Wales [1]

Wales [1]

Wales (spr. ŭēls), ehemals selbständiges, jetzt mit dem Königreich England vereinigtes Fürstentum (s. Karte »England und Wales«), umfaßt eine Halbinsel, die im N. von der Irischen See, im Westen vom Georgskanal und im S. vom Bristolkanal umflossen ist, grenzt östlich an die englischen Grafschaften Cheshire, Shropshire, Hereford- und Monmouthshire und hat einen Flächeninhalt von 19,355 qkm (351,5 QM.). Fast überall fällt die Küste schroff ins Meer ab, und mehrere Baien und Buchten (wie die Carnarvon- und Cardiganbai im Westen, St. Brides-Bai, Milfordhafen und Swanseabai im S.) dringen in das Land hinein. Unter den zahlreichen Vorgebirgen sind der Orme's Head, eine zerklüftete Kalksteinmasse, im N. und St. David's Head im SW. die bedeutendsten. Die kaum 200 m breite Menaistraße trennt das Festland von der Insel Anglesey. Fast ganz W. ist erfüllt von dem Kambrischen Gebirge, das im Snowdon (1094 m) im N. kulminiert. Südlich liegen der Arran Mowddwy (933 m) und Cader Idris (888 m). Eine Einsenkung trennt Nord-von Südwales. Jenseit derselben erheben sich abermals die Gebirgszüge, noch zerklüfteter als die im N. des Landes. Der Plinlimmon, an der Quelle des Severn, ragt hier 756 m hoch empor; der höchste Punkt von Südwales aber ist der Brecknock Beacon (872 m) im sogen. Schwarzen Gebirge. Die Berge von W. sind entweder kahl oder mit Gras oder Heidekräutern bewachsen. Die einzige größere Ebene ist das sogen. Vale von Glamorgan am Bristolkanal. Von den Flüssen treten Dee, Severn und Wye nach England über; Usk und Taff fließen in den Bristolkanal, Towy in die Carmarthenbai, Teifi, Dovey und Mawddach in den Georgskanal, Conway und Clwyd in die Irische See. Der einzige größere See ist der von Bala. In geologischer Beziehung herrschen silurische und kambrische Schiefer, von vulkanischen Gesteinen durchbrochen, vor. Ungemein reich ist das Land an Schiefer, Steinkohlen und verschiedenen Metallen. Die Bevölkerung ist 1891–1901 von 1,519,035 auf 1,716,423 Seelen gestiegen, die Zunahme kommt aber großenteils auf Rechnung Glamorganshires, und in den rein landwirtschaftlichen Grafschaften nimmt die Bevölkerung ab. Etwa 50 Proz. der Bewohner (und zwar 15,1 Proz. ausschließlich, die meisten in den Grafschaften Merioneth, Cardigan, Carnarvon und Carmarthen) verstehen noch die kymrische oder welsche Sprache und hängen an derselben mit großer Zähigkeit fest. Die jährlichen Eisteddsods zu Caerwys (s. d.) dienen dazu, den nationalen Geist lebendig zu erhalten. Von der gesamten Bevölkerung besteht die Mehrzahl aus Dissidenten, und zwar vorwiegend aus calvinistischen Methodisten. Viehzucht und Ackerbau bilden noch immer die Haupterwerbszweige im größten Teil des Landes, doch beschäftigt sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit Bergbau und Industrie. 1906 waren 16,9 Proz. der Oberfläche unter dem Pflug, 41,8 bestanden aus Wiesen und Weiden, 3,9 Proz. aus Wald; man zählte 1902: 154,114 Pferde, 721,874 Rinder, 3,462,698 Schafe und 215,283 Schweine. Ungemein entwickelt sind infolge des Mineralreichtums der Bergbau und die Eisenindustrie, namentlich in Glamorganshire, und im Kohlenbecken von Südwales liegen bis zu einer Tiefe von 1220 m 36,000 Mill. Ton. Steinkohlen, die noch der Hebung warten, während der Kohlenvorrat in Nordwales fast erschöpft ist. Gefördert wurden 1902: 31,1 Mill. Ton. Steinkohlen, 10,760 T. Eisenerz, 3618 T. Zinkerz, 1486 T. Bleierz, 10,008 T. Schiefer, 160,231 T. Ton, 724,218 T. Kalkstein. Unter allen gewerblichen Anstalten stehen die Stahl- und Eisenhütten und die Weißblechfabriken obenan. Den Handel fördern die das Land in allen Richtungen durchschneidenden Eisenbahnen. Die Haupthäfen sind: Cardiff und Swansea im S. und Holyhead auf der Insel Anglesey. Eingeteilt wird W. in zwölf Grafschaften (s. England, S. 798). 1888 wurden als besondere Grafschaften (County Boroughs) die Städte Cardiff und Swansea aus Glamorganshire ausgeschieden. Eine Hauptstadt von W. gibt es nicht.

Geschichte. Die ältesten bekannten Einwohner von W. waren keltische Kymren; Cambria hieß das Land zur Zeit der Römerherrschaft in Britannien, und noch gegenwärtig nennen sich die Bewohner Cymry. Als im 5. Jahrh. die Angelsachsen Britannien eroberten, floh ein Teil der keltischen Briten in die Wälder und Gebirge von W. und verschmolz dort mit den ursprünglichen Bewohnern zu einem Volke, das in vielen Beziehungen seine Sitten, seinen Charakter und seine Sprache bis auf den heutigen Tag bewahrt hat. Nur die höhere Gesellschaft hat englische Kultur und Sprache und besteht zum Teil aus später Eingewanderten. Die Sprache der Walen oder Walliser, die zum keltischen Zweige des indogermanischen Sprachstammes gehört, hat eine nicht unbedeutende, namentlich poetische Literatur aufzuweisen. Zur Zeit der Angelsachsen lebten die Walen unter mehreren unabhängigen Fürsten, deren Zwistigkeiten das Eindringen der Fremdherrschaft begünstigten, und die bereits im 10. Jahrh. in Abhängigkeit von den englischen Königen gerieten. Als die Normannen 1066 England in Besitz nahmen, suchten die Walen die englische Oberherrschaft abzuschütteln, wurden aber von Wilhelm dem Eroberer zur Anerkennung seiner Oberherrschaft gezwungen. Gegen ihre Einfälle in England sicherte König Wilhelm II. die Grenzen durch die Anlage von Marken. Während der Streitigkeiten zwischen König Stephan und der Kaiserin Mathilde gelang es den wallisischen Fürsten, sich fast ganz von englischem Einfluß freizumachen; doch mußten sie unter Heinrich II., der dreimal Feldzüge nach W. unternahm, 1171 die Oberherrlichkeit der englischen Könige wieder anerkennen. Die harte Behandlung der Walen durch die englischen Markgrafen (marchers) bewog den Oberfürsten Llewellin 1282 zu einem Aufstand, aber er fiel in der Schlacht von Carmarthen 11. Dez.; 1283 ward sein Bruder David zu Shrewsbury hingerichtet, und W. ward nun als eroberte Provinz mit der Krone vereinigt. König Eduard I. gab den Walen einen »eingebornen« zum Fürsten, indem er seinen Sohn, den spätern Eduard II., der zu Carnarvon in W. geboren war, zum Fürsten von W. (Prince of W.) ernannte. Seitdem führt immer der älteste Sohn des regierenden Herrschers von England oder nach dessen Tode sein ältester Sohn den Titel eines Prinzen von W., der ihm jedoch besonders verliehen wird. Noch einmal versuchten die Walen 1400 unter Führung Owen Glendowers, der von den alten Fürsten abstammte, die nationale Unabhängigkeit wiederzugewinnen; eine Reihe von Jahren behauptete er sich im Bunde mit Frankreich als Fürst von W., bis auch er, besiegt und verlassen, 1416 in dunkler Zurückgezogenheit starb. 1536 ward endlich von Heinrich VI. auf den Wunsch des englischen Parlaments das Fürstentum W. ganz mit England vereinigt; doch haben sich in den letzten Jahren auch in W., nach dem Vorbild Irlands, Bestrebungen gezeigt, eine gewisse Selbstregierung wiederzugewinnen. Vgl. Robert, The Cambrian popular antiquities (Lond. 1815); Woodward, The history of W. (das. 1853, 2 Bde.); Borrow Wild W., its people, language and scenery (neue Ausg., das. 1905); Walter, Das alte W. (Bonn 1859); Doran, The book of the Princes of W. (Lond. 1860); Lewis, The ancient laws of W. (hrsg. von Lloyd, das. 1889); O. Edwards, Wales (in der Sammlung »Story of nations«, das. 1901); H. W. Clarke, History of the Church of W. (das. 1896); J. Rhys und Brynmor Jones, The Welsh people (4. Aufl., das. 1906); Rodenberg, Ein Herbst in W. (Hannov. 1857).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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