- England
England (hierzu die Karte »England und Wales«), Anglia, nach den Angelsachsen so genannt, der südliche Teil der Insel Großbritannien, umfaßt das eigentliche E. nebst den Küsteninseln, darunter Sheppey, Wight und die Scillyinseln. Politisch gehört dazu noch das westlich davon gelegene Fürstentum Wales. Von Frankreich wird E. durch die an der schmalsten Stelle nur 33 km breite Straße von Dover (Straits of Dover, Pas de Calais) getrennt; im O. grenzt es an die Nordsee, im S. an den Englischen Kanal (English Channel, la Manche), im W. an den Atlantischen Ozean und die Irische See. Der südlichste Punkt ist die Lizardspitze (40°58´ nördl. Br., 5°11´ westl. L.); der nördlichste liegt bei Berwick (55°49´ nördl. Br., 2°3´ östl. L.); der östlichste ist Lowestoft Neß an der Küste von Suffolk (52°29´ nördl. Br., 1°45´ östl. L.), der westlichste Landsend (50°4´ nördl. Br., 4°38´ westl. L.).
Bodenbeschaffenheit.
Der größte Teil Englands hat eine leicht wellige Oberfläche, ein andrer ist völlig eben, im N. und SW. findet sich Gebirgsland. Im allgemeinen ist der landschaftliche Charakter lieblich und durch Abwechselung angenehm. Im S. wechseln häufig höhere Hügel mit Tälern; im N. und W. aber ragt eigentliches Gebirgsland kahl über die umgebende grüne Landschaft hervor. Von Schottland wird E. durch die Cheviot Hills (s. Cheviots) getrennt, die eine Höhe von 867 m erreichen. Eine Einsenkung, durch welche die Eisenbahn von Carlisle nach Newcastle läuft (136 m), trennt dieses Grenzgebirge von dem breitbuckeligen Zug der Penninischen Kette (s. d.). Dieses »Rückgrat« Nordenglands erstreckt sich 245 km weit bis nach Derbyshire hinein, wo es mit dem 351 m hohen Weaver Hill endet. Es bildet die Wasserscheide zwischen der Nordsee und dem Irischen Meer. Sein höchster Punkt ist der Croß Fell (892 m). Es zeigt meist abgerundete Formen, enthält große Strecken von Torfboden und Heideland und ist reich an Steinkohle und Eisen; nach O. fällt es sanft in die breite, ergiebige Talebene von York ab, westlich grenzt es steiler an die fruchtbare, vom Eden durchflossene Cumbrische Ebene und an das Tiefland von Lancashire und Cheshire. Durch den Sattel von Yap Fell, an den Quellen von Eden und Lune, steht die Penninische Kette mit dem Cumbrischen Gebirge in Verbindung, das die Halbinsel von Cumberland erfüllt und im Sea Fell zu 984 m ansteigt. Heiden kommen zwar auch hier vor, aber malerische Seen, saftige Wiesen und bewaldete Täler haben diesen Lake District zu einer der besuchtesten Touristengegenden werden lassen. Die Ebene von Cheshire trennt die Gebirge Nordenglands von den Kambrischen Gebirgen in Wales (s. d.), die im Snowdon bis 1094 m ansteigen. Als Vorhügel dieses Gebirgslandes kann man die Clee Hills (550 m) und die Malvern Hills (426 m) jenseit des Severn auffassen. Den Kanal von Bristol kreuzend, erreichen wir die an malerischen Schönheiten reiche Halbinsel Devon-Cornwall, wo der Dartmoor, eine wüste, sumpf- und heidereiche Granitinsel, über eine üppig grüne Landschaft hervorragt und im Yes Tor eine Höhe von 625 m erreicht. Andre Höhenzüge sind hier der Exmoor im N., ein Schutz gegen Nordwinde, und die Cornischen Höhen (Cornish Heights) im äußersten Westen (Brown Willy, 415 m).
Diese Bergländer Englands sind von Tälern oder niedern Tafelländern begrenzt, durch die sie von den Hügellaudschaften des südöstlichen E. getrennt werden. Im N. liegt die fruchtbare Talebene von York, die in ausgedehnten, an der Verbindung von Ouse und Trent gelegenen Marschen ihre Fortsetzung findet. Die Mitte des Landes nimmt das 100–200 m hohe, ausgedehnte Tafelland von Birmingham ein, mit dem Wrekin (377 m) als isoliertem Gipfel nahe seinem Westrande, dies aber geht im O. in den Distrikt der Fens (s. d.) über, ein kleines »Holland« mit zahlreichen Kanälen und saftigen Weiden, während es im W. mit den Tiefebenen von Lancashire und Cheshire in Verbindung steht. Letztere läßt sich in südlicher Richtung längs des Severn (als Talebene von Gloucester) verfolgen und setzt sich als Talebene von Taunton etc. jenseit des Kanals von Bristol bis zur Südküste Devons fort. Die Osthälfte Englands ist von Dorsetshire bis nach Yorkshire mit Hügellandschaften bedeckt; die wichtigsten sind die Cotswold Hills (346 m) in Gloucestershire, die Marlborough Downs (295 m) in Wiltshire, die von der Ebene von Salisbury zum Kanal ziehenden North Downs u. die eine beckenartige Einsenkung (the Weald) umgebenden South Downs, die Chiltern Hills in Buckinghamshire (275 m), die Ostanglischen Höhen (East Anglian Heights), die Wolds in Lincolnshire und Yorkshire, endlich die Moors (454 m) im Nordbezirk von Yorkshire.
Küstenbildung. Die Küsten haben eine Ausdehnung von etwa 3060 km, und kein Punkt des Landes ist über 110 km von der Küste entfernt. Die Ostküste ist nur wenig gegliedert, und der Mangel an natürlichen Häfen wird nur unvollkommen durch die Flutmündungen einiger großer Flüsse ersetzt, so daß man zu künstlichen Hafenbauten hat seine Zuflucht nehmen müssen. Die Flachküste, teilweise Marschland, herrscht vor; wo Steilküsten vorkommen, sind sie aus Kreide, Sand oder Ton gebildet, die dem Anprall der Wellen nur wenig Widerstand leisten. Viel günstiger gestaltet ist die Südküste und namentlich die Westküste, wo steile Felsen aus härtestem Gestein dicht aus Meer herantreten und Buchten tief ins Land hineinschneiden. Aber auch da, namentlich in Lancashire, kommen Flachküsten vor, und es ist bemerkenswert, daß gerade an einer sol chen, an der Mün dung des Mersey, der größte Handelshafen des Landes, Liverpool, entstanden ist, während der prächtige, fjordartige Milfordhafen an der Küste von Wales nur wenig Anziehungskraft ausgeübt hat.
Geologische Verhältnisse.
(Hierzu die »Geologische Karte von England und Wales«.)
In E. sind fast sämtliche Gebirgsformationen vertreten. Steil aufgerichtete präkambrische Schiefer (Glimmerschiefer, Quarzit, Quarzschiefer, Tonschiefer, Hälleflinta etc.) bilden zusammen mit alten plutonischen Gesteinsmassen, wie Granit, Diorit, Gabbro und diabasartigen Gesteinen, und mit mächtig entwickelten, ebenfalls aufgerichteten und z. T. vielfach gefalteten und auch von Verwerfungen durchsetzten, paläozoischen Bildungen den Untergrund von Wales (Malvern Hills), Cornwall und dem westlichen Teil von Devonshire. Die kambrischen Schichten (Sandsteine und Schiefer), deren Gesamtmächtigkeit auf etwa 3000 m geschätzt wird, sind besonders in Wales verbreitet, die silurischen Ablagerungen, bis 9000 m mächtig, bedecken im östlichen Wales, in Shropshire und Herefordshire große Flächenräume und bestehen wesentlich aus Grauwacken, Konglomeraten, Sandsteinen, Quarziten, Tonschiefer, Mergel und Kalksteinen. Die devonischen Bildungen treten in zwei scharf getrennten und verschiedenen Fazies auf, einmal in einer schieferig-sandig-kalkigen Entwickelung, die sich in allen Punkten an die kontinentale Ausbildung anschließt und auf Devonshire und die benachbarten Teile von Somerset and von Cornwall beschränkt ist und eine mächtige Folge von Grauwacken, Schiefern und Kalksteinen mit darin eingeschalteten Eruptivgesteinen, besonders Granit in dem Dartmoor nördlich von Plymouth, darstellt; sodann in einer an 3000 m mächtigen, aus roten und bräunlichen, an unsern deutschen Buntsandstein erinnernden Sandsteinen und Konglomeraten bestehenden Schichtenfolge, der Old Red-Fazies, die im südlichen Wales, in Herefordshire, Schottland und auf den Orkneyinseln weitverbreitet ist und Reste großer Kruster und merkwürdiger Fische führt. Eine sehr große Ausdehnung besitzt die Karbonformation. Das Unterkarbon tritt meist als Kohlenkalk, nur in Devonshire als Kulm auf; das Oberkarbon beginnt mit dem als Millstonegrit bekannten Sandstein und enthält in der darauf folgenden obern Abteilung, den Coal-Measures, einen großen Reichtum an vortrefflichen Steinkohlen. Perm ist in Warwickshire, Staffordshire, Durham wohl entwickelt, ebenso die Trias, die von Newcastle und Liverpool an bis nach Devonshire hinein verbreitet ist, wesentlich als Buntsandstein und Keuper (new red sandstone). Der Muschelkalk fehlt. Der Lias ist in Yorkshire besonders wohl ausgebildet; zusammen mit dem wesentlich als oolithischer Kalk entwickelten Dogger und Malm (lower oolite, great oolite etc.) bildet er ein breites Band, das von der Küste von Dorsetshire quer durch E. bis an diejenige von Yorkshire hinausreicht. Durch den Purbeck, eine Brack- und z. T. auch Süßwasserbildung, verbindet sich die Kreide mit dem Jura. Die untere Kreide tritt besonders im Süden des Landes auf, teils in der Wealden-, teils in der marinen Fazies (Neokom, Speeton-Clay). Das obere Neokom bezeichnet der Engländer als lower greensand, dann folgt der Gault, in Kent, Bedfordshire, Cambridgeshire etc. entwickelt, hierauf kommt der auf Wight besonders zum Absatz gekommene upper greensand, Cenoman, und schließlich die bei Dover, Norwich etc. entwickelte obere weiße Schreibkreide, the chalk. In Kent, Surrey, Middlesex und Essex treten die ältesten Tertiärbildungen des Landes, die Thanet-Sande, zutage; das tertiäre Hauptgebilde ist aber der Londonton, der im Londoner Becken eine große Entfaltung erhält und alt-eocänen Alters ist. Das Oligocän (Osborne-Series, Hempstead-Series etc.) ist auf die Insel Wight und auf Hampshire beschränkt. In Norfolk, in Suffolk und Essex zeigen sich an der Küste eigentümliche pliocäne Gebilde, meist aus Sanden bestehend, die man crag genannt und in mehrere Unterabteilungen, als coralline oder white crag, Norwich crag etc., geteilt hat. Diese Ablagerungen mariner Natur führen viele Fossilien. An der Küste von Norfolk und in Lincolnshire im O. sowie in Shropshire und Lancashire im W. Englands kennt man typische Glazialablagerungen, oftmals mit großen erratischen Blöcken erfüllt. In den verschiedensten Gegenden Englands hat man in Höhlen die Spuren der Ureinwohner des Landes gefunden, so in Nordwales, in Devonshire und in Yorkshire.
Das südwestliche E. entspricht in seinem geologischen Bau vollkommen dem nordwestlichen Frankreich (Bretagne und Normandie) und ist ebenso wie dieses und die englischen Kanalinseln Jersey, Guernsey etc. als Reste der alten sogen. armorikanischen Masse zu betrachten, die am Ende der Karbonzeit als ein zusammenhängendes Hochgebirge von dem heutigen nördlichen Frankreich und Belgien weit nach N. und W. hin sich erstreckte (vgl. Europa, geologische Übersicht). Wie nachgewiesen, liegen Reste der armorikanischen Masse, aus kristallinischen Schiefern und paläozoischen Sedimenten aufgebaut, auch unter den jüngern Schichten des östlichen E. (im Londoner Becken); sie hebt sich ferner in der vorwiegend aus paläozoischen Schichten aufgebauten Penninkette wieder empor, um von hier aus über das ganze nördliche E. bis nach Schottland hin sich zu verbreiten. Au die paläozoischen Ablagerungen, in der Regel deutlich diskordant gegen dieselben gelagert, schließen sich die jüngern Bildungen von mesozoischem und tertiärem Alter in der Weise an, daß Trias, Jura, Kreide und Tertiär der Reihe nach aufeinander folgen, wenn man von dem Rande des alten Gebirges nach O. oder S. hin fortschreitet. So bildet die Triasformation eine zusammenhängende Zone, die von Exeter im S. schräg durch die ganze Insel bis zu der Mündung des Tees und des Tyne an der Nordostküste verläuft, nur von der Mitte, aus der Gegend von Birmingham, in nordöstlicher Richtung den vorher erwähnten Arm nach Liverpool und an die Westküste nach Lancaster hin entsendend. Auf die Trias folgt nach O. hin ein zusammenhängendes Band von Jura. Einzelne Inseln von jurassischen Ablagerungen auf der Trias zwischen Birmingham und Liverpool und ebenso die Juravorkommnisse bei Cardiff nördlich vom Bristolkanal deuten darauf hin, daß die Jurabildungen einst bei weitem größere Flächenräume bedeckten. Auf die Juraschichten folgen weiter im O. und SO. Bildungen der Kreide; letztere wieder sind im südöstlichen Teile des Landes von Tertiärablagerungen bedeckt. Eine große, ostwestlich verlaufende Aufwölbung der Gebirgsschichten bringt in den Provinzen Sussex und Kent die Kreide- und namentlich die Wealdenablagerungen in großer Ausdehnung an die Oberfläche und zerlegt dadurch die ältern Tertiärablagerungen in zwei vollständig getrennte Mulden. Die eine von diesen, an der Südküste rings um Southampton gelegen und den nördlichen Teil der Insel Wight mitumfassend, wird als das Tertiärbecken von Hampshire, die andre größere, in deren Zentrum London liegt, als das Londoner Becken bezeichnet. Die Ablagerungen in diesem letztern Becken waren schon vielfach gestört und denudiert, bevor die jüngern pliocänen Tertiärgebilde (Crag etc.) an der Küste von Suffolk und Norfolk und die z. T. sehr ausgedehnten Quartärablagerungen zum Absatz gelangten.
[Nutzbare Mineralien] finden sich besonders in denjenigen Teilen Englands, die vorherrschend aus paläozoischen Sedimenten und kristallinen Gesteinen bestehen. Die Karbonformation ist reich an vortrefflichen Steinkohlen (s. Karte »Verbreitung der Steinkohle«). Im S. von E. befindet sich das große, viel Anthrazit führende Kohlenfeld von Südwales, das durch die Caermarthenbai in zwei ungleich große Teile zerfällt. An dieses schließen sich die Kohlenvorkommen von Bristol und von Forest of Dean an. Mehr im Zentrum Englands liegen die Kohlenfelder von Warwickshire, Staffordshire, Shrewsbury, Nordwales, Lancaster, Derbyshire und Nottingham, mit den großen Industrieorten Birmingham, Manchester, Liverpool etc., nahe aneinander; sie erscheinen nur durch die Auslagerung jüngerer Formationsglieder voneinander getrennt, hängen aber unter diesen in der Tiefe zusammen. Sehr bedeutend sind ferner die weiter nördlich gelegenen Kohlenfelder, das von Northumberland (Newcastle) und Durham an der Ostküste und das von Cumberland an der Westküste. Außerdem schließen oberoligocäne Schichten, die eine kleine muldenförmige Vertiefung in dem Granit von Bovey-Tracey in Devonshire ausfüllen, gute und abbauwürdige Braunkohlen (Lignite) ein. Graphit findet sich in paläozoischen Schichten eingelagert bei Borrowdale und Bannerdale (Cumberland), auf der Insel Man und in Cornwall. Petroleumquellen, die der obern Steinkohlenformation entspringen, sind in der Gegend von Broseley in Shropshire vorhanden.
Ansehnliche Lager von Steinsalz, begleitet von Gips, werden im untern Keuper in Cheshire und Worcestershire angetroffen; diesen entstammen auch die Salzquellen von Northwich, Middlewich, Winsford, Nantwich etc. in Cheshire, von Droitwich und Stoke in Worcestershire, von Adderby in Shropshire und von Shirleywich in Staffordshire, die z. T. schon seit länger als 1000 Jahren zur Salzgewinnung benutzt werden. Das Steinsalz von Middlesbrough in Yorkshire findet sich in wahrscheinlich permischen Mergeln. Kali- und Magnesiasalze sind nicht bekannt.
Unter den Erzen nehmen die Eisensteine bei weitem die erste Stelle ein; auf sie ist eine großartige Industrie begründet. Die wichtigsten Eisenerzlager sind die der obern Kohlenformation; sie enthalten wesentlich einen durch tonige Beimengungen verunreinigten oder durch Kohle schwarz gefärbten, als Blackband bezeichneten Spateisenstein. In Staffordshire, Shropshire, Yorkshire, Derbyshire und in Nord- und Südwales werden derartige Eisensteine oft mittels derselben Schächte zutage gefördert, durch die man die Steinkohlen gewinnt, ein für die vorteilhafte Verarbeitung der Eisenerze höchst günstiger Umstand. Auch Roteisenstein (Hämatit) findet sich auf Gängen in den Coal-Measures an mehreren Orten in Cumberland (Egremont, Cleator Moor etc.), in Derbyshire und Staffordshire; auch im New red Sandstone wird er an mehreren Orten gewonnen. Spateisenstein kommt ferner im Devon in Somersetshire und Cornwall, im Jura in Yorkshire (Cleveland-Eisen), Magneteisen bei Hay Tor in Devonshire vor, Brauneisenstein außer im Karbon von Northumberland und im Devon von Cornwall namentlich auch noch in der Kreide (Lower Greensand) von Seend in Wiltshire und von Tealby in Lincolnshire, im Wealden von Sussex und Kent und in Juraschichten in Dorsetshire etc.
Blei-, Silber-, Kupfer- und Zinkerze (und zwar vorwiegend silberhaltiger Bleiglanz mit mehr zurücktretendem Kupferkies und Zinkblende, neben Flußspat, Kalkspat, Schwerspat und Witherit) finden sich besonders auf Gängen und Lagern im Kohlenkalk (metalliferous limestone) in Cumberland (Alston Moor), Northumberland (Allendale, Herham), Durham, Westmorland, Yorkshire und Derbyshire sowie im Kambrium von Wales (bei Llanidloes und am Plinlimmon etc.) und auf der Insel Man, auch in den kristallinischen Schiefern der Insel Anglesey. Ebenso werden Bleiglanzgänge, die Kupfererze und hin und wieder auch reiche Silbererze führen, in dem Devon von Cornwall (bei Liskeard) und von Devonshire (bei Beer Alston und Tavistock) abgebaut. Reicher als an Silber und Blei ist aber Cornwall an Kupfer und Zinn. Bei Redruth, Camborne, St. Ives etc. sinden sich die Kupfererze in der Regel mit den Zinnerzen zusammen, und zwar sowohl auf Gängen als auch sein eingesprengt in zarten Adern, Schnüren und Netzgängen, welche die devonischen Schiefer (Killas) sowie den Granit und die Porphyrgesteine (Elvans) durchsetzen. Die Gänge enthalten an den eben genannten Orten auch noch Zinkblende, Bleiglanz, Eisenkies, Arsenkies und viele sekundär gebildete Karbonate, Phosphate und Arseniate, seltener Wismut, Wolfram- und Uranerze (z. B. bei Redruth) und führen als Gangart Quarz, Flußspat, Turmalin und Glimmer. Auch Zinnseifen sind in Cornwall vorhanden, z. B. zwischen St. Austle und Blazey und bei Pentuan. – Manganerze (Pyrolusit, Psilomedan, Manganit etc.) liefern Cornwall, Devonshire, Somersetshire und Merionethshire. Gold kommt nur in geringer Menge (zusammen mit Kupferkies, Bleiglanz und Zinkblende) auf Quarzgängen in kambrischen Schichten bei Dolgelly in Merionethshire (Nordwales) und in Quartärablagerungen der Umgegend vor, ferner weiter nördlich bei Tremadoc und bei Llanrwst sowie in Südwales westlich von Llandovery. Auch in Cornwall hat sich etwas Gold auf Zinnerzseifen und im Anstehenden gefunden, ebenso in Somersetshire bei Clevedon und in Lancashire bei Broughton-in-Furneß. – Ohne Bedeutung ist das Vorkommen von Kobalterzen in dem untern Keupersandstein von Alderley Edge und Mottram St. Andrew. – Zur Herstellung von Schwefelsäure, Elsenvitriol etc. dient der Eisenkies, der eingesprengt in Schichtgesteinen sehr verbreitet. zumal in Cornwall und in den Kreidemergeln von Folkestone, vorkommt und besonders in der untern Abteilung der Coal-Measures bei Bradford gewonnen wird. Außerdem wäre noch das Vorkommen von Phosphorit in dem Kambrium bei Bola und Llanfyllin in Nordwales zu erwähnen. – über Bausteine, Erden etc. s. unten: S. 802 f.
Bewässerung.
Die Mehrzahl der englischen Seen befindet sich im Cumbrischen Gebirge, in dem sogen. Seebezirk (Lake District). Windermere, der größte von ihnen, ist indes nur 15 km lang, kaum 1,5 km breit und bedeckt eine Fläche von nur 10 qkm. Auch in Wales liegen einige kleine Seen, unter denen der 6 km lange Bala Lake der bedeutendste ist. E. hat eine nicht unbedeutende Anzahl von heißen Quellen und Mineralwässern, die sämtlich in der Steinkohlenformation auftreten. Zu erstern gehören diejenigen von Bath (47°) und Bristol (24°) im W. Englands, die von Buxton (27°), Matlock (20°) und Bakewell (16°) in Derbyshire und die St. Taafe's Well bei Cardiff (26°) im südlichen Wales. Von kalten Schwefelwässern sind zu erwähnen: das von Gilsland in Cumberland, Harrowgate in Yorkshire und Holbeck bei Leeds; von Laugenwässern: das von Malvern in Worcestershire; von Eisenwässern: Cheltenham in Gloucestershire, Scarborough und Harrowgate in Yorkshire, Tunbridge Wells in Kent und Brighton in Sussex; von Bittersalzwässern: Epsom in Surrey; endlich von Kochsalzquellen: Leamington in Warwickshire, Landridnod in Radnorshire, namentlich aber Ashby de la Zouch und Droitwich in Cheshire. Bemerkenswert sind noch die jod- und bromhaltigen Wässer von Purton Spa in Wiltshire und die alaunhaltigen Vitriolquellen von Sandrocks auf der Insel Wight.
Die wichtigern Flüsse Englands sind:
Wenn auch die Flüsse Englands sich mit denen des Kontinents nicht messen können, so sind sie doch infolge ihres Wasserreichtums und langsamen Laufs auf bedeutende Strecken schiffbar und leisten dem Verkehr wesentliche Dienste.
Klima, Pflanzen- und Tierwelt.
E. besitzt ein ausgesprochen ozeanisches Klima, dessen Hauptzüge sind: Abschwächung der Wärmeschwankungen, milde Winter, verhältnismäßig kühle Sommer, beständig große Luftfeuchtigkeit, reichliche Niederschläge (hauptsächlich im Herbst und Winter), starke Bewölkung und lebhafte, im Winter stürmische Luftbewegung. Die Depressionen gehen meist im NW. vorüber und veranlassen ein Vorherrschen der dampfgesättigten südwestlichen und westlichen Winde und das sie begleitende feuchte Wetter. Gegen den Sommer hin nimmt die Häufigkeit der nördlichen bis westlichen Winde zu. Die jährlichen und täglichen Wärmeschwankungen sind verhältnismäßig gering, landeinwärts und nach O. hin nehmen sie im allgemeinen rasch zu. Die mittlere Temperatur der extremen Monate beträgt für: Scilly 8°, 16°, Plymouth 6°, 17°, Brighton 4°, 17°, London 4°, 18° (Jahresextrem 31°, -8°), Cambridge 4°, 18°, Hull 3°, 16°, Liverpool 5°, 17°, Edinburg 3°, 15°, Aberdeen und Thurso 3°, 14°. In der Umgebung der britischen Inseln ist (nach Hann) das Meer im Winter und selbst im Jahresmittel erheblich wärmer, im Sommer etwas kühler als die Lufttemperatur an gleichen Orten; die Differenzen betragen im NW. von Schottland Januar +3,5°, Juni -1,4°, Jahr +1,5°, an der Ostküste: Winter +2,8°, Juni -2,3°, Jahr +0,3°. Die britischen Inseln stehen demnach im Winterhalbjahr unter dem Einfluß einer Warmwasserheizung, die der sie umspülende Atlantische Ozean liefert. An der Südküste von E. herrscht ein subtropisches Winterklima. Die Januartemperatur der Inseln Wight und Jersey gleicht jener von Fiume, die der Scillys jener von Genua. Die Orte an der Südküste von E. erfreuen sich einer größern Heiterkeit des Himmels; erst in Berührung mit dem kältern Lande verdichtet sich der Wasserdampf zu Nebel und Wolken. Herbst- und Winterregen herrschen entschieden vor, insbes. in den westlichen und nördlichen Gebietsteilen. Im mittlern und östlichen E. nehmen die Sommerregen zu, dagegen die Winterregen ab, so daß die Regenverhältnisse sich denen der Südufer des Kanals nähern. In Schottland fällt der meiste Regen im Oktober und Januar, der geringste im Frühjahr. Die größten bekannten Regenmengen von Europa fallen in Nordwestengland und Westschottland, wo sie im Sty Head-Paß (Cumberland) bis zu 431 cm ansteigen. Die mittlere jährliche Regenmenge beträgt für das mittlere und östliche E. 60–63 cm, für Ostschottland 60 bis 75 cm, für die Südwestküste 84–100 cm. Gewitter jährlich durchschnittlich etwa 7.
Die Flora Englands stimmt am meisten mit der von Schottland (s. d.) und Irland (s. d.), dann aber auch mit der des nördlichen Frankreich, Hollands und Belgiens sowie des nordwestlichen Deutschland überein. In dieses westbaltische Florengebiet dringen atlantische Pflanzenformen aus Südwesteuropa ein, z. B. Erica-Arten, Ulex, Ilex aquifolium u.a., die in Großbritannien viel weiter (51–59° nördl. Br.) nach N. vordringen als in Deutschland. Zwischen dem milden Südwesten Englands mit Erica ciliaris, Rubia peregrina, Sibthorpia europaea und mit zahlreichen, im Freien ausdauernden Ziergewächsen (Fuchsien, Kamelien, Myrten, Lorbeer) findet zu der arktisch-alpinen Flora der nördlichen Gebirge und ihrer Abdachungen eine Reihe von Übergängen statt. Von Nadelhölzern finden sich nur Eibe und zwei Wacholder (Juniperus communis und J. nana); Fichte und Kiefer fehlen, doch finden sich die Zapfen der letztern in Torfmooren.
Die Tierwelt Englands gehört zu der des Kontinents, nur ist die Zahl der Arten in Großbritannien in allen Gruppen viel geringer als in kontinentalen Distrikten von gleicher Ausdehnung und nimmt nach Irland hin immer mehr ab. Die größern Säugetiere der mitteleuropäischen Subregion, welche auf dem Kontinent ausgerottet wurden, waren früher auch auf den britannischen Inseln vorhanden und verfielen demselben Schicksal. Andre, so der Fuchs, werden nur der Jagd wegen noch gehalten. Sehr selten finden sich noch Dachs, Fischotter, Wiesel, Iltis, Marder u. Wildkatze; ebenso werden Edelhirsche, Damhirsche und Rehe gehegt. Die Nagetiere sind vertreten durch Hafen, Kaninchen, Eichhörnchen, Mäuse und Ratten. Vögel sind zahlreich und werden, wie die Fasanen, der Jagd wegen gehalten. Das rote Heidehuhn ist E. eigentümlich. Störche gelangen selten nach E., die Nachtigall findet sich bei Yorkshire. Der Auerhahn, die Trappgans sind in historischer Zeit verschwunden. Von Reptilien kommen in E. nur Kreuzotter, Ringelnatter, österreichische Natter, Blindschleiche, Bergeidechse und gemeine Eidechse vor, von Amphibien Wasserfrosch, Grasfrosch, gemeine Kröte und Rohrkröte, Streifenmolch, Kammolch, Schweizermolch und gefleckter Molch (Triton vittatus), der sich sonst nur noch in Belgien und Frankreich findet. Der Laubfrosch fehlt. Die Flüsse sind wie das Meer fischreich. Die Gesamtzahl der englischen Mollusken beläuft sich nach Deffreys auf 124, es hat somit ein nicht unbeträchtlicher Teil der germanischen Fauna den Kanal nicht überschritten. Die Gattung Clausilia ist nur durch vier Arten vertreten. Eine Süßwasserschnecke, Limnaea involuta, findet sich in einem einzigen See. Helix Cantiana ist, vom Mittelmeer aus der Meeresküste folgend, nach Südengland gelangt.
Areal und Bevölkerung.
Nach der ältern Einteilung zerfällt E. in 40, Wales in 12 Grafschaften, deren Areal und Bevölkerung nach der Volkszählung vom 1. April 1901 die Tabelle auf S. 798 zeigt.
Zur Erleichterung der Verwaltung sind 1888 von den alten Grafschaften Englands einige geteilt worden, und zwar Lincolnshire in die Grafschaften Holland, Kesteven und Lindsey; Suffolk in Ost- und West-Suffolk; Sussex in Ost- und West-Sussex. Ferner ist von Cambridgeshire die Isle of Ely, von Northamptonshire der Bezirk von Peterborough, von Hampshire die Insel Wight abgetrennt worden. Durch die Konstituierung der Stadt London als einer selbständigen Grafschaft (mit 305 qkm und [1901] 4,536,541 Einw.) ist sodann der Umfang der Grafschaften, zu denen sie früher gehörte (Essex, Kent, Middlesex und Surrey) als Verwaltungsbezirke (administrative counties) erheblich vermindert worden. Gleichzeitig sind 61 und später noch 6 Städte (im allgemeinen bildete die Einwohnerzahl von 50,000 die Minimalgrenze) aus ihren Grafschaften ausgeschieden und zu besondern Grafschaften (county boroughs) erhoben worden.
Wohnplätze. Die Verteilung der Bevölkerung auf Stadt und Land gestaltet sich von Jahr zu Jahr mehr zugunsten der großen Städte. 1861 gab es 70 Städte (Urban Districts) von über 20,000 Einw., 1901 aber 216. 1861 lebten in denselben 7,354,182 Menschen (36,5 Proz. der Bevölkerung), 1901 aber 18,940,066 Menschen (58,2 Proz.).
Verteilung der Bevölkerung auf die einzelnen Grafschaften:
Die volkreichsten Städte Englands (mit mehr als 200,000 Einw.) sind: London, Liverpool, Manchester, Birmingham, Leeds, Sheffield, Bristol, Bradford, West Ham, Hull, Nottingham, Salford, Newcastle-upon-Tyne, Leicester. 1901 zählte man 6,260,852 bewohnte, 448,932 unbewohnte und 61,909 im Bau begriffene Häuser. Es kamen auf je ein bewohntes Haus 5,19 Bewohner (in London 7,89).
Die Bevölkerung von England und Wales hat trotz bedeutender Auswanderung seit Anfang des 19. Jahrh. stetig zugenommen. 1801 betrug sie 8,892,536, 1901 aber 32,527,843 Seelen, also fast das Vierfache. Auf die seit 1831 zwischen den Volkszählungen liegenden Jahrzehnte verteilt sich die Zunahme wie folgt:
Am bedeutendsten war diese Zunahme in den großen Handelsstädten und in den Fabrikbezirken, während die ländlichen Gebiete vielfach eine Abnahme zeig ten. So nahm die Bevölkerung in den Stadten 1891–1901 um 15,2, auf dem Lande nur um 2,9 Proz. zu, und in 8 Grafschaften und in 250 von den 635 Bezirken, in welche E. mit Wales für die Aufnahme des Zivilstandes geteilt ist, wurde sogar eine Abnahme konstatiert. Am raschesten wuchs die Bevölkerung in Essex, Glamorganshire, Northumberland, Kent, Worcestershire, Derbyshire und Durham, während sich eine Abnahme in 4 Walliser und 4 englischen Grafschaften zeigte. Daß die Auswanderung die Bewegung der Bevölkerung sehr wesentlich beeinflußt hat, ist natürlich; sie betrug 1861–71: 649,742, 1871–81: 996,038, 1881–91: 1,572,717 und 1891–1901: 1,110,584 Engländer von Geburt. Die Folgen dieser Auswanderung werden aber durch Rückwanderung aus überseeischen Ländern und durch Zuwanderung von Irland, Schottland und dem kontinentalen Europa großenteils verwischt, denn trotz der starken Auswanderung wuchs die Bevölkerung im Zeitraum 1891–1901 bis auf 70,003 Seelen um die Ziffer des Geburtenüberschusses. Demnach muß die Zahl der Rück- und Zuwanderer innerhalb jenes Zeitraums über 1 Mill. betragen haben. Dem Geschlecht nach kamen auf 1000 Bewohner männlichen Geschlechts 1821: 1044, 1841: 1046, 1861: 1053, 1881: 1055 und 1901: 1068 Bewohner weiblichen Geschlechts. Diese Zunahme des weiblichen Geschlechts ist wesentlich durch die Auswanderung hervorgerufen, deren Einfluß noch deutlicher zutage tritt, wenn wir die Bevölkerung nach Altersklassen einteilen. Von je 100 Bewohnern waren unter 20 Jahre alt 1821: 49,0, 1841: 46,0, 1861: 45,2, 1881: 46,2, 1891: 45,2 und 1901: 42,4. Im J. 1901 kamen auf je 1000 Bewohner:
Im J. 1901 kamen auf je 1 Mill. Bewohner: 778 Blinde, 469 Taubstumme und 2575 Irrsinnige. Dem Zivilstand nach verteilt sich die Bevölkerung 1901 wie folgt (in Prozenten):
Was die Bewegung der Bevölkerung betrifft, so kamen auf je 1000 Lebende 1892–1901: 7,8 Heiraten, 29,5 Geburten und 17,9 Todesfälle; 1901 aber 7,9 Heiraten, 28,5 Geburten und 16,9 Todesfälle.
Nationalität.
Nach Boyd Dawkins waren die ursprünglichen Bewohner Englands den Eskimo stammverwandt, und in der Tat findet man noch in abgelegenen Gegenden einen mongolischen Typus mit schrägen Augen und hervorstehenden Backenknochen. Später wanderte ein Volk mit dunkler Hautfarbe und gelocktem Haar ein, das nach Funden in alten Gräbern den Iberern stammverwandt erscheint. Erst viel später kamen. zu diesen alten Bewohnern die Kelten, zuerst Gälen, dann Kymren. Aber schon lange bevor die letzten Gälen aus Wales nach Irland vertrieben waren, hatten sich an den Küsten des südöstlichen E. blauäugige, hellhaarige Belgen festgesetzt. Die römische Herrschaft übte nur geringen Einfluß auf die Zusammensetzung der Bevölkerung aus, um so mehr aber die Völkerwanderung. Jüten setzten sich auf der Insel Thanet, in Kent, auf der Insel Wight und in Hampshire fest; Sachsen und Friesen ergriffen Besitz vom Themsebecken, von Sussex und Essex; Angeln breiteten sich über das mittlere und nördliche E. aus (s. Angelsachsen). Dazu kamen später noch Dänen und Norweger, die sich an den Küsten und in dem ganzen Strich von Durham bis nach Hertford niederließen, und schließlich noch Wilhelm der Eroberer mit seinen 55,000 französisch-normännischen Abenteurern. Seit jener Zeit hat eine kriegerische Einwanderung nicht mehr stattgefunden, wohl aber haben Tausende von protestantischen Flämen und Hugenotten, später auch Pfälzer in E. eine zweite Heimat gefunden. Aus einer Mischung dieser verschiedenen Elemente ist der Engländer hervorgegangen, der sich wohl selbst vorzugsweise Angelsachse nennt, der aber doch ein gut Teil keltischen, d.h. britischen Blutes in seinen Adern hat. Beddoes Untersuchungen (»The races of Britain«, Lond. 1885) zeigen deutlich, wie nur in Teilen von Nord- und Ostengland der teutonische Typus überwiegt, während in dem größten Teil des Landes Teutonisch und Keltisch sich das Gleichgewicht halten und der keltische Typus immer reiner auftritt, je weiter wir nach W. fortschreiten. Im eigentlichen E. lebt allerdings das Andenken der keltischen Bewohner nur noch in Fluß- und Bergnamen fort; aber in Wales (s. d.) wird von der Mehrzahl der Bewohner kymrisch gesprochen. Die Iren sind am zahlreichsten in Lancashire, London und Yorkshire.
Die Zahl der im Ausland Gebornen hat sehr zugenommen. Viele von ihnen sind selbstverständlich die Kinder britischer Eltern, andre haben in E. Staatsbürgerrechte erworben, und nur für den Rest (247,758, davon 135,377 in London) gibt der Zensusbericht Aufschluß über das Geburtsland. Danach gab es 1901: 49,133 Deutsche (davon 27,427 in London), 9685 Deutsch-Österreicher, 8357 Schweizer, 20,467 Franzosen, 21,055 Polen, 61,789 Russen, 20,332 Italiener und 16,668 Amerikaner (aus den Vereinigten Staaten). Unter den Deutschen waren 18,777 (38,2 Proz.) weiblichen Geschlechts, die besonders als Dienstboten (4432), Lehrerinnen (941) und Schneiderinnen tätig waren. Die Deutschen männlichen Geschlechts waren vornehmlich beschäftigt im Handel (4009), der Schifffahrt (1949), den Gewerben (2288 Kellner, 1921 Schneider, 1845 Bäcker, 1481 Friseure, 1224 Schlächter, 602 Uhrmacher), dem Lehrfach (242) und der Musik (568).
Über die Zusammensetzung der Bevölkerung von England und Wales nach dem Lande der Geburt gibt folgende Tabelle Aufschluß.
Religion.
Über die Anzahl der Anhänger der verschiedenen Kirchen lassen sich nur Schätzungen machen, doch darf man annehmen, daß es 1901: 1,600,000 Katholiken, 8 Mill. Dissidenten und 80,000 Juden gab, so daß also 223/4 Mill. Seelen für die anglikanische Staatskirche verblieben. Die fünf Hauptsekten der Dissidenten, nämlich die Methodisten, die Independenten (Kongregationalisten), Baptisten, Presbyterianer und Quäker, haben etwa 13,000 Kirchen, 9000 Geistliche (neben Tausenden von freiwilligen Predigern oder lay preachers), 2 Mill. Mitglieder und 3,500,000 Sonntagsschüler. Im ganzen zählte man 1901: 25,235 anglikanische Geistliche, 2849 katholische Priester, 11,572 Geistliche der Dissidenten, 5293 Missionare, Bibelvorleser etc. und 239 Nonnen. Es gibt etwa 15,000 anglikanische und 24,000 andre gottesdienstliche Gebäude. Was nun die anglikanische Kirche (s. d.) betrifft, in der man drei Parteien zu unterscheiden pflegt: die hochkirchliche (High Church party), die niederkirchliche (Low Church oder Evangelical party) und die sogen. breitkirchliche (Broad Church party), so steht dieselbe unter 35 Bischöfen, die vom König, als Oberhaupt der Kirche, ernannt werden. Der Erzbischof von Canterbury ist Primas von ganz E., der von York Primas von E. Ersterm unterstehen die Diözesen von Bangor, Bath mit Wells, Bristol, Canterbury, Chichester, Ely, Exeter, Gloucester, Hereford, Lichfield, Lincoln, Llandaff, London, Norwich, Oxford, Peterborough, Rochester, St. Albans, St. Asaph, St. Davids, Salisbury, Southwell, Truro, Winchester und Worcester, während das Erzbistum York die Bistümer Carlisle, Chester, Durham, Liverpool, Manchester, Newcastle, Ripon, Sodor und Man, Wakefield und York umfaßt. Die Bistümer zerfallen in 90 Erzdiakonate und 810 ländliche Dekaneien (rural deaneries), deren Vorsteher meist Inhaber einer Pfründe sind. Die Kapitelgeistlichkeit besteht aus 30 Dekanen (deans), 132 Domherren (canons), Stiftsherren (prebendaries) u.a. Das gesamte Eigentum der Domkapitel liefert einen Ertrag von über 1 Mill. Pfd. Sterl., aus dem die Gehalte der Bischöfe (2000–15,000 Pfd. Sterl.), der Kapitelgeistlichkeit etc. bestritten werden. Die niedere Geistlichkeit teilt sich in incumbents (rectors und vicars, Pfarrer) und curates (Hilfsgeistliche). Erstere beziehen den an Stelle des abgelösten Zehnten zahlbaren Erbzins und andre Kircheneinnahmen, letztere einen meist sehr bescheidenen Gehalt. Die Zahl der Pfarreien beläuft sich auf 13,979 mit einer Jahreseinnahme von 4,525,395 Pfd. Sterl. Das Patronatsrecht bei ihrer Besetzung wird meist von Gutsherren (in 8521 Fällen), den Bischöfen (3454) und den alten Universitäten (723) ausgeübt. Das Parlament der Geistlichkeit heißt Konvokation, besitzt aber keine Autorität. Sitz in ihm haben die Bischöfe, die Dekane, die Erzdiakonen, von den Domkapiteln ernannte Anwalte (proctors) und je zwei von der niedern Geistlichkeit eines jeden Bistums gewählte Vertreter. Die gesamten Einnahmen der Kirche schätzt man auf 9 Mill. Pfd. Sterl.
Nichtanhänger der Staatskirche genießen jetzt sämtliche bürgerliche Rechte, zahlen auch seit 1868 keine Kirchensteuer mehr, und die kirchliche Trauung ist fakultativ. Sie erhalten indes vom Staat keine Unterstützung für ihre gottesdienstlichen Zwecke. Bei ihnen spielt das Laienelement eine bedeutende Rolle. Die Geistlichen (ministers) werden von der Gemeinde angestellt und abgesetzt, das Kirchenvermögen von einem von der Gemeinde gewählten Vorstand verwaltet. Man zählt in E. und Wales über 100 verschiedene Sekten. Eine hervorragende Rolle spielen in jüngster Zeit namentlich einige nach militärischer Art organisierte Armeen, wie die vom »General« Booth geführte »Heilsarmee« (s. d.). Anderseits haben aber auch die Sekularisten (s. d.) in vielen Städten ihre »Hallen«, die Positivisten (s. Comte 1) halten ihre Versammlungen ab, und die Agnostiker nehmen an Zahl zu.
Die Römisch-Katholischen stehen seit Herstellung der Hierarchie 1850 unter dem Erzbischof von Westminster und 14 Bischöfen (Birmingham, Clifton, Hexham, Leeds, Liverpool, Middlesbrough, Newport, Northampton, Nottingham, Plymouth, Portsmouth, Salford, Shrewsbury und Southwark). 1896 gab es 1463 Kirchen und Kapellen mit 2686 Geistlichen. 1780 zählte man in E. und Wales 69,380 Katholiken (0,89 Proz. der Bevölkerung), 1851: 766,000 (4,26 Proz.), 1901 ca. 1,600,000 (4,92 Proz.).
Sehr zahlreich sind die religiösen Vereine. Die bedeutendsten sind die 1804 gestiftete Bibelgesellschaft, der 1799 gestiftete Traktätchenverein (Religious Tract Society), die 1698 gestiftete Gesellschaft für Förderung christlicher Kenntnisse (Society for promoting Christian knowledge); ferner zahlreiche Missionsgesellschaften der anglikanischen Kirche und der Dissidenten, unter denen die Church Missionary Society (seit 1799) und die London Missionary Society (seit 1795) hervorragen. Vereine für innere Mission, für Bekehrung der Juden, für Kirchenbau, für Unterstützung armer Geistlichen etc. erfreuen sich zahlreichen Anhanges. Die Church Institution verteidigt die Staatskirche, die Liberation Society befürwortet Trennung von Kirche und Staat, die English Church Union verteidigt das Treiben der Ritualisten (s. d.), die Church Association sucht deren Ausschreitungen zu verhindern. Hierher gehören ferner die seit 1844 gegründeten Jünglingsvereine (Young men's Christian Association) und Jungfrauenvereine (Young women's Christian Association) mit 120,000, bez. 500,000 Mitgliedern, denen die Annehmlichkeiten eines Klubs geboten werden. Ernstere Bestrebungen verfolgt die erst seit 1882 entstandene Young people's Society of Christian Endeavour, die 1902: 66,000 Niederlassungen in der ganzen Welt (davon 8000 in Großbritannien) mit 3,7 Mill. Mitgliedern umfaßt. Auch die zahlreichen Mäßigkeitsvereine (Teetotal Societies) haben teilweise einen religiösen Anstrich.
Bildungsanstalten.
Die Aussicht über das Schulwesen Englands ist 1899 einem Unterrichtsamt (board of education) übertragen worden. Der Volksschulunterricht hat sich ungemein rasch gehoben, seitdem die Schulakte vom Jahr 1870 die Gemeinden zwingt, für Herstellung und Verwaltung der nötigen Elementarschulen Sorge zu tragen. Wo die bestehenden Schulen dem Bedürfnis nicht genügen, muß ein von den Steuerzahlern gewählter Schulrat (school board), in dem auch Frauen Sitz und Stimme haben, dem Mangel abhelfen. In diesen Gemeindeschulen (board schools) ist dogmatischer Religionsunterricht ausgeschlossen. Außer ihnen gelten auch die von Gesellschaften oder Privaten unterhaltenen Schulen (voluntary schools) als »öffentliche«, wenn die Schüler nicht gezwungen sind, dem Religionsunterricht beizuwohnen. »Öffentliche Schulen« haben Anspruch auf einen Zuschuß aus Staatsmitteln. Schulzwang besteht vom 5. bis 14. Jahre, doch kann mit 12 Jahren Befreiung eintreten. Seit 1891 ist der Elementarunterricht unentgeltlich. Unter den Gesellschaften, die sich um das Unterrichtswesen durch Gründung von Schulen wesentliche Verdienste erworben haben, stehen die 1808 gegründete konfessionslose British and Foreign School Society und die 1811 ins Leben getretene anglikanische National Society obenan. Insgesamt gab es 1901: 20,116 öffentliche Elementarschulen (5797 Gemeinde- und 14,319 private Schulen) mit 5,737,361 eingeschriebenen Kindern. Beim Besuch des Inspektors waren 4,731,911 Kinder anwesend. Außerdem sind seit 1893: 5244 Abendschulen mit 546,405 eingeschriebenen Schülern begründet. Seit 1900 sind 28 höhere Volksschulen eingerichtet worden. Der Mangel an guten Mittelschulen macht sich immer mehr fühlbar. Die zahlreichen Privatanstalten und Pensionen dieser Art entsprechen häufig selbst nicht den bescheidensten Forderungen, während die alten Stiftsschulen und die durch Schulfreunde ins Leben gerufenen sogen. proprietary schools dem Bedürfnis nicht genügen. Unter den sogen. 401 colleges und grammar schools, die etwa den deutschen Gymnasien oder Realgymnasien entsprechen, nehmen die von Eton, Winchester, Harrow, Westminster, Christ College in London, die City of London School und die Merchant Taylors' School den vornehmsten Rang ein, und namentlich die vier zuerst genannten widmen sich der Erziehung der Söhne vornehmer Eltern. Universitäten bestehen in Birmingham, Cambridge, Durham, London (seit 1898, früher nur Prüfungsbehörde), Manchester (Viktoria-Universität, zu der die University Colleges zu Liverpool und Leeds gehören) und Oxford; endlich die Universität von Wales, bestehend aus den Colleges in Aberystwith, Bangor und Cardiff. An Fachschulen ist E. nicht reich. In London und den größern Städten bestehen in Verbindung mit den Hospitälern 25 Schulen für Ärzte, deren Studenten nach einer vor dem College of Physicians, dem College of Surgeons oder der Apothekergesellschaft abgelegten Prüfung zur Praris zugelassen werden. Eine »Rechtsschule« besteht in Lincoln's Inn (London), in der Regel aber gehen Juristen bei einem Advokaten (barrister) oder Notar in die Lehre und treten nach einem Examen in eine der juristischen Korporationen ein. Theologische Seminare gibt es 56 protestantische und 23 katholische, in denen auch Schüler, die sich nicht dem Priesterstand zu widmen gedenken, Aufnahme finden. Lehrer und Lehrerinnen werden in 39 training colleges ausgebildet. Polytechnische Anstalten in größerm Maßstabe bestehen jetzt in London (11), Birmingham und Leeds; eine Akademie für die Ausbildung von Ingenieuren für Indien findet sich bei Coopers' Hill. Außerdem sind noch zu erwähnen 2 landwirtschaftliche Akademien, ein College für Tierärzte, 4 höhere Militärschulen in Woolwich und Sandhurst und 4 Konservatorien der Musik. Für die technische Bildung ist von Bedeutung das Science and Art Department in South Kensington, das eine Bergbauschule, eine Schiffahrtsschule, eine Hochschule für Kunstgewerbe und viele technische Schulen (science schools) und Zeichenschulen ins Leben gerufen hat. Besonders ist die Errichtung von Gewerbeschulen gefördert worden durch die Gesetze von 1889 und 1890, wonach den Grafschaften durch die Einführung einer Getränkesteuer die Mittel zur Errichtung technischer Bildungsanstalten gewährt wurden.
Unter den gelehrten Gesellschaften behauptet die 1663 gegründete Royal Society den ersten Rang. Außer ihr gibt es zahlreiche Gesellschaften, die sich die Pflege von Wissenschaft und Kunst angelegen sein lassen. Die zahlreichen über das ganze Land verbreiteten Literary and Mechanics Institutions suchen durch belehrende und musikalische Vorträge auf ihre Mitglieder bildend einzuwirken. Aus Gemeindemitteln unterhaltene Freibibliotheken gibt es jetzt in den meisten Städten. Weiteres s. Großbritannien.
Ackerbau und Viehzucht.
Ackerbau und Viehzucht bilden auch in E. trotz der verhältnismäßig bedeutenden Entwickelung der Industrie einen der wichtigsten Erwerbszweige, wenn auch die Zahl der Feldarbeiter von Jahr zu Jahr abnimmt. 1861 beschäftigten sich nämlich 1,924,110 mit der Landwirtschaft, 1871: 1,559,027, 1891: 1,311,720, 1901 nur 1,128,604 Personen, darunter 57,564 weibliche. Die Verteilung des Grundbesitzes in E. und Wales ist dem Volkswohlstand wenig zuträglich. Ausgedehnte Strecken befinden sich in Toter Hand, während der Großgrundbesitz wesentlich aus Fideikommissen (entailed estates) besteht. Wirkliche Bauern (yeomen) findet man nur in einzelnen Gegenden. Der Landwirt in E. ist in der Regel Pächter und dabei noch selten leaseholder, der seines Landes auf eine Reihe von Jahren hinaus sicher ist, und hat kein großes Interesse an der Hebung seines Gutes. Allerdings hat er unter heutigen Verhältnissen eine Kündigung kaum zu befürchten, da Hunderte von Pachtgütern (farms) den Gutsherren anheimgefallen sind, die sie durch Verwalter (bailiffs) bewirtschaften lassen. Die Feldarbeiter wohnen meist in kleinen Häuschen (cottages) mit Gemüsegärten. 1872 gab es in E. 486,012 Pächter, von denen 171,714 weniger als 2 Hektar bebauten. Die durchschnittliche Größe der Pachtgüter war 23 Hektar. 1890 aber zählte man 408,040 farms von einer Durchschnittsgröße von 23,4 Hektar. (Über die Verteilung des Grundbesitzes s. Großbritannien.)
In landwirtschaftlicher Beziehung wird E. gewöhnlich in sechs Bezirke geteilt. Der nördliche Bezirk leidet zwar an rauhem Klima und späten Ernten, zeichnet sich aber durch vorzügliche Bewirtschaftung aus. Im westlichen Bezirk, der sich vom Mersey bis zum Avon in Somersetshire erstreckt, bilden Milchwirtschaft und Obstbau die wichtigste Beschäftigung. Im Binnenbezirk (Midland) halten Ackerbau und Viehzucht sich ziemlich das Gleichgewicht. Im O. herrscht Kornbau vor, aber auch Schaf- und Rindviehzucht sind von Bedeutung. Im S. wird ausgedehnte Schafzucht getrieben und namentlich in der Nähe der Hauptstadt viel Gemüse (auch Obst) gebaut. Im SW. sind Ackerbau mit Gemüse- und Obstbau und Milchwirtschaft vereinigt. In Wales herrscht Viehzucht vor.
Unter den verschiedenen Wirtschaftsmethoden sind die Koppelwirtschaft (Gras auf zwei, fünf oder mehr Jahre, dann Weizen und Gemüse), die Dreifelderwirtschaft (grüne Frucht oder Brache zwischen je zwei Körnersaaten) und Fruchtwechselwirtschaft am gebräuchlichsten. Ochsen werden nur im westlichen E. vor den Pflug gespannt. Unter allen Getreidearten ist die wichtigste der Weizen, der namentlich in den südöstlichen Grafschaften angebaut wird. Gerste wird in Wales und dem nordöstlichen E. teilweise noch als Brotfrucht verwendet. Hafer kommt mehr im N. als im S. vor, Roggen ist selten. Auch Kartoffeln werden nur in beschränktem Maß angebaut und gedeihen am besten in Cheshire, Lancashire und Lincolnshire. Unter den übrigen Feldfrüchten sind die weißen und schwedischen Rüben (Turnips) sowie die als Viehfutter gebauten Pflanzen (Klee, Esparsette) die wichtigsten. Runkelrüben werden fast nur in Suffolk gebaut. Erbsen und Bohnen gehören zu den gewöhnlichsten Feldfrüchten. Obstbau ist im W. und SW. am ausgedehntesten, beschränkt sich aber meistens auf Äpfel, Birnen, Kirschen und Pflaumen. Obst jeder Art und vorzüglichster Qualität liefern indes die zahlreichen Treibhäuser. Weintrauben reisen in der Breite Londons auch im Freien. Unter den Handelspflanzen nimmt Hopfen den vornehmsten Rang ein. Man baut ihn fast ausschließlich in Kent, Sussex, Herefordshire, Worcestershire, Surrey und Hampshire. Von andern Kulturpflanzen erwähnen wir den Flachs (nur 257 Hektar, am meisten in Yorkshire), den Raps (namentlich in Yorkshire und Lincolnshire für Ölbereitung, im S. als Futter für Schafe), Saflor (bei Saffron Walden in Essex), Koriander, Kümmel und Kardendisteln (in Essex), Krapp und Waid (in Surrey und Kent), Senf (bei Wisbeach), Fenchel (in Derbyshire) etc.
Über die Verteilung des Bodens von E. und Wales nach Kulturarten gibt folgende Tabelle Aufschluß:
Die Viehzucht Englands hat einen hohen Grad der Vervollkommnung erreicht. Man züchtet dieselben Tiere wie auf dem Kontinent. Unter den Pferden stehen die Rennpferde (race horses) obenan, die vielfach zur Veredelung der andern Rassen benutzt werden. Der große Schlag von schwarzen Pferden, die in Northamptonshire und Leicestershire gezüchtet werden, stammt ursprünglich aus Flandern; die Füchse von Cleveland werden besonders als Wagen- und Reitpferde geschätzt. Suffolk sowohl als Clydesdale in Schottland liefern kleine, aber ausdauernde Ackerferde, Wales Ponies. Von Rindern unterscheidet man vier Hauptrassen. Die Rinder von Devonshire, mit Hörnern mittlerer Länge, sind rotbraun, haben kurzes, krauses Haar und dicke Haut. Sie liefern gutes Fleisch, eignen sich aber weniger zur Milchwirtschaft. Die Rinder von Wales, Hereford und Sussex stammen von ihnen ab. Die Kurzhörner (shorthorns) von Holderneß, Teeswater und Durham liefern vorzügliches Fleisch und reichliche Milch. Die Rinder von Lancashire, mit ungewöhnlich langen Hörnern, sollen ursprünglich in Irland heimisch gewesen sein. Die Rinder von Suffolk stammen von denjenigen Galloways ab, haben gar keine Hörner, sind meist schwarz oder gefleckt, liefern vorzügliches Fleisch und wenig, aber gute Milch. Die beste Butter kommt aus Cambridge, Suffolk, Yorkshire, Somerset, Gloucester, Devon und Oxford. Die großen, runden, 10–40 kg schweren Käse werden in Cheshire und Gloucester, Stilton, der beste Käse Englands, in Leicester bereitet. Bei der Schafzucht wird weniger auf die Erzeugung von guter Wolle als von gutem Fleisch gesehen. Man unterscheidet langwollige Schafe, ohne Hörner, und kurzwollige Schafe. Erstere züchtet man namentlich in Teeswater, Lincoln und Leicester. Zu letztern gehören die Schafe der Downs im S. und die Heideschafe mit schwarzen, die Bergschafe mit schwarzbraunen Gesichtern im N. Die Schweine von Berkshire, Gloucester, Hereford und Rudgwick sind groß, die von Suffolk klein. Die besten Schinken liefern Yorkshire und Westmorland, den besten Speck Wilts, Hants und Berks. Ziegen sind selten, dagegen Federvieh überall verbreitet. Berühmt sind die Hühner von Dorking, Sussex und Berks, die Gänse aus den Fens von Lincoln und die Truthähne aus Norfolk und Suffolk. Die Bienenzucht ist nur unbedeutend. Der Viehstand von E. und Wales war:
Unter den Vereinen zur Hebung der Landwirtschaft steht die 1838 gegründete Royal Agricultural Society obenan. Sie veranstaltet jährlich eine große Ausstellung. Neben ihr bestehen fast in jeder Grafschaft landwirtschaftliche Vereine, und der Smithfield Cattle Club erteilt Preise für das beste Schlachtvieh.
Mit Fischfang beschäftigten sich 1901: 23,891 Personen; für Seefischerei gab es 1901: 7019 Boote von 150,237 Ton. Der Ertrag belief sich (ohne Lachse und Schaltiere) auf 4,4 Mill. dz im Wert von 6,5 Mill. Pfd. Sterl. Yarmouth ist der wichtigste Hafen für den englischen Heringsfang, Makrelen kommen namentlich an den südlichen und südöstlichen Küsten vor; der Pilchard (ein delikater, der Sardelle ähnlicher Fisch) findet sich nur an den Küsten von Cornwall und Devon. Kabeljaue, Lenge und Rotaugen (hakes) werden meist an der Ostküste gefangen. Die besten Austern findet man an den Küsten von Essex und Kent (Whitstable), in Pool Harbour, an der Südküste von Wales und an der Merseymündung. Hummern sind am zahlreichsten an der Küste von Yorkshire. Unter den Flußfischen nehmen die Forellen den ersten Rang ein. Von Forstwirtschaft kann in E. bei der geringen Ausdehnung der englischen Waldungen kaum die Rede sein, höchstens in den Kronforsten, die zusammen 25,800 Hektar bedecken. Hochwild wird nur in den Parken gehegt, Kaninchen werden vielfach gezüchtet, und Vogelwild (durch Gesetze geschützt) ist über das ganze Land verbreitet; namentlich aber bilden die Moore oder Heiden im N. beliebte Jagdreviere.
Bergbau und Hüttenwesen, Steinbrüche etc.
Bergbau und Hüttenwesen sind für E. von hervorragender Bedeutung. 1901 waren im Bergbau in E. und Wales 805,185 Personen (davon 9584 Arbeitgeber) tätig, darunter 643,654 im Kohlen- und Schieferbergbau und 17,027 in Eisengruben, 72,336 in Steinbrüchen. Für das Jahr 1902 waren die Hauptprodukte (für E. und Wales):
Die Mineralschätze Englands liegen fast sämtlich im W. einer von der Insel Portland über Rugby nach Hartlepool gezogenen Linie. Die erste Stelle nimmt die Steinkohle ein. Die ergiebigsten Steinkohlenfelder sind jene von Durham und Northumberland (1160 qkm), Yorkshire und Derbyshire (1980 qkm), Südwales (2330 qkm), Lancashire (570 qkm) und Süd-Staffordshire (248 qkm). Außerdem werden im nördlichen Staffordshire, in Cumberland, Nordwales (Denbigh und Flint), Leicestershire, Somersetshire, Nottinghamshire, Shropshire (Coalbrookdale), Monmouthshire (Forest of Dean) und Warwickshire Kohlen gewonnen. Anthrazit findet sich namentlich im Kohlenfeld von Südwales. Braunkohle (Lignit) kommt in geringer Menge nur in Devonshire vor. 1845 wurden kaum über 30 Mill. Ton. Steinkohlen gefördert, 1902 fast 193 Mill. T. Hull nimmt an, daß die Kohlenlager Englands bis zu einer Tiefe von 1300 m etwa 59,000 Mill. T. bergen; sie würden daher bei der jetzigen Ausbeute in 300–400 Jahren erschöpft sein.
Nächst den Kohlen bildet Eisen den wichtigsten Gegenstand des Bergbaues. Als Toneisenstein findet es sich in Verbindung mit Kohlenlagern in Südwales und Staffordshire (dem ältesten Sitz der Eisenindustrie in E.), außerdem namentlich in Cleveland (Yorkshire), als Roteisenstein in Nord-Lancashire (Barrow in Furneß) und in Cumberland, als Brauneisenstein in Northampton, Bedford und Lincoln etc. Doch genügt die Eisenerzproduktion nicht mehr und muß durch eine bedeutende Einfuhr (1902: 6,4 Mill. Ton. für ganz Großbritannien) ergänzt werden. 1740 wurden erst 17,000 T. Roheisen gewonnen,1796 bereits 125,000 T., 1860: 2,890,000, 1882: 8,493,387, 1902 etwa 6 Mill. T. Die bedeutendsten Eisenhütten liegen in Yorkshire (besonders im Clevelanddistrikt), Cumberland, Durham, Lancashire, Staffordshire und Südwales. Zinn kommt nur in Cornwall und Devonshire vor und wurde schon durch die Phöniker von hier ausgeführt. Blei wird in Derbyshire seit den Zeiten der Römer gewonnen, im 13. Jahrh. wurde es auch in Wales und später an andern Orten entdeckt. Die ergiebigsten Bleigruben liegen im westlichen Durham, in Flintshire, Derbyshire (High Peak), Northumberland (Allendale), Cumberland (Alston Moor), Shropshire, Südwales (Cardigan). Die Bleierze sind häufig silberhaltig. Kupfererze kommen hauptsächlich in Cornwall und Devonshire vor mit wechselndem Ertrag. Zinkerze werden namentlich in Cumberland, Denbighshire, Flintshire und Cardiganshire gewonnen. Golderze werden nur in Merionethshire (Dolgelly) gefördert, Manganerze vornehmlich in Merionethshire, dann in Devonshire und Derbyshire, Antimon- und Wolframerze in Cornwall, Arsenikerze in Cornwall und Devonshire. Der Bergbau auf Nickel und Kobalt ist eingegangen. Unter den Nichtmetallen nimmt nächst den Steinkohlen das Kochsalz den vornehmsten Rang ein. Die Salzquellen von Northwich etc. in Cheshire und Droitwich in Worcester werden seit undenklichen Zeiten ausgebeutet; die reichen Steinsalzlager von Cheshire wurden aber erst 1670 entdeckt. 1902 wurden 129,664 Ton. Steinsalz und 1,719,625 T. Salze aus wässeriger Lösung gewonnen. Weiteres über das Vorkommen der nutzbaren Mineralien s. oben, S. 795 f.
An Bausteinen ist kein Mangel. Geschätzt werden namentlich die oolithischen Kalksteine, die in Lincoln, Kent, Rutland, bei Bath und Portland vorkommen; die magnesischen Kalksteine aus dem nördlichen E. (zwischen Tyne, Derby und Nottingham); die Sandsteine aus dem Darleytal in Derbyshire, Yorkshire und Kent; der Granit von Cornwall, Deuon und Cumberland; der Syenit der Malvernhügel und von Leicester; der Porphyr von Cornwall, Cumberland und Wales; der Grünstein von Cornwall und Leicester. Nordwales (Festiniog) und Yorkshire liefern Fliesensteine, Cornwall, Devon, Cumberland, Westmorland und namentlich Nordwales Dachschiefer; Westmorland, Derby, Devon und Anglesey fördern Marmor. Ziegelerde kommt vielfach vor, und es bestehen zahlreiche Ziegelbrennereien. Außer dem gewöhnlichen Töpferton findet man Porzellanerde (Kaolin) bei St. Austle in Cornwall, feuerfesten Ton bei Stourbridge und Pfeifenerde bei Poole in Dorset. Mühlsteine werden in Northumberland, Lancashire, Yorkshire, Derbyshire und Nordwales gebrochen. Walkerde kommt in Surrey, Bedfordshire, bei Bath und in Kent vor. Unter den Edelsteinen verdienen Erwähnung: die Opale, Bergkristalle und Amethyste, Topase und Turmaline von Cornwall; der in Cornwall, Cumberland und Nordwales vorkommende Malachit; die Granate von Cornwall und Cumberland; der Flußspat von Derbyshire, Cumberland und Cornwall; der Gagat von der Küste Yorkshires und der Bernstein, der gelegentlich an den Küsten von Norfolk und Suffolk gefunden wird.
Alabaster kommt im roten Sandstein Cheshires, Lancashires und Derbyshires vor. Vorzüglicher Graphit wird in den Gruben von Borrowdale (Cumberland) gewonnen. Außerdem sind zu nennen Schwerspat (Northumberland und Shropshire), Alaun (an der Küste von Yorkshire), Gips und Asphalt (in Shropshire, Dorset und Wiltshire).
Industrie.
Unter allen Industriezweigen nimmt wohl die Fabrikation von Tuch, Zeugen u. dgl. aus Wolle, Baumwolle, Seide, Flachs, Hanf und verschiedenen Faserarten den vornehmsten Rang ein; denn sie beschäftigte 1901: 1,155,397 Personen (663,322 weibliche) außer denjenigen, die mit Herstellung der nötigen Maschinen beschäftigt waren. 1890 gab es in der Textilindustrie 6180 Fabriken mit 50,2 Mill. Spindeln und 722,406 mechanischen Stühlen. Die Fabrikation von Wollwaren (1901: 210,740 Personen) war bereits zur Zeit der Römer bekannt; aber es gelang erst nach Heranziehung von flämischen Webern (seit 1665), feinere Tuche zu machen. Yorkshire ist jetzt Hauptsitz der Wollindustrie (namentlich Huddersfield, Bradford, Leeds und Dewsbury); aber Westengland (Bradford in Wilts, Stroud und Dursley in Gloucester) zeichnet sich noch immer durch seine Tuche aus. Bradford in Yorkshire ist Hauptsitz der nach einem jetzt unbedeutenden Dorf in Norfolk genannten Worstedweberei. Wollene Decken werden namentlich in Dewsbury, Teppiche in Kidderminster, Halifax und Dewsbury, Flanelle in Lancashire und Wales (Newtown) verfertigt. Die Baumwollindustrie (534,743 Personen) konzentriert sich fast ausschließlich in Lancashire und den angrenzenden Teilen von Yorkshire, Cheshire und Derbyshire; Hauptfabrikstädte sind dort Blackburn, Ashton under Lyne, Manchester mit Salford, Oldham, Bolton, Bury, Stockport und Rochdale. Strumpfwaren (48,374 Personen) kommen vorzüglich aus Leicester und Nottingham. Die Seidenfabrikation wurde im 14. Jahrh. in E. eingeführt, ist aber seit der Mitte des 19. Jahrh. zurückgegangen, und die Zahl der Seidenarbeiter ist von 112,553 (1861) auf 34,368 (1901) gefallen. Hauptsitze sind Spitalfields (in London), Macclesfield in Cheshire, Manchester und Leigh in Lancashire, Coventry in Warwickshire, Derby und Leek in Stafford. Die Leinwandindustrie (4493 Personen) ist in E. von untergeordneter Bedeutung. Ihre Hauptsitze sind Leeds und Barnsley in Yorkshire und einige Orte in Lancashire. Die Herstellung von Spitzen beschäftigte 1901: 36,439 Menschen, meistens Frauen. Berühmt sind die Spitzen von Nottingham, Bedford und Buckingham. Hüte werden namentlich in Stockport, Ashton under Lyne und London verfertigt und gehen vielfach ins Ausland. Die Strohflechterei beschränkt sich fast ausschließlich auf Bedfordshire, Hertford und Buckinghamshire. Yeovil und Worcester sind ihrer Handschuhe wegen bekannt: Stiefel und Schuhe liefern Northampton und Leicester massenhaft.
In der Verarbeitung von Metallen nimmt E. eine hervorragende Stellung ein; insgesamt waren darin 1901: 1,237,196 Personen (darunter 63,016 weibliche) beschäftigt. Die Eisenindustrie hat ihre Hauptsitze in Staffordshire und dem angrenzenden Warwickshire (Wolverhampton), Shropshire (Wellington), Lancashire (Bolton, Oldham), Yorkshire (Sheffield, Bradford und Leeds), Durham (Stockton) und Südwales (Merthyr Tydfil). Die Zinnindustrie beschränkt sich fast ausschließlich auf Südwales (Glamorgan) und Cornwall. Der Maschinenbau beschäftigte 1901: 631,026 Menschen, die Herstellung von Werkzeugen und Geräten 53,905, die von Fahrrädern und Motorwagen 31,466, die von elektrischen Apparaten etc. 49,518. Birmingham und Umgegend liefern namentlich Waffen, Stahlwaren aller Art, Juwelierarbeiten, Britanniametallwaren, Nägel, Schrauben, Knöpfe, Handwerkszeug, Fahrräder, Stahlfedern und Maschinen. Sheffield mit Umgegend ist Hauptsitz der Messerschmiede und liefert Feilen, gold- und silberplattierte Waren von vorzüglicher Güte. In Manchester und andern Orten Lancashires baut man die Maschinen für die Baumwollfabriken. London zeichnet sich aus durch seine Schlosser- und Goldschmiedewaren. Dampfmaschinen werden an vielen Orten gebaut, namentlich in Birmingham, Birkenhead, Nottingham, Derby und Newcastle. London, Prescot und Coventry zeichnen sich außerdem durch ihre nicht unbeträchtliche Uhrenmanufaktur aus. Der Schiffbau beschäftigte 86,837 Menschen und lieferte 1901: 937 Schiffe (darunter 443 Dampfer) von 538,767 Ton., davon für das Ausland 80 Schiffe von 60,607 T. Eiserne Schiffe gehen aus den großartigen Werkstätten der Tynehäfen, von Hartlepool, Sunderland, Stockton und Middlesbrough hervor.
Die Zubereitung von Leder bildet einen wichtigen Erwerbszweig. Die besten Sattlerwaren kommen aus London und Birmingham, und mit Manchester und Liverpool liefern diese Städte auch die schönsten Kutschen. Die Verfertigung von irdenen Waren (62,475 Personen) bildet die Hauptbeschäftigung der Bevölkerung des sogen. Töpferbezirks (Potteries) in Staffordshire, wo Wedgwood 1760–95 wirkte. Das schönste Porzellan kommt aus Worcester, Derby und London. Die Glasmanufaktur beschäftigte 1901: 24,504 Personen. Das meiste Kron- und Flaschenglas wird in der Tynegegend gefertigt; Prescot, Birmingham, London u.a. O. liefern besonders Flint- und Spiegelglas. Chemische Fabriken finden sich vorzugsweise im Norden (Newcastle und Gateshead). Die Papiermühlen liefern ein in der ganzen Welt geschätztes Fabrikat. Die berühmtesten englischen Brauereien liegen in Burton upon Trent (für Ale) und in London (namentlich für Porter). London, Liverpool und Bristol sind Hauptsitze der Tabakfabrikation. Weiteres s. Großbritannien.
Genossenschaftswesen, Verkehr.
Das Genossenschaftswesen ist in E. hochentwickelt. Wenn die Genossenschaften einem von der Regierung ernannten Registrar ihre Statuten und jährlichen Berichte einschicken, erfreuen sie sich der Rechte von Korporationen. Eine hervorragende Stellung unter ihnen nehmen die sogen. freundschaftlichen Vereine (Friendly Societys) ein, die ihren Mitgliedern ärztlichen Rat u. Unterstützung in Krankheitsfällen und auch Alters- und Witwenpensionen gewähren. Viele von ihnen sind in Nachahmung der Freimaurer als Orden gebildet, so namentlich die Odd Fellows und die Foresters. Es bestehen zurzeit (1903) etwa 27,800 dieser Gesellschaften mit ca. 11 Mill. Mitgliedern und einem Kapital von 39,5 Mill. Pfd. Sterl. Die Sparkassen werden teils vom Postamt verwaltet (Post office Savings Banks), teils stehen sie unter staatlicher Aussicht (als Trustee Savings Banks). Erstere zahlen 21/2, letztere 3 Proz. Zinsen. Das eingelegte Kapital beider Kassen war 1873: 53,6 Mill., 1901 aber 158,2 Mill. Pfd. Sterl. 1901 wurden 47,9 Mill. Pfd. Sterl. eingezahlt, 44,5 Mill. Pfd. Sterl. ausgezahlt.
Unter den Anstalten, die den ungemein lebhaften Binnenverkehr Englands fördern, nehmen die Eisenbahnen, die ausschließlich Privatgesellschaften gehören, unbedingt den vornehmsten Rang ein. Die erste von einem Dampfwagen befahrne Bahn (die von Stockton nach Warrington) wurde 1825 eröffnet. 1859 hatten die Eisenbahnen von E. und Wales eine Länge von 11,762 km, 1873 von 18,296 km, 1901 von 24,635 km, deren Bau und Ausrüstung 986 Mill. Pfd. Sterl. gekostet haben. 1021 Mill. Reisende (ohne die Inhaber von Saisonbilletts) und 351 Mill. Ton. Güter wurden 1901 befördert, die Betriebskosten beliefen sich bei einer Bruttoeinnahme von 90,7 Mill. Pfd. Sterl. auf 58,8 Mill. Pfd. Sterl. Die Straßenbahnen hatten 1901 eine Länge von 1674 km und beförderten 932 Mill. Personen. Die Instandhaltung von Landstraßen liegt den Grafschaftsräten und Gemeindebehörden ob. Außer diesen eigentlichen Gemeindewegen gibt es zahlreiche von Privaten gebaute sogen. Schlagbaumwege (turnpikeroads), die indes meist in den Gemeindebesitz übergegangen sind. Insgesamt hatten die in den Landbezirken gelegenen Landstraßen 1900 eine Länge von 190,314 km.
Die schiffbaren Flüsse sind bereits erwähnt worden (S. 796). An Kanälen ist zwar E. nicht arm, und mehrfach kreuzen sie das ganze Land und setzen die Nordsee mit dem Irischen Meer in Verbindung; die Kanäle haben indes aufgehört, dem Handel die erwarteten Dienste zu leisten, seitdem ein großer Teil derselben in den Besitz von Eisenbahngesellschaften übergegangen ist, durch die jede Konkurrenz ausgeschlossen wurde. Die Gesamtlänge der Kanäle beträgt ca. 5000 km. Weiteres über Handel, Reederei, Post- und Telegraphenwesen s. Großbritannien.
Rechtspflege.
Man unterscheidet in E. zwischen dem auf dem Wege der Übung entstandenen gemeinen Recht (Common Law), dem Billigkeitsrecht (s. Billigkeit) und dem statutarisch vom Parlament erlassenen Statute Law. Bei der Rechtsanwendung werden die Entscheidungen der Richter, wie sie in den Akten der Gerichtshöfe mit Archivrecht (Courts of Record) niedergelegt sind, als maßgebend betrachtet. Nur in den geistlichen und den Admiralitätsgerichten kommt teilweise das römische und kanonische Recht rein zur Anwendung. Die Rechtspflege (auch bei Voruntersuchungen) ist stets öffentlich. Es steht jedem frei, seine Angelegenheiten vor Gericht persönlich vorzutragen; gewöhnlich aber geschieht dies durch Advokaten (counsel, barrister) oder Anwalte (solicitor; s. Attorney und Barrister). Die Privatklage ist in allen Fällen zulässig, bei Kriminalvergehen greift daneben in Ausnahmefällen seit 1880 der director of public prosecutions ein. Kriminalfälle werden, wenn der Angeklagte nicht sofort gesteht, politische und Preßvergehen stets, Zivilsachen häufig mit Zuziehung von Geschwornen entschieden. Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt und können nur wegen schlechten Betragens entlassen werden. Der oberste Gerichtshof des vereinigten Königreichs ist das Haus der Lords, wobei jedoch nur Peers Sitz und Stimme haben, die ehemals Richter waren oder es noch sind. Seine Gerichtsbarkeit ist indes jetzt sehr beschränkt. Ein Ausschuß des Geheimen Rates für Gerichtsbarkeit (Judicial Committee of the Privy Council), dem Richter zugeordnet sind, hört Appellationen von den Gerichtshöfen der Kolonien und den geistlichen Gerichten. Den obersten Gerichtshof von E. und Wales bildet der 1873 errichtete Supreme Court of Judicature, der sich aus einem obersten Gerichtshof (High Court of Justice) und einem Appellationsgericht (Court of Appeal) zusammensetzt. Ersterer besteht aus einer Chancery division für Erbschaftsteilungen, Vormundschaftssachen etc., insbes. auch für »Billigkeitssachen«, einer Queen's Bench division (für Kriminal- und Zivilsachen, die nach dem gemeinen Recht entschieden werden, wobei Geschworne mitwirken, ferner für Konkurssachen) und einer Probate, Divorce and Admiralty division. welche die Wirksamkeit der frühern Gerichte für Testaments-, Ehe- und Admiralitätssachen umfaßt. Ein Court of Arches hat die geistliche Gerichtsbarkeit. Jährlich viermal machen Richter des obersten Gerichtshofes eine Rundreise (circuit) durch E. und halten kraft einer fünffachen Ermächtigung in 59 Städten des Landes Gerichtssitzungen unter Mitwirkung von Geschwornen ab. Diese Ermächtigung erstreckt sich 1) auf Streitigkeiten wegen liegenden Eigentums (assize), 2) auf Fälle, die vor den obersten Gerichtshof in London gehören, falls nicht zuvor einer der Richter in die Grafschaft kommt, 3) auf Entlassung oder Bestrafung der in Untersuchungshaft befindlichen oder gegen Kaution befreiten Angeklagten (gaol delivery), 4) auf Erledigung aller Anklagen wegen Hochverrats oder sonstiger Verbrechen (oyer and terminer) und 5) auf sämtliche Friedensrichtern eigne Befugnisse. Für die Metropole besteht außerdem ein Zentralkriminalgericht (Old Bailey), in dem der Recorder und der Common Serjeant der City von London präsidieren. Im Court of Appeal, der Berufungsinstanz für den High Court, führt der Lord-Kanzler den Vorsitz. Teils neben dem High Court, teils als Gericht erster Instanz unter ihm fungieren die Grafschaftsgerichte (County-Courts) in Zivilsachen (besonders bei geringerwertigem Streitgegenstand) und in Konkurssachen. Ein minder wichtiger Teil der Strafrechtspflege liegt in den Händen von Friedensrichtern (justices of the peace) und besoldeten Richtern. Die Friedensrichter werden in den Grafschaften auf Vorschlag der Lord-Lieutenants (in den county boroughs des Stadtrates) vom Lord-Kanzler ernannt. In sogen. kleinen Sitzungen (petty sessions) leiten sie Kriminalsachen ein und bestrafen leichte Vergehen summarisch, in Vierteljahrssitzungen (quarter sessions) urteilen sie auch über Verbrechen mit Zuziehung von Geschwornen. In Munizipalstädten genießen der Bürgermeister und gewisse andre Personen gewöhnlich die Befugnisse von Friedensrichtern; doch stehen den Polizeigerichten in der Regel besoldete Richter (stipendiary magistrates) vor, und bei den Vierteljahrssitzungen führt ein besoldeter Recorder den Vorsitz. Der für jede Grafschaft von der Krone ernannte High Sheriff sorgt für Ausführung der Anweisungen (writs) und Vollstreckung des Urteils der obern Gerichtshöfe, leitet die Parlamentswahlen und bestellt die Geschwornen für die Assisen und Vierteljahrssitzungen. In der Regel wird er in seinem Amt von einem besoldeten Deputy vertreten. Der Coroner, dessen Pflicht es ist, mit Zuziehung von Geschwornen bei allen ungewöhnlichen Todesfällen die Untersuchung zu leiten, wird von den Grundbesitzern erwählt.
Kriminaljustiz. Zwar sind noch mehrere Verbrechen mit Todesstrafe bedroht, das Urteil wird jedoch gewöhnlich nur bei Mord vollzogen. Die andern Strafen sind Strafarbeit (penal servitude) in einem der elf vom Staat unterhaltenen convict-prisons, Gefängnis mit oder ohne harte Arbeit, Peitschenhiebe bei jugendlichen Verbrechern und Straßenräubern (garrotters), Erlegung von Strafgeldern und Stellung von Bürgen (Friedensbürgschaft). Jugendliche Verbrecher finden in Besserungsanstalten (reformatories), verwahrloste Kinder in Arbeitsschulen (industrial schools) Gelegenheit, einen Beruf zu lernen. Die Transportation nach überseeischen Besitzungen ist seit 1858 abgeschafft.
Lokalverwaltung.
Die Erhaltung des öffentlichen Friedens, Armenpflege, Straßenbau, Beleuchtung, Regulierung der Märkte und öffentlichen Fuhrwerke, Erhaltung der öffentlichen Gesundheit und manche andre Angelegenheit liegen in E. in den Händen der Lokalbehörden, die unter Aussicht eines 1871 geschaffenen Local government Board stehen. Seit 1888 ist E. und Wales in 62 Grafschaften (administrative counties) und 61, jetzt 67 Stadtgrafschaften (county boroughs) eingeteilt (s. oben, S. 797). Der oberste Beamte der Grafschaft ist der von der Krone auf Lebenszeit ernannte Lord-Lieutenant, in der Regel einer der angesehensten Grundbesitzer, dem ein County-Council (Grafschaftsausschuß) zur Seite steht, der von den Steuerzahlern auf drei Jahre erwählt wird. In den County boroughs liegt die Verwaltung in den Händen des Stadtrats (s. unten). Außer den Lord-Lieutenants der Grafschaften gibt es einen Lord-Lieutenant der Tower Hamlets, der zugleich Gouverneur des Towers ist, ferner der Stadt Haverfordwest, die wie die Lord-Wardens der Cinque Ports (s. d.) und der Stanneries (Zinngruben) in Cornwall und Devonshire innerhalb ihres Bezirks ähnliche Befugnisse ausüben.
Die Bürger (burgesses oder citizens) der (1900) 313 Städte (municipal boroughs, oder cities, wenn sie Sitz eines Bischofs sind oder waren) wählen die Stadträte (councillors), die drei Jahre im Amt bleiben, es sei denn, daß sie zu Ratsherren (aldermen) ernannt würden, in welchem Fall sich ihre Amtsdauer auf sechs Jahre erstreckt. Der Bürgermeister (mayor) wird aus den Ratsherren gewählt. Stimmrecht haben alle diejenigen (auch Frauen), die ein Haus oder Geschäftslokal innehaben und im Bereich von 7 engl. Meilen von der Stadt wohnen. Der Stadtrat verwaltet die Stadtgüter, erhebt Steuern (rates), trifft die im Interesse der öffentlichen Gesundheit notwendigen Maßregeln, unterhält in vielen Fällen eine städtische Polizei und ernennt die städtischen Beamten. London, die City sowohl als die Grafschaft London, hat seine eigne Verfassung. Außerdem gibt es in 1484 städtischen oder ländlichen Bezirken von den Steuerzahlern gewählte sogen. urban oder rural district councils (Stadt-, bez. Landbezirksräte). Jedes Kirchspiel (parish oder township, letzteres Bezeichnung für ein neugebildetes Kirchspiel) hat gleichfalls parish councils (Kirchspielräte), wenn es mehr als 300 Einw. zählt; 1900 bestanden 6887 Kirchspielräte. – Die Einnahmen der Lokalbehörden beliefen sich 1900/1901 auf 101,133,812 Pfd. Sterl. (Mietssteuer 40,734,219, Einnahmen städtischer Gasfabriken, Elektrizitäts- und Wasserwerke 10,676,074, von Straßenbahnen 1,575,922, Chaussee- u. Strafgelder 5,181,605, Renten u. Zinsen 2,022,694, aus Verkäufen 415,948, Anleihen 23,438,816, andre Quellen 5,009,451, Staatszuschuß 12,249,083 Pfd. Sterl.). Von der 101,343,477 Pfd. Sterl. betragenden Ausgabe kamen 12,120,907 Pfd. Sterl. auf Armenpflege, 11,220,658 auf Gemeindeschulen, 50,718,855 auf städtische Polizei, Gesundheitspflege und andre öffentliche Zwecke, 6,441,553 auf Grafschaftspolizei, Irrenanstalten etc., 1,271,408 auf Ausgaben der Landbezirksräte, 1,848,232 auf Wegebau, 4,591,902 auf die Hafenverwaltung, 481,197 auf Lotsenwesen etc. Die Schulden der Lokalbehörden betrugen 294 Mill. Pfd. Sterl. Die Polizeimacht zählte 1901: 41,904 Mann, und es waren 26,414 Lokal beamte (außerdem 10,426 weibliche Personen) in der Grafschafts-, Kirchspiels- und Lokalverwaltung tätig.
In E. besteht ein Armengesetz seit 1661, und das Armenwesen wurde 1834 in seiner gegenwärtigen Gestalt geregelt. Jedes Kirchspiel ist verpflichtet, seine Armen zu erhalten. Als Regel werden mehrere Kirchspiele zu einem Armenbezirk vereinigt (poor-law union), die gemeinschaftlich ein Armenhaus (workhouse), eine Armenschule und ein Krankenhaus unterhalten. Die Armen finden teilweise Aufnahme in die Armenhäuser (indoor relief), teils erhalten sie außerhalb Unterstützung (outdoor relief). Im Januar 1902 betrug die Zahl der Armen 811,449. Darunter waren arbeitsfähig 101,348. Die Ausgaben für das Armenwesen beliefen sich 1880 auf 8 Mill., 1900 auf 12,1 Mill. Pfd. Sterl. Die Zahl der Armen ist am höchsten in den ackerbautreibenden Grafschaften, am niedrigsten in der städtereichen Grafschaft Lancaster. Am Tag der letzten Volkszählung (1901) waren 208,650 Menschen in Armenhäusern, 42,622 in Krankenhäusern, 90,407 in Irrenanstalten, 17,480 in Gefängnissen und 19,245 in Anstalten für jugendliche Verbrecher. – Alles Weitere über Staatsverfassung, Armee, Flotte, Kolonien, Handel etc. sowie die Geschichte Englands und Literatur s. Großbritannien.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.