Regen [1]

Regen [1]

Regen, aus der Atmosphäre auf die Erdoberfläche herabfallende Wassertropfen, die durch Verdichtung des Wasserdampfes der Luft in einer Wolke entstanden sind. Geschieht dies bei einer Temperatur unter 0°, so gefrieren die Tröpfchen zu Eisregen (s. d.) oder Schnee (s. d.). Je nach seiner Verbreitung unterscheidet man den R. als Strichregen oder Landregen. Das Wort R. wird auch oft gleichbedeutend mit Niederschlag gebraucht. Die Menge des Niederschlags wird durch die Höhe bezeichnet, in der das Regenwasser (oder der Schnee, nachdem er geschmolzen ist) die Erdoberfläche bedecken würde, wenn es nicht abflösse, einsickerte oder verdunstete. Diese Regenhöhe (s. d.) wird mit Regenmessern (s. d.) gemessen.

Die Atmosphäre enthält stets und überall Wasserdampf; aber sie kann davon nur eine bestimmte Menge aufnehmen, die um so größer ist, je höher die Temperatur ist. Ist die Luft bei einer bestimmten Temperatur gerade gesättigt, so vermag sie Feuchtigkeit nicht mehr aufzunehmen; also kann auch nach der Nachbarschaft hin keine Verdunstung stattfinden. Das geschieht erst, wenn die Temperatur steigt, weil sich dann die Luft vom Sättigungspunkt entfernt. Sinkt die Temperatur unter diejenige bei der Sättigung, so vermag die Luft nicht mehr so viel Feuchtigkeit als Dampf zu enthalten, und es scheidet sich ein Teil in flüssiger Form ab, der als Nebel, Wolke oder schließlich als Niederschlag auftritt. Niederschlag entsteht somit durch Abkühlung feuchter Luft bis unter den Sättigungs- oder Taupunkt. Die Abkühlung kann erfolgen: 1) durch Mischung mit kalter Luft, 2) durch Wärmeausstrahlung oder Berühren kalter Körper und 3) durch Ausdehnung der Luft ohne Wärmezufuhr (s. Adiabatische Expansion). Noch bis über die Mitte des 19. Jahrh. hinaus galt die Abkühlung durch Mischung, die Hutton 1788 seiner Regentheorie zugrunde gelegt hatte, als die wichtigste Ursache der Niederschlagsbildung. Erst später gelang der Nachweis, daß diese Annahme die starken Regenfälle nicht erklären kann. Allerdings entsteht durch Mischung warmer mit kalter Luft Abkühlung der erstern und wohl auch teilweise Kondensation des Wasserdampfgehalts, aber doch nur in so geringen Mengen, daß höchstens leichter R. oder Schnee fällt, meist sich aber nur Nebel oder schichtförmige Wolken (dünne Stratusschleier) bilden. Wärmeausstrahlung oder Berühren kalter Körper (z. B. Eisflächen) erzeugt gleichfalls nur Trübung der Atmosphäre, namentlich Bodennebel, oder höchstens Tau, aber keine größern Niederschläge. Solche können nur bei der dritten Art der Abkühlung der Luft, nämlich durch Ausdehnung, eintreten; wird dabei Wärme von benachbarten Luftschichten zugeführt, so wird die Kondensation verringert oder auch ganz verhindert. Diese Ausdehnung erfolgt bei aufsteigenden Luftströmen, wie sie in den Gebieten höchster Erwärmung (Tropen) und in der freien Atmosphäre bei Depressionen vorhanden sind, oder auch wenn der Wind durch höheres Terrain und Berge zum Aufsteigen veranlaßt wird. Steigt gewöhnliche Luft adiabatisch (d. h. ohne Zu- oder Wegtun von Wärme) auf, so kühlt sie sich auf je 100 m Erhebung um 1° ab, jedoch nur so lange, als der Taupunkt noch nicht erreicht ist und daher noch nicht Kondensation und Ausscheidung des flüssig gewordenen Wasserdampfes erfolgt. Sobald aber die Kondensation eintritt, wird eine entsprechende Menge der Verdampfungswärme frei, erhöht die Temperatur, verzögert die Abkühlung und hemmt die Kondensation; dann ist, weil es sich um gesättigte Luft handelt, die Temperaturabnahme kleiner als 1°, und zwar bei:

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Dabei scheidet 1 cbm gesättigter Luft durch Abkühlung um 1°:

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aus. Nach genauerer Rechnung ergibt z. B. die Erhebung von 1 cbm gesättigter, 20° warmer Luft um 1000 m 4 g R., eine ganze Luftsäule von 1 qm Querschnitt und 1000 m Höhe also 4 kg Regenmenge oder 4 mm Regenhöhe (s. d.). Um diese Beträge richtig beurteilen zu können, muß man damit die tatsächliche Regendichte vergleichen, d. h. diejenige Regenmenge, die durchschnittlich in einer gewissen Zeit fällt; zu beachten ist dabei, daß sehr starke R. äußerst selten lange andauern, und daß in der Regel mit zunehmender Dauer die Dichte abnimmt. Es beträgt die mittlere Dichte der stärksten R.:

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Obige 4 mm Regenhöhe entsprechen also, wenn sie in einer Minute fallen, schon dem stärksten R. Je länger ein R. anhält, um so schwächer wird er meist. Es ist daher falsch, aus einem starken Regenguß von wenigen Minuten auf die Regenmenge in einer Stunde zu schließen. Obige Tabelle lehrt auch, daß kurze R. in Mitteleuropa heftiger sein können als in den Tropen, wo aber R. von großer Intensität länger andauern und über größere Flächen sich erstrecken als in Europa. Starke R. von kurzer Dauer nennt man Platzregen, ganz ungewöhnlich ergiebige R. Wolkenbrüche (etwa 50 mm in 1/2 Stunde). Der intensivste Platzregen in Norddeutschland (1895 zu Laue bei Delitzsch) ergab in der Minute 4,97 mm, hielt aber nur 6 Minuten an.

Wird der Wasserdampf der Luft kondensiert, so scheidet er sich in Tropfenform aus. Diese Regentropfen sind keine Bläschen, wie man früher annahm, sondern massive Wasserkugeln, die durch den aufsteigenden Luftstrom in der Schwebe gehalten werden. In Nebel ist der Tropfendurchmesser etwa 1/100 mm, bei starkem Nebel bisweilen 1/10 mm; die größten Regentropfen hatten 7 mm Durchmesser bei 0,2 g Gewicht. Damit sie schweben, muß der aufsteigende Luftstrom etwa 8 m Geschwindigkeit in der Sekunde haben; doch bleiben nur Tropfen von höchstens 5 mm Größe länger ganz, größere zerreißen nach kurzem Fall. Infolge des Luftwiderstandes fallen die Tropfen auf dem größten Teil ihres Weges mit gleichförmiger Geschwindigkeit. Versuche mit staubfreier Luft lehrten, daß Kondensation nur bei Anwesenheit von Ansatzkernen für das Wasser stattfinden kann; diese Ansatzkerne sind so klein (kleiner als 0,0005 mm), daß sie mit dem Mikroskop nicht gesehen werden, und bestehen meist aus feinsten Staubteilchen (s. Atmosphäre, S. 51). Indessen ist auch in staubfreier Luft Kondensation möglich, wenn die Sonne scheint: durch die ultraviolette Strahlung entsteht eine Ionisierung der Luft, d. h. eine Trennung der Luftmoleküle in positive und negative Elektronen; letztere bilden die ersten Ansatzkerne, erst später die andern, wodurch es verständlich wird, daß das Vorzeichen der Luftelektrizität beim R. wechselt.

Das Regenwasser ist als verdichteter Wasserdampf rein, nimmt aber die in der Atmosphäre (s. d., S. 51) vorhandenen fremden Stoffe in sich auf, von festen Stoffen vor allem Staub (s. Staubregen), Ruß, Blütenstaub, seltener Insekten, Schmetterlinge, Frösche, Fische etc., und gelöst Ammoniak, Salpetrige Säure, Salpetersäure, Chlornatrium (aus dem im Sturm zerstäubten Meerwasser bisweilen 100 km landeinwärts getragen), Magnesiumsalze etc. Durch solche Beimengen leiden Bauwerke, Denkmäler, Fresken, Pflanzen etc.

Die Temperatur des Regens ist meist niedriger als die der Luft, besonders bei Hagel; im Herbst bis Frühling kann sie weit unter dem Gefrierpunkt liegen (überkalteter R., s. Eisregen).

Über die Messung des Regens vgl. Artikel »Regenmesser«. Messungen, die man auf Türmen und gleichzeitig unten am Erdboden ausführte, ergaben oben weniger R. als unten, und man stellte deshalb die Theorie auf, daß sich die Regentropfen im Fallen vergrößern. Spätere Versuche zeigten aber, daß lediglich der Wind schuld hat, denn bei ruhigem Wetter oder windgeschütztem Apparat gelangt der durch den Querschnitt Q kommende R. (s. Abbildung), bei Wind aber nur der durch q fallende R. in den Regenmesser R.

Einfluß des Windes den Regenmesser.
Einfluß des Windes den Regenmesser.

Ein ebenso irriger Schluß war es, aus der Zunahme der Regenmenge an einer aufgeforsteten Stelle der Lüneburger Heide eine direkte Einwirkung des Waldes auf die Feuchtigkeit und damit auf die Niederschlagsbildung anzunehmen, vielmehr gelangte infolge des Hochwachsens der Bäume und des dadurch größern Windschutzes mehr R. in den Regenmesser als vorher.

Zur genauern Bestimmung der Regenverhältnisse gehört außer der Kenntnis seiner Menge oder Höhe und seiner Dichte auch die der Regentage; darunter versteht man solche Tage, an denen es überhaupt regnet, oder meist Tage mit einer bestimmten Mindestmenge, da erstere Art unausgesetztes und damit für einen einzelnen Menschen unmögliches Beobachten erfordert. Als untere Grenzen nimmt man 0,1,0,2 (nahezu = 0,01 inches) oder 1,0 mm; für besondere Zwecke zählt man auch die Regentage nach bestimmten Stufen, wie 5,10,15,20 mm etc., aus. In Mitteleuropa liefert die Mehrzahl der Regentage weniger als 5 mm. Eine längere Reihe von aufeinander folgenden Regentagen nennt man eine Regenperiode oder nasse Periode im Gegensatz zur Trockenperiode, in der mehr als 14 Tage hintereinander nur ganz geringfügige Mengen fallen, und zur Dürreperiode, in der es mindestens 14 Tage lang überhaupt nicht regnet. Zur weitern Kennzeichnung sind die Tagesmaxima wichtig, d. h. die größte Tagesmenge innerhalb eines längern Zeitraums (Monats, Jahres etc.). Dividiert man die Zahl der Tage eines Monats in die mittlere Zahl der Tage mit Niederschlag in diesem Monat, so erhält man die Regenwahrscheinlichkeit.

Jede Gegend hat gewöhnlich eine bestimmte Windrichtung, die mehr R. bringt als die andern, und deshalb nennt man solche Winde Regenwinde. Sie kommen im allgemeinen aus feuchtwarmen Gebieten, d. h. aus Gebieten, wo die Temperatur höher ist, die Luft also viel Feuchtigkeit bis zur Sättigung aufzunehmen vermag und Wasserflächen reichlich Feuchtigkeit liefern. Hierzu gehören vor allem warme Seewinde, die im mittlern Europa gemäß der allgemeinen Luftdruckverteilung und der nördlichen Lage der Zugstraßen der Depressionen vorwiegend aus SW. und W. wehen. Haben die Depressionen verhältnismäßig geringen Umfang, aber großes Luftdruckgefälle und daher lebhafte Winde, so kann der R. wohl stark, aber meist nicht lange fallen, hingegen stehen Landregen mit flachen, ausgedehnten Depressionen in Verbindung. Nehmen wir z. B. an, es sei in jedem dieser atmosphärischen Wirbel gleichviel Luft von derselben Temperatur und Feuchtigkeit in Bewegung, so wird sie im ersten Fall bei der schnellen Rotation einen Luftstrom von wesentlich kleinerm Querschnitt bilden als bei der langsamen Drehung in flachen Depressionen, wo sie einen größern Querschnitt braucht, um in derselben Zeit zu passieren; da seitwärts kaum Platz zur Ausdehnung vorhanden ist, so erfolgt letztere nach obenhin. Mit dieser Ausdehnung tritt Abkühlung, Kondensation und Niederschlag ein. Über die Regenverhältnisse in Depressionen überhaupt s. Wetter.

Die zweite Ursache zur Hebung der Luft und damit zur Niederschlagsbildung sind Landerhebungen, wie allgemein ansteigendes Terrain, Berge, Gebirge (Geländeregen). Die neuern Erkenntnisse haben gezeigt, daß schon geringfügige Erhebungen von Einfluß sein können. Wenn z. B. der Wind vom Meere her kommt und die Küste erreicht, so erfährt er in seinen untern Schichten eine größere Reibung als vorher und damit Verlangsamung und Stauung; die höhern Schichten heben sich und geben einen Teil ihres Feuchtigkeitsgehalts als R. ab. Daher sind die küstennahen Gebiete häufig regenreich, wie die Nordseeküste. Der hier gefallene R. verdunstet zum Teil wieder, wird landeinwärts getragen und kommt dort vielleicht zum zweitenmal als R. hernieder u. s. s. Verhältnismäßig geringe Höhenzüge können schon die allgemeine Verteilung des Regens beeinflussen, wie jede Regenkarte erkennen läßt (z. B. auf der Niederschlagskarte von Deutschland [s. d., S. 766, mit Textblatt] der nur 150 m die Umgebung überhöhende Fläming), vor allem aber größere Gebirge. Auch sie haben ihre besondern Regenwinde, und die den Regenwinden entgegenstehende Seite (die Luvseite) ist wesentlich niederschlagsreicher als die andern, zumal als die gegenüberliegende (die Leeseite). Weht der Wind nach dem Gebirge hin, so wird schon bei den Vorbergen das Aufsteigen der Luft und der R. beginnen; dort fängt der Windstau an, der die Luft vor der größten Höhe des Gebirges am höchsten hebt, weshalb auch dort schon der meiste R. fällt. So wurde bei dem Wolkenbruch 2. Aug. 1896 im Harz in der Richtung von N. nach S. gemessen:

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Bei den herrschenden nördlichen Winden erhielten die Gegenden vor dem höchsten Punkte, dem Brocken, wesentlich höhere Regenmengen als dieser selbst. Jenseit des höchsten Gebirgsteils nimmt die Menge rasch ab, da sich hier der Luftstrom wieder senkt, sich dabei erwärmt und vom Kondensationspunkt entfernt; hier lösen sich vielfach auch die Wolken auf (vgl. auch die Abbildung bei Artikel »Föhn«), so daß die Gegenden hinter dem Gebirge sonniges trockenes Wetter haben können. Sie liegen im Regenschatten. Da in Norddeutschland die feuchten Westwinde vorherrschen, so haben die Westseiten der Gebirge wesentlich mehr R. als die Ostseiten. So erhält der Harz in 400–600 m Höhe an Niederschlag jährlich im Mittel:

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Noch weiter östlich nimmt die Regenmenge noch weiter ab, bis das trockenste Gebiet Norddeutschlands mit kaum 400 mm im Jahr an der untern Saale erreicht ist; östlich der Saale wird mit zunehmender Bodenerhebung der Regenfall wieder größer (vgl. Textbeilage zur Klimakarte bei Artikel »Deutschland«). Bei der Stadt Honolulu nimmt auf eine Entfernung von kaum 8 km und einen Höhenunterschied von nur rund 250 m die jährliche Regenmenge von 845 mm bis auf 3650 mm zu, ein Unterschied, der auf der ganzen Erde beispiellos ist. Enorm stark ist auch die Zunahme in Süddalmatien, wo sie bei der Strecke Castelnuovo-Erkvice auf 15 km Entfernung und 1040 m Erhebung 2830 mm (1727 bis 4557 mm) beträgt.

Wenn sich aber auch fast stets mit zunehmender Höhe ein Anwachsen der Niederschlagsmenge feststellen läßt, so tritt in einer gewissen Höhe eine Verminderung ein, denn einerseits wird aufsteigende Luft mit der Höhe durch das Herausfallen des Regens an Feuchtigkeit ärmer, und anderseits besitzt die Luft oben wegen der niedrigern Temperatur überhaupt weniger Wasserdampf, so daß sie, selbst wenn es vorher noch nicht geregnet hat, trotz hinreichender Abkühlung verhältnismäßig wenig flüssiges Wasser auszuscheiden vermag. Die Maximalzone, d. h. die Höhe, in welcher der meiste Niederschlag fällt und die zugleich eine Umkehrungszone ist, ist je nach dem Klima des Landes verschieden. In Norddeutschland liegt sie etwa in 1000–1500 m Höhe, und zwar im Winter wesentlich niedriger als im Sommer; man erkennt sie im allgemeinen an der mittlern Höhe der Wolkendecke. Im Winter ragt z. B. die Schneekoppe (1600 m) meist, der Brocken (1140 m) häufig darüber hinaus; diese Gipfel haben dann weit mehr Sonnenschein als die benachbarten Ebenen. Im englischen Seendistrikt liegt die Maximalzone in 550 m, auf Java in 1000 m, im nordwestlichen Himalaja in 1300 m.

Die Verteilung der Niederschläge auf der Erde, die in Niederschlags- oder Regenkarten (vgl. die Klimakarten bei Artikel »Deutschland« und »Europa«) durch Isohyeten dargestellt wird, läßt sich mangels allseitiger Messungen nicht überall genauer feststellen, doch gestatten andre Verhältnisse (Vegetation, Wasserführung der Flüsse etc.) oft weitgehende Schlüsse. Ganz regenlose Gebiete gibt es kaum auf der Erde, wenn es auch in der Sahara und andern Wüsten, an der Westküste von Peru und Bolivia, von Deutsch-Südwestafrika etc. nicht in jedem Jahre regnet; fällt dort aber R., so bringt er gewöhnlich reichliche Wassermengen, wovon tiefe Erosionsrinnen und weite trockne Flußbetten (z. B. die Wadis) zeugen. Die regenreichsten Gebiete werden erst allmählich bekannt; sie sind meistens in der Textbeilage zum Artikel »Lufttemperatur« angeführt. Die größte durchschnittliche Jahresmenge des Niederschlags fällt in Europa nördlich der Bucht von Cattaro, wo Erkvice in Süddalmatien 456 cm R. erhält, nahezu so viel bekommt der Styeheadpaß in Nordengland mit 431 cm, weniger Hermsburg (Krain) mit 319 cm. Aus andern Erdteilen seien erwähnt. Amerika: Neah-Bay (Nordwestküste) 279, Greytown (Nicaragua) 658, Serra do Mar (Brasilien) 370 cm; Afrika: Debundja (Kamerun) 946 cm; Australien: Kap York 208, Tami (Deutsch-Neuguinea) 655, Osara Walu (Fidschiinseln) 628 cm; Asien: Kilung (Formosa) 358, Sandoway (Hinterindien) 537, Cherrapunji (Assam) 1188 cm. In Erkvice beträgt die größte Jahresmenge 596 cm (1896); dort fielen im November 1892 nur 17 cm gegen 170 cm im November 1891, man vergleiche damit den Jahresdurchschnitt von Berlin mit 59 cm. In Cherrapunji war das Jahresmaximum 1630 cm (1899), das Minimum 717 cm (1873); in den Monaten November bis März regnete es dort wiederholt gar nicht, während das Monatsmaximum mit 508 cm im Juli 1890 erreicht wurde.

Schon oben bei der Regendichte war gezeigt worden, welch starke Regengüsse nicht nur in den Tropen, sondern auch in Mitteleuropa vorkommen können; hier werden Tagesmaxima (d. h. in 24 Stunden gefallener R.) von mindestens 100 mm in jedem Jahre beobachtet. Das größte Tagesmaximum betrug in Norddeutschland 345 mm am 29. Juli 1897 zu Neuwiese im Riesengebirge; weitere besonders große Tagesmengen für das ebenere Deutschland sind: 166 mm zu Berlin (1902), 144 mm zu Rominten (1898), 154 mm bei Tuchel (1896), 149 mm bei Krossen (1899), 156 mm zu Pirna (1886). Zu Curtea de Arges in Rumänien fielen 205 mm in 20 Minuten, in Japan in 24 Stunden 902 mm, in Cherrapunji 1036 (in 5 Tagen hintereinander 2898) mm. Je größer die Jahressumme, um so kleiner ist im Verhältnis zu ihr das Tagesmaximum.

Die zeitliche Verteilung des Niederschlages über den Tag ist örtlich sehr verschieden, aber wegen der Schwierigkeit, den Schnee zu registrieren, gewöhnlich nur für den Sommer genauer bekannt. Der meiste R. fällt im allgemeinen in den kühlsten und wärmsten Tagesstunden, und zwar in jenen wegen der günstigen Kondensationsbedingungen, in diesen wegen des stärksten Luftauftriebes; von Sonnenaufgang bis Mittag sind wegen der zunehmenden Temperatur und Entfernung vom Taupunkt nur kleinere Regenfälle zu erwarten. Der jährliche Gang zeigt eine ganze Reihe gut ausgesprochener und weitverbreiteter Typen, von denen hier nur wenige erwähnt werden können. In ihrem Jahreslauf passiert die Sonne zweimal den Äquatorgürtel, deshalb wird die hier beständig vorhandene aufsteigende Luftbewegung zweimal im Jahre besonders stark ausgeprägt sein und daher die doppelte tropische Regenzeit; größere Landflächen in den Tropen rufen Monsun (s. d.) und Monsunregen hervor und stören oft die Ausbildung einer der beiden Regenzeiten. Ebenso tritt auch weiter nach den Wendekreisen hin nur eine einfache tropische Regenzeit auf. In den Subtropen ist der Sommer wegen der dort vorwiegend absteigenden Luft meist ohne R. Die in der Passatregion vorkommenden Passatregen sind Kondensationen des Wasserdampfes im Passatwinde, wenn er durch Gebirge zum Aufsteigen gezwungen wird; daher erhält z. B. die Ostküste Mittelamerikas fast das ganze Jahr hindurch R. Im Innern der großen Kontinente ist in der gemäßigten Zone der Hochwinter trocken, der Hochsommer regenreich, die Küsten haben hier vorwiegend Herbst- und Winterregen. Auch die Mittelgebirge Deutschlands haben vielfach hauptsächlich Winterregen, da sie dann schon in die mit der Jahreszeit in der Höhe schwankende Maximalzone des Niederschlags zu liegen kommen.

Zwei Fragen werden in den letzten Jahren sehr eifrig erörtert, ohne daß sie aber befriedigend beantwortet werden konnten, und zwar zunächst die Frage, ob der R. periodische Schwankungen (s. Klima, S. 138) von mehrjähriger Dauer zeigt. Brückner und neuerdings Hann haben es wahrscheinlich gemacht, daß eine Periode von etwa 35 Jahren vorhanden ist, und danach im allgemeinen die Jahre um 1808, 1843, 1878 naß, um 1823, 1859, 1893 trocken waren; ein Zusammenhang des Regenfalls mit der elfjährigen Sonnenfleckenperiode scheint nach Klein, Lockyer und Kaßner auch vorhanden zu sein. Die zweite Frage nach dem Einfluß des Waldes auf den R. ist nicht so zu beantworten, daß ein Waldgebiet regenreicher ist als ein benachbartes Ackerland, denn die größere Feuchtigkeit in jenem wird durch den Wind in ferne Gegenden getragen und dort kondensiert. Wohl wird sich ein Einfluß zeigen, wenn ein ganzes Land entwaldet wird, wie z. B. Griechenland, meist aber ist der Einfluß des Waldes nicht ein dem R. vorangehender, sondern folgender, indem er mit seinem Laube, seinem großen Wasserbedarf und seinem bewachsenen Boden einen erheblichen Teil vom R. zeitweise zurückhält und so zur Verhinderung der Überschwemmungen beiträgt. Im Flachlande, wo der Grundwasserstrom nicht so zur Geltung kommt wie auf dem Hange, liegt der Grundwasserspiegel im Walde tiefer als im Felde, weil die Bäume viel Wasser verbrauchen.

Vgl. Hann, Handbuch der Klimatologie (2. Aufl., Stuttg. 1897, 3 Bde.) und Die Schwankungen der Niederschlagsmengen in größern Zeiträumen (Wien 1902); Hellmann, Regenkarten der preußischen Provinzen und der andern Staaten Norddeutschlands (Berl. 1899–1903) und Die Niederschläge in den norddeutschen Stromgebieten (das. 1906, 3 Bde.; daraus Sonderdruck: »Regenkarte von Deutschland«), Supan, Die Verteilung des Niederschlags auf der festen Erdoberfläche (Ergänzungsheft 124 zu »Petermanns Mitteilungen«, Gotha 1898).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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