Todesstrafe

Todesstrafe

Todesstrafe, die Hinrichtung eines Verbrechers zur Sühne begangenen Unrechts. Je nachdem diese Hinrichtung (s. d.) in mehr oder weniger schmerzhafter Weise vollzogen wurde, unterschied man im ältern Strafrecht zwischen geschärfter (qualifizierter) und einfacher T. Nach dem Strafsystem der peinlichen Gerichtsordnung Karls V. waren als geschärfte Todesstrafen der Feuertod, das Pfählen, das Rad, das Vierteilen und das Säcken oder Ertränken in Übung, während die Strafen des Stranges und des Schwertes sowie die militärische Strafe der Kugel oder des Arkebusierens als die leichtern und einfachen Arten der T. galten. Die moderne Strafgesetzgebung kennt nur die einfache T., die in den meisten Staaten, namentlich auch nach dem deutschen Strafgesetzbuch, durch Enthauptung, und zwar meistens mittels des Fallbeiles (Guillotine, s. d.), in England, Österreich-Ungarn und den Vereinigten Staaten von Amerika durch Erhängen am Galgen, in Spanien durch Bruch der Halswirbel (Garrotte) und in den Staaten New York und Ohio durch die Anwendung von Elektrizität vollzogen wird. Nachdem Militärstrafgesetzbuch wird in Deutsch. land die T. im Feld und während der Zeit, für die ausdrücklich die Geltung der Kriegsgesetze erklärt wurde (s. Militärverbrechen), vollzogen durch Erschießen, wobei zu bemerken ist, daß im Frieden die T. für militärische Vergehen ausgeschlossen ist. Wurde wegen eines gemeinen Verbrechens im Frieden auf T. erkannt, so wird sie durch die bürgerlichen Behörden mittels Fallbeils vollzogen. In den Schutzgebieten wird seit 1900 die T. durch Erschießen oder Erhängen, in Kiautschou durch Enthaupten oder Erschießen vollzogen. Die Öffentlichkeit der T., die früher allgemein üblich war, besteht nur noch ausnahmsweise, z. B. in Frankreich; sonst wird dieselbe regelmäßig in einem umschlossenen Raume vollzogen (sogen. Intramuranhinrichtung). Nach der deutschen Strafprozeßordnung müssen dazu zwei Gerichtspersonen, ein Beamter der Staatsanwaltschaft, ein Gerichtsschreiber und ein Gefängnisbeamter zugezogen werden. Der Ortsvorstand hat zwölf Personen aus den Vertretern oder aus andern achtbaren Mitgliedern der Gemeinde abzuordnen, um der Hinrichtung beizuwohnen. Außerdem ist einem Geistlichen von dem Religionsbekenntnis des Verurteilten und dem Verteidiger sowie nach Ermessen des die Vollstreckung leitenden Beamten auch andern Personen der Zutritt zu gestatten. Der Leichnam des Hingerichteten ist den Angehörigen desselben auf ihr Verlangen zur einfachen, ohne Feierlichkeit vorzunehmenden Beerdigung zu verabfolgen. An schwangern oder geisteskranken Personen darf die T. nicht vollstreckt werden. Ihre Vollstreckung ist nur zulässig, nachdem die Entschließung des Staatsoberhauptes ergangen ist, von dem Begnadigungsrecht keinen Gebrauch machen zu wollen.

Über die Zulässigkeit der T. an und für sich ist, seitdem Beccaria für ihre Abschaffung eingetreten, also seit mehr denn 100 Jahren, Streit. Wenn dabei vielfach Unklarheit herrscht, so kommt dies besonders daher, weil man oft zwei Fragen nicht gehörig auseinander hält: die rechtsphilosophische, ob dem Staate das Recht zusteht, dem Staatsbürger zur Sühne begangenen Unrechts das Recht auf die Existenz abzusprechen, und die rechtspolitische, ob es, wofern man und zwar wohl mit Recht die erste Frage bejaht, zweckmäßig sei, von ebendiesem Rechte noch Gebrauch zu machen. Auch die zweite Frage glaubt die herrschende Ansicht bei dem dermaligen Stand unsrer Zivilisation zurzeit noch nicht verneinen zu können. Jedenfalls müßte man zuerst den Mord und dann erst die T. aus der Welt schaffen. Da ersteres aber unmöglich ist, so ist im wohlverstandenen Interesse der Sicherheit des Lebens der Bürger auch die Abschaffung der T. unmöglich. Abgeschafft war die T. vor der Herrschaft des norddeutschen Strafgesetzbuches in Anhalt, Bremen, Oldenburg und im Königreich Sachsen; sie ist es noch in Rumänien, Holland, Portugal, Italien (1889), Norwegen (1904) und in einigen nordamerikanischen Staaten; vorübergehend (1787–96) war sie in Österreich abgeschafft. Einzelne Schweizer Kantone haben die T., nachdem 1879 die sie verbietende Bestimmung der Bundesverfassung von 1874 beseitigt worden war, neuerdings wieder eingeführt. Der schweizerische Entwurf eines Strafgesetzbuches enthält die T. nicht. England und Frankreich hat die T. noch, vollzieht sie aber sehr selten. Im norddeutschen Reichstag hatte sich 1870 die Mehrheit für die Abschaffung der T. entschieden, und nur um das Zustandekommen des Strafgesetzbuches nicht zu gefährden, entschloß man sich bei dem entschiedenen Widerstande der Regierungen endlich doch für die Beibehaltung der T. Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch bedroht mit der T. den vollendeten Mord, außerdem aber noch den als Hochverrat strafbaren Mord und den Mordversuch, die an dem Kaiser, an dem eignen Landesherrn oder während des Aufenthaltes in einem Bundesstaat an dem Landesherrn dieses Staates verübt worden sind. Ferner ist im Sprengstoffgesetz von 1884, § 5, Absatz 3, bestimmt, daß derjenige, der vorsätzlich durch Anwendung von Sprengstoffen Gefahr für das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben eines andern herbeiführt, mit Zuchthaus, wenn aber durch solche Handlungsweise der Tod eines Menschen herbeigeführt worden ist, mit dem Tode bestraft werden soll, wofern der Täter jenen Erfolg voraussehen konnte. Nach dem Sklavenraubgesetz von 1895 trifft die T. Veranstalter und Anführer eines zum Zwecke des Sklavenraubes unternommenen Streifzuges, wenn durch diesen der Tod einer der Personen, gegen die der Streifzug unternommen war, verursacht worden ist. Das deutsche Militärstrafgesetzbuch endlich bedroht auch die schwersten Militärverbrechen, wie Kriegsverrat, Fahnenflucht, Feigheit vor dem Feinde, Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte im Feld und militärischen Aufruhr vor dem Feinde, Bruch des Ehrenwortes durch einen Kriegsgefangenen mit dem Tode. Vgl. Deutsches Strafgesetzbuch, § 13, 32, 80 und 211; Deutsche Strafprozeßordnung, § 485 f.; Deutsches Militärstrafgesetzbuch, § 58, 63, 73, 84, 97, 107 f., 133 und 159. – Nach österreichischem Strafrecht ist T. gesetzt: auf Hochverrat, wenn das Verbrechen gerichtet ist gegen die Person des Kaisers oder gegen die Ausübung seiner Regierungsrechte, selbst im Falle, wenn die verbrecherische Handlung ohne Erfolg geblieben ist, weiter wenn das Verbrechen in der Urheberschaft, Anstiftung, Rädelsführung oder unmittelbaren Mitwirkung zu andern hochverräterischen Unternehmungen besteht; auf öffentliche Gewalttätigkeit durch boshafte Beschädigung fremden Eigentums sowie durch boshafte Handlungen und Unterlassungen unter besonders gefährlichen Verhältnissen, wenn in beiden Fällen eines Menschen Tod, der vom Täter vorausgesehen werden konnte, eingetreten ist; auf vollbrachten Mord für Täter, Besteller und unmittelbar Mitwirkende; auf räuberischen Totschlag für die zur Tötung Mitwirkenden und auf Brandlegung, wenn durch das ausgebrochene Feuer der Tod eines Menschen eingetreten ist und dies vom Brandleger vorausgesehen werden konnte, und wenn der Brand durch besondere, auf Verheerungen gerichtete Zusammenrottung bewirkt wurde (§ 59, lit. a u. b, 86, 88, 136, 141 und 167, lit. a des Strafgesetzbuches). Statt der T. tritt bei Verbrechern unter 20 Jahren schwerer Kerker zwischen 10 und 20 Jahren (§ 52). Vgl. Mittermaier, Die T. (Heidelb. 1862); Schwarze, Aphorismen über die T. (Leipz. 1868); v. Holtzendorff, Das Verbrechen des Mordes und die T. (Berl. 1875); Olicecrona, Om dödsstraffet (2. Aufl., Upsala 1891); Ramlan, Wie wird im Deutschen Reiche die T. vollstreckt? (Rostock 1900).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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