Kirchensteuer

Kirchensteuer

Kirchensteuer, im weitern Sinne jede Vermögensleistung von Kirchenmitgliedern als solchen an die Kirche zur Bestreitung ihres Aufwandes, die nicht die Natur von Gebühr (d. h. rechtlicher Gegenleistung für Benutzung kirchlicher Anstalten oder Inanspruchnahme kirchlicher Amtshandlung) hat, im engern und gewöhnlichen Sinne jede solche Steuer, die für kirchliche Bedürfnisse schlechthin erhoben werden darf, also mit Ausschluß der sogen. Spezialsteuern, insbes. der Kirchenbaulast der Eingepfarrten. Die Notwendigkeit zur Einführung solcher allgemeinen Kirchenumlagen ergab sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, insbes. infolge des mit dem Anwachsen der Bevölkerung in größern Städten steigenden Bedürfnisses neuer Kirchen und Kirchengemeinden und in jüngster Zeit durch die Aufhebung der Stolgebühren für Taufen, Trauungen und Aufgebote. Bei ihrem geringern Vermögen machte bisher fast nur die evangelische Kirche von dieser Einnahmequelle Gebrauch, in neuerer Zeit auch die katholische Kirche (in Baden), namentlich zur Tilgung und Verzinsung von Kirchenbauanleihen. Da die Kirchensteuerpflichtigen tatsächlich mit den Steueruntertanen des Staates zusammenfallen, setzt der Staat im Interesse der Wahrung der Leistungsfähigkeit seiner Untertanen ihm gegenüber diesem Steuerrecht Höchstgrenzen und verlangt Einholung staatsaussichtlicher Genehmigung im Einzelfall (vgl. Kirchenlasten). Besonders ist die Gesetzgebung entwickelt für Berlin (Gesetz vom 19. Mai 1891) und in Baden (Gesetz vom 26. Juli 1888 und 18. Juni 1892). Die Steuern werden für Orts- und Landeskirche, für Kreis- und Provinzial-Kirchengemeinden erhoben. Die Steuerpflicht ist nur bedingt durch Wohnsitz im Kirchengebiet und Zugehörigkeit zu dem betreffenden Sonderbekenntnis, nicht durch Staatsangehörigkeit. Doch wird der staatsfremde Glaubensgenosse (und das ist im Interesse der einzelnen Kirchen) dadurch weniger stark herangezogen, weil die Kirchenumlagen nach Prozenten der Staats- oder Gemeindesteuern berechnet werden und diese oft staatsfremdes Kapital, um es nicht aus dem Lande zu vertreiben, grundsätzlich mit geringerer Steuer belasten. Nur durch Austritt aus der Rechtskirche erlischt ihre Steuerpflicht. Doch ist die Austrittserklärung unwirksam, wenn die Einrichtungen der Kirche nachher von dem Ausgetretenen oder durch Personen, deren religiöse Erziehung er zu ändern berechtigt ist, weiter benutzt werden. Vgl. Heiner, Das Recht der Kirche. ihren Angehörigen Steuern aufzuerlegen (im »Archiv für katholisches Kirchenrecht«, Bd. 77, S. 340 ff., Freiburg 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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