- Korinth
Korinth (Korinthos), im Altertum berühmte Stadt im Peloponnes, Hauptort der Landschaft Korinthia, die den Nordosten von Argolis umfaßte und durch den zu ihr gehörigen Isthmus (s. d.) von K. den Peloponnes mit dem griechischen Festland verband (s. unten). Die Stadt lag unter dem steilen Nordabfall des Berges, auf dem ihre Burg (Akrokorinth) stand, hatte drei Häfen (Lechäon am Korinthischen Busen, mit K. durch 12 Stadien lange Schenkelmauern verbunden, Kenchreäu. Schönos am Saronischen Busen) und war die Pforte zum Peloponnes, daher von großer strategischer Wichtigkeit. An die Phöniker, die sich hier frühzeitig niedergelassen hatten, erinnerten neben der Purpurfärberei und Teppichweberei mannigfache Anklänge in Mythe und Kultus. Dieser Götterdienst gab schon in alter Zeit Veranlassung zur Ausübung und Ausbildung mannigfacher Künste, und die Korinther zeichneten sich dabei durch Erfindungsgeist, Schönheitssinn und Kunstfertigkeit aus und suchten einen Ruhm darin, in dem Schmuck ihrer Stadt und ihrer Tempel das übrige Griechenland zu überbieten. Die Kunstweberei und Färberei, die Bearbeitung des Erzes, die Töpferei und Tonplastik standen in K. in besonderer Blüte; in der Malerei werden Korinther, wie Ardikas, Kleophantos, Kleanthes, als die Begründer der Kunst genannt. Auch der Dithyrambos fand hier durch Arion seine Ausbildung. Später jedoch blieb die geistige Kultur hinter der Betonung und Pflege des Materiellen zurück; in der Literatur hat sich kein Korinther hervorgetan. Dagegen hat K. Staatsmänner hervorgebracht, wie Periandros und Timoleon. Gewerbtätigkeit, Handel und Schiffahrt nahmen hauptsächlich die Tätigkeit der Korinther in Anspruch. Die Lage zwischen zwei Meeren, die Schwierigkeit, den Peloponnes zu umschiffen, die Leichtigkeit dagegen, Waren und selbst Schiffe über den Isthmus zu schaffen, hatten K. schon sehr früh zu einem großen Markt- und Stapelplatz gemacht; insbesondere war es der Mittelpunkt des gesamten Verkehrs mit griechischen, italischen, illyrischen und asiatischen Handelsartikeln. Was K. an eignen Produkten ausführte, waren meist Kunsterzeugnisse: Ton- und Erzwaren, Statuen, Gemälde etc. Zur Zeit ihrer höchsten Blüte soll die Stadt 70–80,000 Einw. gehabt haben; die Zahl ihrer Sklaven, die auf der Flotte und in den überseeischen Kolonien inbegriffen, betrug angeblich über eine halbe Million. Doch war nur die herrschende Klasse dorischen Stammes, das weit zahlreichere nichtdorische Volk gab den dort sich aufwerfenden Tyrannen stets eine sichere Stütze ab. Das beste Zeugnis von der frühern Blüte Korinths sind die zahlreichen Kolonien, die diese Stadt angelegt hat, darunter Syrakus, Solion, Ambrakia, Anaktorion, Leukas, Kerkyra, Epidamnos, Apollonia und Potidäa.
Die meisten Heiligtümer und Götterbilder des römischen K., von denen bisher nur dürftige Reste, namentlich 7 Säulen des altertümlichen dorischen Apollontempels, sichtbar waren, standen an der Agora. Hier haben seit 1896 die Amerikaner die Quellen Peirene und Glauke, das Theater, die Propyläen und 2 Stoen an der Agora, den Apollotempel u. a. m. freigelegt. Nordöstlich davon war ein römisches Amphitheater. Gegen das sikyonische Tor zu standen das Odeon und das Grabmal der Kinder der Medea; nicht weit davon der Tempel der Athene Chalinitis, das Theater, Gymnasium und die Quelle Lerna; im O. die Vorstadt Kranion, wo Diogenes meist zu finden war. Zur Burg (Akrokorinth), auf steilem, 575 m hohem Felsen gelegen, führte ein 30 Stadien (5,5 km) langer Weg, dessen Seiten mehrere Tempel, Altäre und Bildsäulen schmückten. Oben auf der Burg glänzte der Tempel der Aphrodite mit der Bildsäule der Göttin. Akrokorinth ist wegen der hohen, schwer zugänglichen Lage bis in die Neuzeit eine wichtige Festung gewesen, gegenwärtig aber verfallen. Die Aussicht von oben war schon im Altertum berühmt.
Geschichte. Gegründet der Sage nach von Äoliern unter Sisyphos und von dessen Nachkommen beherrscht, wurde die Stadt (bis dahin Ephyra genannt) von dem Herakliden Aletes und dessen Doriern eingenommen (1074). Nach Sturz des Königtums (748) regierten K. die Bakchiaden, 200 Familien aus dem Stamme der Herakliden, die alljährlich einen Prytanen aus ihrer Mitte wählten, der die Stelle eines Königs einnahm, und nachdem deren Herrschaft durch Kypselos 657 ein Ende gemacht war, Tyrannen, Kypselos (657–627), Periandros (627–585) und Psammetich (585–582). Dies war die Glanzzeit von K. Der Handel der günstig an zwei Meeren gelegenen Stadt hob sich zu außerordentlicher Blüte, gestützt auf die schon vorher begonnene und jetzt fortgesetzte Kolonisation (Potidäa, Korkyra, Syrakus u. a.); Korkyra wurde unterworfen, Gewerbe und Kunsthandwerk eifrig gepflegt und vervollkommt, die Stadt mit Tempeln und andern öffentlichen Bauwerken geschmückt. An die Stelle der Tyrannis trat 582 eine aristokratische Verfassung, in der die Reichen die Macht in den Händen hatten und der frühere Unternehmungsgeist erlahmte. Die Eifersucht auf das nach den Perserkriegen mächtig emporblühende Athen, mit dem K. früher befreundet gewesen war, trieb es allmählich immer mehr auf die spartanische Seite und bestimmte es endlich, gereizt durch die Einmischung der Athener in seine Beziehungen zu seinen Kolonien, die Peloponnesier 431 zu dem großen Kriege zu bereden, der mit der Besiegung Athens endete, K. aber nicht den gehofften Gewinn brachte, der erste Seestaat von Hellas zu sein. Es verband sich daher 395 mit Athen, Theben und Argos zu einer Schilderhebung gegen die spartanische Gewaltherrschaft; aber auch dieser Krieg, der sogen. Korinthische (395–387), der besonders in der Nähe von K. spielte, verschaffte K. nicht die gewünschte unabhängige Macht. Unter der mazedonischen Herrschaft war K. und seine Burg, eine der Fesseln Griechenlands, stets von einer starken Garnison besetzt. 243 schloß sich K. nach Vertreibung der Mazedonier an den Achäischen Bund an und blieb bei demselben, bis es nach Besiegung des Bundes auf Befehl des Senats 146 von den Römern unter Mummius eingenommen und gänzlich zerstört wurde. Seitdem fiel der größte Teil des Gebiets den Sikyoniern zu, der Handel zog sich nach Delos. Ein ganzes Jahrhundert lag die Stätte, wo einst K. geglänzt, öde; nur einige Tempel und die Burg waren erhalten. Erst 46 ließ C. Julius Cäsar die Stadt wieder neu erstehen und mit Veteranen und Abkömmlingen von Freigelassenen bevölkern, und von nun an führte sie auf Inschriften den Namen Colonia Julia Corinthus. Zerstörte Tempel und andre öffentliche Gebäude wurden wieder aufgebaut. Aber bereits am Ende des 3. Jahrh. wurde K. wieder von gotischen Scharen verwüstet, 396 von Alarich, im 8. Jahrh. von den Slawen. 1205 wurde es von den Franken erobert; später fiel es wieder an das griechische Kaiserreich, 1459 an die Türken, 1699 an die Venezianer, 1715 wieder an die Türken. Unter ihrer Herrschaft sank K. zu einem elenden Flecken herab; der Handel zog sich ganz nach Patras. 1822 wurde es von der türkischen Herrschaft frei und sing seit 1830 an, wieder langsam aufzublühen.
Ein verheerendes Erdbeben zerstörte aber 21. Febr. 1858 von neuem den Ort, der seitdem an einer andern Stelle, 5 km nordöstlich am Golf von Lutraki, regelmäßig wieder aufgebaut ist. Dieses neue K. (Nea- Korinthos) ist Knotenpunkt der Eisenbahnen Piräeus-Pyrgos und K.-Kalamata und Hauptstadt des Nomos K., Sitz eines Erzbischofs, eines Zollamtes, eines Gymnasiums etc. und zählt (1896) 4188, als Gemeinde 12,567 Einw. An der alten Stelle hat sich nur ein elendes Dorf erhalten. Seit 1896 unternimmt die amerikanisch-archäologische Schule in Athen Ausgrabungen auf dem Boden des alten K., über dessen Topographie man bisher ziemlich im unklaren gewesen war, weil als einziger Rest über dem Erdboden nur die Ruinen eines altdorischen Tempels vorhanden waren. 4,5–6 m tief unter der Oberfläche fand man zuerst das antike Theater, dann eine gepflasterte Straße in der Nähe des Marktes. Nachdem der griechisch-türkische Krieg die Arbeiten unterbrochen hatte, wurden sie 1898 wieder aufgenommen, und man hatte das Glück, auf dem Markt in 9 m Tiefe die berühmte Quelle Pirene aufzudecken, deren in den Fels hineingearbeitetes zweigeschossiges, von Pausanias beschriebenes Quellhaus samt den bronzenen Löwenköpfen, aus denen das Wasser sprudelte, vorzüglich erhalten ist. Diesem Wasser, in dem sie gekühlt wurden, sollten die korinthischen Bronzen ihre Vortrefflichkeit verdanken. Zwischen dem Markt und dem Hafen Lechäon wurden die Propyläen, die Pausanias beschreibt, gefunden, dann der dorische Tempel, von dem noch sieben Säulen stehen, als der des Apollon erkannt und schließlich die großartigen Reste des Glauke-Brunnens aufgedeckt, der mit der Sage von Medea und Glauke, der Gattin Jasons, in Verbindung steht. – 2,5 km in nordöstlicher Richtung von Neu-Korinth mündet der Kanal, der den aus pliocänen Mergeln, Sandsteinen, Kalksteinen und festen nagelfluhartigen Konglomeraten bestehenden, von zahlreichen Verwerfungen durchsetzten und einen Hauptherd für Erdbeben darstellenden Isthmus (s. d.) durchschneidet und eine Verbindung des Meerbusens von K. mit dem von Ägina herstellt. Dadurch wird die Fahrt aus dem Adriatischen Meere nach dem Piräeus um 325 km, diejenige aus dem Tyrrhenischen Meer um 165 km verkürzt. Wiederholt (zuletzt unter Nero) versuchte man im Altertum, einen Kanal durch die Landenge zu graben, aber wegen der Festigkeit des Kalksteins immer vergeblich; 1881 erhielt eine französische Gesellschaft von der griechischen Regierung die Konzession zur Anlage eines Kanals von 8 m Tiefe, 22 m Sohlenbreite und 25 m Spiegelbreite und wählte zu diesem Zwecke die Neronische Linie. 1889 trat nach dem Bankrott der französischen Gesellschaft eine griechische an ihre Stelle. Der Kanal, 6. Aug. 1893 feierlich eröffnet, hat 6,3 km Länge. Er wird hauptsächlich nur von griechischen Schiffen benutzt, weil wegen seiner mangelhaften Anlage die Passage zu gefährlich ist. Infolgedessen werden durch die Einnahmen kaum die Verwaltungs- und Betriebskosten gedeckt oder von erstern nur unerheblich übertroffen (1899: Einnahmen 319,791, Ausgaben 256,898 Drachmen).
An seiner östlichen Mündung ist die neue Hafenstadt Isthmia, an der westlichen Poseidonia angelegt worden (s. beigedruckte Karte des Isthmus von K.). Vgl. über die alte Geschichte Korinths zwei Programme von Wilisch (Zittau 1887 u. 1896); Grüner, Korinths Verfassung und Geschichte (Dissertation, Kolditz, o. J.); Philippson, Der Isthmos von K. (in der »Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin«, 1890); Gerster, L'Isthme de Corinthe et son percement (Budapest 1896).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.