sogen. Stoa des Hadrian, deren Nordhälfte z. T. beim sogen. Alten Basar in der Aiolosstraße erhalten ist. Südlich davon erhob sich etwa seit Beginn unsrer Zeitrechnung eine Torhalle der Athene Archegetis (Reste vorhanden), die den Eingang zu einem mit Marmor gepflasterten und von Säulenhallen umgebenen Markt (sogen. Ölmarkt) bildete, und südöstlich der wohlerhaltene Turm der Winde, den Andronikos aus Kyrrhos in Syrien als Horologium um 35 v. Chr errichten ließ (s. Tafel »Architektur III«, Fig. 11). Seine acht Seiten sind den Hauptwinden zugekehrt und stellten diese in Reliefs symbolisch dar. Auf der Spitze des Turmes war als Windfahne ein Triton angebracht. Außen am Turme befand sich eine Sonnenuhr, im Innern eine Wasseruhr, der eine Leitung das nötige Wasser aus der brackigen Quelle Klepsydra am Nordabhang der Akropolis zuführte. Auf der Nordseite der Burg lag auch das Prytaneion, wo die auswärtigen Gesandten und um den Staat wohlverdiente Männer auf öffentliche Kosten zu speisen pflegten. Hier stand der geweihte Staatsherd, auf dem ein immerwährendes Feuer unterhalten wurde. Nicht weit vom Prytaneion entfernt lagen das als militärischer Sammelplatz benutzte Anakeion (Heiligtum der Dioskuren), das Aglaurion, wo die Jugend den Ephebeneid schwor, das erst in der Ptolemäerzeit errichtete Heiligtum des Serapis und das der Eileithyia, und östlich vom Turm der Winde das Diogeneion genannte Gymnasion. In der Gegend des Prytaneion scheint die Tripodenstraße ihren Anfang genommen zu haben, deren Richtung durch mehrere kleine, wahrscheinlich an die Stelle der Tripodentempel getretene Kirchen sowie durch das choragische Denkmal des Lysikrates (s. Tafel »Architektur III«, Fig. 9) auf der südöstlichen Seite der Burg kenntlich ist. Sie war eine der prächtigsten in A., von ehrgeizigen Choragen zum Andenken an ihre mit lyrischen Chören errungenen Siege mit zahlreichen kleinen Rundtempelchen aus Marmor aufs glänzendste ausgeschmückt. Am Ende der Tripodenstraße, unter dem südöstlichen Ende der Akropolis, befand sich im heiligen Bezirk des Dionysos, der auch zwei Tempel des Gottes umschloß, das auch zu Volksversammlungen dienende Theater des Dionysos, die Stätte, wo Äschylos, Sophokles, Euripides und Aristophanes ihre Triumphe feierten. Es ist, durch die halbkreisförmige Anlage deutlich erkennbar, 1862–65 durch Ausgrabungen frei gelegt worden. Sein Bau wurde 496 v. Chr. zur Zeit des Äschylos begonnen, aber in den obern Teilen erst nach 340 vollendet. Von den Grundmauern des erst dem 1. vor- und 1. nachchristlichen Jahrhundert an gehörigen Bühnengebäudes sind nur die unterirdischen Teile, von den terrassenförmig sich erhebenden, in den natürlichen Felsen gehauenen Stufen, auf denen die Sitze des schauenden Publikums waren, die untern erhalten. Im Zuschauerraum, der durch 12 aufsteigende Treppen (von ca. 0,7 m Breite) in 13 Keile zerlegt wird, fanden über 30,000 Menschen Platz. Ostlich in der Nähe des Theaters hat man das Odeion des Perikles, ein kleineres, für musische Wettkämpfe bestimmtes Gebäude, zu suchen; westlich lag die Stoa Eumenia, die sich vom Theater bis zum Odeion des Herodes erstreckt. Letzteres, ein ansehnliches, besonders im Innern mit großartiger Pracht ausgestattetes Theatergebäude, wovon noch beträchtliche Überreste am südwestlichen Ende der Akropolis sichtbar sind, wurde erst zwischen 160 und 170 n. Chr. von dem reichen und baulustigen Marathonier Herodes Atticus zur Erinnerung an seine Gemahlin gegründet. Oberhalb der Stoa Eumenia, unmittelbar am Fuß des Burgfelsens, lag der heilige Bezirk des Asklepios (seit 1876 durch die Archäologische Gesellschaft von A. aufgedeckt) mit 2 Tempeln, 2 Stoen und 2 Quellhäusern; ferner weiter westlich, beim Ausgang zur Akropolis, der Tempel der Themis und der Ge Kurotrophos.
In dem Quartier Kydathenäon, einem der ältesten Athens, südlich der Burg, scheinen Privatgebäude gestanden zu haben; wenigstens ist uns kein öffentliches Gebäude bekannt, das mit einiger Sicherheit hier sich befunden haben könnte. Ein Tor führte dort im SO. zum Ilissos, von dem dem Dionysos geweihten Bezirk Lenäon zur Quelle Kallirrhoë (Enneakrunos) hinaus, die beide Dörpfeld neuerdings in der Senkung zwischen Akropolis und Pnyx sucht, ohne es strikt beweisen zu können. Die Kallirrhoë, aus dem felsigen rechten Ufer des Ilissos entspringend, war die einzige mit trinkbarem Wasser, trotzdem aber nicht mit von der Ringmauer umschlossen. Nördlich der Kallirrhoë, innerhalb der Stadt, erhob sich das Olympieion, nächst dem ephesischen der größte griechische Tempelbau, der dem olympischen Zeus geweiht war. Heute steht von demselben auf einer aus Quadern aufgeführten Plattform noch eine Gruppe von 13 riesenhaften Säulen mit den Architraven und nicht weit westlich davon noch zwei einzelne. Sie sind korinthischen Stils, kanneliert und aus parischem Marmor gefertigt, 17,2 m hoch und von 11/2–13/4 m Durchmesser, die größten in Europa. Aus ihrer Stellung hat man den Grundriß des Tempels entworfen. Es war ein 116 m langer, 56 m breiter Dipteros oktastylos korinthischer Ordnung mit dreifachen Säulenreihen am Pronaos und Hinterhaus (im ganzen mit 120 Säulen). Dieser Tempel gehörte zu den ältesten athenischen Heiligtümern, denn schon Deukalion soll hier dem Zeus eine Kultstätte errichtet haben. Die Peisistratiden übertrugen dann vier Künstlern, Antistates, Kalaïschros, Antimachides und Porinos, den Tempelbau, die ihn nach einem großartigen Plan in dorischer Form anfingen, aber nicht vollendeten. Um 174 v. Chr. nahm König Antiochos Epiphanes von Syrien den Plan wieder auf, ohne ihn jedoch zu Ende zu führen. Dieses gelang erst 130 n. Chr. dem Kaiser Hadrian, dem der Tempel auch eine kolossale Goldelfenbeinstatue des Gottes verdankte. Die Ringmauer, mit Bildsäulen angefüllt, maß 4 Stadien im Umfang. Von hier gegen NO. lag Neu-A., der südöstliche Teil der Stadt, den Kaiser Hadrian mit weitern Prachtgebäuden schmückte (daher auch Hadriansstadt genannt). Zu denselben gehörten ein Heräon, ein Pantheon, ein Tempel des Zeus Panhellenios, ferner die Stoa aus phrygischem und das Gymnasion mit Säulen aus numidischem Marmor. Das Hadrianstor im korinthischen Stil steht noch in der Richtung von SW. nach NO., am nordwestlichen Ende der Umfassungsmauer des Olympieion als Grenze zwischen den Städten des Theseus und des Hadrian. Unweit des letztern weiter nach SW. lagen zwei Heiligtümer des Apollon, das Delphinion und das Pythion; letzteres (schon außerhalb der Stadtmauer, aber noch diesseit des Ilissos), eine Anlage der Peisistratiden, war ein bloßes Temenos (heiliger Bezirk) mit einer Bildsäule des Gottes; das Delphinion ein Tempel, in dem ein mit Schranken umschlossener Raum als Gerichtsstätte diente über Mörder, deren Tat durch Umstände gerechtfertigt war. Von der Kallirrhoë aus weiter stromaufwärts ist die Gegend zu setzen, die »Kepoi« oder »die Gärten« hieß, und wo sich ein Heiligtum der Aphrodite Urania befand. Jenseit des Ilissos lag die Vorstadt Agrä mit den beiden Tempeln der Demeter und Kore und des Triptolemos, wo die kleinen Mysterien gefeiert wurden. Ferner lag dort das große Panathenäische Stadion, dessen Höhlung im Fuß des Hymettos noch deutlich erkennbar war (1896 wiederhergestellt). Vom Redner Lykurgos erbaut, wurde es von Herodes Atticus, der dort ehrenhalber sein Grab fand, prächtig ausgeschmückt. Die Höhen nordöstlich davon trugen Tempel der Tyche und der Artemis Agrotera. – Gegen O. führte das Diocharestor nach dem Gymnasion Lykeion, wo Aristoteles zu lehren pflegte; am Fuß des Lykabettos lag das Gymnasion Kynosarges, der Sammelplatz der Kyniker. Die älteste Stadtmauer Athens, weniger ausgedehnt als die Themistokleische, war schon vor den Perserkriegen verfallen. Auf des Themistokles Rat wurde dann 479 v. Chr. von den Athenern in aller Eile eine neue ausgeführt. Sie maß 60 Stadien (9780 m) im Umfang. Ihre Richtung läßt sich im W. noch in deutlichen Spuren auf dem Rücken des Museion und der Pnyx nebst ihren nördlichen Fortsetzungen bis zur jetzigen Kapelle der Hagia Triada, im S. vom Museion herab in ziemlich gerader östlicher Richtung bis zu den niedrigen Anhöhen oberhalb des rechten Ufers des Ilissos, dem sie dann in nordöstlicher Richtung parallel lief, erkennen. Neuerdings ist ihre Richtung auch im N. und NO., wo sich das heutige A. ausdehnt, mit ziemlicher Gewißheit festgestellt worden, und man kennt die Lage von sechs Toren dort genau. Von Sulla wurde die Mauer zum Teil zerstört, aber später wiederhergestellt. Ein andrer, wahrscheinlich weniger umfangreicher Mauerbau wird unter Kaiser Valerian erwähnt. Unter Justinian, der die Mauern so vieler Städte des Reiches erneuerte, wurde auch die athenische wieder in stand gesetzt. Die Ringmauer der Stadt, und zwar ihr südöstlicher Teil auf dem Museion und der Pnyx, war mit den Häfen durch drei Mauern in Verbindung gesetzt, von denen die phalerische etwa 5 km, die beiden langen Mauern nach dem Piräeus je 7 km maßen. Die phalerische und die nördliche lange Mauer wurden zuerst gebaut, und zwar, nachdem die kolossale Befestigung des Piräeus beendigt war. Sie wurden 452 v. Chr. vollendet. Den Vorschlag zum Bau der mittlern Mauer machte Perikles; derselbe wurde aber erst nach 448 begonnen und ausgeführt von Kallikrates, dem Baumeister des Parthenon. Die beiden ersten Mauern hatten den Zweck, zu verhindern, daß die Stadt durch eine Belagerung vom Meer getrennt würde; die dritte Mauer wurde hinzugefügt, damit auch für den Fall, daß der Feind schon eine Mauer genommen hätte, die Verbindung mit den Häfen doch nicht unterbrochen wäre. Der Zwischenraum zwischen ihnen war während Athens Blütezeit ziemlich dicht bewohnt, diente aber in Kriegszeiten auch zum Zufluchtsort für die Landleute. Die phalerische Mauer scheint schon in der letzten Zeit des Peloponnesischen Krieges verfallen zu sein; die beiden andern wurden zerstört, nachdem die Lakedämonier A. erobert hatten. Konon aber erneuerte nur die beiden langen Mauern, und es ist seitdem auch immer nur von zwei Mauern die Rede.
A. hatte, Piräeus und Munychia eingerechnet, mehr als 10,000 Häuser und in seiner Blüte 21,000 freie Bürger, was auf eine Einwohnerzahl von mehr als 200,000 schließen läßt. Der vorzüglichste Teil des Privathauses (s. den Plan eines altgriechischen Hauses im Artikel »Griechenland«) war der Hofraum, den in größern Häusern die äußere Mauer von der Straße trennte; in der Regel führten aber die Haustüren unmittelbar auf die Straße. Die obern Stockwerke hingen über und ruhten auf Säulenhallen. In der frühern Zeit waren die Privatwohnungen meist unansehnlich und ärmlich, aus Fachwerk oder, wie ein Teil der Stadtmauer, aus ungebrannten, an der Sonne getrockneten Lehmziegeln gebaut. Während aber die Privatleute bei dem Bau ihrer Wohnungen durchaus keinen Aufwand machten, führte der Staat die bewundernswürdigsten und kostspieligsten Tempel- und andre Bauten auf. Ein umfangreiches System antiker unterirdischer Leitungen, die der quellenlosen Stadt das Wasser zuführten, ist neuerdings in seinen Resten nachgewiesen worden.
Das heutige Athen.
(Hierzu der »Stadtplan von Athen«.)
Unmittelbar nördlich vom Felsen der Akropolis liegt in einem Halbkreis, wovon jener das Zentrum bildet, das heutige A., seit 1835 die Hauptstadt des Königreichs Griechenland. Die Wiederherstellung der Stadt, die teilweise über den Raum des alten A. hinausgewachsen ist, wurde unter König Otto nach einem Plan des bayrischen Baumeisters v. Klenze begonnen. Doch läßt sich eine gewisse Einförmigkeit nicht ableugnen, wie auch das Straßenleben Athens mehr europäischen als orientalischen Charakter hat.
Die Hauptstraßen und Hauptmittelpunkte eines regen Geschäftsverkehrs sind Piräeus-, Athene-, Stadion-, Hermes- und Äolosstraße, während ein vornehmeres und ruhigeres Viertel durch Akademie-, Universitäts- und Kephissiastraße dargestellt werden. Nach Phaleron (Seebad) führt ein Dampftramway, Eisenbahnen nach dem Hafen Piräeus, nach Laurion und dem Peloponnes; dazu mehrere Pferdebahnlinien für den Stadtverkehr. Die elektrische Beleuchtung Athens durch das 1901 in Phaleron errichtete Elektrizitätswerk wird vorbereitet. Außer den öffentlichen Brunnen versorgt die alte Hadrianische Wasserleitung, allerdings nicht ausreichend, A. mit dem Quellwasser des Hymettos und Pentelikon. Unter den Kirchen, deren überwiegende Mehrzahl dem orientalischen Kultus angehört und von denen 7 aus byzantinischer Zeit stammen, während 55 neu sind, sind am wichtigsten die große und kleine Metropolis, letztere im 13. Jahrh. ganz aus antiken Stücken erbaut, erstere 1840–55 aus dem Material von 70 kleinern Kirchen und Kapellen errichtet. Dazu je eine russische, römisch-katholische und prot. Kirche sowie eine Synagoge. Die bedeutendsten und schönsten, vielfach aus Marmor erbauten öffentlichen Gebäude sind: die Akademie der Wissenschaften, die Universität (1899: 57 Professoren und 2802 Studenten), daneben die neue Bibliothek mit 150,000 Bänden, das Numismatische Museum (eins der bedeutendsten und reichsten Europas), das Abgeordnetenhaus mit Kammerbibliothek (etwa 160,000 Bände), das Polytechnikum mit Schliemanns mykenischen Altertümern und andern Sammlungen (ägyptische Altertümer, Terrakotten, Bronzen, Vasen), das Zentralmuseum mit wichtigen vorhellenischen und ägyptischen Sammlungen, die Sternwarte, das Neue Theater, das Zappeion (ständiges Ausstellungsgebäude), das Arsakeion (Mädchenschule und Lehrerinnenseminar, größtes Institut seiner Art im Orient), das Rhizarion (Priesterseminar mit Bibliothek von 45,000 Bänden), das königliche Schloß, das neue Kronprinzenpalais, je ein deutsches, österreichisches, französisches, englisches und amerikanisches Archäologisches Institut, das Stadion (für die olympischen Kampfspiele bestimmt), Schliemanns klassisch- schön ausgeschmücktes Privathaus.
Die Bevölkerung Athens bestand 1821 beim Beginn der griechischen Erhebung aus 10,000 Christen und 1500 Türken; 1832 lebten nur noch 1500 Christen und 300 Türken in A., während es 1871: 44,510, 1879: 66,834 und 1896: 111,486 (Gemeinde 128,735) Einw. zählte. In dem ältern Stadtteil um den Markt und die Akropolis wohnen die eingebornen, handeltreibenden Hellenen in engen Gassen und kleinen, schmutzigen Häusern; die Eingewanderten (Hof, Beamte) bevorzugen die lebhaften neuen Straßen im nordöstlichen, europäisch gefärbten Stadtteil. Unter den Ausländern sind am stärksten die Deutschen vertreten, die eine eigne deutsche Schule unterhalten. Wie im Altertum, ist A. auch heute Mittelpunkt des politischen, geistigen und finanziellen Lebens und mit dem Piräeus der Brennpunkt des wirtschaftlichen Lebens von ganz Griechenland. Das Handels- und Geschäftsleben hat neuerdings einen wesentlichen Aufschwung genommen, wenngleich es sich noch lange nicht mit demjenigen des Piräeus messen kann. Unter seinen zahlreichen industriellen Etablissements zählt A. 2 Dampfmühlen, 3 Eis-, 4 Makkaroni-, je eine Seifen-, Hut- und Stofffabrik, mehrere Spiegel-, Möbel-, Wagen-, Schokoladen- und Spirituosenfabriken, 10 Webereien, 3 Brauereien. A. ist der Sitz eines deutschen Berufskonsuls und von fünf größern Banken. Von wissenschaftlichen und ähnlichen Anstalten besitzt A. außer den bereits genannten: 6 Gymnasien, 8 Progymnasien, ein Lehrerseminar, 50 Volksschulen, 2 Waisenhäuser, 2 Krankenhäuser, ein Findelhaus, ein Arbeitshaus für mittellose Frauen, einen botanischen Garten, ein anatomisch-pathologisches und ein naturwissenschaftliches Museum, 7 wissenschaftliche und künstlerische Vereine, von denen die philologische Gesellschaft Parnassos, die griechische Archäologische Gesellschaft, der mehr politische Zwecke verfolgende Hellenismos und ein Verein zur Verbreitung griechischer Bildung (namentlich in der Türkei) hervorzuheben sind. Ferner 33 Druckereien, 20 Tages- und Wochenblätter, 10 Wochenschriften. Die Verwaltung steht unter dem Präfekten (Nomarchos) von Attika, der unmittelbar dem Ministerium des Innern untergeordnet ist. Die städtischen Angelegenheiten leitet ein Bürgermeister (Dimarchos) nebst einem Gemeinderat, die von der Gemeinde (Demos) erwählt werden. A. ist Sitz eines griechischen Metropoliten.
Geschichte Athens.
Die Landschaft Attika war nach der Überlieferung in ältester Zeit von Pelasgern bewohnt. Non der See her empfing sie bald Einwanderer und Ansiedler, zuerst Phöniker, dann kleinasiatische Stämme und mit ihnen die Anregung zu höherer Kultur. Als erster König wird Kekrops, der Erbauer der Burg, genannt, die Vereinigung der zwölf Stadtgemeinden Attikas zu einem Staat (Synoikismos), dessen Hauptstadt A. wurde, wird Theseus zugeschrieben. In der nächsten Zeit entwickelte sich A. zum Mittelpunkte der Ionier (s. d.). Die durch die dorische Einwanderung verdrängten ionischen alten Einwohner des Peloponnes suchten daher dort ihre Zuflucht, und die ionische Besiedelung der Zykladen und Kleinasiens soll von A. ausgegangen sein; jedenfalls findet sich die ionische Einteilung in Phylen (Geleonten, Hopleten, Aigikoreis und Argadeis) in Attika schon sehr früh. Nachdem sich der letzte König Kodros (nach der Sage) bei einem Einfall der Dorier für sein Volk aufgeopfert hatte (1068), wurde das Königtum abgeschafft und die oberste Gewalt Archonten übertragen, erst einem aus dem Königsgeschlecht auf Lebenszeit mit dem Rechte der Erbfolge, seit 752 auf zehn Jahre; seit 713 wurde der Zutritt allen Eupatriden eröffnet, 683 ihre Zahl auf neun erhöht und die Amtsdauer auf ein Jahr vermindert. Von nun an war die Verfassung Athens eine streng aristokratische: der Adel, die Eupatriden, die großen Grundbesitzer, hatten allein politische Rechte und suchten durch rücksichtslose Handhabung des harten Schuldrechts die beiden andern Stände, die Geomoren (Landbauern) und Demiurgen (Gewerbsleute), zu unterdrücken und sie namentlich ihres Grundbesitzes zu berauben. Der Versuch des Eupatriden Kylon (Sieger in Olympia 640), sich zum Tyrannen zu machen, mißlang; aber er führte eine Spaltung unter den Geschlechtern des Adels herbei; das mächtigste, die Alkmäoniden, wurde wegen des »Kylonischen Frevels« (die Anhänger Kylons waren an den Altären getötet worden) verbannt, und nun erhoben sich auch die andern Stände und verlangten ein Gesetzbuch. Mit seiner Abfassung wurde Drakon (624) beauftragt; er hat aber nur das Blutrecht und das gerichtliche Verfahren geregelt (so streng, daß man sagte, seine Gesetze seien mit Blut geschrieben), die Unzufriedenheit nicht beseitigt. Dazu regte sich in A. das Streben, für den Handel freie Bahn zu schaffen; Ägina und Megaris waren ihm in dieser Beziehung weit überlegen, Salamis im Besitz von Megaris sperrte ihm die Ausfahrt; Versuche, es zu erobern, waren mehrfach gescheitert. Tief in das Volksleben hinein erstreckte sich die Gärung. Da gelingt es Solon, durch begeisternde Verse die Wiedergewinnung der Insel herbeizuführen. So wird er für 594 zum Archonten mit unumschränkter Machtvollkommenheit gewählt, um die Ruhe wiederherzustellen, und beseitigte zunächst zur sozialen Befreiung des Bauernstandes durch die sogen. Seisachtheia (»Entlastung«) die drückende Schuldknechtschaft. Dann ging er mutig und zuversichtlich und doch besonnen und maßvoll an die Verfassung selbst. Der Unterschied zwischen Stadt und Land wurde aufgehoben, alle freien Bewohner von Attika wurden Bürger von A.; jedoch nicht mit gleichen Rechten; diese wurden bemessen nach den Pflichten und diese wieder nach dem Grundbesitz, so daß immer noch ein gewisses Übergewicht des Adels blieb. So teilte er das Volk in vier Klassen: die Pentakosiomedimnen, die 500 Scheffel und mehr Getreide (oder entsprechend viel Wein und Öl) jährlich ernteten, die Hippeis (300–500), die Zeugiten (200–300) und die Theten, und verpflichtete die drei ersten Klassen zum Kriegsdienst als Schwerbewaffnete und zu Steuern im Notfall, die erste auch noch zur Stellung von Kriegsschiffen, während die vierte Klasse steuerfrei war und nur leichtbewaffnet, später als Schiffsbemannung diente. Dagegen war der ersten Klasse das Archontat vorbehalten, und nur den drei ersten Klassen waren die andern Ämter und die Bule (der Rat) zugänglich, die, aus 400 über 30 Jahre alten Bürgern bestehend, die Beschlüsse für die Volksversammlung vorzubereiten und die Verwaltung zu führen hatte, und zwar so, daß sich die Mitglieder der vier Phylen als »Prytanen« alle Vierteljahre darin abwechselten. Zur Volksversammlung (Ekklesia) hatten alle Bürger Zutritt; sie trat viermal im Jahre zusammen, wählte die Beamten, nahm denselben und den Prytanen Rechenschaft ab und entschied in allen gesetzgeberischen und politischen Fragen in höchster Instanz. Dem aus gewesenen Archonten gebildeten Areopag gab Solon außer dem Blutgericht eine zensorische Aufsichtsgewalt über Staatswesen und Sitte; in gewöhnlichen Streitsachen entschied die Heliäa, ein aus 5000 jährlich durchs Los bestimmten Mitgliedern bestehendes Geschwornengericht. Neben den Bürgern gab es noch Metöken, Fremde, die für den Schutz des Staates ein Schutzgeld bezahlten, meist Gewerbtreibende und Kaufleute, und zahlreiche Sklaven; in der Blütezeit hatte Attika insgesamt 500,000 Einw.
Mit Solon beginnt die freie Entwickelung Athens zur Handelsstadt, trotz der neuen Unruhen, die durch die Parteikämpfe der Pediäer (der großen Grundbesitzer), der Paraler (der Handel- und Gewerbtreibenden) und der Diakrier (Bauern und Hirten) hervorgerufen wurden. Mit Hilfe der letztern bemächtigte sich 561 Peisistratos der Tyrannis, die er nach zweimaliger Vertreibung 541–527 dauernd behauptete; jedoch ließ er die Formen der Solonischen Verfassung unangetastet, sorgte für das Wohl der Landbevölkerung wie für den Verkehr und die städtischen Interessen, unterstützte den Handel und war zugleich auf Verbreitung der geistigen Bildung bedacht. Nach seinem Tode (527) herrschten seine Söhne Hippias und Hipparchos anfangs in seinem Sinn. Als aber letzterer 514 von Harmodios und Aristogeiton aus Privatrache ermordet worden war, machte sich Hippias durch Argwohn und Grausamkeit in A. verhaßt, so daß die verbannten Alkmäoniden ihn 510 mit Hilfe der Spartaner vertreiben konnten. Der Versuch Spartas, eine aristokratische Regierung in A. einzusetzen, war infolge der Härte seines Auftretens nicht von Dauer; der Alkmäonide Kleisthenes setzte sich an die Spitze der Volkspartei und bildete die Verfassung Solons zu einer Demokratie aus, indem er den Einfluß des Adels brach (508). Zu dem Zweck hob er die alte auf Blutsverwandtschaft beruhende Einteilung in vier Phylen auf und richtete dafür zehn neue ein, jede mit zehn geographisch getrennten Demen, übertrug die Kriegsführung zehn jährlich zu wählenden Strategen und gab der Volksversammlung das Recht, durch den Ostrakismos (Scherbengericht) die Bürger auf zehn Jahre zu verbannen, die durch ihre Macht oder ihre politischen Bestrebungen dem Staatswohl gefährlich wurden. Mit Heeresgewalt drohte der Spartanerkönig Kleomenes die neue Ordnung zu stürzen (507); indes sein Mitkönig Demaratos war andrer Ansicht, das athenfreundliche Korinth weigerte die Heeresfolge: so zog sich das peloponnesische Heer, das schon Eleusis besetzt hatte, ohne Kampf zurück. Die mit Sparta verbündeten Böotier und Chalkidier wurden glänzend geschlagen. A. war zu dem mächtigsten griechischen Staate nächst Sparta emporgewachsen.
Blütezeit Athens.
Kühn gemacht durch ihre Erfolge, hatten die Athener 500 den Aufstand der stammverwandten Ionier in Kleinasien durch Sendung von 20 Kriegsschiffen unterstützt und, als nach Unterdrückung des Aufstandes der Perserkönig Dareios Unterwerfung von den Griechen verlangte, dieselbe schroff zurückgewiesen. Die Folge war ein Rachezug der Perser unter Datis, der auf des Hippias Rat in Marathon landete und A. in große Gefahr brachte. Da aber bewährte es seine in den letzten Jahrzehnten erstarkte Vaterlandsliebe und gewann, nur von Platää unterstützt, 490 unter Miltiades einen glänzenden Sieg über den weit stärkern Feind bei Marathon. Richtig sah es eine Wiederholung des persischen Angriffs voraus und verwandte auf Betreiben des Themistokles den Ertrag der Silbergruben des Laurion zum Bau von Kriegsschiffen. So war A. am besten gerüstet, als Xerxes zu Wasser und zu Land 480 Griechenland überfiel, zugleich aber bewies es wiederum von allen Griechen den weitesten Blick und die größte Hingebung an die Sache des Vaterlandes. Zweimal gaben sie ihre Stadt der Zerstörung durch die Perser preis, ließen sich durch die Eifersucht und das Zaudern Spartas nicht beirren und trugen bei Salamis, Platää und Mykale das meiste zu den glänzenden Siegen bei, welche die griechische Freiheit vor den Barbaren retteten. Vergeblich bot Sparta alles auf, der Entwickelung Athens Hindernisse zu bereiten; sein Einspruch gegen den Wiederaufbau der Ringmauer wurde durch die List des Themistokles vereitelt, und auch der Piräeus zu einer starken Festung ausgebaut, und als der spartanische Oberbefehlshaber Pausanias sich durch seinen Hochmut die griechische Flotte in Kleinasien entfremdet hatte, trat A. an die Spitze der Seestaaten und erlangte die Hegemonie zur See. Durch den von Aristeides 476 eingerichteten Seebund übernahm A. den Schutz des Gebietes der Mitglieder, und diese verpflichteten sich zur Stellung von Schiffen und Truppen und zur Zahlung von Geldbeiträgen für den gemeinschaftlichen Krieg gegen die Perser. Mittelpunkt des Bundes war zuerst Delos, von wo jedoch die Athener, als immer mehr Staaten ihnen die Stellung von Schiffen und Truppen gegen die Zahlung von Geldsummen überließen, die Bundeskasse 460 in ihre Stadt verlegten. Versuche, abzufallen, wurden mit völliger Unterwerfung gebüßt, und die Athener wurden in Wahrheit aus den Bundesgenossen Herren.
Den Krieg gegen die Perser setzten die Athener mit Kraft und Erfolg fort; besonders war es Kimon, seit der Verbannung des Themistokles durch das Scherbengericht (470) der gefeiertste Mann in A., der im Innern Erhaltung der bestehenden Verfassung, nach außen ein enges Bündnis mit Sparta anriet, um die ganze Kraft Griechenlands gegen die Perser wenden zu können, und auch 466 einen großen Doppelsieg über die Perser zu Wasser und zu Land am Eurymedon erfocht. Als jedoch die Spartaner im dritten Messenischen Krieg die ihnen auf Kimons Rat zugesandten athenischen Hilfstruppen zurückschickten und hierdurch das athenische Volk schwer beleidigten, wurde Kimon 461 verbannt, das Bündnis mit Sparta gelöst und ein neues mit dessen Todfeind Argos geschlossen, dem auch Thessalien und Megaris beitraten. Dagegen vereinigten sich, auf Athens wachsende Seemacht eifersüchtig, 458 die peloponnesischen Seestaaten Korinth, Epidauros und Ägina zu einem Kriege gegen A. Mit wechselndem Erfolg (457 Niederlage der Athener bei Tanagra) wurde er geführt; das Ergebnis aber war doch, daß Böotien, in dessen Städten demokratische Regierungen eingesetzt wurden, Phokis und das opuntische Lokris, später auch Naupaktos und Achaia sich dem Athenischen Bund anschlossen, der 450 in einem fünfjährigen Waffenstillstand von Sparta anerkannt wurde. Ferner wurden in diesem Zeitraum die langen Mauern nach dem Piräeus und Phaleron vollendet, wodurch A. eine sichere Verbindung mit der See erhielt, Ägina unterworfen und von der athenischen Flotte, die der 454 zurückberufene Kimon nach Kypros geführt hatte, nach seinem Tode 449 ein Seesieg über die Perser bei Salamis gewonnen, worauf zwischen Griechenland und Persien Waffenruhe eintrat.
Nach Kimon ward Perikles in A. der leitende Staatsmann, der die Kräfte des Volkes durch Vollendung der Demokratie frei entfalten und zu den höchsten Leistungen befähigen zu können glaubte. Deswegen hatte er schon 460 durch das Gesetz des Ephialtes dem Areopag die Aussicht über die Gesetzgebung und Verwaltung, die Sitten und die Rechtspflege entzogen und ihn auf den Blutbann beschränkt; die Gerichtsbarkeit hatten die Heliäa, die Oberaufsicht über die Gesetzgebung eine neue, vom Volk jährlich gewählte Behörde, die sieben Nomophylakes (Gesetzeswächter) erhalten. Hiermit war die höchste selbständige Behörde beseitigt, und die Volksversammlung entschied über alle wichtigern Dinge, in ihren Beschlüssen durch nichts mehr gehindert; in ihr lag der Schwerpunkt des Staates. Durch die Einführung von Entschädigungen der Bürger für ihre politische Tätigkeit, das Stratiotikon (Kriegssold), Heliastikon (Richtersold) und Ekklesiastikon (für den Besuch der Volksversammlungen), wurde auch den ärmsten Bürgern die Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten ermöglicht. So war in A. die Demokratie zur Vollendung gebracht, in Wahrheit aber beherrschte Perikles durch die Überlegenheit seines Geistes und Charakters und die Macht seiner Beredsamkeit das Volk, den Demos, und regierte den Staat mit fast monarchischer Gewalt; nie gab er den schlechten Neigungen und Leidenschaften des Volkes nach, sondern begeisterte es für die Größe des Vaterlandes, für ideale Ziele, für Künste und Wissenschaften. Er selbst verwaltete mit außerordentlichen Vollmachten die Finanzen; die andern Ämter wurden mit seinen Anhängern besetzt. Einen Teil der bedeutenden Einkünfte verwendete er, um A., namentlich die Akropolis, mit den herrlichsten Bau- und Bildwerken (s. oben) zu schmücken und es zum Sitz der bildenden Künste zu erheben. Die dramatische Poesie wurde durch Äschylos, Sophokles, Krates und Kratinos auf ihren Höhepunkt gebracht und von Staats wegen durch das Theatergeld (Theorikon), das auch dem ärmern Bürger den Zutritt zu den Aufführungen öffnete, und die Ausstattung der Umzüge und Vorstellungen gefördert. Philosophie und Beredsamkeit blühten, und die berühmtesten Gelehrten und Künstler Griechenlands siedelten vorübergehend oder dauernd nach A. über, das die erste Stadt der hellenischen Welt, ihr geistiger Mittelpunkt wurde.
Die äußere Macht Athens erlitt im Anfang der Perikleischen Zeit durch den Wiederausbruch der Feindseligkeiten einige Verluste. Durch die Niederlage des Tolmides bei Koroneia 447 ging die Hegemonie über Böotien verloren, 445 fielen Euböa und Megaris vom athenischen Bündnis ab, ein gleichzeitiger Einfall der Spartaner in Attika brachte den Staat in höchste Gefahr. Doch wurde Sparta durch Perikles zu einem 30jährigen Frieden bewogen, in dem A. auf die Hegemonie zu Lande verzichtete. Überzeugt jedoch, daß ein Entscheidungskampf um die Herrschaft über Hellas unvermeidlich sei, beschloß er, ohne ihn herauszufordern, durch Verstärkung der Seemacht A. zum erfolgreichen Bestehen zu befähigen. Durch Anlegung von Kolonien, wie Thurioi und Amphipolis, wurde die Seeherrschaft erweitert, attische Bürger als Kleruchen auf Naxos, Andros, in der Chersonesos und an den Küsten des Schwarzen Meeres angesiedelt; die Zahl der A. zinspflichtigen Orte belief sich auf fast 300, der jährliche Tribut der Seebundstaaten auf 600 Talente (2,700,000 Mk.). Beträchtliche Summen gingen auch ein durch Zölle und Hafengelder, deren Ertrag mit dem blühenden Handel wuchs, durch die Schutzsteuer der Metöken, durch die Gold- und Silberbergwerke, namentlich an der thrakischen Küste, durch Pachtgelder etc., so daß die Gesamteinnahme sich fast auf 10 Mill. Mk. belief, und daß trotz der bedeutenden Ausgaben für Zwecke der Kunst und die verschiedenen Solde ein Staatsschatz von 6000 Talenten (fast 30 Mill. Mk.) gesammelt wurde. Eine Flotte von 300 Triëren war stets kriegsbereit; die Befestigungen des Piräeus und die Schiffswerften wurden erweitert und eine dritte Verbindungsmauer zwischen A. und dem Hafen erbaut. Die Landmacht bestand aus fast 30,000 Mann, wovon 13,000 Hopliten, 16,000 Mann Landwehr waren. So konnte, als Sparta den Entscheidungskampf herbeiführte, A. in den Peloponnesischen Krieg (431–404) mit Zuversicht eintreten.
Der Ausbruch der Pest, die den Kern der Bürgerschaft wegraffte, und der Tod des Perikles (429) verursachten jedoch einen verhängnisvollen Umschwung. An Perikles' Stelle trat kein ebenbürtiger Nachfolger, und ehrgeizige, gewissenlose Demagogen, wie Kleon, suchten das Volk für sich zu gewinnen, das, der gewohnten festen Leitung beraubt, sich seinen verderblichen Eigenschaften, übermütiger Selbstüberschätzung, streitsüchtigem Parteigeist und herrischer Härte gegen die Untertanen hingab. Nach Kleons Tode setzte Nikias durch, daß 421 ein Friede mit Sparta geschlossen wurde, der A. die Zeit gewährte, frische Kräfte zu sammeln und den Kampf später mit Aussicht auf Erfolg wieder aufzunehmen. Aber der verbrecherische Ehrgeiz des Alkibiades stürzte A. von neuem in kriegerische Verwickelungen; er verführte das leichtfertige, abenteuerlustige Volk zu der gewagten Unternehmung gegen Sizilien (415–413), die mit dem Untergang einer großen Flotte und eines starken Landheeres endete, und wurde dann, von seinen Gegnern verbannt, der gefährlichste Feind seines Vaterlandes. Durch die auf seinen Rat vollzogene spartanische Besetzung Dekeleias (413) wurden die Athener gezwungen, sich hinter die Mauern zurückzuziehen, und die Verbindung mit Euböa abgeschnitten; durch die Errichtung einer spartanischen Flotte mit persischer Hilfe wurden die bedeutendsten Staaten des Seebundes, der schweren Steuern und der Willkürherrschaft Athens müde, zum Abfall ermutigt. Dabei herrschte in A. ein wüstes Parteitreiben; 411 gelang es sogar den Ränken der oligarchischen Parteihäupter, die Solonische Verfassung auf kurze Zeit zu stürzen. Die Rückkehr des Alkibiades, der nun wirklich alles aufbot, sein Vaterland zu retten, war nutzlos, und als A. nach Vernichtung seiner letzten Flotte bei Ägospotamoi (405) von den Spartanern belagert wurde, verhinderten Theramenes und andre Oligarchen durch hinhaltende Verhandlungen einen heldenmütigen Widerstand und überlieferten A. 404 wehrlos dem Sieger, um von diesem die Herrschaft zu erlangen. Die Festungsmauern des Piräeus und die langen Mauern wurden geschleift, die Kriegsschiffe bis auf zwölf ausgeliefert und der Seebund aufgelöst; auch mußte sich A. gegen Sparta zur Heeresfolge verpflichten. Die Großmachtstellung Athens war vernichtet.
Verfall der Stadt.
Um eine neue Verfassung einzurichten, wurde in A. von den Spartanern das oligarchische Regiment der Dreißig Tyrannen eingesetzt, die durch Hinrichtung und Verbannung der besten Bürger die schwersten Leiden über die Stadt brachten, bis sie von den Flüchtlingen unter Thrasybulos 403 gestürzt und unter dem Archontat des Eukleides die demokratische Verfassung in etwas gemäßigter Form wiederhergestellt wurde. Der Geist der Eintracht und der Ehrfurcht, der die alten Ordnungen erfüllt hatte, konnte freilich nicht durch Gesetze zurückgerufen werden. Überdies war durch die großen Menschenverluste während des Krieges die Bevölkerung eine ganz andre geworden, Begeisterung für hohe Ziele und Opferwilligkeit waren geschwunden und trotz der Erschöpfung der Hilfsquellen die Masse nur zu geneigt, sich vom Staate das Nichtstun bezahlen zu lassen. Für seine äußere Stellung kam indes A. der Zwist zu gute, in den Sparta durch sein Streben nach der Hegemonie mit seinen alten Bundesgenossen geriet; er verschaffte ihm Gelegenheit, sich von der spartanischen Herrschaft zu befreien. Konon stellte nach Vernichtung der spartanischen Flotte bei Knidos (394) die Befestigungen des Piräeus und die Verbindungsmauern her, und im Antalkidischen Frieden (387) behielt A. wenigstens die Herrschaft über Lemnos, Imbros und Skyros. Der übermütige Versuch des spartanischen Feldherrn Sphodrias, sich des Piräeus zu bemächtigen, veranlaßte auch die Athener, sich an dem Kriege zwischen Sparta und Theben zu beteiligen. Sie siegten über die spartanische Flotte bei Naxos (376) und bei Leukas (375) und schlossen mit etwa 70 Städten und Inseln einen neuen Seebund. Durch einen Sonderfrieden mit Sparta zog sich A. 371 aus dem Kriege zurück, in dessen fernerm Verlauf Sparta und Theben ihre Kräfte aufrieben. Aber es fehlte dem Volk an Einsicht, um diese günstige Lage auszunutzen, und die Kostspieligkeit der Söldnerheere nötigte es zu drückender Belastung der Bundesgenossen; daher fielen die mächtigsten ab, und A. mußte sich nach dem unglücklichen Verlauf des Bundesgenossenkriegs (357–355) entschließen, sie freizugeben und seinen Seebund auf Euböa und einige kleine Inseln zu beschränken. Als Philipp von Makedonien in die griechischen Verhältnisse einzugreifen begann, konnte A. sich weder zu entschlossener Gegenwehr, die Demosthenes mit patriotischem Eifer anriet, noch zu einer friedlichen Verständigung, zu welcher der König bereit war, entschließen; jene war durch die Schwäche Athens erschwert, diese gestattete der Nationalstolz der Athener nicht. So schwankten sie jahrelang zwischen kühnen Anläufen, Philipp die Spitze zu bieten, und schwächlichen Friedensverträgen hin und her, während der kluge Makedonier, einen offenen Bruch mit A. vermeidend, immer weiter vordrang und sich in Mittelgriechenland festsetzte. Es war zu spät, als sich A. 338 mit Theben zum bewaffneten Widerstand verband, doch kämpften die Athener bei Chäroneia mit allem Heldenmut, und ihre Niederlage war eine rühmliche. Obwohl Philipp A. eine milde und ehrenvolle Behandlung zu teil werden ließ, stellte es sich nach seiner Ermordung (336) und auf die falsche Kunde von Alexanders Tode (335) unter Demosthenes nebst Theben an die Spitze der Erhebung, die das makedonische Joch abschütteln sollte. Sie scheiterte, aber Alexander schonte A. aus Achtung vor seiner Vergangenheit. Durch die wechselreichen Kämpfe der Diadochen wurde auch A. schwer getroffen. Es mußte sich wiederholt makedonische Besatzung und Änderung seiner Verfassung gefallen lassen und kam endlich 262 durch Antigonos Gonatas ganz unter makedonische Herrschaft. Von dieser 229 durch Aratos befreit, schloß es sich dem Achäischen Bund an und stand in den Kriegen zwischen Makedoniern und Römern auf der Seite der letztern. Wenn es daher auch nach der Unterwerfung von ganz Griechenland sich unter die Oberaufsicht des römischen Statthalters von Makedonien beugen mußte, behielt es doch in Anerkennung seiner großen Geschichte seine innere Selbständigkeit, nur daß die Römer die aristokratische Regierungsform begünstigten, dem Areopag einen größern Wirkungskreis gaben und dem ersten Strategen eine Art Regentschaft übertrugen. Als Sitz griechischer Kunst und Wissenschaft spielte A. auch unter römischer Herrschaft eine große Rolle, und seine Rhetoren- und Philosophenschulen erfreuten sich eines zahlreichen Besuchs. Eine Unterbrechung erfuhr diese Entwickelung, als A. für Mithradates gegen die Römer Partei ergriff. Nach längerer, schreckensvoller Belagerung eroberte Sulla 87 den Piräeus und die Stadt selbst, zerstörte alle Befestigungen, Werften und Arsenale und gab A. der Plünderung preis. Auch in den Bürgerkriegen stand es auf der Seite der Besiegten. Eine neue Glanzzeit kam für A. durch den Kaiser Hadrian, der sich wiederholt längere Zeit in A. aufhielt, die Stadt durch Bauten schmückte, den Tempel des olympischen Zeus vollendete und die Bildungsanstalten zu einer vom Staat ausgestatteten Universität vereinigte. Gleichzeitig verwendete der Rhetor Herodes Atticus seinen Reichtum zur Verschönerung der Stadt und erbaute unter anderm das Odeion.
Dieser von spätern Kaisern begünstigten Nachblüte Athens machten die Stürme der Völkerwanderung ein Ende. Zwar die Goten, die es 267 eingenommen hatten, wurden von Dexippos bald wieder verjagt, aber 395 eroberte Alarich die Stadt, 529 schloß Kaiser Justinian I. die Universität, nachdem ihre geistige Bedeutung schon mit dem Sinken des Heidentums geschwunden war, und seitdem versank A. in völlige Vergessenheit. Der Name Athens trat erst zur Zeit des lateinischen Kaisertums 1205 wieder hervor, als ein burgundischer Ritter, Otto de la Roche, ein Herzogtum A. gründete, das seinem Hause bis 1308 verblieb, 1326 an das Königreich Sizilien fiel, 1394 aber von dem Florentiner Nerio Acciajuoli erobert wurde. Das Herzogtum, das Attika und Böotien umfaßte, stand unter venezianischer Oberhoheit, bis Sultan Mohammed II. den Herzog Francesco Acciajuoli 1458 vertrieb und Attika seinem Reich einverleibte; die Akropolis erhielt eine türkische Besatzung. In dem Kriege, den Venedig 1684–88 mit dem Sultan führte, belagerte Morosini die Stadt; 28. Sept. 1687 fiel in den Parthenon eine Bombe, welche die darin aufgehäufte Munition entzündete und durch die Explosion das herrliche Bauwerk zerstörte. Die Venezianer behaupteten A. übrigens nur bis 4. April 1688. Im I. 1772 wurde die Stadt zum Schutz gegen die Raubzüge der Albanesen mit einer Mauer umgeben, für deren Bau viele wertvolle Denkmäler des Altertums verwendet wurden. Auch für die Befestigungen der Akropolis wurden die Materialien antiker Bauwerke verbraucht. Doch sind Beschreibungen und Zeichnungen Athens vor diesen Zerstörungen vorhanden: der französische Gesandte in Konstantinopel, Marquis de Nointel, ließ 1674 durch den Maler I. Carrey Zeichnungen anfertigen; 1675 lieferten I. Spon und G. Wheeler Beschreibungen von A. Anfang des 19. Jahrh. war A. (Atiniah, Atine, auch Setine) eine Stadt von 10,000 Einw., von denen die wohlhabendern Türken waren. 1822 bemächtigten sich die aufständischen Griechen der Akropolis, Reschid Pascha begann 1826 deren Belagerung, nachdem er die Stadt erstürmt hatte, und zwang 5. Juni 1827 die griechische Besatzung zur Kapitulation. Entschieden wurde Athens Schicksal dadurch, daß König Otto im Februar 1834 seine Residenz von Nauplia nach A. verlegte, nachdem im Jahre vorher die Türken die Akropolis geräumt hatten; als die Hauptstadt des jungen Königreichs wuchs es allmählich zu einer modernen Stadt empor.
Vgl. Stuart und Revett, Antiquities of Athens (Lond. 1761–1816, 4 Bde.; deutsch hrsg. von Wagner, Darmst. 1829–33, 3 Bde.); Leake, The topography of Athens and the Demi (2. Aufl., Lond. 1841, 2 Bde.; deutsch von Baiter u. Sauppe, Zürich 1841); Forchhammer, Topographie von A. (Kiel 1841); Bréton, Athènes décrite et dessinée (2. Aufl., Par. 1868); Dyer, Ancient Athens, its history, topography and remains (Lond. 1873); Wachsmuth, Die Stadt A. im Altertum (Leipz. 1874–90, Bd. 1 u. 2); Burnouf, La ville et l'acropole d'Athènes aux diverses époques (Par. 1877); Hertzberg, A., historisch-topographisch dargestellt (Halle 1885); Curtius und Kaupert, Atlas von A. (Berl. 1878); Michaelis, Der Parthenon (Leipz. 1871); v. Wilamowitz, Aus Kydathen (Berl. 1880); Bötticher, Die Akropolis von A. (das. 1888); Meyers Reisebücher: »Griechenland und Kleinasien« (5. Aufl., Leipz. 1901); Curtius, Stadtgeschichte von A. (Berl. 1891); Lugebil, Zur Geschichte der Staatsverfassung von A. (Leipz. 1871); Böckh, Staatshaushaltung der Athener (3. Aufl.; hrsg. von Fränkel, Berl. 1886, 2 Bde.); Töpffer, Attische Genealogie (das. 1889); v. Wilamowitz, Aristoteles und A. (das. 1893, 2 Bde.); Martin, Les cavaliers athéniens (Par. 1886); Beloch, Die attische Politik seit Perikles (Leipz. 1884); Gregorovius, Geschichte der Stadt A. im Mittelalter (Stuttg. 1889, 2 Bde.); de Laborde, Athènes aux XV., XVI., XVII. siècles (Par. 1855, 2 Bde.); Konstantinides, Geschichte Athens von Christi Geburt bis 1821 (griech., 2. Ausg., Athen 1894); Kamburoglu, Geschichte der Athener. Die Türkenherrschaft (griech., das. 1889–91, 4 Bde.); Philadelpheus, Geschichte Athens unter der Türkenherrschaft 1400–1800 (griech., das. 1902, 2 Bde.).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.