Armenĭen

Armenĭen

Armenĭen, Land in Vorderasien (s. Karte »Kaukasien«), das bis ins Mittelalter zeitweise unter eignen Königen stand, dann seine politische Selbständigkeit verlor und gegenwärtig unter Rußland, die Türkei und Persien geteilt ist. Es umfaßt das Gebiet zwischen Kleinasien im W., der Tiefebene des Aras und Kur im O., dem Kaukasus im N. und den Gebirgen südlich des Murad im S. und bildet in diesem Umfang ein in sich geschlossenes Naturganzes: eine mächtige, die umgebenden Länder überragende Hochlands masse mit seit alters einheitlicher Bevölkerung. Das Innere nehmen 800–2000 m ü. M. gelegene, weidereiche Hochebenen ein, auf denen sich isolierte, bis über 5000 m hohe Kegelberge, meist alte Krater, und lange Gebirgsketten erheben. Unter letztern ist die vom Ararat bis zum Zusammenfluß der beiden Quellflüsse des Euphrat sich erstreckende vielnamige Kette die bedeutendste; sie teilt das Land in eine südliche und eine nördliche Hälfte. In der südlichen liegt die Talebene des Murad Su oder östlichen Euphrat, bei Musch etwa 1400 m hoch; in der nördlichen sind die Hochebenen von Bajezid, Erzerum (1860 m), Kars, Achalzych und Eriwan (985 m). Der Hochebene von Eriwan sind ausgesetzt: der Große Ararat (5156 m), der Kleine Ararat (4030 m) und der Alagöz (4180 m). Die Ränder des Hochlandes fallen gegen N. und S. jäh in tiefer liegende Landschaften ab, während der Übergang im W. zum kleinasiatischen, im O. zum iranischen Hochland unmerklich ist. Zwischen dem Nordabfall und dem vom armenischen Taurus gebildeten Südrande steigen mehrere Berggruppen zu mehr als 3000 man, z. B. Bingöl Dagh (3925 m), Palandöken (3150 m), Sipan Dagh (3800 m), Ala Dagh (3520 m). Südlich vom Taurus folgt eine breite Längenstufe, in welcher der Tigris in der Tal ebene von Diarbekr nach O., weiter westlich auch der Euphrat auf eine Strecke nach W. fließt. Im S. wird diese breite Längenstufe von dem von O. nach W. ziehenden, über 1000 m hohen Tür Abdîn (Mons Masius) begrenzt und von der ersten Stufe Mesopotamiens getrennt. Am West- und Ostrande steigt man allmählich über mehrere Stufen in kurzen Engpässen auf die Hochebenen Armeniens hinaus.

Die Bergketten Armeniens ähneln im Bau dem Kaukasus (s. Kaukasien [Geolog.]) und besitzen im O. dasselbe Streich m, das jedoch im W. mehr nach NO. gerichtet ist. Sie bestehen wie der Kaukasus aus einem altkristallinischen Kern (Gneis, kristallinische Schiefer, Granit) und ausgedehnten Ablagerungen jüngerer Sedimente, namen'lich von Kreide und Tertiär. Weite Ausdehnung besitzen jungvulkanische Gesteine (Andesit, Trachyt, Basalt), die nach der Erhebung der armenischen Alpenketten von einer großen Zahl jetzt erloschener (Ararat, Bingöl, Alagöz) oder im Solfatarenzustand befindlicher (Tanturek) Vulkane geliefert worden sind. Thermen und Erdbeben mit dem Ararat als Zentrum erinnern an die vulkanische Tätigkeit des Gebiets. A. ist reich an Mineralschätzen. Berühmt sind die Bergwerke zu Gümüschchane und Kure Baiburt, die Silber, Blei, Eisen, Arsenik, Kupfer, Alaun und tertiäres Steinsalz liefern. – Armeniens Flüsse gehören mit wenigen Ausnahmen zu den hier entspringenden Stromsystemen des Euphrat-Tigris, Araxes und Kur. In den Pontus mündet der Tscharuch. An größern Seen enthält A. den Wansee auf türkischem, den Göktscha auf russischem und den Urmiasee auf persischem Gebiet.

[Klima, Pflanzen- und Tierwelt.] A. zerfällt in die drei Klimaregionen des Regens mit subtropischem Klima, des veränderlichen Niederschlags und des ewigen Schnees. Die erste begreift nur das Kurtal von Tiflis bis zum Kaspischen Meer und die Tallandschaft des obern Tigris, die zweite die Hochebenen, Randgebirge und Plateaus bis zu 4000 m und bietet viele Abstufungen dar. Die Hochebenen haben sehr rauhes Klima, lange, strenge Winter und kurze Sommer mit sehr heißen Tagen, aber kalten Nächten. Ein charakteristischer Zug des armenischen Klimas besteht in den scharfen Gegensätzen feuchter Luftschichten von verschiedenen Temperaturen und in deren häufiger Ausgleichung durch heftige Entladungen (Schneeschauer im Winter, Regen- und Hagelschauer im Sommer). Die Region des ewigen Schnees begreift die höchsten Teile des Berglandes; am Ararat bei 4000 m beginnend, reicht sie im Innern noch über 800 m tiefer herab. Mittlere Jahrestemperaturen und mittlere Jahresextreme (eingeklammert): Trapezunt 15,5° (30° und -3°), Tiflis 13° (38° und -12°), Alexandropol 5°, Eriwan 11°, Ararat (Gipfel) unter 0°. Regenmengen (Jahr): Tiflis 49, Alexandropol 38, Aralich 14 cm (Maximum Mai, Minimum Januar-Februar); Niederschlagstage 80–120.

Ein zusammenhängender Waldbestand gehört nur den äußern Randgebirgen an. Bis 1500 m erhebt sich ein Gürtel immergrüner Gesträucher, Eichen (Quercus pubescens), Hainbuchen (Carpinus orientalis), Hasel (Corylus), dazu an sonnigen Stellen echter Lorbeer. Hier wachsen auch pontische Alpenrose, Azalee und Kirschlorbeer. Bis 2000 m treten Laubwaldungen aus Eichen, Buchen, Ahorn, Linden und Erlen auf, gemischt mit der orientalischen Fichte (Pinus orientalis), Kastanien, Obstbäumen und Pappeln. Mitunter geht der Laubwald unmittelbar in die Region subalpiner Sträucher und Kräuter über. Bemerkenswert sind die das Insektenpulver liefernden Pyrethrum-Arten. Die Baumgrenze schwankt zwischen 2300 und 2800 m. Über 2000 m beginnt die Region der Alpenrosen (Rhododendron caucasicum). Die reiche Bewässerung und die kontinentale Plateauwärme lassen die Kulturgewächse rasch reisen. Der Weizenbau reicht bis 1800 m, der Gerstenbau bis 2200 m, die Hochebene von Erzerum gewährt ergiebige Weizenernten. Am Urmiasee werden Baumwolle, Sesam und sogar Reis gebaut, die Feige gedeiht an geschützten Orten, der Weinbau wird am Wansee bis 1800 m betrieben. Überall aber, wo die Schneeberge oder die durch sie gespeisten Flüsse fehlen, herrschen Unfruchtbarkeit und Verödung. – Die Tierwelt zählt zur europäischen Subregion der paläarktischen Region. Von Vierfüßern finden sich noch zahlreiche Bären, Luchse, ferner Lemminge, Murmeltiere; Füchse, Dachse und Wölfe werden immer mehr ausgerottet. Unter den Vögeln sind an den Seen besonders Wasservögel reich vertreten. Unter den Schnecken finden sich eigentümliche Arten. Die niedere Fauna der armenischen Alpenseen schließt sich in ihrer Zusammensetzung der der Schweizer Alpenseen an.

[Bevölkerung.] Die Armenier haben extrem hohe Kurzschädel, dicke, große Nasen, dunkle Haare und Augen; sie sind intelligent und besitzen aus der Zeit vom 4.–12. nachchristl Jahrh. eine reiche Literratur, namentlich in Geschichte und Theologie. Ebenso haben sie die christliche Religion, die bereits im 2. Jahrh. zu ihnen kam, in eigentümlicher Weise aufgefaßt und entwickelt und sich in neuerer Zeit auch der evangelischen Lehre zugänglich gezeigt (s. Armenische Kirche) Sie sind arbeitsam, sparsam und enthaltsam, jedoch ränkesüchtig und von geringer Moral und besitzen großes Geschick zu kaufmännischen Geschäften, bei deren Ausübung ihnen jedes Mittel recht ist. Ihr Erwerbssinn, den sie in der Heimat nicht genügend betätigen können, führt sie oft in die Fremde, vor allem nach Konstantinopel, wo sie zahlreiche Beamtenstellen innehaben, dann auch in die umliegenden Länder bis nach Westeuropa und selbst Nordamerika. Aber trotz dieser Zerstreuung bilden sie überall geschlossene Gemeinwesen, die ihre nationale Eigentümlichkeit zu behaupten wissen. Man schätzt ihre Zahl in A. selbst auf höchstens 1 Mill. (in ganz Türkisch-Asien auf 1,144,000), in Persien und den Ländern östlich davon auf 43,000, in der Europäischen Türkei auf 400,000, in Rußland auf 1/2 Mill., in Afrika auf 5000, in Siebenbürgen, Ungarn und Galizien auf 16,000, im übrigen Europa auf 1000 Die Gesamtzahl dürfte 2 Mill. wenig übersteigen. In der Heimat sind die Armenier meist Hirten und Ackerbauer geblieben. Ihre Kleidung gleicht der türkischen, nur daß sie statt des Turbans eine hohe Pelzmütze tragen. Die Frauen dürfen sich öffentlich nur verhüllt zeigen und stehen auf niedriger Stufe. Um die Hebung der geringen geistigen Bildung des Volkes haben sich evangelisch-amerikanische Missionare und französische Jesuiten verdient gemacht. Außer ihren Anstalten gibt es in A. nur wenige Schulen. Außer Armeniern wohnen im Lande als Eingewanderte die herrschenden Türken, Kurden, im SO. tatarische Stämme, Nestorianer, die einen syrischen Dialekt sprechen und zumeist die Gebirge an der Grenze von Persien bewohnen, Georgier und Lasen im N. sowie zer streut Griechen, Juden, Zigeuner. Die Wohnungen sind mit Rücksicht auf den langen, harten Winter angelegt und haben möglichst wenige Öffnungen. Die Dörfer bestehen aus Lehmhütten, häufiger aus unterirdischen Wohnungen. Unmittelbar neben dem Wohngemach befindet sich der Stall und unter der Dachluke ein 1 m tiefes Loch im Boden (Tandur), das als Ofen und zur Brotbereitung dient. Sehr bedeutend ist die Schafzucht. Der im ganzen unbedeutende Ackerbau erzeugt Weizen, Gerste, Spelz und Flachs, auf den Ebenen Reis, Baumwolle, Tabak, Sesam, hier und da Hirse. In den Ebenen wird auch Seidenraupen-, Bienen- und Obstbaumzucht fleißig betrieben, stellenweise ausgezeichneter Weinbau. Die wenig entwickelte Industrie erzeugt Teppiche, seidene und wollene Zeuge, Strümpfe, Pferdedecken, Schals, namentlich aber Tressen, wozu man die Gold- und Silberfäden meist aus Rußland erhält.

Im Altertum unterschied man das meist selbständige Großarmenien (Armenia major), die große Osthälfte des Landes, und das römische Kleinarmenien (Armenia minor), das den kleinern Gebietsteil westlich vom Euphrat umfaßte. Gegenwärtig ist A. unter die oben genannten Mächte geteilt.

Türkisch-A. umfaßt außer dem alten Kleinarmenien den westlichen Hauptteil von Großarmenien: die Wilajets Wan, Bitlis, Erzerum sowie Teile der Wilajets Diarbekr und Charput mit den Hauptstädten Erzerum, Wan, Bitlis, Musch. Russisch-A. (früher im Besitz der Perser) begreift den Nordosten des alten Großarmenien, die jetzigen Gouvernements Eriwan und Jelissawetpol, das Gebiet von Kars sowie Teile des Gouv. Tiflis mit den Städten Tiflis, Kars, Eriwan, Alexandropol, Jelissawetpol, Nachitschewan, Schuscha und den drei allberühmten Klöstern Etschmiadsin, Sitz des Patriarchen von A., Haghpad und Sanahme. Der persische Teil von A. umfaßt die südöstlichste Ecke des alten Großarmenien und gehört zur Provinz Aserbeidschân.

Geschichte.

Das Bergland nördlich von Mesopotamien bezeichneten die alten Babylonier als Gutium oder Kuti; es gibt eine Inschrift aus der Zeit Naram-Sins (um 3000 v. Chr.), worin ein »König der Kuti« über seine an den Sonnentempel zu Sippar gestiftete Weihung spricht. Später sind Hethiter in das Gebiet rund um den Wansee eingedrungen: die Assyrerkönige Salmanassar I. (um 1270) und Tiglath-Pilesar I. (um 1100), Assurnasirpal III. (um 880) und Salmanassar II. (857) kämpften wiederholt gegen die hethitischen Reiche Nairi und Kirchi, Mussassir, Man und namentlich gegen Urarthu, das sich unter seinen durch kürzlich aufgefundene Inschriften mehrfach bezeugten Königen Sarduri, Ispuinis, Argistis und Rusas mühsam des assyrischen Übergewichts zu erwehren suchte, bis es um 650 der Einwanderung indogermanischer Stämme (der Kimmerier, dann der Ashkuza, endlich der Meder) erlag. Im Norden behaupteten sich iberische, im Süden kurdische und syrische Reste. Aus der Durchsetzung der alten Bevölkerung des Berglandes mit den eingewanderten Indogermanen hat sich allmählich das armenische Volk entwickelt, das mit dem Untergange des medischen Reiches um 550 v. Chr. den Persern untertan wurde. Die Armenier nannten sich selbst Hayk (»Herren«), daher ihr Land persisch Hajastan hieß, während der Name A. von den Medern herrührte. In der Bibel wird A. Thogarma genannt. Die armenische Überlieferung verbindet diese drei Namen, indem sie als »Archegeten« des Volkes Hayk, Sohn des Thorgom. nennt und seinen Sohn Armenak ersten König des Landes Ararat sein läßt. Mit ganz Persien wurde auch A. von Alexander d. Gr. seinem Reich einverleibt (330 v. Chr.). Nach Alexanders Tode kam A. unter die Herrschaft der Seleukiden und blieb darunter bis auf Antiochos III. d. Gr. Als dieser 190 v. Chr. von den Römern geschlagen wurde, gründete 189 Artaxias (Artashēs) im Araxestale das selbständige »Großarmenien« mit Artaxata, Zariadres das ebenfalls von den Römern anerkannte »Kleinarmenien« mit Sophene am Tigris.

Großarmenien mußte 166 die Oberhoheit des Seleukiden Antiochos IV. Epiphanes anerkennen, fiel aber 150 dem parthischen Arsakiden Mithradates I. zu. Aber obwohl Mithrada; es II. (124–76 v. Chr.) den parthischen Einfluß auf A. festzuhalten suchte, übernahm unter Tigranes I. (94–56 v. Chr.), der Kappadokien und Mesopotamien, 83 auch Syrien eroberte, A. selbst, wenn auch nur auf kurze Zeit, die Führung der iranischen Stämme. Als Schwiegersohn Mithradates' VI. von Pontus in dessen Krieg mit den Römern verwickelt, wurde er 69 von Lucullus bei seiner Hauptstadt Tigranokerta und 66 von Pompejus besiegt. Sein Nachfolger Artavazd I. (Artabazos; 56–30) brachte 53 v. Chr., durch Orodes I. daran verhindert, dem Römer Crassus auf dessen Zug gegen die Parther keine Hilfe und ward 30 auf Antonius' Anstiften gefangen weggeführt. Seitdem blieb A. jahrhundertelang Gegenstand des Kampfes zwischen Römern und Parthern: nur vorübergehend ward der parthische Prinz Tiridates durch Nero mit A. belehnt (62 n. Chr.), und kam es durch Trajans Siege (114–116) unter römische Herrschaft; 242 aber ward es von Gordian III. dem Sasaniden Shapur I. abgetreten. 286 von Tiridates d. Gr. (Trdat) mit römischer Hilfe noch einmal befreit, wurde Großarmenien damals durch Gregor den Erleuchter (Grigor Lūsavorič; 294) dem Christentum gewonnen; 416 in eine römische und eine persische Hälfte zerteilt, ward der Osten 430 von Vararan V. als »Persamiena« zu einer Provinz des Sasanidenreichs gemacht, der nach und nach auch der kleinere westliche Teil angegliedert wurde. 636 ward Großarmenien von den Arabern überflutet, hatte unter deren Kämpfen gegen Byzanz schwer zu leiden und wurde teils von byzantinischen, teils von arabischen Statthaltern regiert. Unter der Dynastie der Bagratiden, die 859 mit dem »Fürsten der Fürsten« Ashot I. (»König« 885, gest. 890) in Abhängigkeit von den Kalifen zur Herrschaft gelangte, blühte das großarmenische Reich noch einmal auf, vermochte sich aber, bald von innern Kämpfen zerrissen, der Perser, Tataren und anderer Nachbarn nicht zu erwehren und fiel daher 1080 zum Teil in die Gewalt der Byzantiner, zum Teil in die der seldschukischen Türken. Nur einige einheimische Fürsten behaupteten ihre Unabhängigkeit, bis Mitte des 13. Jahrh. die Mongolen Hulagus, dann (1390) die Timurs verwüstend eindrangen. 1467 kam Großarmenien durch Uzun Hasan an die Turkmenen vom »Weißen Hammel« (bis 1473); 1507–1514 besaß es der schiitische Sefewide Ismail. Der Osmanensultan Selim I. aber eroberte 1514 A. und verleibte es, bis auf das östliche Irwan, das die Perser behielten, dem türkischen Reich ein. Den nördlichen Teil des seit 1623 wieder etwas erweiterten persischen Großarmenien mit Eriwan eroberten 1828 die Russen, die 1878 auch den Türken das Gebiet von Kars und Batum abnahmen.

Kleinarmenien, das Land zwischen dem Halys, dem Pontischen Gebirge, dem Euphrat und dem Essischen Meerbusen, dessen Hauptstadt anfangs Sophene, dann Melitene (Malatia) und Mopsuhestia (Missis), zuletzt Sis war, wurde von Mithradates mit dem pontischen Reich vereinigt und nach dessen Besiegung durch die Römer dem Dejotarus, Vierfürsten von Galatien, verliehen, bis es 70 n. Chr. durch Vespasianus zur römischen Provinz gemacht wurde. Bei der Teilung des römischen Reiches (395) kam es zum oströmischen Kaisertum, dem 428 auch der kleinere westliche Teil Großarmeniens zugeschlagen wurde; aber 633 wurden die Araber die Herren Kleinarmeniens. 752 von den Byzantinern wiedererobert, suchte es sich von der Fremdherrschaft frei zu machen. 1080 begründete der Bagratide Ruben (Rhupen) ein selbständiges Reich, das sich unter seinen Nachfolgern über Kilikien und Kappadokien erstreckte und in den Kreuzzügen eine Rolle spielte. Daneben gab es jedoch kleinere Herrschaften in A. Leo II. erbat sich von dem König von Jerusalem, Grafen Heinrich von Champagne, die Königswürde, ließ sie sich durch Kaiser Heinrich VI. und Papst Cölestin III. bestätigen und empfing aus den Händen des Mainzer Erzbischofs Konrad von Wittelsbach (1198) zu Tarsos die Krone. Zu Anfang des 13. Jahrh. kam das Land in Abhängigkeit von dem Seldschuken-Sultanat von Rum; dann aber wurde es durch Hulagu (1256) den Mongolen untertänig. Dazu. kamen später Streitigkeiten mit den Sultanen von Ägypten, die A. wiederholt verwüsteten, sowie innere Zerwürfnisse, besonders infolge der Einmischung der Päpste in die kirchlichen Angelegenheiten Armeniens. 1375 erlag es dem ägyptischen Sultan Schaabân II. Der letzte König, Leo VI., aus dem Hause der Lusignan von Cypern, mütterlicherseits von den Rhupeniden abstammend, fiel in ägyptische Gefangenschaft und starb nach seiner Freilassung in Paris 1393; Kleinarmenien wurde nun von ägyptischen Statthaltern zu Sis regiert. 1403 brachen die Turkmenen vom »Schwarzen Hammel« in A. ein; 1467 wurden sie vom »Weißen Hammel« abgelöst. Nach ihrem Sturz machten sich die persischen Sefewiden zu Herren von Kleinarmenien, wurden jedoch 1514 (Selim I.) durch die Türken verdrängt, unter deren Botmäßigkeit das Land zum großen Teil noch jetzt steht. Die oft in erbitterten Aufständen sich Luft machende Feindschaft der christlichen Armenier gegen die Mohammedaner in A. (Kurden etc.) bot Ende des 19. Jahrh. mehrmals Anlaß zur Erörterung der armenischen Frage; Ende 1901 gab es z. B. im russischen Transkaukasien 40,000 armenische Flüchtlinge.

[Entdeckungsgeschichte, Literatur.] Bis zur Besitznahme der Provinz Eriwan durch Rußland hatte man von A. nur lückenhafte Kunde. Die ersten flüchtigen Beschreibungen lieferten Hardin, Tournefort und Olearius im 18. Jahrh., Morier, Ker Porter, William Ouseley zu Anfang des 19. Jahrh. Erst als die Russen in A. Sicherheit der Straßen hergestellt hatten, setzte die ernstere Forschung ein. Parrot bereiste mit seinen Begleitern Behages und Federow A. 1829, bestieg die beiden Araralkegel und veröffentlichte das erste wissenschaftliche Werk (»Reise zum Ararat«, Berl. 1834, 2 Bde.). Später durchzog der Archäolog und Naturforscher Dubois de Montperreux dieselben Gegenden. Ihm folgten Karl KochWanderungen im Orient«, Bd. 2 u. 3, Weim. 1846–47), Szowitsch, Carteron, Woskobrinikow, Kolenati, Brosset (»Voyage archeologique«, Par. 1849–51), J. G. Taylor und Strecker (s. d., »Zur Geographie von Hocharmenien«, 1869). M. Wagner (»Reise nach dem Ararat und dem Hochland A.«, Stuttg. 1848) besuchte zuerst die durch kurdische Räuberstämme äußerst unsichere Südseite des Ararat. Sehr bedeutungsvoll sind die geologischen Arbeiten Abichs, der seit 1844 den Alagöz und die vulkanischen Gruppen an der Südseite des Göklschasees bereiste (»Geologie des armenischen Hochlandes«, Wien 1882, 1. Hälfte). Um die naturwissenschaftliche Durchforschung hat sich Gustav Radde, dessen Sammlungen das Kaukasische Museum in Tiflis birgt, die größten Verdienste erworben. Ein nicht geringer Teil von Türkisch-A. ist anläßlich des letzten Krieges durch die Russen aufgenommen worden. Sehr reiche Ergebnisse, namentlich an wertvollen Inschriften und topographischen Aufnahmen, lieferte die 1898/99 von W. Belck und K. F. Lehmann ausgeführte Reise.

Vgl. außer den angeführten Reisewerken: Saint-Martin, Mémoires historiques et géographiques für l'Arménie (Par. 1818, 2 Bde.); Curzon, Armenia; a residence at Erzeroum (Lond. 1854); Issaverdens, Armenia and the Armenians (Vened. 1874–75, 2 Bde.); Creagh, Armenians, Koords and Turks (Lond. 1880, 2 Bde.); Tozer, Turkish Armenia and E. istern Asia Minor (das. 1881); Frédé, Voyageen Armenie et en Perse (Par. 1885); Chantre, A travers l'Arménie russe (das. 1893); Warkworth, Notes from a diary in Asiatic Turkey (Lond. 1898); Lynch, Armenia, travels and studies (das. 1901, 2 Bde.). – Die Geschichte Armeniens ist mehr sach von armenischen Schriftstellern des 5.–7. Jahrh. bearbeitet worden (näheres s. Armenische Literatur). Vgl. ferner Lukas Indschidschean, Altarmenien (1822); Derselbe, Archäologie von A. (Vened. 1836, 3 Bde.); Kiepert, Über die älteste Landes- u. Volks geschichte von A. (Monatsberichte der Berliner Akademie, Berl. 1869); Abasa, Geschichte Armeniens (russ., Petersb. 1888); »Historical sketch of Armenia and the Armenians, by an old Indian« (Lond. 1896); Gregor, History of Armenia from early ages to present times (das. 1897); Seth, History of the Armenians in India (das. 1897); Winckler und Schurtz im 3. Bande von Helmolts »Weltgeschichte« (Leipz. 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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