Vogel

Vogel

Vogel, 1) Karl, Schulmann, geb. 19. Juli 1795 in Stadtilm, gest. 25. Nov. 1862 in Leipzig, studierte in Jena Theologie und Philologie, wurde 1815 Lehrer, später Mitleiter einer Erziehungsanstalt in Tharandt, 1824 Direktor der höhern Stadtschule in Krefeld, 1832 Direktor der höhern Bürgerschule und 1834 Direktor der Realschule in Leipzig, der ersten in Sachsen, die er neu organisierte und zu hoher Blüte brachte. Auch auf weitere Kreise wirkte er anregend durch seine Tätigkeit als Schriftsteller wie durch seinen Anteil am pädagogischen Vereinsleben (seit 1845 Versammlungen deutscher Realschulmänner, seit 1848 allgemeine deutsche Lehrerversammlungen) und an humanen Veranstaltungen (Leipziger Pestalozzistift 1846 u. a.). Unter seinen Schulschriften war besonders wirksam »Des Kindes erstes Schulbuch« (Leipz. 1843), durch das er im Anschluß an Jacotot die Normalwörtermethode des ersten Leseunterrichts in Deutschland begründete. Mit Friedr. Körner gab er die Zeitschrift »Die höhere Bürgerschule« (Leipz., seit 1852) heraus.

2) Jakob (gewöhnlich V. von Glarus), schweizer. Dichter, geb. 11. Dez. 1816 in Glarus, gest. daselbst 22. April 1899, arbeitete seit seinem achten Jahr in einer Fabrik, durchwanderte mit 21 Jahren die Schweiz und das südliche Frankreich und begründete nach seiner Rückkehr nach Glarus 1843 eine Buchdruckerei daselbst, mit der er später auch eine Verlagshandlung verband, in der unter anderm das verdienstliche Sammelwerk »Die poetische Nationalliteratur der deutschen Schweiz« (Bd. 1–3 bearbeitet von Robert Weber, 1866–67; Bd. 4 von Honegger, 1876) erschien. Er veröffentlichte: »Gedichte« (14. Aufl. 1890), »Bilder aus den Alpen«, Gedichte (1874), »Stille Lieder« (1875), daneben auch EpigrammeRaketen«, »Taranteln«, »Wilde Kastanien«, »Birkenzweige«, 1868 u. 1871), Werke, die sich durch Wahrheit des Gefühls und Anmut der Form auszeichnen. Außerdem erschienen von ihm: »Erinnerungen aus dem Klöntal« (6. Aufl. 1889), »Wilde Rosen«, Satiren und Epigramme (1888) und »Meine Heimat«, ausgewählte Naturlieder (1893).

3) Karl, namhafter Kartograph, geb. 4. Mai 1828 in Hersfeld, gest. 16. Juli 1897 in Gotha, arbeitete seit 1853 in J. Perthes' Geographischer Anstalt, namentlich an den Europa betreffenden Blättern des Stielerschen Atlas, unter denen die von Spanien, Frankreich, dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, Italien, der Balkanhalbinsel zu den besten des Werkes gehören. 1880 erschien von ihm eine Karte des Thüringer Waldes, 1892–93 eine von ihm redigierte »Karte des Deutschen Reiches« im Maßstab 1: 500,000 (27 Blätter).

4) Eduard, Afrikareisender, Sohn von V. 1), geb. 7. März 1829 in Krefeld, gest. im Februar 1856 in Wadai, studierte in Leipzig und Berlin Mathematik und Astronomie, ward 1851 Assistent an Bishops Sternwarte in London und schloß sich 1853 an Stelle des verstorbenen Richardson (s. d. 3) der Expedition von Barth und Overweg in Zentralafrika an. Im Juni brach er von Tripolis nach Bornu auf und langte 13. Jan. 1854 in Kuka an, von wo aus er die Umgegend des Tsadsees erforschte und den Sultan auf einem Kriegszug nach Musgu bis 11.° nördl. Br. begleitete. Auf dem Wege nach Sinder traf er 1. Dez. 1854 unvermutet mit Barth zusammen, brach dann, während dieser sich zur Heimreise rüstete, 20. Jan. 1855 nach Süden auf, erreichte im Februar als erster Europäer Jakoba und 30. April den Binuë, den er bei einem zweiten Zuge im September überschritt. Darauf kehrte er nach Kuka zurück, verließ es aber schon 1. Jan. 1856 zu einem Zug in westlicher Richtung nach Wadai. Spätere Nachforschungen ergaben, daß V. Wara, die alte Hauptstadt Wadais, erreicht hat, dort aber auf Befehl des Sultans, wahrscheinlich 8. Febr., ermordet wurde. Erkundigungen über sein Schicksal zogen Munzinger, Beurmann, Rohlfs und Nachtigal ein. Seine Berichte wurden in »Petermanns Mitteilungen« veröffentlicht. Vgl. E. Polko (seine Schwester), Erinnerungen an einen Verschollenen (Leipz. 1863); Pahde, Der Afrikaforscher Eduard V. (Hamb. 1889).

5) Hermann Wilhelm, Photochemiker, geb. 26. März 1834 in Dobrilugk, gest. 17. Dez. 1898 in Charlottenburg, studierte in Berlin und war seit 1858 Assistent von Rammelsberg und Dove und seit 1860 Assistent am Mineralogischen Museum. 1863 gründete er den Berliner Photographenverein und leitete auch den aus diesem 1869 hervorgegangenen Verein zur Förderung der Photographie. Seit 1864 lehrte er Photochemie an der Berliner Gewerbeakademie, und 1884 wurde er Vorsteher des photochemischen Laboratoriums der Technischen Hochschule in Charlottenburg. Mit Sonnenfinsternisexpeditionen ging er 1868 nach Aden, 1870 nach Sizilien, 1875 nach den Nikobaren und 1886 nach Rußland. Er war Mitbegründer des Vereins für Deutsches Kunstgewerbe (1877) und Begründer der Deutschen Gesellschaft von Freunden der Photographie (1887). Als Jurymitglied fungierte er auf vielen Ausstellungen. Vogels Untersuchungen betrafen hauptsächlich die Sensibilisatoren, die ihn 1873 zu der Entdeckung führten, farbige Gegenstände in den richtigen Tonwerten aufnehmen zu können, ferner die Perspektive und die Prinzipien der Beleuchtung und Atelierkonstruktion (1869), die Photometrie etc. In der letzten Zeit arbeitete er über Farbenwahrnehmungen, und 1885 stellte er sein neues photochromisches Prinzip auf, auf dem der Naturfarbendruck beruht. Seit 1873 beschäftigte er sich spezieller mit Spektralphotographie und Spektralanalyse und entdeckte 1878 die ultravioletten Wasserstofflinien. Er schrieb: »Lehrbuch der Photographie« (Berl. 1867–70; 4. Aufl. als »Handbuch«, 1890–99, 4 Tle. in 5 Bdn.; 1. Teil: Photochemie, in 5. Aufl. 1906); »Praktische Spektralanalyse irdischer Stoffe« (Nördling. 1877; 2. Aufl., 1. Teil, das. 1889); »Die chemischen Wirkungen des Lichts und die Photographie« (2. Aufl., Leipz. 1884); »Die Photographie farbiger Gegenstände in den richtigen Tonverhältnissen« (Berl. 1885); »Das photographische Pigmentverfahren« (5. Aufl. von Hanneke, Halle 1905); »Vom Indischen Ozean bis zum Goldland«, Reisebeobachtungen (Berl. 1878); »Lichtbilder nach der Natur« (das. 1879); »Aus der neuen Hexenküche«, Skizze des Spiritistentreibens (das. 1880) u. a. Seit 1864 gab er die »Photographischen Mitteilungen« heraus.

6) Sir Julius, englisch-austral. Staatsmann, geb. 24. Febr. 1835 in London aus jüdischer Familie, gest. 12. März 1899, wurde auf der London University School und der Royal School of Mines gebildet, ging 1861 nach Neuseeland und griff dort sogleich tätig in das politische Leben der Kolonie ein. Er war 1866–69 Mitglied der Provinzialregierung von Otago, seit 1863 Mitglied des Abgeordnetenhauses und seit 1869 des Ministeriums von Neuseeland. 1870 begründete er die bis in die neueste Zeit in Neuseeland befolgte Politik, wonach durch Anleihen auf dem englischen Geldmarkt die Einwanderung ins Land gezogen und die Herstellung einer großen Zahl von Verkehrsmitteln ermöglicht, freilich das Land auch mit einer großen Schuldsumme belastet wurde. Der großartige Plan der Bildung eines englischen Polynesien ging ebenfalls von V. aus; doch billigte das englische Parlament das ihm 1874 vorgelegte Projekt der New Zealand and Polynesian Company, die jenes Ziel erreichen wollte, nicht. Nachdem V. Mitglied und Führer mehrerer Ministerien gewesen, übernahm er 1876 den Posten eines Generalbevollmächtigten der neuseeländischen Regierung in London, den er bis 1881 bekleidete. Er kehrte dann nach Neuseeland zurück, wurde wieder ins Abgeordnetenhaus gewählt und 1884 nochmals ins Ministerium berufen, mußte aber 1887 zurücktreten und lebte seitdem verarmt und körperlich gebrochen in Hillersdon bei London. Er schrieb: »Official handbook of New Zealand« (Lond. 1875).

7) Hermann Karl, Astronom, Bruder von V. 4), geb. 3. April 1841 in Leipzig, gest. 13. Aug. 1907 in Potsdam, studierte in Dresden und Leipzig, wurde 1865 Assistent an der Leipziger Sternwarte, 1870 Astronom der Privatsternwarte des Kammerherrn v. Bülow zu Bothkamp bei Kiel und widmete sich hier mit großem Erfolg ausschließlich der Astrophysik. 1874 wurde er Observator an dem neu zu erbauenden astrophysikalischen Observatorium in Potsdam, 1882 Direktor dieses Instituts, 1892 Mitglied der Berliner Akademie. Er veröffentlichte: »Beobachtungen und Positionsbestimmungen von Nebelflecken und Sternhaufen« (Leipz. 1867 u. 1876); »Bothkamper Beobachtungen« (das. 1872 u. 1873, 2 Bde.); »Untersuchungen über das Spektrum der Planeten« (das. 1874 u. Berl. 1895); »Der Sternhaufen χ Persei« (Berl. 1878); »Sternspektraltafel« (Wien 1888); »Über den neuen Stern im Fuhrmann« (Berl. 1893). Außerdem veröffentlichte er viele wertvolle astrophysikalische Untersuchungen besonders über die spektrographische Bestimmung der Bewegung der Sterne im Visionsradius, eine spektroskopische Durchmusterung u. a., zum Teil in den »Publikationen des astrophysikalischen Observatoriums zu Potsdam«, von denen er 18 Bände nebst 4 Bänden der »Photographischen Himmelskarte« herausgab (Leipz. 1878–1907); auch besorgte er die 3. Auflage von Newcomb-Engelmanns »Populärer Astronomie« (das. 1905).

8) August, pädagog. Schriftsteller, geb. 3. Febr. 1842 in Greifswald, studierte daselbst und in Tübingen Theologie und Philologie, wirkte als Lehrer höherer Schulen in Greifswald, Wittstock, Hildesheim, Spandau und ist seit 1873 Rektor der höhern Bürgerschule in Potsdam. Er schrieb: »Philosophisches Repetitorium« (Gütersl. 1873, 4. Aufl. 1898); »Methodik des gesamten deutschen Unterrichts« (das. 1874); »Geschichte der Pädagogik als Wissenschaft« (das. 1877); »Systematische Enzyklopädie der Pädagogik« (Eisenach 1881); »Systematische Darstellung der Pädagogik Pestalozzis« (Hannov. 1886, 2. Aufl. 1893); »Herbart oder Pestalozzi?« (das. 1887, 2. Aufl. 1893); »Pädagogisches Repertorium« (Gütersl. 1892); »Lebensprobleme und Welträtsel« (das. 1891); »Die philosophischen Grundlagen der wissenschaftlichen Systeme der Pädagogik« (Einleitung in die Sammlung: »Klassiker der Pädagogik«, 3. Aufl., Langensalza 1903); »Altklassischer Dichterhain« (2. Aufl., das. 1903); »Mittelschul-Pädagogik« (das. 1893); »Die höchsten Fragen, beleuchtet von den größten Denkern der Neuzeit« (Berl. 1896); »Überblick über die Geschichte der Philosophie« (Leipz. 1904–05, 2 Tle.); »Ausführliches grammatisch-orthographisches Nachschlagebuch der deutschen Sprache« (60. Tausend, Berl. 1908); »Die pädagogischen Sünden unsrer Zeit« (Lissa 1907).

9) Leo, schweizer. Diplomat, geb. 23. Okt. 1863 in Rio de Janeiro als Sohn eines Schweizer Kaufmanns, studierte die Rechte in Berlin, Wien, Straßburg und Zürich, machte 1889–91 eine Weltreise, wurde 1891 Gesandtschaftsattaché in Rom, 1893 in Washington, 1894 Legationssekretär daselbst, 1898 in Berlin und 1904 schweizerischer Gesandter in Washington.

[Maler etc.] 10) Christian Lebrecht, Maler, geb. 6. April 1759 in Dresden, gest. daselbst 11. April 1816, bildete sich auf der Kunstakademie seiner Vaterstadt, lebte dann zu Wildenfels im Erzgebirge und ward später Mitglied, 1814 Professor der Dresdener Akademie. Er war als Historien- und als Porträtmaler tätig; namentlich gelangen ihm Darstellungen aus dem Kinderleben (Doppelbildnis der Prinzen von Schönburg-Waldenburg, in der Dresdener Galerie).

11) Ludwig, Maler, geb. 10. Juli 1788 in Zürich, gest. daselbst 21. Aug. 1879, war anfangs Zuckerbäcker und trieb die Malerei nur in den Mußestunden. 1808 bezog er die Akademie in Wien und 1810 wanderte er nach Rom, wo er sich an Thorwaldsen, Koch und Cornelius anschloß. Hier entstand sein erstes größeres Bild: die Rückkehr der Schweizer aus der Schlacht bei Morgarten. Nachdem er sich noch eine Zeitlang in Florenz aufgehalten hatte, kehrte er in die Heimat zurück und führte dort bis in die Mitte der 1860er Jahre eine Reihe von Darstellungen aus dem Volksleben und der Geschichte der Schweiz aus. Eine der bekanntesten ist der von Gonzenbach gestochene Schweizerbund von 1307. Vgl. Vögelin, Das Leben Ludwig Vogels (Zürich 1881–82).

12) Johann Friedrich, Kupferstecher, geb. 17. Dez. 1829 in Ansbach, gest. 13. Febr. 1895 in München, war 1845–52 in Mayers Kunstanstalt in Nürnberg tätig, wo er auch vier Jahre Schüler von Reindel war, bildete sich dann in Leipzig bei Sichling weiter und ließ sich nach längerm Aufenthalt 1869 in München nieder. Seine Hauptwerke sind: Die Spieler (nach Knaus, 1868), Seni vor Wallensteins Leiche (nach Piloty, 1872), Maria Luise de Tassis (nach van Dyck, 1875), Heinrich VIII. verstößt Anna Boleyn (nach Piloty), der Früchtekranz (nach Rubens), die heil. Justina (nach Moretto) und der schwarze Peter (nach Vautier).

13) Hugo, Maler, geb. 15. Febr. 1855 in Magdeburg, bildete sich auf der Kunstakademie in Düsseldorf besonders unter E. v. Gebhardt und W. Sohn, in Paris unter Lefebvre und auf Reisen in Italien, Spanien und den Niederlanden und trat zuerst mit einigen in der Art Gebhardts gemalten Studienköpfen und Genrebildern in die Öffentlichkeit. Dann wandte er sich mit einem 1883 vollendeten figurenreichen Bild: Luther predigt während seiner Gefangenschaft auf der Wartburg aus seiner Bibelübersetzung (in der Kunsthalle zu Hamburg), der Geschichtsmalerei zu. Es folgten 1885 im Auftrag der Verbindung für historische Kunst: der Große Kurfürst empfängt französische Refugiés in Potsdam 10. Nov. 1685, und, nachdem V. nach Berlin übergesiedelt war, 1887: Herzog Ernst der Bekenner empfängt zum erstenmal das Abendmahl in beiderlei Gestalt in Celle 1530 (im Provinzialmuseum zu Hannover). In der Vorhalle zum Sitzungssaal des Magistrats im Berliner Rathaus führte V. zwei große Wandgemälde: der Empfang der französischen Flüchtlinge durch den Großen Kurfürsten und die Räte von Berlin und Kölln nehmen das Abendmahl in beiderlei Gestalt, sowie drei Supraporten: Verherrlichung Schlüters, Verherrlichung Schinkels und König Friedrich Wilhelm I. in Berlin Bauten besichtigend, aus, im Ständehaus zu Merseburg Wandmalereien aus der mittelalterlich-sächsischen Geschichte (1897–1900), im Festsaal des Hamburger Rathauses fünf die Kulturepochen auf Hamburgs Boden darstellende Kolossalgemälde in Kaseinfarben. Seine wichtigsten Ölgemälde sind: Stille Arbeit (1888), Nach der Taufe (in Ste. – Gudule in Brüssel, 1890), Dorfpolitiker, ein Orgelspieler, Abendfriede (1893), eine große allegorische Darstellung der von der Wehrmacht beschützten Industrie (1894), Messe im Marienmonat in Ste.-Gudule (1895), Kirchenvater, Mutter und Kind in der Laube (in der Berliner Nationalgalerie), die Amme (1903). Von seinen Bildnissen sind die des Bürgermeisters Duncker in Berlin, des Hamburger Bürgermeisters Versmann und des Professors Virchow zu nennen. Er ist Mitglied der Kunstakademie und war von 1888–93 Lehrer an der Hochschule für die bildenden Künste. Vgl. M. Schmid, Hugo V. (Wien 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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