Mohammed [1]

Mohammed [1]

Mohammed (Muhammed, Mahomet, arab., »der Preisenswerte«), Abul Kâsim ihn Abdallah, der Stifter der nach ihm benannten Religion und des Kalifats, ward um 570 in Mekka aus dem koreischitischen Geschlecht Hâschim geboren (s. Hâschim und Koreisch) und starb 8. Juni 632 in Medina. Seine Eltern, Abdallah und Âmina, waren arm. Von seinen Jugendschicksalen weiß die Geschichte nur sehr wenig, um so mehr aber die Legende zu erzählen. Im 25. Jahre heiratete M., der bis dahin in niederer Stellung sein Brot verdient hatte, die reiche Kaufmannswitwe Chadîdscha, in deren Dienst er vorher gestanden. Das war sein Glück; sie verhalf ihm zu einer unabhängigen sozialen Stellung und war zugleich seine erste Gläubige. Mehrere Kinder entsprangen der Ehe, von denen aber nur Fâtima (s. d.), später Alis Frau, den Vater überlebte. Leider fehlen genauere verbürgte Nachrichten über die Veränderung, die in M. etwa in seinem 40. Lebensjahr vorging und ihn um 610–612 zum Religionsstifter machte. Veranlassung, über die Nichtigkeit des beinahe in Fetischismus zurückgesunkenen Götzendienstes seiner Landsleute nachzudenken, hatte er genug, da bereits einige Mekkaner sich vom Götzendienst losgesagt hatten, ferner häufig arabische Juden durch Handelsinteressen nach Mekka geführt wurden und auch einige Christen hier wohnten. Eine genaue Kenntnis vom Juden- und Christentum hat sich M. zwar nie angeeignet, doch wußte er, daß die Gläubigen dort den Messias, hier den Parakleten erwarteten, auch hatte er sich, häufig nicht ohne Mißverständnisse, allerlei christliche und jüdische Lehrsätze, Geschichten und Legenden erzählen lassen, die seine eignen religiösen Vorstellungen stark beeinflußten. Der bisherige Kaufmann zog sich brütend in die Einsamkeit zurück, Visionen und Träume kamen dazu, und bald erschienen ihm die ihm zuströmenden Ideen als absolute Offenbarungen Gottes. M. war von Kindheit an krankhaft beanlagt; er litt namentlich an nervösen, wie es scheint epileptischen, Anfällen, aber auch diese, vom gewöhnlichen Aberglauben auf dämonische Besessenheit zurückgeführt, wurden ihm nach Überwindung quälendster Zweifel ein Zeichen, daß himmlische Mächte von ihm Besitz ergriffen hätten. Sein Prophetentum scheint von zwei himmlischen Erscheinungen zu datieren, an deren Realität zu glauben ihn seine Frau bestärkte. Außer dieser hielten von Anfang an zu ihm noch seine Töchter, sein Vetter Ali (s. d. 1), sein Sklave und späterer Adoptivsohn Seid und sein Freund Abu Bekr (s. d.). Bald fielen ihm auch bereitwillig Leute der untersten Klassen zu. Dagegen brachten Mohammeds Angriffe auf den Götzendienst und die Besorgnis, daß darunter der Besuch des Heiligtums zu Mekka sowie die mit diesem verknüpften wichtigen Handelsinteressen der Stadt leiden möchten, die vornehmern Mekkaner mehr und mehr gegen den neuen Propheten auf. Nach zehn Jahren, in denen er und seine Anhänger unter Verfolgungen schwer zu leiden hatten, gelang es ihm, einige Pilger aus Jathrib zu gewinnen, die seine Lehre in ihrer Heimat bekannt machten; und ein Jahr später schlossen 73 Gläubige aus Jathrib einen Treubund mit M., infolgedessen zuerst seine Anhänger. schließlich auch M. und Abu Bekr Mekka verließen. Dies die später auf 16. Juli 622 angesetzte Hedschra oder Flucht (genauer: Auswanderung), mit der die Muslims ihre Ära beginnen. Jathrib erhielt in der Folge den Namen el Medîna, »die Stadt, nämlich die Regierungsstadt, des Propheten«. Hier stand M. nun an der Spitze einer kriegerischen Gemeinde und gebot, wenn auch nicht formell, so doch faktisch als göttlicher Prophet unbedingt über die kleine Schar seiner ausgewanderten Landsleute (Muhâdschirin) und die meisten Medinenser, die sogen. »Hilfsgenossen« (Anßâr). Hier baute er auch eine Moschee, die das zweite Heiligtum des Islams ward (das erste ist die »heilige Moschee« in Mekka, das dritte die »entfernteste Moschee« in Jerusalem). Um die zahlreichen Juden, genauer judaisierten Araber, Medinas für sich zu gewinnen, näherte er sich denselben vielfach, wurde aber später, als sie ihm dauernd den Glauben verweigerten, ihr entschiedener und erbitterter Feind. Bald nach seiner Ankunft in Medina verheiratete er sich, schon 50 Jahre alt, mit Abu Bekrs zehnjähriger Tochter Aïscha (s. d.), und fortan mehrte sich die Zahl seiner Frauen alljährlich, wie sich sein Charakter auch sonst fortan in weniger günstigem Lichte zeigt. Vor allem war M. jetzt darauf bedacht, die Kaaba, deren Heiligkeit er, um seine Religion zu nationalisieren, später anerkannte, in seine Gewalt zu bekommen. Dazu war die Bezwingung der Mekkaner erforderlich. Er sing damit an, ihren Karawanen aufzulauern und so die Wege nach Syrien und dem Innern Arabiens unsicher zu machen. Auf einem dieser Beutezüge, 624, kam es zu dem blutigen Kampfe bei Bedr, wo die Mekkaner trotz ihrer numerischen Überlegenheit unterlagen; nach dem Glauben der Muslims wurde durch direktes göttliches Eingreifen, in Wirklichkeit aber durch die feste Disziplin der Gläubigen der Sieg gewonnen. Im Frühjahr 625 rückten die Mekkaner, 3000 Mann stark, d.h. dreimal so stark als ihre Gegner, gegen Medina heran. Trotzdem war auch in dem neuen, am Berge Ohod bei Medina entbrennenden Kampfe ihre Niederlage fast entschieden. als infolge der Beutegier einiger Muslims das Geschick des Tages sich wandte und die Gläubigen die Schlacht verloren. M. selbst war unter den Verwundeten. 627 wurde Medina sogar von den Mekkanern belagert, doch ward die Gefahr teils durch einen um die Stadt gezogenen Graben, teils durch geschickte, den Feind teilende Unterhandlungen abgewendet. Ein Zug Mohammeds gegen die mit den Mekkanern in halbem Einverständnis befindlichen Juden Kuraiza nahe bei Medina endete mit der Hinrichtung von 700 derselben. Dies war die blutigste von vielen Taten der Rachsucht und der Gewalt, die der Prophet sich mit der Zeit erlaubte. Im Äußerlichen hielt er es jedoch wie früher, er wohnte, aß und kleidete sich wie jeder gewöhnliche Araber. 628 wagte er mit einer großen Schar nach Mekka zu wallfahrten. Dv: Koreischiten wehrten ihm zwar für diesmal den Eintritt in das heilige Gebiet, doch kam auf Grund gewisser Bedingungen, die nur zu bald wieder verletzt wurden, ein zehnjähriger Waffenstillstand und 629 die erste Pilgerfahrt Mohammeds nach Mekka zustande. Wie weit sich Mohammeds politische Pläne schon damals erstreckten, ersieht man daraus, daß erum diese Zeit an die mächtigsten auswärtigen Fürsten, selbst an den Kaiser in Konstantinopel, die Aufforderung ergehen ließ, den Islam anzunehmen und sich ihm zu unterwerfen. 630, beim Wiederausbruch des Kampfes, konnte der Prophet, dem sich inzwischen verschiedene große Stämme angeschlossen hatten, bereits 10,000 Mann gegen Mekka aufbieten. Hierdurch eingeschüchtert, übergaben die Mekkaner ihre Stadt, und M. ließ sämtliche Götzenbilder in der Kaaba zertrümmern. Ein siegreicher Feldzug gegen die mächtigen Hawâsinstämme im Südosten Mekkas schloß sich unmittelbar an, und damit war der Sieg Mohammeds in Arabien entschieden. Die Haupttätigkeit des Propheten im nächsten Jahre war, die von allen Teilen der Halbinsel nach Medina zusammenströmenden Gesandten der verschiedenen Stämme zu empfangen, die ihm ihre Huldigung darbrachten. Im März 632 unternahm er eine große Pilgerfahrt nach Mekka, an der zum erstenmal kein Heide teilnehmen durfte, und deren Zeremonien vorbildlich geworden sind für immer. Das letzte Unternehmen, das ihn beschäftigte, war ein großer Kriegszug gegen die Byzantiner, dessen Ausgang er aber nicht mehr erleben sollte. Seit Ende Mai von heftigen Fieberschauern heimgesucht, starb er 8. Juni 632 mittags. Er ward in der Hütte der Aïscha begraben, an der Stelle, wo er gestorben war. (Sein Grab befindet sich jetzt innerhalb der erweiterten Moschee.) M. war in seinen staatsmännischen Plänen bedeutender als in seinen religiösen Neuerungen. Ausschließlich religiöse Zweifel bestimmten, wie es scheint, seine ersten reformatorischen Schritte, aber mehr und mehr benutzte er die Religion nur noch als Mittel zu seinen politischen Zwecken, deren Tendenz die Gründung eines einheitlichen arabischen Reiches war. Die einzelnen positiven Verordnungen, die er erließ, stellen fast ausnahmslos gegenüber den zuvor in Arabien herrschenden Zuständen einen bedeutenden Fortschritt dar; verhängnisvoll ist nur, daß der Islam, wie er nach Mohammeds Tode fixiert wurde, keiner Fortentwickelung fähig ist. Das Charakterbild des Propheten ist bei allen Flecken, die es entstellen, fesselnd und bedeutend. Vgl. Muir, The life of Mahomet (Lond. 1858–61, 4 Bde.; 3. Ausg. in 1 Bd. 1894) und Mahomet and Islam (neue Ausg. 1887); Sprenger, Das Leben und die Lehre des M. (Berl. 1861–1865, 3 Bde.); Nöldeke, Das Leben Muhammeds (Hannov. 1863); Krehl, Das Leben des Muhammed (Leipz. 1884); A. Müller, Der Islam, Bd. 1 (Berl. 1885); Wellhausen, Skizzen und Vorarbeiten, Heft 4 (das. 1889); Grimme, Mohammed (Münst. 1892–95, 2 Bde.) und in der »Weltgeschichte in Karakterbildern« (Münch. 1904); Buhl, Muhammeds liv (Kopenh. 1903); Margoliouth, M., the rise of Islam (Lond. 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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