- Privatschulen
Privatschulen (Privatinstitute), zum Unterschied von öffentlichen (Staats- und Gemeinde-) solche Schulen, die von einzelnen Personen, Vereinen etc. unterhalten werden. In den meisten modernen Verfassungen sind sie völlig freigegeben. Artikel 17 der belgischen Verfassung z. B. sagt: »Der Unterricht ist frei. Jede Präventivmaßregel ist untersagt. Die Unterdrückung von Vergehen wird nur durch Gesetz geordnet.« Dagegen das Preußische Landrecht (Teil II, Titel 12, § 1): »Dergleichen Anstalten sollen nur mit Vorwissen und Genehmigung des Staates errichtet werden.« Durch das Gewerbepolizeigesetz vom 7. Sept. 1811 zugunsten freierer Bewegung aufgehoben, wurde diese Vorschrift durch Kabinettsorder vom 10. Juni 1834 wieder hergestellt und durch Instruktion des Staatsministeriums vom 31. Dez. 1839 näher ausgeführt. Die preußische Verfassung vom 31. Jan. 1850 stellt (Art. 22) jedem frei, Unterricht zu erteilen und Unterrichtsanstalten zu gründen, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung den zuständigen Staatsbehörden nachgewiesen hat. Indes entbehrt dies nach Artikel 112 so lange gesetzlicher Kraft, wie das in Artikel 26 verheißene Unterrichtsgesetz noch aussteht. Das Aufsichtsrecht des Staates auch über P. wahrt ausdrücklich das Schulaufsichtsgesetz vom 11. März 1872. – Im Königreich Sachsen ist nach § 15 des Schulgesetzes vom 22. Aug. 1876 zwar ebenfalls vorgängige Genehmigung erforderlich, und diese kann nur widerruflich, kirchlichen Orden und Gemeinschaften sogar nur durch Gesetz erteilt, soll aber einzelnen Personen nicht versagt werden, wenn gegen deren Würdig- und Fähigkeit sowie gegen Plan und Art der Anstalt kein gegründetes Bedenken obwaltet. Mehr oder weniger ähnlich ist die Sache in den übrigen deutschen Bundesstaaten und in Österreich geordnet. – Der Besuch von P. entbindet vom gesetzlichen Schulzwang, wenn deren Lehrplan und Leistungen denen der öffentlichen Volksschule entspricht. Es ist Recht und Pflicht der staatlichen Schulaufsicht, festzustellen, ob dies im einzelnen Falle zutrifft. Einzelnen bewährten P. werden in Deutschland (der Natur der Sache nach stets widerruflich) staatliche Berechtigungen für ihre mit Reifezeugnis abgehenden, im Beisein eines staatlichen Kommissars geprüften Schüler eingeräumt. Das Recht, die sogen. wissenschaftliche Befähigung für den einjährig-freiwilligen Heerdienst zu bezeugen, wird vom Reichskanzler auf Gutachten der Reichsschulkommission (s. d.) verliehen. Dieses Recht besitzen gegenwärtig (1906) in Deutschland 54 P., von denen Preußen 20, Bayern, Königreich Sachsen und Hamburg je 6, Braunschweig 4, Württemberg und Sachsen-Weimar je 2, Baden, Hessen, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck und Lübeck je 1 angehören. – Im ganzen ist gegenüber dem Aufschwung des öffentlichen Schulwesens und der Anspannung der staatlichen Aussicht während des letzten Menschenalters das deutsche Privatschulwesen, nicht zum Vorteile des Ganzen, in dem neben dem stabilern Staatsschulwesen ein freier bewegliches Element nur erwünscht sein kann, an Umfang zurückgegangen. Oft sind P. mit Alumnaten verbunden, besonders wenn sie auf dem Lande liegen, wie aus älterer Zeit in Deutschland Schnepfenthal, Keilhau, Friedrichsdorf bei Homburg u. a., aus neuerer die an englische Muster angelehnten Landerziehungsheime (s. d.) u. a. Man nennt solche Anstalten meist Privatinstitute. – 1882 trat in Leipzig der Allgemeine Deutsche Privatschullehrerverein zusammen (1906: 300 Mitglieder).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.