- Flechte
Flechte (Herpes), früher und im Volksmund noch jetzt gebräuchliche Bezeichnung jedes chronischen »Ausschlags«. Neuerdings sind zahlreiche, früher als F. bezeichnete Ausschlagsformen in das Gebiet des Ekzems (s.d.) verwiesen worden. Nur für die Schuppenflechte (Psoriasis) und für die Blasen- oder Bläschenflechte (Herpes) hat man den Namen F. beibehalten. Bei letzterer Form treten mehrere gruppenweise auf geröteter, entzündeter Haut beisammenstehende, hirsekorn- bis linsengroße Bläschen, die ursprünglich mit klarer Flüssigkeit gefüllt sind, an dieser oder jener Stelle des Körpers rasch auf und verschwinden wieder nach Verlauf einiger Tage oder höchstens Wochen, nachdem der Inhalt sich erst trübte, dann eintrocknete und eine Borke gebildet hatte, die zuletzt ohne Narbenbildung abfällt. Man unterscheidet folgende Formen der Bläschenflechte: 1) Der Herpes labialis s. facialis erscheint meist ohne bekannte Veranlassung am Munde, an der Nase, am Ohr, an den Augenlidern etc., auch auf der Mund- und Rachenschleimhaut, zumal bei fieberhaften Krankheiten. 2) Der Herpes progenitalis, an der Vorhaut des männlichen Gliedes, bei Frauen gewöhnlich an den großen Schamlippen, ist ebenfalls ein ganz unschuldiges Übel, das bei manchen Individuen sehr häufig wiederkehrt, aber binnen wenigen Tagen wieder verschwindet. 3) Die Gürtelflechte (Gürtelausschlag, Herpes zoster, Zona) gewinnt oft große Ausbreitung und kann überaus heftige Schmerzen verursachen; sie kommt am ausgeprägtesten am Rumpfe vor und umgibt hier wie ein halber Gürtel den Leib. Dem Ausbruch der Gürtelflechte geht gewöhnlich eine heftige Neuralgie vorauf, die auch während der Blüte des Ausschlags noch anhält. Dieselbe F. wird auch am Kopf, an der Brust, dem Bauch und an den Gliedmaßen in Form eines entzündeten, mit Bläschen besetzten Hautstreifens beobachtet. Der Verlauf der Gürtelflechte dauert in der Regel 3–4 Wochen; es ist dabei häufig, wenigstens einige Tage lang, ziemlich lebhaftes Fieber vorhanden. Eine andre Herpesform, der Herpes iris oder circinnatus, gehört zum Erythema multiforme, s. Erythem. Die Ursache des Herpes ist nicht hinreichend aufgeklärt; sie scheint jedoch auf einer (zentralen oder peripheren) Nervenaffektion zu beruhen. Es wurden als solche Affektionen Neuritis, Perineuritis, Blutungen und Infiltrationen in die Spinalganglien gefunden, die teils auf Infektion, teils auf Wirkung verschiedener Gifte bezogen wurde. Die Ausbreitung der Gürtelflechte scheint sich meistens nicht dem Verlauf der Nervenstämme anzuschließen, sondern entspricht den mit der Verteilung dieser nicht identischen Gebieten, die von bestimmten Rückenmarksquerschnitten (Segmenten) versorgt werden; ein Umstand, der an Störungen in diesen letztern denken läßt. Die Behandlung der Gürtelflechte beschränkt sich auf Linderung der Schmerzen und Schutz der erkrankten Hautstellen durch Salben. Eine ansteckende Form der F. ist der durch einen Pilz, Trichophyton tonsurans, erzeugte Herpes tonsurans (Rasier-, Glatzflechte; s. Bartsinne und Kahlköpfigkeit). – Auch bei Haustieren kommt Herpes tonsurans vor, am häufigsten beim Rind und Hund, seltener bei Pferden, Ziegen und Katzen, am seltensten bei Schafen und Schweinen, endlich auch beim Geflügel. Beim Rind sitzt die F. meist an Kopf und Hals und bildet scharfbegrenzte Flecken mit dicken, grauen Borken. Bei Kälbern befällt sie die Umgebung des Maules (Teigmaul, Maulgrind); doch kommen hier, wie auch bei Lämmern und Ferkeln, ähnliche nicht auf Flechten beruhende Ausschläge vor. Beim Hund bilden sich haarlose Flecke mit und ohne Borken namentlich an Kopf und Beinen, beim Pferd in der Sattellage. Beim Schafe fallen fleckenweise Wollenbüschel aus, beim Geflügel ebenso Federn. Charakteristisch ist zum Unterschied von andern Hautkrankheiten der geringe Juckreiz, doch erfordert die sichere Diagnose den mikroskopischen Nachweis der F. Die kranken Tiere sind abzusondern; die Beseitigung der F. erfordert tierärztliche Behandlung. Vgl. auch Hautkrankheiten der Haustiere.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.