Visconti [1]

Visconti [1]

Visconti, berühmte alte lombardische Familie. Der lateinische Name Vicecomites und der italienische V. bedeuten Vizegrafen und bezeichnen daher das Amt, das die Vorfahren der V. in Mailand ursprünglich bekleidet haben werden. Diese sind mit einiger Sicherheit seit dem 11. Jahrh. nachweisbar, der erste, der bedeutender hervortritt, war Otto, der 1111 bei einem Aufstande der Römer den König Heinrich V. vor der Gefangenschaft rettete, dann aber selbst in die Hände der Feinde geriet und grausam getötet wurde. Von ihm stammte Tebaldo de' V., der 1271 als Gregor X. den päpstlichen Stuhl bestieg. Einem andern Zweige der Familie gehörte Otto an, geb. 1208 in Ugogne. der 1263 Erzbischof von Mailand ward. Als ihm Martin della Torre den Eintritt in Mailand ve. bot, warf sich Otto zum Parteihaupt auf, sammelte die Ghibellinen um sich und bemächtigte sich Aronas. Aber erst 1277 gelang es ihm, die Oberhand über die guelfischen della Torre zu gewinnen, worauf er sich die Herrschaft über die Stadt übertragen ließ. Er starb 1295, nachdem er schon 1287 seinen Neffen Matteo zum Capitan von Mailand halte ernennen lassen. Diesen, der Novara, Vercelli, Como, Bergamo und andre Städte sich unterwarf, ernannte 1294 Adolf von Nassau zum Reichsvikar. Er ward zwar 1302 vertrieben, kam aber 1311 durch Kaiser Heinrich VII. wieder zur Regierung und starb im Kirchenbann 1322, nachdem er die Regierung in die Hände seines Sohnes Galeazzo (geb. 21. Jan. 1277) niedergelegt hatte, der vom Kaiser 1313 zum Vikar von Piacenza ernannt worden war. Galeazzo wurde 1327 durch Ludwig den Bayern gefangen gesetzt, erhielt zwar 1328 auf Fürbitten der Ghibellinenhäupter seine Freiheit, starb aber schon 6. Aug. Sein Sohn Azzo, geb. 1302, ward 1329 gegen große Geldzahlungen von Ludwig dem Bayern zum Reichsvikar in Mailand ernannt und bemächtigte sich nach und nach fast der ganzen Lombardei. Im folgte, da er kinderlos war, 1338 sein Oheim Lucchino, Sohn von Matteo V., geb. um 1287, der mit blutiger Strenge seine Herrschaft in Mailand befestigte und die Macht seines Hauses auch über Piemont und die Lunigiana ausdehnte, daneben auch ein Freund der Wissenschaften war, wie er denn mit Petrarca in Briefwechsel stand und selbst dichtete. Er starb 24. Jan. 1349. Sein Bruder Giovanni, seit 1342 Erzbischof von Mailand, regierte milder, erwarb 1350 Bologna durch Kauf und erhielt 1353 auch die Signorie von Genua. Die Wissenschaften hatten an ihm einen eifrigen Förderer; er war ein Bewunderer Dantes und Gönner Petrarcas. Ihm folgten nach seinem Tode 5. Okt. 1354 seine drei Neffen Matteo II., Bernabo und Galeazzo II., die Mailand und Genua gemeinschaftlich besaßen, das übrige Gebiet teilt en. Galeazzo II. erhielt Como, Novara, Vercelli, Asti, Tortona und Alessandria und teilte nach Matteos Tode 1355 dessen Besitzungen (Bologna, Parma, Piacenza, Lodi) mit seinem Bruder Bernabo, der Cremona, Crema, Brescia und Bergamo empfing. Der Reichtum und die Macht des Hauses erweckten indessen den V. zahlreiche Gegner, und die Nachbarn taten sich zu einer großen Liga gegen die V. zusammen. Bologna und Genua konnten die Brüder nicht behaupten; dagegen verteidigten sie ihren übrigen Besitz mit Erfolg und sicherten ihn durch den Frieden von 1364. Galeazzo, der zuletzt seinen Sitz nach Pavia verlegt hatte, starb 4. Aug. 1378 und hinterließ seine Herrschaft seinem Sohne Giangaleazzo, Grafen von Virtù (Vertus), geb. um 1347, der die französische Königstochter Isabella von Valois geheiratet hatte. Dieser ließ, von den Mailändern zur Übernahme der Regierung aufgefordert, seinen Oheim Bernabo, der sich durch Verschwendung und Grausamkeit verhaßt gemacht, nebst seinen zwei Söhnen 1385 gefangen nehmen und vereinigte so alle Besitzungen des Geschlechtes wieder meiner Hand. Mil ihm erreichte die Familie V. den Gipfel ihrer Größe und ihres Glanzes. Er erkaufte 1395 vom König Wenzel die Erhebung zum Herzog von Mailand, erwarb Pisa, Siena, Perugia, Padua und Bologna, behauptete seine Machtstellung gegen Florenz und Venedig und 1401 auch gegen einen Angriff des deutschen Königs Ruprecht und bereitete sich vor, den Titel eines Königs von Italien anzunehmen, als er 3. Sept. 1402 plötzlich an einer Seuche starb. Auch er liebte die Wissenschaften, zog die berühmtesten Männer an seinen Hof, stellte die Universität zu Piacenza wieder her, stattete die zu Pavia reicher aus und begann große Bauwerke, wie den Mailänder Dom, die Certosa und die Tessinbrücke bei Pavia. Seine zwei rechtmäßigen Söhne Gian Maria und Filippo Maria und ein natürlicher Sohn, Gabriele, teilten nach seinem Tode seine Staaten. Doch führte, da sie alle drei unmündig waren, die verwitwete Herzogin die Regierung, unter der furchtbare Parteikämpfe ausbrachen; während dieser starb die Herzogin 1404. Gabriele ward 1408 in Genua hingerichtet; Gian Maria, der zu einem furchtbaren Wüterich heranwuchs, wurde 16. Mai 1412 in der Kirche des heil. Gothard von Verschwornen ermordet. Filippo Maria, geb. 1391, hatte nach seines Vaters Tode Pavia und die Umgegend erhalten, bemächtigte sich jedoch nach der Ermordung des Bruders seines Gebiets und eroberte mit Hilfe seines Feldherrn Franz von Carmagnola die ganze Lombardei. Er starb 13. Aug. 1447 in Pesaro ohne männliche Nachkommen, und die Herrschaft ging nun auf den Gemahl seiner natürlichen Tochter Bianca, Franz Sforza, über. Mehrere Nebenlinien der Familie bestehen noch jetzt. Vgl. Litta, Ritratti dei V. signori di Milano con le loro vite (Mail. 1847); Sickel. Das Vikariat der V. (Wien 1859); Belgiojoso, Il conte di Virtù (Mail. 1861, 2 Bde.); Sorbelli, La signoria di Giovanni V. a Bologna (Bologna 1901); G. Romano, Gian Galeazzo V. e gli eredi di Bernabò (Mail. 1891); Kagelmacher, Filippo Maria V. und König Sigismund (Berl. 1885); Seguso, Bianca V. e Francesco Sforza (Vened. 1877); F. Calvi, Bianca Maria Sforza-V., regina dei Romani e gli ambasciatori di Lodovico il Moro alla corte cesarea (Mail. 1888), und die Literatur bei dem Artikel »Mailand«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • VISCONTI (L.) — Exemple type de l’intellectuel de sa génération, Visconti est issu de la classe privilégiée; il en accepte, entre autres bénéfices, celui d’accéder à l’art et de le pratiquer, tout en se servant précisément de cet art pour dénoncer l’injustice… …   Encyclopédie Universelle

  • Visconti — «Visconti» redirige aquí. Para otros usos, véase Visconti (desambiguación). Escudo de Armas de los Visconti de Milán mostrando a la biscione, una serpiente ingiriendo a un humano. La Casa de Visconti fue una familia noble del norte de Italia cuyo …   Wikipedia Español

  • Visconti — Visconti, Luchino ► Nombre de una célebre familia gibelina de Milán, que gobernó en esta ciudad desde el s. XIII al XV, fundada por el arzobispo Otón (1207 95), primer señor de Milán (1277 95); entre sus sucesores destacan Matteo (1250 1322),… …   Enciclopedia Universal

  • VISCONTI (J.-G.) — VISCONTI JEAN GALÉAS (1347 1402) Fils de Galéas II et de Blanche de Savoie, Jean Galéas, comte de Vertus (nom d’un comté de Champagne qu’il avait obtenu du roi de France en 1368), hérite en 1378 d’une partie des domaines des Visconti, jusque là… …   Encyclopédie Universelle

  • Visconti — (Louis Tullius Joachim) (1791 1853) architecte français: fontaines Molière (Paris), mausolée de Napoléon Ier aux Invalides. Visconti (Luchino) (1906 1976) cinéaste italien. Pionnier du néo réalisme (Ossessione, 1942), il réalisa des films de… …   Encyclopédie Universelle

  • Visconti — (Рим,Италия) Категория отеля: Адрес: Ватикан, 00186 Рим, Италия Описание …   Каталог отелей

  • Visconti [1] — Visconti (d.h. Vicegrafen), altes Mailänder Geschlecht, leitete seinen Ursprung von den Grafen von Angloria u. dadurch von den longobardischen Königen ab, auch wollen sie das Erbamt gehabt haben den italienischen Königen die Krone aufzusetzen.… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Visconti — (izg. viskȏnti) DEFINICIJA 1. m mn plemićka obitelj iz Milana koja je dominirala S Italijom u 14. i 15. st. 2. Gian Galeazzo (1351 1402), vladar cijele sjeverne Italije, dinastiju Visconti doveo do vrhunca moći 3. Luchino (1906 1976), talijanski… …   Hrvatski jezični portal

  • Visconti — [vēs kō̂n′tē] Luchino [lo͞o kē′nō] (Count Luchino Visconti, Duke of Modrone) 1906 76; It. theater, opera, & film director …   English World dictionary

  • Visconti [2] — Visconti, 1) Gasparo V. (Vesconti), angeblich Abkömmling von einem der natürlichen Söhne der alten Herzöge V., geb. 1461 in Mailand, lebte am Hofe der Sforza, wurde Ritter u. Gesandter u. starb 1499; er schr.: Rime, Mailand 1493; Li due amanti… …   Pierer's Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”