Vulkāne

Vulkāne

Vulkāne (Feuerberge, feuerspeiende Berge, hierzu Tafel »Vulkane I u. II« mit Text), Berge, die durch einen Kanal mit dem Erdinnern in Verbindung stehen oder gestanden haben und durch diesen Kanal (Eruptionskanal) Gesteinsmassen (Lava) oder Gase von Zen zu Zeit ausstoßen (tätige V.) oder früher ausgestoßen haben (erloschene, ausgebrannte V.). Die vulkanische Natur der erloschenen V. ist nur durch ihre Struktur und das sie bildende Material nachweisbar. Zuweilen werden V., die seit Menschengedenken als erloschen galten, aufs neue tätig. So wurde der Vesuv (s. d.) vor seiner Eruption 79 n. Chr. als erloschen betrachtet, und eine zweite große Pause, die als Ersterben der vulkanischen Tätigkeit hätte gedeutet werden können, wurde durch den furchtbaren Ausbruch des Jahres 1631 beendet. Überhaupt wechseln bei allen tätigen Vulkanen Perioden der Ruhe mit den eigentlichen Eruptionsepochen ab. In der Zeit der relativen Ruhe zeigen Exhalationen, besonders von Wasserdampf und von Gasen (Schwefelwasserstoff, Schweflige Säure, Kohlensäure, Salzsäure, Borsäure etc.), den Fortgang der vulkanischen Tätigkeit in der Tiefe an. Durch Zersetzung des Schwefelwasserstoffs und andrer Gase, auch durch Einwirkung jener auf die Gesteine des Eruptionskanals (Kraters) und seiner Umgebung entstehen krustenförmige Abscheidungen von Schwefel, Realgar, Eisenglanz, Salmiak, Chlornatrium etc., die, teils weiß, teils gelb, rot und braun gefärbt, die Kraterwände überziehen. Viele V. zeigen seit Menschengedenken nichts andres als solche Exhalationen, die man dann als die letzten Ausklänge des Vulkanismus zu betrachten gewohnt ist (Solfatarenzustand der V.). Walten unter den Exhalationen Schwefelverbindungen vor, so nennt man die betreffenden Orte Solfataren; ist Kohlensäure das Hauptgas, Mofetten; mit sonstigen Gasen gemischte Wasserdämpfe geben die Fumarolen. Weiter werden in den Perioden der Ruhe ab und zu durch die entweichenden Dämpfe Fetzen der in der Tiefe des Kraters kochenden Lava oft Hunderte von Metern hoch emporgeschleudert und erstarren in der Luft bei rascher Rotation zu kugeligen oder ellipsoidischen Massen, den Bomben. Von Zeit zu Zeit vergrößert sich aber die Menge dieser Auswürflinge; Erschütterungen des Kegels und der gesamten Umgebung des Berges künden eine wirkliche Eruption an, die dann im Ausstoßen von Dämpfen und auch brennbaren Gasen, wie Wasserstoff, Kohlenoxyd, Methan etc., die unter anderm bei dem letzten großen Ausbruch des Mont Pelé auf Martinique eine große Rolle spielten, sowie im Erguß von Lava (s. d.) aus einem der vorhandenen oder neugebildeten Krater oder aus aufreißenden Spalten des Kegels ihren Kulminationspunkt erreicht. Hinsichtlich des Temperaturgrades, der Streng- oder Leichtflüssigkeit, der Schnelligkeit der Fortbewegung und der Erkaltung, der Menge des gelieferten Materials lassen sich für die Lavaströme allgemein gültige Sätze nicht aufstellen. Wo stark geneigtes Terrain vorliegt, kann ein Strom dünnflüssiger Lava in der Stunde 30 km zurücklegen, während andre Ströme in einem Tage nur wenige Dezimeter weit sich fortbewegen. Rasch bedeckt sich die ausgestoßene Lava mit einer schwarzen Schlackenkruste, die öfter zerreißt und dann das glühende Innere sichtbar werden läßt. zuweilen auch kleine schlotartige Erhebungen (Hornitos, Bocchen) trägt, denen Gase und Dämpfe entströmen (Fumarolen). Unter der die Wärme schlecht leitenden Schlackenumhüllung behalten die Ströme, bei denen man nach der Oberflächenbeschaffenheit zwischen Gekröselava und Blocklava (Tafel II, Fig. 5 u. 6) unterscheidet, eine hohe Temperatur oft jahrzehntelang. Mitunter liefert eine einzige Eruption, ein einziger Lavastrom eine außerordentliche Gesteinsmasse. So wird die dem Ätna 29. Aug. 1874 während einer kurzen Eruption entströmte Masse auf 1,5 Mill. cbm geschätzt, und auf Island sind einzelne Ströme von 70–90 km Länge bei 22–27 km Breite und 40 m durchschnittlicher Mächtigkeit bekannt. Während des Ausbruchs steigert sich euch die Menge des in fester Form vom Vulkan ausgestoßenen Materials, das aus größern Bomben, kleinern Lapilli (Rapilli), noch feinerm Sand und staubartiger Asche, dem Zertrümmerungsmaterial der erstern, besteht. Besonders Asche (s. d.) wird bei einzelnen Eruptionen in ungeheuern Mengen geliefert; wurden doch durch solches feinstes Zerstäubungsprodukt vom Vesuv 79 n. Chr. Herculaneum und Pompeji mehrere Meter hoch überdeckt. Sie ist neben Wasserdämpfen auch ein Hauptbestandteil der schwarzen, in der Nacht vom Widerschein der im Innern des Kraters glühenden Lava feurigen Säule, die sich über dem Krater bis zu Hunderten von Metern erhebt und in ihren höchsten Teilen sich verbreitert in einer oft mit der Pinie verglichenen Form. Winde entführen die Asche häufig auf weite Entfernungen; so wurde im Frühjahr 1875 Asche, welche die isländischen Vulkane geliefert hatten, von nordwestlichen Luftströmungen bis nach Skandinavien getragen. Die große Menge von Asche, die neben Bimssteinlapilli der Krakatau 1883 lieferte, und die auf 18 cbkm berechnet wird, breitete sich über einen Flächenraum größer als Deutschland aus und wurde weiterhin, von den Luftströmungen durch die gesamte Atmosphäre getragen, die Ursache der auf dem größten Teil der Erde beobachteten eigentümlichen Dämmerungserscheinungen in den der Eruption folgenden Monaten. Mit der Asche vermischen sich häufig wolkenbruchartige Regengüsse, entstanden durch die Verdichtung des ausgestoßenen Wasserdampfes, oder Wassermassen, die durch die schnelle Schmelzung des hohe Vulkane bedeckenden Schnees geliefert werden. Es entstehen Schlammfluten (Schlammströme), die meistens freie Säure enthalten und deshalb so verheerend auf die Vegetation wirken. Durch das Wasser ausgebreitet und später erhärtet, bilden diese Schlammassen die vulkanischen Tuffe. Das Material, aus dem die vulkanischen Tuffe, Sande, Bomben und Laven bestehen, ist seiner petrographischen Natur nach bei den verschiedenen Vulkanen oft sehr verschieden; alle in geologischer Vorzeit durch vulkanische Tätigkeit gelieferten Gesteine, wie Basalt, Phonolith, Andesit und Trachyt, haben auch unter den historischen Laven ihre Vertreter; besonders häufig sind ihre glasigen Erstarrungsformen: Obsidian und Bimsstein.

Die V. werden eingeteilt in einfache und zusammengesetzte sowie in homogene oder massige, zu denen die sogen. Quellkuppen gehören, und in geschichtete oder Stratovulkane (vgl. Text zur Tafel). Stübel unterscheidet nach der Bildungsweise der V. zwischen monogenen und polygenen. Die letztern entsprechen den geschichteten oder Stratovulkanen; für sie ist die Kegelform charakteristisch, wie sie der Stromboli, der Pik von Tenerife, der Vesuv, der Ätna etc. zeigen. Die monogenen V. verdanken ihre Entstehung, wie die Quellkuppen und homogenen V., die ihren einfachsten Typus darstellen, einem einmaligen Ausbruch oder verhältnismäßig rasch aufeinanderfolgenden Ausbrüchen und haben durch spätere Ausbrüche keine wesentliche Umgestaltung erfahren. Sie stellen sich teils als abgestumpfte Kegel (mit oder ohne kraterförmige Einsenkung an der Spitze) dar, teils, wie der Chimborazo und Cayambe, als domartige Berge mit steiler, hochaufsteigender oder mit flacher, weit ausgedehnter Wölbung (Tafel I, Fig. 1). Andre sind gegliederte Kegelberge (Strebepfeilerberge), d. h. zusammengesetzt aus mehreren (fünf oder mehr) gleichartig gestalteten Rücken (Strebepfeilern), die, durch breite talartige, oft nachträglich durch Erosion wohl etwas erweiterte Einschnitte voneinander getrennt, radial um eine gemeinschaftliche Achse angeordnet sind, und können dann entweder (Tafel I, Fig. 3) einen mehr oder weniger gut ausgebildeten Gipfelkrater (mit oder ohne Ausbruchkegel) oder (Tafel I, Fig. 4) eine zentrale Gipfelpyramide besitzen oder beides entbehren. Wieder andre sind Calderaberge, d. h. der Kraterkessel ist nicht ringsum geschlossen, sondern zeigt in seiner Umwallung einen mehr oder weniger tiefen und breiten, talartigen Einschnitt (Kratertal, Caldera), dessen Sole zugleich auch die Entwässerung des Kraterkessels nach außen zu bewirken pflegt (Tafel I, Fig. 2); es gibt Calderaberge, die einen Eruptionskegel in der Caldera besitzen, und andre ohne diesen.

Eine besondere Form der V. zeigen die sogen. Maare, kreisrunde oder elliptische Einsenkungen in verschiedenen Gesteinen, mit einem niedrigen Wall von Tuff und Bomben umgeben, oft auch ohne diesen, sehr häufig mit Wasser gefüllt (Kraterseen, s. Tafel »Seebildungen I«, Fig. 3). Sie finden sich in der Eifel, in der Auvergne, im Albanergebirge, auf Java etc. und werden von den einen als Explosionskrater (Explosionstrichter, Vulkanembryonen), durch den gewalttätigen Austritt hochgespannter Gase und Dämpfe entstanden, angesehen; andre möchten sie als durch vulkanische Vorgänge veranlaßte Einstürze (Einsturzkrater) deuten. Von ihnen zu unterscheiden sind naturgemäß die Lavaseen, die seeartigen Anhäufungen kochender Lavamassen, wie sie der Kilauea auf Hawaï besitzt (Tafel I, Fig. 7).

Die Zahl der tätigen V. auf der Erde beträgt etwa 320, der erloschenen weit über 400. Die geographische Verbreitung der tätigen V. ist aus der folgenden, von Fuchs herrührenden Tabelle ersichtlich:

Tabelle

Die geologische Untersuchung ergibt, daß die V. hauptsächlich in solchen Gebieten vorkommen, die von großen Dislokationen, tief in die Erdkruste hinabreichenden Verwerfungsspalten und grabenartigen Einsenkungen durchsetzt werden. Da derartige Bruchzonen jüngern Alters besonders an den Rändern der großen Kettengebirge auftreten und diese vielfach längs der ozeanischen Küsten (s. d.) verlaufen, macht es den Eindruck, als ob die V. in ihrem Auftreten besonders an die Nähe der Küste und großer Wasserbecken geknüpft seien. In der Tat liegen die oben aufgezählten V. und ebenso die andern, die als erloschen zu betrachten sind, aber ihrer ganzen Natur nach den noch tätigen Vulkanen durchaus analog sind, mit wenigen Ausnahmen in der Nähe des Meeres, teils auf dem Festlande, teils auf Inseln. So ist namentlich der Stille Ozean an fast allen seinen Küsten von reihenförmig angeordneten Vulkanen (Vulkanreihen) eingefaßt: im O. und S. liegen die chilenischen V., denen sich nach N. die von Peru, Ecuador und Kolumbien anschließen; ihnen folgen die V. von Zentralamerika und Mexiko. Während die Westküste Nordamerikas nur hier und da Spuren der vulkanischen Tätigkeit aufweist, wird auf Alaska die Vulkanreihe wieder dichter, zieht sich über die Alëuten nach Nordasien hinüber, durch Kamtschatka hindurch über die Kurilen hin nach Japan, den Philippinen und Molucken bis zu dem Süden, wo Sumatra, Java und andre Sundainseln reich an Vulkanen sind. Hierzu kommen noch die Inseln des Stillen Ozeans, in erster Linie die Sandwichinseln. Vielfach ist auch der Meeresgrund der Schauplatz der vulkanischen Tätigkeit (unterseeische, submarine V.). Durch die Aufhäufung des erumpierenden Materials bauen sich dann zuweilen Inseln auf, bald ephemere Erscheinungen, wenn ihr Material hinfällig ist und schnell eine Beute der brandenden Meereswogen wird, bald widerstandsfähige vulkanische Eilande. So bietet unter andern der Santorin-Archipel (s. Übersichtskärtchen), in dem von 1866 bis 1870 fast ununterbrochen Eruptionen sich abgespielt haben, eine treue Kopie des Vesuvs dar, wenn man sich bei letzterm den Spiegel des benachbarten Meeres um so viel gehoben denkt, daß das Wasser den Grund des den Monte Somma vom Zentralkegel trennenden Tales, des Atrio del Cavallo, bespült.

Kärtchen des Santorin-Archipels vor den Vulkanausbrüchen 1866.
Kärtchen des Santorin-Archipels vor den Vulkanausbrüchen 1866.

Thera, Therasia und Aspronisi sind die peripherischen Inseln, die den erhaltenen Resten des Sommawalles entsprechen, während die Kaimeniinseln, der Schauplatz der neuern Eruptionen, durch den dieselben einen beträchtlichen Zuwachs an Land erfahren haben, im Zentrum des Ringwalles liegen. Auch bei der Eruption des Krakatau (s. d.) entstanden einige kleine Inseln, während der größte Teil der Insel Krakatau selbst zerstört wurde, und zwar, wie es scheint, durch eine einzige Explosion.

Über die Ursachen der vulkanischen Erscheinungen sind die Ansichten der Geologen geteilt. Während für die Wernersche Schule die V. nur ganz lokale Erscheinungen, die oberflächlichen Signale unterirdischer Erd- und Kohlenbrände waren, sahen Buch und v. Humboldt in den vulkanischen Eruptionen die »Reaktion des noch flüssigen Erdinnern gegen die schon erstarrte Kruste«, und brachten, fußend auf der Laplace-Kantschen Hypothese über die Bildung unsers Planeten, Erdbeben, Eruptionen, heiße Quellen und die Erscheinung der Temperaturzunahme nach dem Erdinnern hin unter einen gemeinschaftlichen Gesichtspunkt. Nach Mallet dagegen sollen sich durch die Kontraktion der Erde beim allmählichen Erkalten Spannungen in der starren Erdkruste entwickeln; diese sollen sich an einzelnen Stellen in Wärme umsetzen, beträchtliche Massen von Gestein schmelzen und dadurch die vulkanischen Vorgänge ermöglichen. Nach andern genügt die Annahme einer Änderung oder Störung der Gleichgewichtslage, in der das Eruptionsmaterial in der Tiefe ruht, dadurch, daß durch Entstehung von Spalten in dem aufliegenden Teil der Erdkruste eine Entlastung eintritt. Infolge der Verminderung des Druckes wird das vordem unter hohem Druck stehende und in einem wahrscheinlich weit über seinen Schmelzpunkt erhitzten Zustande befindliche Material, wenn es starr war, in flüssigen, und wenn es flüssig war, in einen dünnflüssigern Zustand übergeführt, und, indem es sich auszudehnen trachtet, in den offenen Spalten aufsteigen, zugleich aber auch durch die bei verringertem Druck mit großer Heftigkeit sich vollziehende Entbindung der eingeschlossenen, resorbierten Wasserdämpfe und Gase mit emporgerissen und ausgeschleudert. Daß speziell der Wasserdampf, der nach Deville 99,9 Proz. aller den Vulkanen entweichenden Fluide ausmacht, bei den Eruptionen eine große Rolle spielt, kann als erwiesen betrachtet werden; es ist auch durch Hochstetter experimentell wahrscheinlich gemacht worden. Derselbe benutzte unter einem Druck von 2–3 Atmosphären und diesem entsprechender Temperatur (128°) mit Wasserdampf geschmolzenen Schwefel zur Herstellung kleiner Vulkanmodelle, die je nach geringen Modifikationen des Versuchs die verschiedenen Formen der V. (Stratovulkane, homogene V., Sommabildung) und die Arten des Auswurfsmaterials (Lavenströme, Laven decken, Bomben) im kleinen täuschend nachahmen. Auch Stübel, der in neuerer Zeit sehr scharfsinnige Betrachtungen über das Wesen des Vulkanismus angestellt hat, schreibt dem Gasgehalt der Magmen bei der Eruption eine große Rolle zu. Die Schmelzflüsse können bekanntlich Gase (Wasserdämpfe) in großer Menge absorbiert enthalten (geschmolzenes Silber z. B. das 22fache seines Volumens an Sauerstoff); sie geben dieselben erst bei allmählicher Erkaltung wieder ab oder bei Verminderung des Druckes, der auf dem Schmelzfluß lastet, und durch die rasch entweichenden, nach vben drängenden Gase wird die Lava mit emporgerissen, ganz in ähnlicher Weise wie der Inhalt einer entkorkten Champagnerflasche durch die freiwerdende Kohlensäure. Viel stärker wirkt aber nach Stübel die Vergrößerung des Volumens, welche die glutflüssigen, in der Erdrinde ringsum eingeschlossenen Massen beim Erkalten nach ihm erfahren sollen. Nach Stübel ist die erste Erstarrungskruste, die sich an der Peripherie des glutflüssigen Erdballes bildete, infolge der Volumvergrößerung der Erde beim Erkalten wiederholt von Magmen durchbrochen worden; diese haben sich über der ersten Erstarrungskruste in mächtigen Massen abgelagert und wallartig aufgestaut und sie so wie ein Panzer gegen die auflösende und zerreibende Tätigkeit des später sich niederschlagenden Wassers geschützt. In den (mehr als 50 km) mächtigen, über der ursprünglichen Erstarrungskruste abgelagerten Schmelzmassen vollzogen sich bei fortschreitend er Abkühlung der Erde die gleichen Erscheinungen wie vorher in der gesamten Erdmasse. Auch hier durchbrach infolge def Schwellung. welche die Schmelzmassen erfahren mußten, ein Teil derselben die neuentstandene Kruste; es bildeten sich also wiederum Eruptivgesteine, nun aus einem näher an der Peripherie der Erde gelegenen vulkanischen Herde (Herd zweiter Ordnung). In vielen der peripherischen Herde, die eine beträchtliche Ausdehnung besitzen und deshalb nicht vollständig erstarrten, ist die vulkanische Kraft bis heute noch nicht erloschen. Ausbrüche aus diesen peripherischen Herden werden oftmals an Kraftäußerungen nicht hinter manchen des zentralen Herdes zurückgeblieben sein, und gewiß waren kolossale Gesteinsmassen, die bei dieser Gelegenheit gefördert wurden, dann, wenn sie sich ihrerseits wiederum bis zu einem gewissen Grad abgekühlt hatten, ebenfalls fähig, neue Reaktionen hervorzubringen, kleinere Vulkanberge aufzuwerfen und Lavaströme aus deren Kratern zu ergießen, also Herde dritter Ordnung zu bilden. Stübel unterscheidet deshalb vulkanische Herde erster, zweiter und dritter Ordnung. Der vulkanische Herd erster Ordnung ist das Erdinnere, der zentrale Herd; die Herde zweiter Ordnung entstanden, bevor Sedimente auf der Erde existierten, also ehe organisches Leben auf ihr sich entwickelte; die Herde dritter Ordnung sind die jüngsten, sie bildeten sich in den Lavamassen, die den Herden zweiter Ordnung entstammen. Wie die Hornitos und die Bocchen, so gehören auch viele Ausbruchskegel von weit größern Dimensionen sekundären Herden oder Herden höherer Ordnung an. Trotz des fortschreitenden Erkaltungsprozesses nach der Tiefe des Erdkörpers hin rücken demnach die vulkanischen Herde notwendig höher und höher an seine Oberfläche. Stübels Versuch, die Eruptionen aus der Annahme einer Volumvergrößerung der erstarrenden Gesteinsschmelze zu erklären, ist auf großen Widerstand gestoßen, weil alle bisherigen Beobachtungen dafür zu sprechen scheinen, daß die (allerdings nur mit wenig Gas getränkten) Silikatschmelzen beim Erstarren keine Volumvermehrung, sondern eine Volumverminderung erfahren. Nun weisen aber neuere Versuche Tammanns darauf hin, daß Silikatschmelzflüsse zwar bei der Erstarrung unter geringerm Druck eine Kontraktion erleiden, aber bei der Kristallisation (Erstarrung) unter hohem Druck, wie er in größerer Tiefe der Erde (etwa über 100 km tief) herrschen muß, eine Volumausdehnung erfahren, derart, daß, wie Stübel annimmt, sie sich aus eigner Kraft einen Ausweg zur Oberfläche bahnen können. Anderseits macht Arrhenius darauf aufmerksam, daß der Schmelzfluß in der Tiefe der Erdrinde durch Absorption von großen Mengen überhitzten Wasserdampfes, mit denen er dort in Berührung kommen soll, ein bei weitem größeres Volumen enthält und die dadurch entstehende Schwellung recht wohl die Ursache einer Auspressung des Magmas aus seinem Herde werden kann. Jedenfalls bieten die vulkanischen Erscheinungen noch vielerlei Rätselhaftes, das durch die bisherigen Erklärungsversuche noch nicht befriedigend erläutert worden ist. Vgl. v. Humboldt, Über den Bau und die Wirkung der V. (Berl. 1824); v. Buch, Über Erhebungskratere und V. (das. 1835); Landgrebe, Naturgeschichte der V. (Gotha 1855, 2 Bde.); Fuchs, Die vulkanischen Erscheinungen der Erde (Leipz. 1865); Poulett Scrope (s. d.), Volcanoes (Lond. 1858); Mallet, Über vulkanische Kraft (deutsch von Lasaulx, Bonn 1875); Reyer, Beiträge zur Physik der Eruptionen (Wien 1877); Judd, Volcanoes (4. Aufl., Lond. 1888); Dana, Characteristics of volcanoes (das. 1890); Stübel, Die Vulkanberge von Ecuador (Berl. 1897), Über den Sitz der vulkanischen Kräfte in der Gegenwart (Leipz. 1901) und Über die genetische Verschiedenheit vulkanischer Berge (das. 1903); Wägler, Die geographische Verbreitung der V. (das. 1901); Arrhenius, Zur Physik des Vulkanismus (Stockh. 1903); Dölter, Zur Physik des Vulkanismus (Wien 1903); Tammann, Kristallisieren und Schmelzen (Leipz. 1903); Lacroix, La montagne Pelée et ses éruptions (Par. 1904); v. Knebel, Der Vulkanismus (Osterwieck 1907); Mercalli, I vulcani attivi della terra (Mail. 1907).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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