Kreuzotter

Kreuzotter

Kreuzotter (Pelias Merr.), Schlangengattung aus der Familie der Ottern (Viperidae), mit etwa 20 Arten, von denen die K. (Adder, Feuer-, Kupfer-, Höllennatter, Haselotter, Pelias berus Merr., s. Tafel »Schlangen III«, Fig. 2) am bekanntesten ist. Diese besitzt einen vorn schmalen, nach hinten plötzlich verbreiterten, platten Kopf, der am Scheitel mit kleinen Schildern besetzt ist (s. Abbild., S. 654). Der Hals ist sehr deutlich gegen den Kopf abgesetzt, der Leib gegen den Hals bedeutend verdickt, der Schwanz verhältnismäßig kurz, im letzten Drittel seiner Länge auffallend verdünnt und in eine kurze, harte Spitze endigend. Die Schuppen sind mehr oder minder deutlich gekielt, auf der Unterseite stehen breite Querschilder, die am Schwanz sich zweireihig ordnen. Das Männchen wird 65, das Weibchen bis 78 cm lang. Die Färbung ist hell weißgrau bis braungrau und sandgelb, lichtrot, schwarzbraun bis schwarz (Höllennatter), die Männchen sind im allgemeinen heller als die Weibchen. Stets zieht sich über den Rücken vom Nacken bis zur Schwanzspitze eine schwarze Zickzacklinie, die sich als eine Schnur aufgereihter Vierecke darstellt. Auf der Mitte des Scheitels verlaufen zwei Längsstreifen (von regellosen Flecken und Strichen umgeben), die mehr einem )( als einem Kreuz ähnlich sind, sich niemals schneiden und nur selten bis zur Berührung sich nähern. Die Schilder der Unterseite der K. sind weiß, grau, braungelb bis schwarz, dabei gewöhnlich dunkelgrau oder schwarz, gelblich gefleckt. Die K. findet sich im größten Teil Europas und in ganz Mittelasien, in den Alpen bis 2200 m ü. M. In Deutschland fehlt sie im niederrheinischen Schiefergebirge, im Siebengebirge, auf dem Hunsrück, in der Eifel, in der Rheinebene von Basel bis Mannheim, im Elsaß, im Odenwald, im Neckarkreis (bis auf wenige Punkte), in der Rheinpfalz und auf dem mittelfränkischen Plateau, am häufigsten ist sie im sächsischen Erzgebirge. Sie lebt im Wald, auf der Heide, auf Wiesen, Feldern, in Weinbergen, Steppen etc., unter Gebüsch, in steinigen, überwucherten Halden und besonders in Moorgegenden. bewohnt Höhlungen unter Wurzeln oder im Gestein, Maus- oder Maulwurfslöcher etc., entfernt sich niemals weit von diesen und sonnt sich gern. Am Tage bewegt sie sich träge und langsam, während sie von der Dämmerung an lebhafter wird, ohne mit der Natter an Beweglichkeit wetteifern zu können. Sie nährt sich besonders von Mäusen, Spitzmäusen, jungen Maulwürfen, frißt auch wohl junge Vögel und in der Not Frösche, kann aber lange hungern. Im Winter hält sie gesellig (15–25 Stück) unter alten Wurzelstämmen Winterschlaf und erscheint erst im April, frühestens Mitte März, über der Erde.

Kopf der Kreuzotter. I. Geöffneter Rachen, II. Präparation der Giftdrüse: a fleischige Taschen mit Giftzähnen, b Mündung des zylindrischen Kehlkopfs, c Gaumenzähne, d zweispaltige Zunge.
Kopf der Kreuzotter. I. Geöffneter Rachen, II. Präparation der Giftdrüse: a fleischige Taschen mit Giftzähnen, b Mündung des zylindrischen Kehlkopfs, c Gaumenzähne, d zweispaltige Zunge.

Sie ist äußerst reizbar, gerät leicht in Wut, bläht sich auf, zischt und beißt. Am Tage flieht sie nicht vor dem Menschen, sondern bleibt trotzig liegen und verrät sich bei Annäherung durch ihr Zischen, dem sogleich der Biß folgt. Nach dem Biß zieht sie sich möglichst schnell zurück. Daß die K. springt und weit verfolgt, ist eine Fabel. Nachts flieht sie wohl regelmäßig vor dem Menschen. Die Paarung beginnt erst im April und Mai; bisweilen verknäueln sich mehrere Pärchen während der Begattung zu einem wirren Haufen, in dem sie lange vereinigt bleiben. Im August und September legt das Weibchen je nach seinem Alter 5–14 Eier, aus denen die Jungen so schnell auskriechen, daß die K. gewöhnlich als lebendig gebärend gilt. Die Jungen sind etwa 20 cm lang, häuten sich nach einigen Minuten oder Stunden und leben sogleich völlig selbständig. Auch in der Gefangenschaft bleibt die K. boshaft, und nur ausnahmsweise nimmt sie Nahrung an. Der Biß der K. gilt als sehr gefährlich, doch scheint es, als ob die Gefährlichkeit übertrieben werde. Durch Stiefel dringen die Giftzähne jedenfalls nicht. Zu beachten ist aber, daß selbst abgeschlagene Köpfe noch Minuten und Viertelstunden nach der Enthauptung beißen. Als bestes Mittel gegen die Folgen des Bisses haben sich Branntwein, Kognak, Rum etc., in sehr starken Dosen genossen, bewährt. Dabei spüren die Gebissenen nichts von dem Rausch. Außerdem kann man die Bißwunde aussaugen (wobei vorausgesetzt ist, daß man keine Wunde im Mund oder an den Lippen hat), ausschneiden oder ausbrennen oder doch bis zur Erlangung ärztlicher Hilfe einen kleinen glatten Stein sehr fest aufbinden, um die Blutzirkulation zu hemmen. Köhler stellt die Gefährlichkeit, namentlich die Tödlichkeit des Bisses der K. in Abrede. Er hat seit 18 Jahren alle durch die Zeitungen gemeldeten Fälle von Kreuzotterbiß aus ganz Deutschland verfolgt und festgestellt, daß in keinem Fall die Folgen des Bisses über drei Tage hinaus bemerkbar gewesen sind, und daß kein einziger Todesfall eingetreten ist. Die hauptsächlichsten Feinde der K. sind der Iltis, Igel und Schlangenbussard. Vgl. Blum, Die K. und ihre Verbreitung in Deutschland (Frankf. a. M. 1888); Francke, Die K., Naturgeschichte und Fang etc. (Dresd. 1889); Banzer, Die K. (Münch. 1891); Ballowitz, Die Entwickelungsgeschichte der K. (1. Teil, Jena 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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