Thrakĭen

Thrakĭen

Thrakĭen (Thrake, lat. Thracia), das Land östlich und nordöstlich von Mazedonien (s. Karte »Das römische Weltreich«, Bd. 17), zur Zeit der Römerherrschaft das im W. vom Nestos, im N. vom Hämos, im O. vom Pontos Euxeinos und im S. von der Propontis, dem Hellespont und dem Ägäischen Meer begrenzte Land. Hauptgebirge desselben ist der Hämos im N., im SW. die Rhodope und der Skombros (Witoscha). Die bedeutendsten Flüsse sind die an der, Südküste mündenden: Nestos und Hebros (jetzt Maritza) mit dem Ergines (jetzt Ergene) und dem Tonzus (Tundscha). Das Land lieferte Getreide in Menge und selbst Wein. Auch an edlen Metallen war es reich, und bei Philippi wurden Goldminen bearbeitet. Die unter dem allgemeinen Namen Thraker (Thrakes) begriffenen Einwohner arischen Stammes, von den Karpathen her eingewandert und in einzelnen Stämmen bis Kleinasien vorgedrungen, zerfielen in eine Menge Völkerschaften, z. B. die Odrysen und Besser nördlich vom Hebros, im S. die Mäder, Sapäer, Korpilen, im O. die Aster etc. Die Küstenbewohner waren früh zivilisiert, die Stämme des Innern blieben bis in späte Zeit roh. Die Sitten und Gebräuche der Thraker hatten viel Übereinstimmendes mit denen der germanischen Völker. Jagd und Krieg bildeten die Hauptbeschäftigung der Männer. Eine den Thrakern eigentümliche Sitte war das Tätowieren; die Adligen färbten ihr Haar stahlblau. Vielweiberei war üblich. Manche Stämme hatten Könige, denen ein Rat zur Seite stand. Die Religion war die polytheistische der Griechen. Die wichtigern Städte, fast durchweg griechische Siedelungen, waren, zwischen Nestos und Hebros an der Küste: Abdera, Maroneia, Änos; auf der Thrakischen Chersones: Sestos, Kallipolis, Lysimachia; an der Propontis: Rhaidestos, Perinthos, Selymbria; am Thrakischen Bosporus: Byzantion; am Pontos: Apollonia; im Innern: Philippopolis, Hadrianopolis, Beroë, Serdica. – Dareios Hystaspis hatte auf seinem Feldzuge gegen die Skythen 515 v. Chr. die um den Pontos Euxeinos wohnenden, mit den Phrygern verwandten thrakischen Stämme unterjocht; nachdem jedoch der Zug des Königs Xerxes gegen Griechenland unglücklich abgelaufen war, bemächtigten sich die Griechen der thrakischen Küsten, namentlich Athen, das mehrere Seestädte und die Striche in T. mit den Goldbergwerken an sich riß. Im Innern gelangten die Odrysen unter ihren Fürsten Teres, Sitalkes, Seuthes I. und II., dem Schwiegersohn des Atheners Xenophon, Kotys zur Herrschaft und dehnten bis zum Istros, Nestos und Pontos Euxeinos ihr Reich aus, das aber unter Kotys' Sohn Chersobleptes von König Philipp dem mazedonischen Reich einverleibt wurde. Nach Alexanders d. Gr. Tod wurde T. Lysimachos 311 zugesprochen, doch behaupteten mehrere Stämme unter Seuthes III. ihre Unabhängigkeit. M. Crassus unterwarf einen großen Teil des Landes, der unter dem Namen Mösia zur römischen Provinz gemacht wurde. Das übrige T. stand zwar in Abhängigkeit von den Römern, behielt aber eigne Könige, unter denen die der Odrysen (Rhömetalkes I.-III. und Kotys V.) in besonderer Gunst des julischen Kaiserhauses standen und ganz T. unter ihrer Herrschaft vereinigten. Thronstreitigkeiten veranlaßten den Kaiser Tiberius, einen Statthalter nach T. zu schicken, und als dies unter den kriegerischen Bewohnern Aufstände hervorrief, wurde es 46 zur Provinz gemacht und lieferte seitdem dem Reiche nicht nur die besten Reiter und Flottensoldaten, sondern auch massenhafte Gladiatoren für die Arena. Vgl. Cary, Histoire des rois de Thrace (Par. 1825); Tomaschek, Die alten Thraker (Wien 1893–94, 3 Tle.); Strazzulla, Θρακη : La serie dei re Odrysii dal 200 a. C. al 46 p. C. (Rom 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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