- Irland
Irland (hierzu Karte »Irland«; engl. Ireland, bei den keltischen Urbewohnern Eirin oder Erin, d. h. Westland, woraus die bei den Alten üblichen Namen Ierne, Ivernia und Hibernia entstanden), ein mit Großbritannien vereinigtes Königreich, umfaßt die westliche der beiden großen britischen Inseln und liegt zwischen 51°26'–55°23' nördl. Br. und zwischen 5°20'–10°26' westl. L.
Lage und Küstenbildung.
Die Insel I. wird von Schottland durch den Nordkanal, von England durch das Irische Meer und den St. Georgskanal getrennt und ist im übrigen vom Atlantischen Ozean umgeben. Die Gestalt der Insel ist in ihrer Grundform als Rautenviereck zu denken. Der nördlichste Punkt ist Malin Head, der südlichste Mizen Head; die Westspitze bildet Dunmore Head, den östlichsten Punkt die Küste südlich von Donaghadee. Die längste, in südwestlicher Richtung durch die Insel gezogene Linie mißt 497 km; die durchschnittliche Breite der Insel beträgt etwa 210 km, ihr Flächeninhalt 84,253 qkm (1530 QM.), oder nach Abzug der Wattflächen und Küstengewässer 83,792 qkm (1521,7 QM.). Die Küste hat eine Ausdehnung von 2254 km, und kein Punkt des Landes ist über 80 km vom Meer entfernt. Was Reichtum an schönen, natürlichen Häfen betrifft, so genießt I. im Vergleich zu Großbritannien entschieden den Vorzug; schade nur, daß die Mehrzahl der besten Häfen an der dem offenen Atlantischen Meer zugewendeten Westküste liegt, wo sie dem Handel nur wenig nützen und eigentlich nur Fischerbooten eine Zufluchtsstätte bieten. Ganz wie in Großbritannien, ist auch in I. die Ostküste im allgemeinen flach und einförmig, die Westküste dagegen steil und vielfach gegliedert. Der einzige gute Hafen an der Ostküste wird durch den Belfast Lough gebildet. An der Nordküste verdient Lough Swilly Beachtung, an der Westküste die durch die 463 m hohe Clareinsel geschützte Clewbai und die durch die Araninseln geschützte Galwaybai mit ihren Unterabteilungen. An der zerrissenen, durch tiefe Fjorde gekennzeichneten Südwestküste sind zu erwähnen: der Valentiahafen, der sicherste in ganz Kerry, die Dinglebai, der tief ins Land eindringende sogen. Kenmare River und die Bantrybai. An der Südküste liegt der sichere und geräumige Hafen von Cork.
Physische Verhältnisse.
Bodengestaltung. Der größte Teil der Insel besteht aus einer welligen Tiefebene, reich an Seen, Sümpfen und Torfmooren. Diese Tiefebene erstreckt sich von der Ostküste bei Dublin ununterbrochen bis zur Westküste und dringt auch an andern Stellen bis an die Küste vor, so daß 77 Proz. der gesamten Oberfläche der Insel eine Meereshöhe von weniger als 150 m haben. Nehmen wir an, daß das Meer bis zu dieser Höhe stiege, dann würde sich I. in einen Archipel auflösen, bestehend aus zahlreichen Inseln, deren höchste, in Kerry, 890 m über den neuen Meeresspiegel sich erheben würde. Die Berge sind meist nackt und ohne Gehölz, oft wild und felsig und fast stets von malerischen Formen. Sie haben im allgemeinen die Normalstreichlinie der Berge von Wales oder Schottland und bilden keine eigentlichen Ketten, sondern einzelne Gruppen. Die wichtigsten dieser Gruppen sind in Nordirland: die Berge von Antrim, im nordöstlichen Teil der Insel, die im Trostan 549 m hoch ansteigen und in steilen Basaltmassen ins Meer abfallen (s. Giant's Causeway); die Mourne Mountains, südlich von den vorigen, in der Grafschaft Down (mit dem 852 m hohen Slieve Donard), die in den in südwestlicher Richtung streichenden Hügelzügen, die gleich ihnen vorherrschend aus silurischem Gestein bestehen, eine Fortsetzung finden; die Sperrin Mountains, auf der Grenze von Londonderry und Tyrone, von den Bergen Antrims durch das Tal des Bann, von jenen Donegals durch den Fluß Foyle getrennt (im Mount Sawel 672 m hoch); die Berge von Donegal, im nordwestlichsten Winkel der Insel, ein zerklüftetes Gebirgsland mit tiefen Tälern und kleinen malerischen Seen, mit dem Errigal (750 m) und Bluestack (674 m hoch); die Berge von Dowbally, in Leitrim und Cavan, von den vorigen durch den Fluß und See Erne geschieden (im Cuilcagh 667 m hoch); die Nephinberge, an der Westküste, in der Grafschaft Mayo, und nördlich von der Clewbai (806 m); die Hochlande von Connemara (die Twelve Pius von Bennebeola, bis 730 m) und die von ihnen durch die tief ins Land eindringende fjordartige Killerybai geschiedenen Gebirge im S. der Clewbai (Muilrea 817 m, Croagh Patrick 765 m). Im S. steigen an der Ostküste, dicht bei Dublin, die Berge von Wicklow an, berühmt durch landschaftliche Schönheiten, im Lugnaquilla 926 m hoch. Sie setzen sich in südwestlicher Richtung in einem Höhenzug fort, in dem die Berge Leinster und Blackstairs zu 793 und 734 m ansteigen. Ferner sind hier zu nennen: die Comeragh- und Knockmealdownberge (753 und 795 m hoch), die sich von der Südküste ins Innere erstrecken und von den Flüssen Suir und Blackwater begrenzt werden; die Berge von Kerry im äußersten Südwesten, die Irische Schweiz, mit den Seen von Killarney und aus mehreren Gebirgszügen bestehend, zwischen denen die See tief eindringt und Fjorde bildet. Sie erreichen ihren Höhepunkt im Carrantuohill in den Macgillicuddy Reeks, der 1040 m hoch ansteigt. Außer diesen Küstengebirgen erheben sich im Innern des Landes mehrere Höhenzüge, unter denen die Galtymore- (947 m), Silvermine- (Keeper 692 m) und Slieve Bloomberge (522 m) die bedeutendsten sind.
Geologische Bodenbeschaffenheit. Der Untergrund der irischen Ebene besteht wesentlich aus Kohlenkalkstein, dem ausgedehnte Torfmoore und Geschiebelehm und Moränen der Eiszeit ausgelagert sind; über diese ragen die aus älterm Gestein bestehenden Gebirgszüge hervor, die eine Fortsetzung der Berge von Schottland und Wales sind. Die Mehrzahl der Gebirgszüge wird von silurischen Schichten gebildet, die von Granit vielfach durchbrochen und metamorphosiert worden sind. In Antrim tritt Basalt sehr verbreitet auf, von Lias, Kreide und Tertiär umlagert, während im nordwestlichen I. kristallinische Schiefer mit dem gleichen Streichen wie die schottischen, und ebenfalls von Granit und Quarzporphyr durchbrochen, herrschen. Die Gebirge des südlichen I. zeigen, in Übereinstimmung mit denjenigen von Wales, besonders paläozoische Bildungen (Old red und Kohlenkalk) entwickelt; in den Galtymorebergen treten auch devonische Sandsteine auf. An nutzbaren Mineralien ist I. nicht sehr reich. Silber-, Blei- und Kupfererze finden sich in den Wicklowbergen südlich von Dublin; Eisenerze in Antrim, Steinsalz bei Carrickfergus; Steinkohlen sind nur in geringer Menge vorhanden. Marmor wird bei Kilkenny, Connemara und Donegal gewonnen.
Gewässer. I. ist gut bewässert; nicht weniger als 237 Flüsse und Flüßchen (ohne die Nebenflüsse) eilen dem Meere zu. Ihr Lauf ist nicht reißend, häufig erweitern sie sich zu Seen, und viele unter ihnen sind fast bis zu ihrer Quelle schiffbar. Die wichtigsten sind: Shannon, Barrow (mit Suir und Nore) und Bann (Näheres s. in den besondern Artikeln). Größe des Flußgebiets und Länge des Laufes der bedeutendern Flüsse gibt die folgende Tabelle:
Der ansehnlichste unter den zahlreichen Seen ist der Lough Neagh (397 qkm oder 7,2 QM.), den der Bann durchfließt. Ihm an Größe zunächst stehen der Lough Corrib (176 qkm oder 3,2 QM.), die beiden vom Erne gebildeten Seen (zusammen 149 qkm oder 2,7 QM.), Lough Ree (129 qkm oder 2,3 QM.) und Lough Derg (93 qkm oder 1,7 QM.). Die Seen von Killarney sind berühmt wegen ihrer romantischen Umgebungen.
Das Klima von I. ist ozeanisch mild und feucht. An der Westküste sind die Regenmengen bedeutender als an der Ostküste (Winter- und Herbstregen). Die mittlere jährliche Regenmenge beträgt für Ostirland 70–100, für Westirland bis über 120 cm. Die große Feuchtigkeit der Luft ist einesteils dem Ackerbau nicht günstig, erzeugt aber andernteils in Verbindung mit der reichlichen Bewässerung jenes immer frische Grün, dem das Land den Namen der »grünen Insel« oder der »Smaragdinsel« (Emerald Isle) verdankt. Selten bleibt, selbst auf den Bergen, der Schnee längere Zeit liegen. Die mittlern Jahresextreme in Dublin sind 25° und -5°. An der Südwestküste fällt das Thermometer nur in seltenen Fällen unter den Gefrierpunkt. Das Januarmittel beträgt in Belfast 4°, Dublin 5° und Valentia 7°. Die Flora Irlands hat die meisten Züge mit der Englands (s. d., S. 797) gemeinsam, unterscheidet sich aber durch noch größere Zahl von atlantischen Arten, wie Arbutus unedo, Saxifraga Geum, S. hirsuta, S. umbrosa etc. Auch ist I. reich an arktisch-alpinen Pflanzen, die z. B. im nordwestlichen Donegal fast bis zum Meeresniveau hinabsteigen, aber auch den schottischen und englischen obersten Gebirgsregionen nicht fehlen. Die aus Nordamerika eingewanderte Iridazee Sisyrinchium Bermudiana wächst auch in England sowie an der deutschen Nordseeküste. I. ist so tierarm, wie kein andres entsprechendes Gebiet. Um so bemerkenswerter ist das Vorkommen des irischen Riesenhirsches noch in vorgeschichtlicher Zeit, dessen Skelette sich häufig in den Mooren der Insel finden. Der irische Hase wird als eine Abart des gewöhnlichen Hafen betrachtet. Von der Vogelwelt ist hervorzuheben, daß auch die Nachtigall bis I. geht. Von Reptilien finden sich in I. nur die Ringelnatter und die Bergeidechse und von Amphibien nur der Streifenmolch und der Schweizer Molch.
Die erste genauere Bevölkerungsangabe, von 1695, kennt 1,034.102 Bewohner Irlands; um 1750 war die Volkszahl schon auf 2,372,634,1811, wo regelmäßige Zählungen begannen, auf 5,937,856,1845 auf 8,295,061 gestiegen. Damit hatte sie aber ihren Höhepunkt erreicht. Zwei Jahre hintereinander versagte die Kartoffelernte, und Hungersnot sowie Krankheiten forderten Tausende von Opfern.
Dazu kam nun eine immer rascher sich steigernde Auswanderung nach Großbritannien und namentlich nach Nordamerika, und so ist es erklärlich, daß 1851 die Bevölkerung auf 6,574,278,1861 auf 5,798,967,1871 auf 5,412,377,1881 auf 5,174,836,1891 auf 4,704,750 und 1901 auf 4,456,546 Seelen gesunken ist, die sich nach vorläufiger Feststellung auf die einzelnen Grafschaften, wie vorstehend angegeben, verteilen.
Während der Jahre 1851–1902 wanderten 3,788,789 Irländer nach dem Ausland aus (74,290 im jährlichen Durchschnitt), doch hat die Auswanderung neuerdings erheblich abgenommen (1902: 42,256). Aber auch in Großbritannien haben viele Irländer eine neue Heimat gefunden, denn 1901 zählte man der Geburt nach 4,958,576 Irländer im Vereinigten Königreich, von denen nur die oben angegebene Zahl in I. wohnte. Dagegen lebten in I. nur ca. 28,000 geborne Schotten und 76,977 geborne Engländer. Zeitweise gehen etwa 15,000 Irländer jährlich nach Schottland und England, um dort bei der Ernte zu helfen. Nach dem Zensus von 1901 leben durchschnittlich 53 Menschen auf 1 qkm, und die Bevölkerung ist am dichtesten in Ulster (71 auf 1 qkm) und in den Grafschaften Dublin, Antrim, Down und Armagh mit bez. 487,149,116 und 94 auf 1 qkm. I. ist kein Land großer Städte wie England. Nur Dublin und Belfast haben je über 100,000 Einw., während es außer ihnen nur 16 Städte von über 10,000 Einw. gibt, darunter Cork, Londonderry, Limerick, Rathmines (mit Rathgar), Waterford und Pembroke mit mehr als 25,000 Einw. Bewohnte Häuser zählte man 1901: 858,158 (um 12,420 weniger als 1891). Die Zahl der Haushaltungen betrug 910,256. Über die Bewegung der Bevölkerung liegen keine zuverlässigen Angaben vor. Im Durchschnitt der Jahre 1893–1902 sollen auf 1000 Lebende nur 22,8 Geburten und 17,8 Todesfälle und 4,9 Eheschließungen gekommen sein, und diese Zahlen werden anscheinend gerechtfertigt durch die Angaben über den Zivilstand, denn 1901 kamen auf 1000 männliche Personen 263 Verheiratete, 40 Verwitwete, 697 Unverheiratete; auf 1000 weibliche Personen 262 Verheiratete, 93 Verwitwete, 645 Unverheiratete. Auf 1000 Männer kamen 1901: 1027 Frauen. Von den Geburten sind nur 2,4 Proz. unehelich. Nach der Berufszählung von 1901 empfangen wir von der Bevölkerung Irlands folgendes Bild. Es waren 1901: 3,565,183 Personen über 10 Jahre alt; davon waren 1,949,607 erwerbstätig (547 pro Mille, und zwar bei den Männern 803, bei den Frauen 302 pro Mille), 1,615,576 ohne Beschäftigung. Unter den Erwerbstätigen waren in der Landwirtschaft beschäftigt 859,525 Personen (241 pro Mille der über 10 Jahre alten Einwohner), in der Fischerei 10,434, im Bergbau 6512, in der Metallindustrie und dem Maschinenbau 29,080, im Schiffbau 6234, mit der Verarbeitung edler Metalle 2249, in der Elektrizitätsindustrie 899, im Bauwesen 60,977, in der Holzverarbeitung 11,040, in der Ton- und Glasindustrie 1381, in der chemischen 2896, in der Leder -4267, in der Papierindustrie 11,563, in der Textilindustrie 110,208 (31 pro Mille), ferner in der Kleiderkonfektion 141,588 (40 pro Mille), in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie 75,148; ferner waren Arbeiter verschiedener Gattung 177,516 (41 pro Mille); mit Handel waren beschäftigt 39,323, im Verkehrswesen 71,255, häusliche Dienstboten 202,238 (57 pro Mille), Beamte 34,281, Angehörige des Heeres und der Flotte 27,698, Geistliche, Gelehrte, Künstler etc. 55,715.
Nationalität, Religion.
Die Bevölkerung Irlands hat wohl zum größten Teil keltisches Blut in den Adern. Jedenfalls haben sich die Nachkommen der schottischen und englischen Kolonisten den eingebornen Kelten derart assimiliert, daß sie in Charakter und Sinnesart als Kelten, d. h. als echte Iren, gelten müssen. In I. wie im Osten Europas bildet aber nicht die Nationalität, sondern die Religion die Scheidewand unter der Bevölkerung. Nicht Kelte und Sachse stehen sich hier gegenüber, sondern Protestant und Katholik, Orangeman und Papist. Bei gewissen nationalen Fragen gehen jedoch beide Parteien oft Hand in Hand, nur daß der protestantische Ire, seinem Ursprung getreu, besonnener und in seinen Ansprüchen gemäßigter ist als der beweglichere Kelte. Von einer keltischen Nationalsprache kann kaum noch die Rede sein, und die Bemühungen der Society for the preservation of the Irish language (s. Keltische Sprachen) werden ohne nachhaltigen Erfolg bleiben, obgleich es ihr gelungen ist, Irisch als Unterrichtsgegenstand in einigen Schulen einzuführen. Indes bedienten sich 1891 immerhin noch 680,174 Menschen der irischen Sprache (gegen 1,204,684 in 1851), aber nur 38,121 Menschen waren des Englischen unkundig. Am zahlreichsten ist diese irisch sprechende Bevölkerung im W. und SW. des Landes und namentlich in Donegal, in Mayo, Galway und Clare, in Kerry und den abgelegenen Gegenden von Cork und Waterford. Die sächsische Rasse bildet die Mehrzahl im westlichen Ulster, wo namentlich Schotten und neben ihnen auch Engländer den Hauptstamm der Bevölkerung ausmachen. Sie erstreckt sich auch von Dublin aus durch die Mitte des Landes bis nach Tipperary hinein und zum Shannon; ferner hat sie in Wexford und Waterford festen Fuß gefaßt. Mit ihr vermischt leben die Abkömmlinge der skandinavischen Eroberer aus frühester Zeit. Von untergeordneter Bedeutung waren die Spanier, die sich in Galway und Kinsale niederließen, und die protestantischen Pfälzer (Palatines), die Lord Southwell im 17. Jahrh. bei Limerick einführte. Beim keltischen Grundstock der Bevölkerung lassen sich zwei Typen unterscheiden. Die sogen. Milesier (der Sage nach von den aus Spanien herübergekommenen Söhnen des Königs Milesius abstammend) haben schwarzes Haar, glänzende, dunkle Augen, ovales Gesicht, sein gebildete und nervige Formen. Sie herrschen im W. und S. vor. Das mittlere I. und die Bergbezirke bewohnen die echten Iren, mit hohen Backenknochen, stumpfer Nase, rundem Gesicht, grauen Augen, grobem braunen Haar, muskulösem Körper und untersetztem Wuchs. Diese sämtlichen Elemente sind aber derart verschmolzen, daß man füglich von einer irischen Nationalität sprechen kann.
Der Charakter der echten Iren ist ein höchst eigentümliches Gemisch von allerlei einander großenteils widersprechenden Eigenschaften. Ein beweglicher, leichter Sinn bildet die Grundlage des irischen Charakters, und derselbe zeigt fast alle Tugenden, die mit solchem vereinbar sind, während seine Fehler meist in entsprechendem Mangel an Besonnenheit, Ausdauer und Selbstbeherrschung beruhen. Dichterische Begabung, Kunstsinn, Liebe zur Musik und Beredsamkeit lassen sich dem Irländer nicht absprechen. Er ist wißbegierig, schlau, scharfsinnig und witzig. Aber bei allen geistigen Anlagen fehlt ihm die Tiefe; oberflächlich in seinem Tun und Denken, unzuverlässig bei der Arbeit, wenig ausdauernd und flatterhaft, ist er großen Aufgaben nicht gewachsen. »Paddy« (wie man den Iren nach dem oft vorkommenden Namen Patrick nennt) ist gutherzig und vertrauensvoll, verdient aber selbst kein Vertrauen. Verräterei hat in allen irischen Erhebungen stets eine traurige Rolle gespielt. Mit der Wahrheit nimmt er es bei großer Einbildungskraft nicht sehr genau. Reizbar, zur Rauferei und zu Gewalttätigkeiten geneigt, liebt er auch laute Lustbarkeit. Ebenso leicht, wie er sich der Völlerei ergibt, erträgt er auch den Mangel und ist zufrieden, wenn er nur Kartoffeln hat, das Leben zu fristen.
Religion. Im J. 1901 zählte man 3,310,028 Katholiken (74,2 Proz.), 579,385 Mitglieder der bischöflichen Kirche (13,0 Proz.), 443,494 Presbyterianer (9,9 Proz.), 61,255 Methodisten, 56,703 andre Dissidenten und 3769 Juden. Dagegen bildeten die Katholiken 1731 nur 65 Proz., 1834 aber 81 Proz. der Bevölkerung. Die ehemalige protestantische Staatskirche wurde 1871 aufgehoben, ihr Vermögen (16,5 Mill. Pfd. Sterl.) eingezogen und aus ihm den Geistlichen etc. Leibrenten (zusammen 228,856 Pfd. Sterl.) ausgesetzt oder eine einmalige Entschädigung gezahlt. Ferner wurde der aus der ehemaligen Staatskirche hervorgegangenen Church of Ireland 1 Mill. Pfd. Sterl. als Entschädigung für Privatstiftungen gewährt; das katholische Maynooth College erhielt 372,330 Pfd. Sterl., die Presbyterianer 751,625 Pfd. Sterl., die ehemaligen Kirchenpatrone 740,510 Pfd. Sterl. Der Überschuß (etwa 5,2 Mill.) wird für allgemeine Zwecke verwendet. An der Spitze der »Kirche von I.« stehen 2 Erzbischöfe (zu Armagh und Dublin) und 11 Bischöfe. Ihre Synode besteht aus 2 Häusern, deren erstem die Bischöfe, dem zweiten 208 Geistliche und 416 Laien angehören, während der aus ihr hervorgegangene Representative Church Body außer den Bischöfen aus 52 Mitgliedern besteht; er verwaltet das Kirchenvermögen (jetzt über 8 Mill. Pfd. Sterl.). Die römisch-katholische Kirche steht unter 4 Erzbischöfen (Armagh, Dublin, Cashel, Tuam) und 23 Bischöfen. Sie unterhält 2420 Kirchen mit 3525 Geistlichen, 97 Mönchs- und 270 Nonnenklöster.
Bildung.
Die Volksschule steht unter der Aussicht einer Kommission (Commissioners of national education), deren Mitglieder (20, je zur Hälfte Protestanten und Katholiken) vom Lord-Lieutenant ernannt werden. Bei weitem am zahlreichsten sind die mit Staatszuschuß ausgestatteten konfessionslosen Nationalschulen, die seit 1845 eingerichtet sind. 1902 waren in den 8712 Nationalschulen 737,086 Kinder eingeschrieben, im Durchschnitt wurden sie aber nur von 487,098 Kindern besucht. Neben ihnen bestanden (Ende 1901) 267 Klosterschulen, in denen 108,606 Kinder eingeschrieben waren, von denen aber nur 74,358 die Schule besuchten. Von den 490 Sekundärschulen sind 52 Stiftungsschulen, 26 geistliche, 92 klösterliche, 226 Privatschulen und 16 Colleges. Universitätsbildung gewähren: die 1591 gestiftete Dubliner Universität (Trinity College), jetzt allen ohne Unterschied des Glaubens zugänglich, die drei konfessionslosen Queen's Colleges in Belfast, Cork und Galway, die katholische Universität von Dublin, mit 6 affiliierten Colleges, darunter das katholische Priesterseminar Maynooth College. Die 1880 errichtete Royal University von I. ist nur Prüfungsbehörde. Außerdem sind zu erwähnen: die Technische Schule (School of science) in Dublin, die landwirtschaftliche Akademie in Glasnevin, eine Kunstakademie, eine Akademie der Musik. An der Spitze der gelehrten Gesellschaften stehen die Royal Society von Dublin und die Royal Irish Academy. Daß der Unterricht gute Früchte trägt, beweist die Tatsache, daß 1891 nur 18,4 Proz. der über 5 Jahre alten Bewohner nicht lesen konnten, während sich 1861: 38,7 Proz. in der gleichen Lage befanden. In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl der Verbrechen abgenommen, doch war dabei nicht ohne Einfluß, daß gerade viele der schlimmsten Elemente auswanderten. 1851 wurden 24,684 Personen vor die Geschwornengerichte gestellt, 1881 noch 5311, 1902 nur 1717, von denen 620 freigesprochen wurden. Es bestehen 9 Zuchthäuser und 25 Gefängnisse, 7 Besserungsanstalten (reformatories) und 74 Industrieschulen (für verwahrloste Kinder).
Landwirtschaft, Fischerei, Bergbau.
Den Haupterwerbszweig bildet die Landwirtschaft, deren Entwickelung indes durch die Eigentumsverhältnisse wie infolge der Zerstückelung des Bodens gehemmt worden ist. Unter Elisabeth, Jakob I. und deren Nachfolgern kamen neun Zehntel des Landes durch Konfiskation in die Hände von Eigentümern, von denen viele bereits in England große Güter hatten. Die Bewirtschaftung ihrer neuen irischen Besitzungen überließen sie Mittelsmännern, die Einkünfte aber verzehrten sie im Ausland. In neuerer Zeit sind durch Vermittelung des Encumbered Estates Court viele verschuldete Güter zerstückelt und verkauft und auch ein Teil der Kirchengüter veräußert worden. 1875 gab es nur 68,716 Grundeigentümer, von ihnen hatten 36,144 einen Besitz von unter 1 Acre (40 Ar), während fast die Hälfte des ganzen Landes sich im Besitz von 744 Eigentümern, nahezu zwei Drittel in dem von 1942 Eigentümern befanden. Dazu kommt, daß ein großer Teil der Großgrundbesitzer außerhalb des Landes wohnt und reiche Einkünfte dem Land entzieht (s. Absentismus). Erst in den letzten Jahrzehnten ist durch die Gesetzgebung die Lage der Pächter gebessert und ihnen seit 1891 der Landankauf erleichtert worden. Ein Garantiefonds von 33 Mill. Pfd. Sterl. ist geschaffen, aus dem der Kaufpreis vorgeschossen wird; letzterer soll den 20fachen Betrag des Reinertrags der Pacht betragen. Der Käufer hat jährlich 4 Proz. dieses Preises für Zinsen, Amortisation etc. zu zahlen und erwirbt nach einem Zeitraum von 49 Jahren das freie Eigentum seines Pachtguts. Eine weitere Erleichterung des Landankaufs ist durch die Landakte von 1903 herbeigeführt worden (Weiteres s. Großbritannien, S. 417).
Die Zahl der ländlichen Besitzungen betrug 1901: 590,175, darunter hatten 74,328 einen Umfang von weniger als 40 Ar (1 Acre), 62,855 von 40 Ar bis 2 Hektar, 154,418 von 2–6 Hektar, 134,090 von 6–12 Hektar, 74,255 von 12–20 Hektar, 57,407 von 20–40 Hektar, 23,107 von 40–81 Hektar, 8186 von 80–202 Hektar, 1528 über 202 Hektar. Bei der früher rasch anwachsenden Bevölkerung und dem Mangel an anderweitigen Erwerbsquellen hatte sich in I. eine Zwergwirtschaft herausgebildet, wie sie wohl in keinem andern Lande zu finden ist. Hungersnot, Auswanderung und auch die früher recht zahlreiche Ausschließung der Pächter haben indes zusammengewirkt und bessere Zustände geschaffen. Die Zahl der Eigentümer betrug 1901: 543,238 oder, wenn man die Zwergwirtschaften von weniger als 1 Acre wegläßt, 470,004. Die Zahl der Farmen im Umfange von 40 Ar bis 2 Hektar hat sich seit 1841 um 79,8 Proz., die zwischen 2 und 6 Hektar um 39 Proz. vermindert, dagegen die von 6–12 Hektar um 69 Proz., die über 12 Hektar um 238 Proz. vermehrt.
Welche Wandlungen die Landwirtschaft in I. seit 1841 durchgemacht hat, zeigt die folgende Tabelle:
Also auch in I. zeigt sich wie in Großbritannien eine Zunahme der Weiden auf Kosten des Ackerlandes und der Anpflanzungen (plantations) von Wald, gleichzeitig aber seit 1871 eine bedauerliche Abnahme der gesamten landwirtschaftlich verwerteten Fläche. Immerhin aber kamen 1851 auf 100 Acres Ackerland noch 108 Bewohner, 1902 nur 96, während gleichzeitig die Weiden um 29 Proz. zugenommen hatten.
Hauptprodukte des Ackerbaues sind: Hafer, Kartoffeln, Rüben und Futterkräuter. Der Anbau von Weizen nimmt neuerdings etwas zu, bleibt aber unbedeutend, denn man sieht ein, daß I. schon seines feuchten Klimas halber nicht mit Amerika als Getreidekammer konkurrieren kann, und daß es lohnender ist, die benachbarten großbritannischen Märkte mit Schlachtvieh, Butter und Speck zu versehen. Auch der Flachsbau hat trotz der von der Regierung bewilligten Unterstützungen seit einem Jahrzehnt bedeutend abgenommen. 1902 waren bebaut mit Getreide 527,896, mit Bohnen und Erbsen 1079, mit Kartoffeln 254,779, mit Rüben und Kohl 135,480, mit Flachs 20,138, mit Klee, Luzerne etc. 244,319 Hektar. 2119 Hektar lagen brach, 4,305,839 bestanden aus Weiden, 633,602 waren Grasland, 122,681 waren bewaldet. Die Ernte lieferte 1902: 528,171 hl Weizen, 2,887,702 hl Gerste, 19,555,471 hl Hafer, 37,253 hl Bohnen, 2,726,000 Ton. Kartoffeln, 4,946,800 T. Futterrüben, 1,463,200 T. Runkelrüben, 5,2 Mill. T. Heu.
Der Viehstand nahm seit 1851 (außer bei den Pferden) bedeutend zu und hat gegenwärtig folgenden Umfang:
Außerdem gab es 1901: 28,882 Maulesel, 238,980 Esel und 312,409 Ziegen, ferner 18,810,717 Stück Geflügel und 33,171 Bienenstöcke, davon 16,754 mit beweglichen Waben (Ertrag 283,000 kg Honig).
Die Fischerei ist für I. von Bedeutung und könnte es in noch höherm Grade werden, denn das umgebende Meer wimmelt von Fischen aller Art: Kabeljaus, Rotaugen (hakes), Lengs, Heringen, Makrelen etc., und in den großen Flüssen, namentlich im Bann, Foyle, Boyne und Shannon, wird die Lachsfischerei mit Erfolg betrieben. Die Austernzucht (an der Küste von South Wicklow) hat man zu heben gesucht, doch ohne wesentlichen Erfolg. Die Seefischerei wurde 1903 von 27,758 Menschen mit 7472 Booten betrieben, ihr Ertrag ward 1902 auf 296,600 Pfd. Sterl. geschätzt; daran hatten Makrelen und Heringe den größten Anteil.
Es fehlt zwar I. nicht an nützlichen Metallen und Steinkohlen, aber der Bergbau ist nur wenig entwickelt und wird nur von 1,8 pro Mille der über 10 Jahre alten Bevölkerung betrieben (gegenüber 31,8 in England, 38,4 in Schottland). Am wertvollsten sind noch die Steinkohlen (Ertrag 1902: 108,737 Ton.), die in sieben getrennten Feldern auftreten. Am ausgedehntesten ist das große Kohlenfeld von Munster (den ganzen Südwesten umfassend, und getrennt davon das in der Grafschaft Tipperary); ein kleineres Kohlenfeld liegt in Leinster (Grafschaft Kilkenny). Die in den erwähnten Revieren gefundenen Kohlen sind Anthrazit, dagegen kommen in den drei kleinen Kohlenfeldern von Ulster und in demjenigen von Connaught (in der Nähe vom Lough Allen) bituminöse Kohlen vor und in letzterm außerdem Massen von Eisenerz. Braunkohlen finden sich am Lough Neagh. Torfmoore (bogs) kommen in großen Massen vor. Sie bedecken 6077 qkm (111 QM.) Flachland und 2486 qkm (45,1 QM.) Hügelland. Erstere sind selten über 2 m mächtig, letztere bis 10 m. Sie sind z. T. rotbraun und mit Heidekraut bedeckt, z. T. schwarz und fest, in der Tiefe aus fester, pech- oder kohlenartiger Substanz bestehend, dem gewöhnlichen Brennmaterial des Landvolkes. Manchmal enthalten sie Holzreste (bogwood), die zur Anfertigung von Schmucksachen verwendet werden. Ein Teil der Torfmoore ist bereits entwässert worden und dient als Weide- oder selbst als Ackerland. Eisenerze finden sich in Antrim (Ertrag 1902: 81,762 Ton.), Raseneisenstein (4905 T.) in verschiedenen Teilen des Landes. Steinsalz kommt bei Carrickfergus vor (Ausbeute 68,224 Ton.), ferner 12,063 T. Sudsalz. Außerdem werden gewonnen: Kupfererz (444 Ton.), Schwefelkies (1617 T.), Schwerspat (1218 T.), Ocker (544 T., in der Grafschaft Wicklow), Bauxit (9045 T.), ferner Ton, feuerfester Ton, Sandstein, Kalkstein, Schiefer.
Industrie, Handel, Nationaleinkommen.
Die Industrie Irlands steht bei weitem hinter der in den übrigen Teilen des Vereinigten Königreichs zurück; während 1901 in England 302 pro Mille, in Schottland sogar 347 pro Mille der über 10 Jahre alten Bewohner in der Industrie tätig waren, waren es in I. kaum 181. Daß I. kein Fabrikstaat geworden, erklärt sich hinreichend durch die geringen natürlichen Hilfsmittel des Landes im Vergleich mit denjenigen des benachbarten Großbritannien. Allerdings trat England 1698–1779 der natürlichen Entwickelung der irischen Wollindustrie durch Ausfuhrverbote entgegen, die es zugunsten seiner eignen Fabrikanten erließ, doch hatte um die Mitte des 19. Jahrh., als I. noch über 8 Mill. Einw. zählte, sich eine bedeutende Textilindustrie entwickelt, die 1841: 696,000 Personen beschäftigte, davon waren in der Leinweberei 135,300, in der Wollwarenindustrie 80,800, in der Flanellweberei 23,000 Personen tätig, während 441,000 Personen als Spinner und Weber bezeichnet werden. Von jener blühenden Industrie hat sich gegenwärtig nur die Leinweberei in einiger Bedeutung erhalten; denn von den 110,208 Personen, die 1901 in der Textilindustrie beschäftigt waren, gehörten der Leinweberei 72,099 (darunter 48,900 weibliche Personen) an, der Wollweberei 5197, der Seidenindustrie 188, und die Flanellweberei war ganz eingegangen. Die Strumpfwirkerei, die 1851: 35,600 Arbeiter beschäftigte, wurde 1901 nur von 619 betrieben, die Baumwollweberei von 2023 (1851 noch von 16,100), die Fabrikation von Krepp, Gaze, Schals und Modeartikeln von 3800 Personen (1851 von 64,000). Auch die Musselinstickerei (etwa 4200 Personen) ist zurückgegangen, dagegen die Spitzenfabrikation (2118) seit 1891 erheblich gestiegen. Mit Bleicherei, Färberei und Druckerei beschäftigten sich 11,978 Personen (gegen 25,709 im I. 1881). Von den 1,016,111 Spindeln und 28,612 mechanischen Webstühlen, die sich 1890 in sämtlichen 263 Textilfabriken Irlands befanden, entfielen 87 Proz. auf Leinwandfabriken. Hauptsitz der gesamten Textilindustrie ist die Provinz Ulster und namentlich Belfast, aber auch in Dublin, Limerick und bei Cork bestehen Fabriken. Wichtig sind außerdem: die Maschinenfabriken, Werften und Nagelschmieden von Belfast, die Tabakfabriken von Dublin und Limerick, die Branntweinbrennerei und die Bierbrauerei (in Dublin berühmter Stout). Vgl. Großbritannien, S. 368.
Der Handel Irlands ist wesentlich ein Handel mit der Nachbarinsel. Die Einfuhr vom Ausland betrug 1903 nur 14,338,341 Pfd. Sterl., und die direkte Ausfuhr ist ganz unbedeutend (1903: 169,964 Pfd. Sterl.), da die Ausfuhr irischer Produkte fast ausschließlich durch Liverpooler und Glasgower Häuser vermittelt wird. Zur Einfuhr gelangen namentlich Getreide, Flachs, Leinengarn, Kolonialwaren, Petroleum, Tabak, Wein, Spirituosen; ausgeführt werden Schlachtvieh (besonders lebende Schweine nach England), Pferde, Butter, Speck, Schmalz, Leinenwaren, Whisky und Bier. Die Ausfuhr von ausländischen und Kolonialprodukten betrug 1903: 1,086,925 Pfd. Sterl. Den Handel fördern Eisenbahnen in einer Länge von 1902: 5172 km und Kanäle (zusammen 560 km), wovon zwei, der Grand und der Royal Canal (s. d.), Dublin mit dem Shannon verbinden, während der Ulsterkanal von Belfast zum Lough Neagh führt. Seeschiffe besitzt I. 1903: 944 mit einem Gehalt von 296,059 Ton., darunter 370 Dampfer von 243,058 T. 1903 liefen 1080 Schiffe von 1,152,342 T. vom Ausland und 31,570 Schiffe von 6,491,346 T. im Küstenhandel ein. Die Post beförderte 1902: 150 Mill. Briefe, 20 Mill. Postkarten, 57 Mill. Kreuzbandsendungen und 1,5 Mill. Pakete, und es wurden Geldanweisungen im Betrage von 2,360,000 Pfd. Sterl. ausgestellt.
Nationaleinkommen. Im Vergleich mit England darf man wohl I. ein armes Land nennen, immerhin haben sich die Verhältnisse seit der Hungersnot in den 1840er Jahren bedeutend gebessert. Das Kapital der Sparkassen ist 1851–1902 von 1,359,103 auf 11,489,422 Pfd. Sterl. gestiegen; das steuerpflichtige Einkommen belief sich 1862 auf 23,5 Mill. Pfd. Sterl., 1901/02 aber auf 34,3 Mill. Pfd. Sterl., obgleich in ersterm Jahr auf alle Einkommen über 100 Pfd. Sterl., in letzterm nur auf solche von über 160 Pfd. Sterl. Steuern gezahlt wurden und die Bevölkerung von 5,775,000 auf 4,458,775 Seelen gefallen war. Eine Übersicht des Einkommens (in Tausenden von Pfund Sterling) bietet die folgende Tabelle:
Wenn nun jedenfalls nach obigen Zahlen I. im ganzen wohlhabender geworden ist, so hat doch die Zahl der Armen nicht abgenommen wie in den benachbarten Königreichen, im Gegenteil, im Verhältnis zur Bevölkerung ist dieselbe gewachsen. 1861 erhielten 50,683 Arme Unterstützung (einschließlich 10,422 arbeitsfähige Erwachsene), 1871: 74,692; 1881: 109,655; 1891: 107,129; 1903: 103,228 (4920 arbeitsfähig), und es kam in den genannten Jahren bez. 1 Armer auf je 114,72,47,44 und 43 Bewohner.
Verwaltung, Rechtspflege etc.
Seit Auflösung des irischen Parlaments 1799 bildet I. einen Teil des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und I. und ist im Reichsparlament durch 28 Peers und 103 Vertreter der Gemeinen vertreten (s. Großbritannien, S. 373 f.). An der Spitze der Verwaltung steht der von dem jeweiligen Ministerium ernannte Lord-Lieutenant-General oder Generalgouverneur als Vertreter der Krone, der einen Gehalt von 20,000 Pfd. Sterl. bezieht und von einem förmlichen Hofstaat umgeben ist. Ihm zur Seite stehen der Staatssekretär für I. (Chief Secretary, gewöhnlich Kabinettsminister) und ein Geheimer Rat, dessen Wirksamkeit indes sehr beschränkt ist, ferner ein Lord-Kanzler und ein Attorney-General für I. Die obersten Gerichtshöfe sind denjenigen Englands nachgebildet. Es sind ein Appellhof, der High Court of Justice in vier Abteilungen, ein Admiralitätsgericht und ein Gericht für Bankrottsachen. Die Verwaltung der Grafschaften (S. 16) liegt in den Händen der Lieutenants, die sämtlich vom Lord-Lieutenant-General ernannt werden, und von Friedensrichtern, die der Lord-Kanzler von I. ernennt. Sie bilden die sogen. Grand Jury, welche die Grafschaftssteuern erhebt und verwaltet. Ein besoldeter Richter (stipendiary magistrate) führt bei den Verhandlungen den Vorsitz. Die Verwaltung des Armenwesens liegt in den Händen von Guardians, die von den höher Besteuerten gewählt werden, zu denen aber auch die Friedensrichter ex officio gehören. Durch ein Gesetz von 1898 wurde die Lokalverwaltung ähnlich geordnet wie in den andern Königreichen; es bestehen ein Local Government Board unter dem Vorsitz des Staatssekretärs, Grafschaftsräte, städtische und ländliche Bezirksräte. Elf Städte haben eine Munizipalverfassung, 108 andre erfreuen sich beschränkterer städtischer Rechte, aber in allen ist die Wählerschaft sehr beschränkt. Für Aufrechthaltung der öffentlichen Ruhe sorgen eine militärisch organisierte Constabulary (1902: 11,134 Mann) und eine Schutzmannschaft in Dublin (1173 Mann). I. ist in vier Militärdistrikte (Dublin, Curragh, Cork und Belfast) eingeteilt. An Militär stehen in I. 26 Bataillone und 8 Depots Infanterie, 6 Regimenter Reiterei, 10 Batterien Artillerie und 5 Kompagnien Pioniere, zusammen 26,963 Mann. In I. rekrutieren sich aber 18 Batterien Küstenartillerie, 17 Linien- und 27 Milizbataillone.
Als I. mit Großbritannien zu einem Königreich vereinigt wurde, bestimmte man, daß es 2/15 der gemeinschaftlichen Ausgaben zu decken habe; jetzt beträgt sein Beitrag aber nur etwas über 2/34. Die hauptsächlichsten Ausgaben für I. waren 1903/04: Bauverwaltung 216,128 Pfd., Eisenbahnen 107,214 Pfd., innere Verwaltung 352,635 Pfd., Gerichtswesen und Polizei 2,142,313 Pfd., Unterricht u. Kunst 1,356,538 Pfd. Sterl. Die Einnahmen der Lokalbehörden beliefen sich 1901/02 auf 6,501,293 Pfd. Sterl. (darunter 3,173,621 Pfd. Sterl. an Mietssteuern und Einnahmen städtischer Gas- und Wasserwerke, 362,762 Pfd. an Chausseegeldern und Marktgebühren, 251,628 Pfd. an Renten und Zinsen, 1,298,204 Pfd. als Staatszuschuß, 127,232 Pfd. an Sporteln, 943,875 Pfd. Sterl. aus Anleihen). – Das Wappen Irlands ist eine goldene Harfe mit silbernen Saiten in blauem Feld (s. Tafel »Wappen II«, Fig. 3), Badge oder Kennzeichen ist das Kleeblatt. Nationalfarbe ist eigentlich Hellblau, doch ziehen die Nationalgesinnten Grün vor, die prononcierten Protestanten aber Orange (zur Erinnerung an Wilhelm von Oranien). Alles übrige s. Großbritannien.
[Geographisch-statistische Literatur.] Vgl. außer den ältern Reiseschriften von Clement, Kohl, Venedey, V. A. Huber, Helfferich, Rodenberg (»Die Insel der Heiligen«, Berl. 1860, 2 Bde.): Hull, Physical geology and geography of Ireland (2. Aufl., Lond. 1891); Kinahan, Geology of Ireland (das. 1878); Murphy, Ireland industrial, political and social (das. 1870); Trench, Realities of Irish life (das. 1868 u. ö.); Sullivan, New Ireland (7. Aufl., das. 1882); v. Lasaulx, Aus I. Reiseskizzen und Studien (Bonn 1877); Dennis, Industrial Ireland (Lond. 1887); »Ireland industrial and agricultural« (amtlich, Dublin 1902); Curtin, Myths and folklore of Ireland (das. 1890); Mac Donagh, Irish life and character (das. 1898); Morris, Ireland of today (das. 1898); T. O. Russell, Beauties and antiquities of Ireland (das. 1897); Murray, Handbook for travellers in Ireland (das.). – Von Karten werken sind zu nennen: die sogen. »Six inch map« (1: 10,560, in 1907 Blättern, seit 1864) und die »One inch map« (1: 63,360, in 205 Blättern), die beide auf der in den Jahren 1825–46 erfolgten Landesaufnahme beruhen; Stanfords »London Atlas maps of Ireland«. Die geologischen Aufnahmen sind zum größten Teil abgeschlossen, zugrunde gelegt ist ihnen die »One inch map«; vgl. ferner: Hull, Geological map of Ireland, 1: 486,830 (Lond. 1893,2 Blatt); Bartholomew, General map of Ireland, 1: 633,600 (Edinburg).
Geschichte.
Die älteste Geschichte der Insel ist in Dunkel gehüllt; sie heißt bei den Griechen und Römern Ierne, Ivernia (Hibernia); mit Ierne hängt die Bezeichnung Erin zusammen; die Namen Iren und Irland sind von den Angelsachsen gebildet. Ihre Bewohner waren die Skoten, ein Volk keltisch-gadhelischen Stammes, dessen Name später auf Schottland übertragen ist. Das Land zerfiel in Gaue (Tuath), an deren Spitze Häuptlinge (Ri) standen; mehrere Gaue bildeten einen Obergau unter einem Oberhäuptling; an der Spitze der ganzen Insel stand der Oberkönig, der ursprünglich in Tara residierte, dessen Krongut die Landschaft Meath war, und unter dem Unterkönige die Provinzen Ulster, Leinster, Munster, Connaught beherrschten. Ein genealogischer Verband war der Clan (Stamm), der einen oder mehrere Gaue umfaßte. Die Religion der Iren war ein Kultus der personifizierten Naturkräfte; die Priester und Zauberer (Druiden), Richter (Brehone) und Sänger (Barden) übten großen Einfluß aus. Dem römischen Reiche hat I. nie angehört; und auch von der angelsächsischen Eroberung blieb es lange unberührt. Das Christentum scheint schon im 4. Jahrh. in I. von Britannien aus weit verbreitet gewesen zu sein. Um die Insel für die römische Kirche zu gewinnen, sandte 431 Papst Cölestin I. den Diakon Palladius, und mit diesem identifiziert die neueste Forschung den britischen Priester Sucat, später Patricius (St. Patrick) genannt, der zuerst die Gründung eines nach römischer Ordnung eingerichteteten Bistums in I. versuchte, aber, ohne große Erfolge erzielt zu haben, 459 starb; erst spätere entstellte Überlieferung ließ Patrick ganz I. zuerst bekehren; er wurde als Heiliger verehrt und Schutzpatron der Insel. Im 6. und 7. Jahrh. stand die christliche Kultur in hoher Blüte; zahlreiche Kirchen und Klöster erfüllten die Insel, und ein Strom von Missionaren ging aus ihnen hervor, die in Britannien und auf dem Festland mit irischen Mönchen besetzte sogen. Schottenklöster gründeten. Unter ihnen zeichnete sich besonders der heil. Columba aus, der sich 563 auf der zum schottischen Königreich Dalriada gehörigen Insel Hy oder Jona niederließ und hier ein Kloster gründete, das bald ein Mittelpunkt der Missionstätigkeit wurde. Andre hervorragende Missionare waren im 7. Jahrh. der heil. Columbanus, der Gründer von Luxeuil und Bobbio, der heil. Gallus, von dem St. Gallen den Namen hat, der heil. Kilian, Patron von Würzburg, u. a. m. Der christlichen irischen Kirche gehören auch die berühmten runden Türme an, von den Eingebornen clochach (Glockenhäuser), von den Engländern steeples genannt, zylindrische Gebäude mit 6 oder 7 Stockwerken und einem kegelförmigen Dach, deren man in I. über 100 gezählt hat.
Seit 795 machten die Normannen (Ostmannen) verheerende Einfälle in I., und im 9. Jahrh. drangen sie von den Flußmündungen aus ins Innere vor, um sich hier dauernd niederzulassen. 852 gründete Anlaf (Amlaib) das normannische Königreich in Dublin; sein Verbündeter war Ivar, der Sohn des Ragnar Lodbrog, der etwas später das normannische Königreich Northumberland errichtete. Ivars Nachkommen gewannen auch die Herrschaft in Dublin, so daß beide Königreiche lange von denselben Männern oder wenigstens von Angehörigen desselben Geschlechts beherrscht wurden. Diese hatten fortgesetzt mit den Iren zu kämpfen, denen 919 König Sithric von Northumberland das von ihnen genommene Dublin wieder entriß. König Anlaf Cuaran von Dublin, der 938 von Ethelstan von England in der Schlacht von Brunanburg besiegt worden war, trat 943 zum Christentum über; aber ein großer Teil der Normannen blieb noch heidnisch, und erst 1038 wurde ein Ostmanne Bischof von Dublin. Inzwischen dauerten die Kämpfe mit den Iren fort. 980 besiegte ihr König Maelseachlainn (Malachias) den Anlaf Cuaran; entscheidend war aber erst der Sieg, den die Iren 1014 unter König Brian bei Clontarf erfochten, von dem die Normannen sich nicht mehr völlig erholt haben, wenngleich sie, da Brian bei Clontarf umgekommen war und sein Reich alsbald verfiel, noch lange einen gewissen Einfluß auf der Insel behaupteten.
Eine Wendung in den Zuständen Irlands trat im 12. Jahrh. ein. Die kirchlichen Verhältnisse wurden 1152 auf der Synode zu Kells unter Leitung eines päpstlichen Legaten geregelt und der Erzbischof von Armagh zum Primas von I. erhoben. Für die politischen Zustände war die Einmischung Englands verhängnisvoll. 1166 war der Fürst Dermod (Diarmaid) von Leinster vertrieben worden und nach England geflüchtet. 1169 führte ihn der englische Baron Robert Fitz-Stephen zurück, und ihm kam 1170 der Graf Richard Strongbow zu Hilfe, der Dublin einnahm und den letzten Ostmannenfürsten zur Flucht nötigte. Heinrich II. von England, dem schon 1155 oder 1156 Papst Hadrian IV. die Belehnung mit der Insel versprochen hatte, war mit dem Vorgehen seiner Vasallen unzufrieden und beschloß, sich selbst I. zu unterwerfen. Am 17. Okt. 1171 landete er zu Crook in Waterford; Strongbow, der das Erbe des 1171 gestorbenen Dermod angetreten hatte, huldigte ihm für das Königreich Leinster, der Klerus erklärte sich für ihn, 11. Nov. zog er in Dublin ein und erklärte sich zum Herrn von I. (Lord of Ireland). Er hob die irische Stammesverfassung auf, führte das Lehnswesen ein und vergab reiche Lehen an seine englischen Barone, ohne Rücksicht auf die eingeborne Bevölkerung, so daß durch ihn die erste Grundlage zu dem unversöhnlichen Haß der Iren gegen Engländer gelegt wurde. Nach Heinrichs Abzug brach 1174 eine Empörung unter dem Oberkönig Roderik O'Conor aus; 1175 schloß dieser ein Abkommen mit Heinrich, durch das er als Herr über alle irischen Fürsten mit Ausnahme der Heinrich und seinen Baronen unmittelbar gehörenden Gebiete anerkannt wurde, so daß die Insel fortan in einen unabhängigen und einen englischen Teil zerfiel: in jenem kämpften die Fürsten und Stammeshäuptlinge untereinander und mit den Engländern, dieser war eine Kolonie Englands unter einem Statthalter (King's Lieutenant), der zu Dublin residierte. Der englische Teil war in Grafschaften eingeteilt, und seit dem 13. Jahrh. bestand hier ein Parlament, das die geistlichen und weltlichen Lehnsleute des Königs, später auch Abgeordnete der Städte umfaßte. Zu Anfang des 14. Jahrh. versuchten die Iren, sich von der englischen Herrschaft zu befreien, indem sie die Krone dem König von Schottland, Robert Bruce, antrugen. Dieser sandte 1315 seinen Bruder Edward und kam 1316 selbst nach I., kehrte aber, nachdem Edward bei Dundalk 1318 geschlagen und gefallen war, nach Schottland zurück. Während der Bürgerkriege in England, namentlich während des Krieges der Rosen, sank die englische Macht in I. Um die Insel wieder zu unterwerfen, sandte König Heinrich VII. den Statthalter Edward Poynings, der 1494 durch die sogen. Poynings-Akte bestimmte, daß der Statthalter nur mit Genehmigung des Königs ein Parlament versammeln dürfe und die Gesetzvorschläge von der englischen Regierung bestätigt werden müßten. Heinrich VIII., der 1542 den Titel »König von I.« annahm, wollte seine Kirchenreform auch nach I. verpflanzen, stieß aber bei den Iren sowie auch bei einem Teil der Engländer auf Widerstand, und zu dem nationalen Gegensatz zwischen Iren und Engländern gesellte sich fortan noch die religiöse Feindschaft zwischen Katholiken und Protestanten. Nach der kurzen Reaktion unter Maria rief die unter der Königin Elisabeth 1560 beschlossene Einführung der englischen Kirchengesetze in I. neue Aufstände hervor, die durch den Papst, durch flüchtige Engländer und durch Spanier geschürt wurden. Viele Iren wanderten aus und nahmen in Spanien und Frankreich Kriegsdienste. Vergebens bemühte sich der Statthalter Sir John Perrot (1584), die Iren durch Leutseligkeit und Milde zu gewinnen; seine Reformpläne scheiterten an dem Widerstande der anglikanischen Geistlichkeit und der eingewanderten Engländer. Der zum Grafen von Tyrone erhobene Häuptling O'Neal stellte sich nach Perrots Abberufung an die Spitze einer neuen Empörung und schlug die Engländer 1598 bei Blackwater. Gegen ihn wurde Graf Essex 1599 mit einem Heer abgeschickt, mußte aber mit O'Neal einen Waffenstillstand schließen. Dieser erhielt Hilfe von Spanien, wurde jedoch von dem englischen Feldherrn Mountjoy 24. Dez. 1601 bei Kinsale völlig besiegt, worauf die Spanier I. verlassen und O'Neal sich ergeben mußte. Nun wurde ganz I. unterworfen und 600,000 Morgen Landes zugunsten englischer Kolonisten konfisziert.
Unter König Jakob I. fanden nach dem Plan des Statthalters Lord Chichester neue Konfiskationen statt; das eingezogene Land wurde an englische und schottische Kolonisten überlassen, welche die Stadt Londonderry und andre Ortschaften in Ulster anlegten. Dadurch wurde der Haß der Irländer gegen die Fremdherrschaft noch gesteigert, und nach der Abberufung Straffords (1640) benutzten die Iren die Verfassungskämpfe in England zu einem neuen Aufstand, der im Oktober 1641 in Ulster ausbrach und an dessen Spitze die Nachkommen alter Stammeshäuptlinge, Roger Moore, Sir Phelim O'Neal und Lord Cornelius Macguire, standen. Das englische Parlament konfiszierte zwar 2,5 Mill. Morgen irisches Land; aber sein Streit mit der Krone verhinderte ein energisches Eingreifen, und der Statthalter Marquis von Ormond schloß, um I. dem König Karl I. zu erhalten, im Januar 1649 mit den Rebellen Frieden und betrieb nach Karls Hinrichtung die Anerkennung seines Sohnes, Karls II., in I. Darauf ernannte das Parlament Cromwell zum Lord-Lieutenant von I. Dieser landete mit 12,000 Mann, zog 15. Aug. 1649 in Dublin ein, erstürmte Drogheda und Wexford und ließ die Besatzungen niedermetzeln. Auch in der Fortsetzung des Krieges verfuhren die Engländer mit äußerster Grausamkeit. Nachdem Cromwell in 3/4 Jahren den größten Teil der Insel unterworfen hatte, überließ er die völlige Niederschlagung des Aufstandes seinem Schwiegersohn Ireton, nach dessen Tode sie Ludlow 1652 vollendete. Mehr als 1/2 Mill. Menschen waren seit 1641 durch das Schwert, Krankheit oder Hunger umgekommen. Viele wurden hingerichtet, auch O'Neal; gegen 100,000 wurden verbannt oder wanderten aus; die zurückgebliebenen, die am Aufstande teilgenommen oder ihn nicht bekämpft hatten, verloren ihren Grundbesitz und wurden nach Connaught zurückgedrängt, wo sie Ländereien im Wert von 1/3 oder 2/3 ihres frühern Besitzes erhielten. Das konfiszierte Land in Ulster, Leinster und Munster wurde an englische Kolonisten vergeben. Nur ein kleiner Teil der den Iren geraubten Güter wurde ihnen nach der Restauration der Stuarts 1661 zurückgegeben.
Die Lage Irlands gestaltete sich erst wieder günstiger, als Jakob II. 1687 einen Katholiken, Richard Talbot, Grafen von Tyrconnel, zum Statthalter ernannte. Nach seiner Flucht aus England landete Jakob mit französischen Truppen 1689 in I. und wurde von den Katholiken mit offenen Armen aufgenommen; in kurzer Zeit bemächtigte er sich aller Städte, außer Londonderry und Enniskillen. Er eröffnete 7. Mai 1689 ein irisches Parlament in Dublin, das 2400 protestantische Grundbesitzer ihrer Güter beraubte. Kurz darauf sandte jedoch Wilhelm III. den Marschall Schomberg nach I., kam im Juni 1690 selbst und erfocht über Jakob II. 11. Juli d. J. den entscheidenden Sieg am Boynefluß. Nach dem Siege des Generals Ginkel bei Aghrim wurde die Unterwerfung der Insel vollendet; der letzte Platz der Katholiken, Limerick, kapitulierte 3. Okt. 1691. Mehr als 18,000 Iren von der Partei Jakobs gingen ins Ausland. Das englische Parlament beschloß die Konfiskation von 1 Mill. Morgen Landes, das an Protestanten verteilt wurde: die von diesen gegründeten Orangistengesellschaften (Orangemen) sollten die Herrschaft Englands und des Protestantismus in I. stützen. Besonders scharf waren die Maßregeln gegen die katholische Religion: katholische Würdenträger wurden verbannt, die Seelsorge der niedern Priester auf ihre Kirchspiele beschränkt, der katholische Unterricht und die öffentlichen Zeichen des Kultus verboten, die Katholiken entwaffnet und von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten untersagt. 1727 wurde den Katholiken auch das Wahlrecht für das Parlament entzogen. Wenn auch diese Gesetze nicht immer mit gleicher Strenge angewendet wurden, so nährte doch schon ihr Bestehen die Erbitterung des Volkes, und die geheimen Verbindungen der Defenders (s. d.), der White Boys (»weißen Burschen«) und der Hearts of Oak (»Eichenherzen«) übten an übermütigen Beamten, Grundherren und Pfarrern heimliche Rache. Auch die materielle Entwickelung des Landes wurde aus Rücksicht auf englische Interessen schwer geschädigt; das Emporkommen einer irischen Industrie wurde gehindert und durch eine eigennützige Zollpolitik Ackerbau und Viehzucht beeinträchtigt, so daß auch die protestantischen Einwohner unzufrieden waren und selbst in dem zahmen irischen Parlament die Oppositionspartei wuchs.
Als während des Krieges mit den amerikanischen Kolonien Frankreich in I. einzufallen drohte und die Miliz zur Verteidigung aufgeboten werden mußte, wurden die Strafgesetze gemildert. Aber im irischen Parlament erklärten sich selbst Protestanten, wie Henry Grattan, Lord Charlemont u. a., hierdurch nicht befriedigt, sondern verlangten weitergehende Zugeständnisse. Das englische Parlament beschloß darauf 1781 und 1782 die Einführung der Habeaskorpusakte in I., hob die Poyningsakte auf, milderte abermals die Strafgesetze und erlaubte den Katholiken, Schulen zu errichten, Grundeigentum zu erwerben und ihren Kultus ungehindert auszuüben. Gegen den verhaßten Zehnten an die protestantischen Pfarrer bildete sich 1786 der Geheimbund der Right Boys (»Rechtsburschen«). Die französische Revolution ermutigte die Iren zu noch größern Forderungen. 1791 bildete sich in Belfast der Bund der vereinigten Irländer (United Irishmen), der bald 100,000 Mitglieder, über die ganze Insel verbreitet, zählte und die Verwandlung Irlands in eine unabhängige Republik erstrebte. Auf Antrieb Edmund Burkes beseitigte nun das englische Parlament die Hindernisse der Gewerbtätigkeit und des Handels, hob die meisten Strafgesetze auf, gestattete die Mischehen und gewährte den Katholiken Zutritt zu den niedern Ämtern sowie das aktive Wahlrecht zum Parlament. Als der irische Bund trotzdem eine drohende Haltung einnahm und im Dezember 1796 französische Truppen unter Hoche zu landen versuchten, legte die englische Regierung in die Städte starke Besatzungen, hob die Habeaskorpusakte auf und ordnete eine allgemeine Entwaffnung an. Der aufgelöste Bund bestand jedoch im geheimen weiter und zählte 500,000 Mitglieder, so daß man einen Aufstand zu wagen beschloß. Dieser brach 23. Mai 1798 aus; doch war die Regierung durch einen Verräter vorbereitet und schlug ihn durch eine starke Militärmacht mit grausamster Strenge nieder. Nun beschlossen Pitt und Castlereagh die Verschmelzung des irischen Parlaments mit dem britischen und erlangten durch unerhörte Bestechungen die Zustimmung des irischen Parlaments. So trat 1. Jan. 1801 die sogen. Finalunion zwischen I. und Großbritannien in Kraft, wonach I. fortan von 28 gewählten weltlichen Peers und 4 Bischöfen im Oberhaus und von 100 Abgeordneten im Unterhaus vertreten sein sollte. Gegen die Verpflichtung, für die ersten 20 Jahre 2/17 der gesamten Staatskosten zu tragen, sollte I. gleiche Rechte mit Großbritannien genießen und zwischen beiden ungehinderter Verkehr stattfinden.
Die von Pitt verheißene politische Emanzipation der Katholiken verzögerte zunächst der Widerstand des Königs Georg III. Daher bildete sich 1802 zu Dublin ein Bund der Katholiken (Catholic Association), während die Orangelogen die Rechte der Protestanten verteidigten. Die Regierung löste 1825 beide Vereine auf. Doch organisierte O'Connell den katholischen Bund von neuem und machte seinen Einfluß auf die Wahlen wirksam geltend. Auf das Drängen der liberalen Partei in England ward endlich die Katholikenemanzipation 13. April 1829 beschlossen, worauf O'Connell in das Parlament eintrat. Auch die Ablösung des Zehnten, den die katholische Bevölkerung in I. an die protestantische Kirche zahlen mußte, gestand die Regierung 1832 zu. Indes die Iren waren damit nicht zufrieden, und das von O'Connell aufgestellte Programm der Aufhebung (Repeal) der Union zwischen I. und Großbritannien fand in I. solchen Anklang, und die Repeal Association erlangte eine solche Gewalt, daß die Regierung 1833 sich eine Zwangsbill (Coërcion Bill) bewilligen ließ, die dem Statthalter von I. die Befugnis einräumte, Volksversammlungen zu verbieten und das Standrecht zu verkünden. Um das Gesetz aufrecht zu erhalten, wurden 36,000 Soldaten und 6000 Polizisten nach I. gesendet. Gleichzeitig bemühte sich das Ministerium, den Beschwerden der Iren abzuhelfen, indem die Kirchenbausteuer aufgehoben, die Einkünfte der anglikanischen Kirche herabgesetzt und einige anglikanische Pfarreien und Bistümer abgeschafft wurden. Demnächst brachte Lord Littleton eine Bill ein, die den Zehnten durch eine um zwei Fünftel geringere Grundsteuer ersetzte und in einem Zusatz (Appropriationsklausel) bestimmte, daß die durch die frühere Kirchenbill gewonnenen Ersparnisse zur Verbesserung des irischen Schul- und Gemeindewesens verwandt werden sollten. Diese Klausel lehnte das Oberhaus wiederholt ab, und erst als die Regierung sie 1838 fallen ließ, wurde die Zehntenbill Gesetz. Inzwischen hatte das liberale Ministerium Melbourne 1834 die Zwangsbill aufgehoben und O'Connell auch die Repealassociation aufgelöst. Der neue Statthalter Mulgrave führte eine versöhnliche Verwaltung, stellte katholische Beamte an und trat der Agitation der Orangistenlogen entgegen, die 1836 verboten wurden. Zur Linderung des Elends im Volke wurde 1838 eine irische Armenbill erlassen, nach der in den Grafschaften Arbeits- und Armenhäuser erbaut werden sollten. Indes solche Maßregeln konnten den Mißstand nicht beseitigen, daß die katholische Bevölkerung Irlands durch die Konfiskationen früherer Zeit alles Grundbesitzes beraubt und in die Stellung von abhängigen Pächtern herabgedrückt war. Als 1841 die Tories unter Peel wiederum aus Ruder kamen, erneuerte O'Connell die Repealassociation, für die nun auch der katholische Klerus eintrat. 1845 und 1846 hatte I. eine vollständige Mißernte; eine entsetzliche Hungersnot brach aus, und durch Krankheiten und Auswanderung nach Amerika verminderte sich die Bevölkerung um fast 2 Mill. Die Regierung spendete bereitwilligst Gelder zum Ankauf von Lebensmitteln und bewilligte beträchtliche Mittel zur Urbarmachung des noch wüst liegenden Ackerlandes und zum Bau von Eisenbahnen. Gleichwohl wurde die Aufregung in I. nicht beschwichtigt, und Gewalttätigkeiten aller Art waren an der Tagesordnung. Daher wurde 1847 die Polizeimacht verstärkt und über eine Anzahl Grafschaften das Ausnahmegesetz verhängt.
Nach der französischen Revolution 1848 bildete sich im Gegensatz zu der Repealagitation, die O'Connell (gest. 1847) in gesetzlichen Schranken zu halten gesucht hatte, der Bund des »jungen Irland«, dessen Ziel die gewaltsame Losreißung Irlands vom britischen Reiche war. Er fand zahlreichen Anhang, und unverhohlen wurden Rüstungen und Waffenübungen vorgenommen. John Mitchels »United Irishman« predigte offene Empörung gegen die britische Herrschaft, und Smith O'Brien berief einen Nationalkonvent nach Dublin. Die Regierung erlangte vom Parlament die Genehmigung einer »Bill zum Schutz der Krone« und schritt energisch ein. Der Nationalkonvent wurde verboten, Mitchel zur Deportation verurteilt, Dublin und andre Grafschaften unter Kriegsgesetz gestellt und die Habeaskorpusakte zeitweilig aufgehoben. Als gleichwohl die revolutionären Klubs ihre Tätigkeit nicht einstellten, ein Teil der Repealer als Irish League in die Bewegung eintrat und Smith O'Brien, von den Massen als König von Munster begrüßt, bewaffnete Haufen um sich sammelte, sprengte die Polizei diese bei Ballingarry auseinander und verhaftete die Führer, die zum Tode verurteilt, aber zur Deportation begnadigt wurden. Im Winter erneuerte sich der materielle Notstand; dazu kam 1849 die Cholera. Wiederum verminderte sich durch Tod und Auswanderung die Bevölkerung, nicht aber ihr Haß gegen die sächsischen Unterdrücker. In den zahlreichen, nach Nordamerika ausgewanderten Iren fand man Bundesgenossen für die Losreißung von England. Während des Sezessionskrieges in Nordamerika (1861–1865) schien sich die Möglichkeit eines Konflikts zwischen der Union und England zu bieten, welcher der irischen Agitationspartei günstige Aussichten eröffnete. So entstand Ende 1861 in Amerika der Bund der Fenier (s. d.), der die irische Revolution vorbereitete. In Amerika stand John O'Mahony an der Spitze, die Leitung der Bewegung in I. übernahm James Stephens; als Parteiorgan wurde im November 1863 »The Irish People« in Dublin gegründet. Im Herbst 1865 sollte der Kampf beginnen und das Banner der irischen Republik entfaltet werden. Aber die englische Regierung, von allem genau unterrichtet, ließ im September 1865 das Gebäude des »Irish People« in Dublin besetzen, die Leiter der Agitation verhaften, die Papiere der Redaktion mit Beschlag belegen und gewann so die Kenntnis des Ganges der Bewegung sowie der Namen der wichtigsten Mitglieder. In den westlichen Distrikten wurde die Militärmacht verstärkt, der Belagerungszustand verkündet und zahlreiche Personen verhaftet, während die Emissäre aus Amerika von Kriegsschiffen abgefangen wurden; die Habeaskorpusakte wurde 1866 abermals außer Kraft gesetzt. In Amerika fand im Oktober 1865 ein senischer Kongreß in New York statt und setzte eine förmliche Regierung für I. ein, die aber durch innern Zwist lahmgelegt wurde. In I. äußerte sich die Wut der Fenier in blutigen Greueltaten: in London wurde, um den senischen Häuptling Burke zu befreien, im Dezember 1867 das Clerkenwellgefängnis in die Luft gesprengt, wobei zahlreiche Personen das Leben verloren, Burke aber nicht befreit wurde. Diese Verbrechen raubten dem Fenierbund alle Sympathien. Dazu kam, daß Gladstone durch wichtige Reformen die Beschwerden Irlands abzustellen bemüht war. Eine irische Reformbill von 1868 vermehrte durch Herabsetzung des Zensus in den Städten die Zahl der Wähler. Nach langem Widerstreben des Oberhauses brachte Gladstone auch das Gesetz über die Entstaatlichung der irischen Kirche (Disestablishment of the Irish Church) durch und beseitigte so die Ungeheuerlichkeit, daß einem überwiegend katholischen Land eine reichdotierte protestantische Kirche aufgedrängt war; die Güter der Kirche wurden z. T. ihren Pächtern gegen Jahresraten verkauft und 6000 freie Bauerngüter auf irischem Boden geschaffen. Die Lage der übrigen Pächter sollte die Landakte von 1870 bessern, indem sie die Grundbesitzer verpflichtete, wenn sie den Pächtern kündigten, ihnen Entschädigung für die auf den Gütern errichteten Bauten und Ameliorationen zu zahlen (Ulsterbrauch, weil dies in Ulster schon Vorschrift gewesen war), und den Pächtern durch Vorschüsse aus Staatsmitteln den Ankauf ihres Pachtlandes erleichterte.
Die Agitation in I. wurde hierdurch in ein ruhigeres Fahrwasser gelenkt, jedoch keineswegs unterdrückt. 1872 traten die meisten irischen Mitglieder des Parlaments unter Butt und Sullivan zu einer besondern Fraktion zusammen; diese erstrebte Homerule, d. h. Selbstregierung Irlands durch ein in Dublin tagendes Parlament und ein diesem verantwortliches Ministerium. Seit Parnell 1880 ihr Führer wurde, setzten die Homerulers im Parlament die systematische Obstruktion ins Werk: mit allen Mitteln, welche die schwerfällige Geschäftsordnung bot, störten sie die ordnungsmäßige Erledigung der parlamentarischen Arbeiten und erreichten wirklich, daß trotz mancher Änderungen in der Geschäftsordnung die Gesetzgebung ins Stocken geriet. In I. trat Parnell 1880 an die Spitze der 1879 von M. Davitt gegründeten Landliga, welche die völlige Umgestaltung der Agrarverhältnisse erstrebte; die bisherigen Pächter sollten freie Grundbesitzer werden. Die agrarischen Verbrechen erneuerten sich; die gefürchteten »Mondscheinbanden« durchzogen das Land, verhinderten die Zahlung des Pachtzinses und rächten an den Grundbesitzern die Anwendung ihrer gesetzlichen Rechte; namentlich wurde das System des Boycotting (s. Boycott) angewendet, um den Befehlen der Liga Gehorsam zu verschaffen. Gladstone, der seit 1880 wieder an der Spitze der Regierung stand, suchte deren Ansehen zwar durch einige Zwangsgesetze zu wahren, gleichzeitig aber die Iren durch Zugeständnisse zu beruhigen. Ein zweites Landgesetz von 1881 schuf in I. eigne Gerichtshöfe, die auf Anrufen der Pächter oder der Grundherren einen gerechten Pachtzins auf 15 Jahre festzusetzen befugt waren; es erlaubte den Pächtern, ihr Pachtrecht zu verkaufen, wobei den Grundherren nur ein Vorkaufsrecht eingeräumt wurde, und gewährte neue Erleichterungen für die Umwandlung des Pachtbesitzes in freies Eigentum. Allein Parnell und seine Anhänger verwarfen diese Zugeständnisse (September 1881) und forderten völlige Abschaffung der Pachtzinse, d. h. eine Expropriation der Grundherren; außerdem erhielten sie das Programm des Homerule aufrecht. Die Regierung löste nun die Landliga auf und ließ Parnell und andre Führer verhaften (Oktober 1881). An die Stelle der Landliga trat nun eine »Nationalliga« und setzte deren Treiben fort. Selbst als die Regierung mit den Verhafteten den Pakt von Kilmainham schloß, in dem sie sich verpflichteten, für gesetzliches Verhalten der Bevölkerung zu wirken, und sie dann freiließ (April 1882), hörten die Gewalttaten nicht auf, weil Parnell und seine Genossen ihr Versprechen nicht hielten oder halten konnten. Die Ermordung des neuen Obersekretärs für I., Lord Cavendish, und seines Unterstaatssekretärs Burke (6. Mai 1882) im Phönixpark zu Dublin sowie der Prozeß gegen die Mörder zeigten, wie weit der leidenschaftliche Haß gegen England verbreitet und wie sehr die Achtung vor dem Gesetz geschwunden war.
Um diesen Zuständen ein Ende zu machen, beschloß Gladstone, die Hauptforderungen der Iren zu bewilligen. Seine Wahlreform von 1884 hatte die Zahl der Wähler so vermehrt, daß die Homerulers bei den Wahlen von 1885 nicht weniger als 86 Sitze gewannen und zwischen Liberalen und Konservativen im Unterhaus die ausschlaggebende Partei wurden. Gleich nach dem Zusammentritt des Parlaments trat nun Gladstone mit den Parnelliten in Verbindung und stürzte mit ihrer Hilfe im Januar 1886 das Kabinett Salisbury. Als Premierminister legte er darauf dem Unterhaus zwei Gesetzentwürfe zur Regelung der irischen Frage vor; der eine bewilligte Geldmittel, um den Grundbesitz in I. in das Eigentum irischer Bauern zu verwandeln; der andre bestimmte die Errichtung eines irischen Parlaments in Dublin, das mit einem ihm verantwortlichen Ministerium die Regierung führen sollte. Der Entwurf fand in I. bei den Homerulers begeisterten Beifall, beunruhigte aber die Protestanten in Ulster; denn sie fürchteten, durch eine ultramontane Mehrheit im künftigen irischen Parlament vergewaltigt zu werden, und verlangten daher für den Fall der Annahme des Gesetzes die Trennung Ulsters von I. Aber auch in England war ein Teil der liberalen Partei mit der Zerreißung der Reichseinheit nicht einverstanden und verweigerte Gladstone die Heeresfolge. Daher lehnte das Unterhaus 7. Juni 1886 das Homerulegesetz ab und wurde nun aufgelöst. Bei den Neuwahlen verbanden sich die Gladstonianer mit den Parnelliten, die liberalen »Unionisten« mit den Konservativen. Letztere siegten, und Gladstone machte Salisbury wieder Platz. In I. rief dies eine Wiederaufnahme der Agitation hervor. Die Führer der Nationalliga gaben das Losungswort aus, keinen Pachtzins (No rent) zu zahlen, und die, welche diesem Befehl nicht gehorchten, hatten Boykott und Gewalttaten zu fürchten. Die Regierung schritt auf Grund von Zwangsgesetzen energisch ein und ließ die Führer verhaften und verurteilen. Während so, dank der Verwaltung des klugen und energischen Obersekretärs für I., Balfour, mit starker Hand die Ordnung in I. aufrecht erhalten und zugleich durch gesetzgeberische und administrative Maßregeln, namentlich ein neues Landankaufsgesetz von 1891, die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Insel gehoben wurden, brach im Herbst 1890 in der Partei der Homerulers eine Spaltung aus. Am 17. Nov. 1890 war Parnell in einem Ehebruchprozeß für schuldig erklärt worden, worauf Gladstone sich von ihm lossagte und die irische Parlamentspartei 7. Dez. auseinanderfiel. Die große Mehrheit der Partei (Antiparnelliten) setzte Parnell als Führer ab und erwählte Mac Carthy (s. d.) zu seinem Nachfolger; die Minderheit (Parnelliten) blieb dem »ungekrönten König von I.« treu, und die Spaltung dauerte auch nach dem Tode Parnells (6. Okt. 1891) fort. An seiner Stelle übernahm John Redmond (s. d.) die Führung der Parnelliten. Beide Flügel der irischen Partei befehdeten einander heftig, aber in ihrer Opposition gegen das Ministerium waren sie einig, und mit den Gladstonianern bekämpften sie inner- und außerhalb des Parlaments die Regierung. Diese brachte 1892 zwei neue Gesetze zur Besserung der irischen Verhältnisse ein, von denen das eine die Lokalverwaltung in I. umgestalten, das andre obligatorischen und unentgeltlichen Volksschulunterricht einführen sollte. Nur das letztere ging durch; das erstere, von den Liberalen und Iren heftig bekämpft, wurde zurückgezogen, da das Parlament schon 28. Juni geschlossen ward, um bald darauf aufgelöst zu werden. Bei den Neuwahlen siegten die verbündeten Gladstonianer und Iren; 12. Aug. 1892 trat Salisbury zurück und Gladstone trat wieder an die Spitze des Ministeriums. Dieses brachte 13. Febr. 1893 eine neue Homerulebill ein, in der abermals die Errichtung eines irischen Parlaments und eines dem Vizekönig zur Seite stehenden Kabinetts (Exekutivkomitee des Geheimen Rates von I.) vorgeschlagen wurde. Die Bill wurde 1. Sept. vom Unterhaus in dritter Lesung angenommen, vom Oberhaus jedoch 9. Sept. abgelehnt. Ebenso wurde in der Session von 1894 ein Gesetz zugunsten der exmittierten irischen Pächter im Oberhaus 13. Aug. verworfen. Auch 1895 kam eine von einer besondern, schon 16. April 1894 eingesetzten Kommission vorbereitete neue Landakte nicht zustande, da das liberale Kabinett, das nach Gladstones Rücktritt Lord Rosebery leitete, schon im Juni zurücktrat. Erst 1896 brachte die konservative Regierung Lord Salisburys, die in I. die Ordnung kräftig aufrecht erhielt, ein neues Landgesetz durch, das weitere Erleichterungen für die Umwandlung von Pachtungen in Grundeigentum einführte und verhüten sollte, daß die von den Pächtern vorgenommenen Meliorationen zu einer Erhöhung des Pachtzinses benutzt würden. Zwei Jahre später wurde sodann das in England und Schottland neuerdings eingeführte System der lokalen Selbstverwaltung auch auf I. ausgedehnt; Grafschafts- und Distriktsräte, aus allgemeinen Wahlen hervorgehend und mit weitgehenden Befugnissen ausgestattet, wurden geschaffen, zu denen nur den Geistlichen aller Konfessionen mit Rücksicht auf die besondern Verhältnisse Irlands die Wählbarkeit versagt wurde. Die ersten Wahlen für diese Räte fanden im April 1899 statt; vier Fünftel aller Sitze fielen den Nationalisten (Homerulers) zu, so daß die irische Lokalverwaltung völlig unter deren Einfluß geriet. Während des Burenkrieges schlugen sich die irischen Regimenter tapfer, wofür die Königin durch einen Besuch in I., den ersten seit 39 Jahren, im April 1900 ihren Dank abstattete; aber die gewählten Vertreter der Iren nahmen im Parlament sowie in den neugeschaffenen Räten ebenso wie die irische Presse bei jeder sich darbietenden Gelegenheit eifrig für die Buren Partei und fuhren fort, die Regierung aufs heftigste zu bekämpfen. Ihrer Opposition gab die am 30. Jan. 1900 erfolgte Wiedervereinigung der beiden, seit 10 Jahren getrennten Flügel der Homerulepartei, deren Führung Redmond übernahm, neuen Nachdruck; bei den allgemeinen Wahlen im Herbst behauptete die Partei die 82 Sitze im Unterhause, die sie vor der Auflösung gehabt hatte. Inzwischen hatte sich durch die Wirksamkeit der 1898 hauptsächlich von W. O'Brien begründeten United Irish League auch die agrarische Agitation in I. wieder gesteigert und mancherlei Ausschreitungen hervorgerufen; aus der Wiedervereinigung der Partei schöpfte sie neuen Mut, und ihre Mitglieder begannen 1901 und 1902 eine so aufreizende Sprache zu führen, daß 1902 in zahlreichen Grafschaften Irlands die Ausnahmegesetze wieder in Kraft gesetzt und viele Mitglieder der Liga, darunter auch mehrere Parlamentsmitglieder, zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Im Unterhaus führten die Iren 1902 wiederholt überaus heftige Auftritte herbei, und ein Teil der durch die in diesem Jahre beschlossene neue Geschäftsordnung eingeführten Maßregeln war direkt gegen sie gerichtet. Erst gegen das Ende des Jahres trat eine merkliche Beruhigung der Stimmung in I. ein, so daß 26. Febr. 1903 die summarische Rechtsprechung auf Grund der Zwangsgesetze von 1887 aufgehoben werden konnte. Das den Wünschen der Iren sehr weit entgegenkommende Landgesetz von 1903 (s. Großbritannien, S. 417) führte zu einer noch engern Annäherung der Homerule- oder, wie sie jetzt zumeist genannt wird, nationalistischen Partei an die Regierung, so daß die Aufnahme, die König Eduard VII. bei seinem Besuch in I. im Juli 1903 fand, nur wenig zu wünschen übrigließ.
[Geschichtsliteratur.] Vgl. »Rerum hibernicarum scriptores veteres«, mit lateinischer Übersetzung der irischen Texte von O'Connor (Lond. 1814–26, 4 Bde.); Leland, The history of Ireland from the invasion of Henry IV (das. 1773, 3 Bde.); Gordon, History of Ireland from the earliest account to the accomplishment of the union with Great Britain (das. 1806, 2 Bde.); die Darstellungen der irländischen Geschichte von Lindau (fortgesetzt von Brandes, Leipz. 1829–46, 2 Bde.), O'Grady (Lond. 1881, 2 Bde.), Walpole (das. 1882); Joyce, A short history of Ireland to 1608 (das. 1893); Richey, A short history of the Irish people (Dublin 1887); Prayon van Zuylen, Korte staatkundige geschiedenis van het ierische volk (Gent 1902). Von Spezialwerken: O'Curry, On the manners and customs of the ancient Irish (Lond. 1873, 3 Bde.); Joyce, Origin and history of Irish names of places (5. Aufl., Dublin 1883, 2 Bde.) und Social history of ancient Ireland (Lond. 1903, 2 Bde.); D'Alion, Ireland from the earliest times to 1547 (das. 1904); Hassencamp, Geschichte Irlands von der Reformation bis zu seiner Union mit England (Leipz. 1886); Bagwell, Ireland under the Tudors (Lond. 1885–1890, 3 Bde.); Gilbert, History of the viceroys of Ireland (Dublin 1865); I. Mitchell, History of Ireland from the treaty of Limerick to the present time (neue Ausg., das. 1869, 2 Bde.); Lecky, The leaders of the public opinion in Ireland (neue Ausg. 1903) und Ireland in the eighteenth century (neue Ausg. 1892, 5 Bde.); Fisher, The history of land-holding in Ireland (1877); Montgomery, History of land-tenure in Ireland (Cambridge 1889); Thebaud, The Irish race in the past and the present (Philad. 1873); Froude, The English in Ireland in the XVIII. century (3. Aufl., Lond. 1895, 3 Bde.); Killen, Ecclesiastical history of Ireland (das. 1875, 2 Bde.); Stokes, Ireland and the Celtic Church (3. Aufl., Dublin 1892); Bellesheim, Geschichte der katholischen Kirche in I. (Mainz 1890–1891, 3 Bde.); Olden, The Church of Ireland (Lond. 1892); Maine, Early history of Irish institutions (das. 1875); O'Connor Morris, Ireland 1798–1898 (das. 1898); Ingram, Critical examination of Irish history (das. 1900, 2 Bde.); Falkiner, Illustrations of Irish history (das. 1904).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.