- Parthĭen
Parthĭen (Parthia, Parthyaea), bei den Alten das von den Parthern ursprünglich bewohnte Land, das, im W. von Medien, im N. von Hyrkanien, im O. von Aria und Margiana, im S. von der Karamanischen Wüste begrenzt, Teile der heutigen Landschaften Chorasan und Kohistan umschloß. Das Land ist gebirgig, steinig, wasserarm und nur zu Weiden geeignet; die Flüsse versiegen meist im Sand: alles Eigenschaften, die nach S. hin zunehmen. Es ist ein Übergangsland, und zwar das einzige für größere Massen gangbare zwischen dem Osten und Westen Irans. Das wichtigste Erzeugnis des Landes waren Pferde, wie denn auch die Bewohner als tüchtige Reiter in Ruf standen. Hauptstadt war Hekatompylos im N. (jetzt Schahrud). S. Karte »Reich Alexanders d. Gr.« (in Bd. 1).
Die Parther (altpers. Parthava, »die Leute vom Rand«, d.h. vom Bergsaum) waren ein tapferes Nomadenvolk iranischer Herkunft und zoroastrischer Religion. Parthava wird bereits unter Dareios I. als Provinz Persiens genannt. Als dieses Reich durch Alexander d. Gr. vernichtet war und die Kämpfe der Diadochen die Bildung neuer Reiche zur Folge hatten, kamen die Parther unter die Herrschaft der Seleukiden, fielen aber, als unter Antiochos Theos die Auflösung des syrischen Reiches begann, von diesen ab und gründeten unter Arsakes I., der zu dem den Parthern verwandten Stamme der Aparnen gehört haben soll, 250 v. Chr. ein selbständiges Reich mit der Hauptstadt Hekatompylos. Arsakes soll sein Reich durch Eroberungen bis zum Indus im O. und bis an das Kaspische Meer im W. erweitert haben. Er fiel in einer Schlacht, vielleicht gegen die Baktrer, und wurde später als göttlicher Ahnherr verehrt. Sein Nachfolger war 248–214 sein Bruder Arsakes II. Tiridates, der 237 Hyrkanien erwarb, sich mit Erfolg der Angriffe seitens der syrischen Könige erwehrte, den Titel »Großkönig« annahm, die parthische Ära einführte (beginnt 14. April 247) und sein Haus an das der Achämeniden anknüpfte. Sein Sohn Arsakes III. Artabanos I. (214–196) behauptete nach Räumung des von ihm eroberten Medien gegen Antiochos III. von Syrien zuletzt durch Vertrag sein Reich; Arsakes IV. Phriapites (Priapatios, 196–181) hinterließ nach friedlicher Regierung das Reich seinem Sohn Arsakes V. Phraates I. (181–174), der es durch Besiegung der Marder erweiterte und, unter Übergehung seiner eignen Söhne, auf seinen hervorragenden Bruder Arsakes VI. Mithradates I. (174–136) vererbte. Dieser, ein tapferer, gerechter und kluger Herrscher, erhob P. durch Unterwerfung Mediens, des noch unabhängigen Restes von Hyrkanien, Baktriens und andrer Nachbarländer zu einem großen Reich und nannte sich zuletzt »König der Könige«, ein Titel, der von Mithradates III. an ständig wurde. Sein Sohn und Nachfolger Arsakes VII. Phraates II. (136–127) besiegte und tötete Antiochos Sidetes in Medien und sicherte dadurch die parthische Vorherrschaft in Asien, fiel aber im Kampf gegen die Skythen. Sein Oheim und Nachfolger Arsakes VIII. Artabanos II. (127–124) fand im Kriege gegen die Tocharen oder Yuëtschi seinen Tod. Dessen Sohn Arsakes IX. Mithradates II. (124–87) erweiterte nach Überwindung zweier Gegenkönige das Reich durch Eroberungen bis zum Euphrat und gegen Armenien hin. Ihm scheint Arsakes X. Mnaskiras (gest. 77) und diesem der greise Arsakes XI. Sanatroikes (76–69) gefolgt zu sein. Der dritte Mithradatische Krieg, der zu jener Zeit die Römer unter Lucullus und Pompejus auch nach Mesopotamien führte, brachte dieselben zuerst mit den Parthern in feindliche Berührung, da Arsakes XII. Phraates III. (69–60) Gordyene für sich verlangte. Phraates III. wurde von seinen Söhnen ermordet, von denen zuerst Arsakes XIII. Mithradates III. und nach seiner Absetzung (56) Arsakes XIV. Orodes I. den Thron bestieg, den er 53 durch die Vernichtung des römischen Heeres unter Crassus bei Karrhä siegreich verteidigte. Erst Ventidius Bassus unternahm (38) einen glücklichen Rachezug gegen ihn, bei dem Orodes' tapferer Sohn Pakoros in der unglücklichen Schlacht bei Gindarus fiel. 37 wurde Orodes, der freiwillig von der Regierung zurückgetreten war, von einem von einer Nebenfrau gebornen Sohn ermordet, der als Arsakes XV. Phraates IV. (37–2) den Thron bestieg. Unter ihm erlitten die römischen Waffen unter Antonius 35 von den Parthern die zweite Niederlage. Da zwei Gegenkönige, Tiridates II. (etwa 32–27) und Mithradates IV. (12–9), bei den Römern Aufnahme und Hilfe fanden, überließ Phraates den Römern die bei Karrhä erbeuteten Feldzeichen und lieferte ihnen 10 oder 9 fast seine ganze Familie aus, 2 v. Chr. wurde er aber von einem seiner Söhne vergiftet. Hierauf brachen blutige Thronstreitigkeiten und Aufstände aus, die das Reich zerrütteten. Erst Artabanos III. (10–40 n. Chr.), ein Arsakide von Mutterseite, erlangte wieder eine dauernde Herrschaft, mußte aber, als er einen seiner Söhne zum König von Armenien machen wollte, vorübergehend zweimal flüchten, da der Kaiser Tiberius ihm, unterstützt von den unzufriedenen Parthern, in Phraates und Tiridates III. mit Erfolg Gegenkönige entgegenstellte. Durch Intrigen der Römer wurde er in einen unheilvollen Krieg mit den Georgiern, Albanern und Alanen verwickelt, in dem zwei seiner Söhne umkamen. Nach seinem Tode wurden die Könige durch die um die Herrschaft kämpfenden Parteien bald auf den Thron gehoben, bald gestürzt und regierten ohne Ruhm und Glück; die äußere Macht des Reiches schwand infolgedessen, und die Kriege mit Rom wurden entweder aus Schwäche vermieden oder unglücklich geführt. Als Arsakes XXVI. Osroës (Chusrau) I. (107–130) seinem Neffen Parthamasiris 114 die armenische Krone zu verschaffen suchte, ward er von Trajan besiegt, der das ganze Euphrat- und Tigrisland zu erobern suchte, und seines Thrones entsetzt. Hadrian, der sich mit der alten Reichsgrenze, dem Euphrat, begnügte, gab ihm jedoch 123 sein Reich zurück. Arsakes XXVII. Volagases II. (130–148) hütete sich trotz der Vernichtung des parthischen Einflusses in Armenien mit Rom den Kampf zu erneuern. Der lange verhaltene Groll der wiederum erstarkten Parther gegen Rom brach endlich unter seinem Sohn Arsakes XXVIII. Volagases III. (148–190) von neuem hervor; Lucius Verus brachte aber die Bundesgenossen des Volagases zum Abfall, drängte die Parther über den Tigris zurück, eroberte und zerstörte Seleukeia und plünderte die Königsburg in Ktesiphon (162–165), bis eine entsetzliche Pest die Römer zum Rückzug zwang. Da Arsakes XXIX. Volagases IV. (190–208) den römischen Thronbewerber Pescennius Niger gegen Septimius Severus begünstigt und einen Einfall in Mesopotamien unternommen hatte, warf sich Severus zweimal auf die Parther, eroberte und plünderte 199 Ktesiphon und gewann hierdurch den Beinamen Parthicus, begnügte sich indes mit Sicherung der römischen Grenzen. Der Kaiser Caracalla nährte die in dem Partherreich ausgebrochenen Bruderkämpfe zwischen Arsakes XXX. Volagases V. und Arsakes XXXI. Artabanos V. Sein Nachfolger Macrinus zog gegen die Parther, die aus Rache in das römische Gebiet eingefallen waren, wurde aber in zwei blutigen Schlachten bei Nisibis besiegt und mußte 217 einen schimpflichen Frieden schließen. Dies war der letzte Kampf zwischen den Römern und Parthern. Denn eben jetzt erhoben sich gegen diese die Neuperser unter Ardaschir (s. d.), der 224 Artabanos V. in Susiana auf der Ebene von Hormizdagân schlug und tötete, 226 Ktesiphon eroberte und damit dem parthischen Reiche nach einer Dauer von 481 Jahren den Untergang bereitete. Obwohl die Parther ein tapferes Kriegsvolk waren und im Kampfe gegen die Römer sich unsterblichen Ruhm erworben hatten, war doch die Verfassung ihres Reiches zu locker, um dauerhaft zu sein. Trotzdem sie altpersische Religion und Kultur annahmen, waren sie den Altiraniern als Fremdlinge verhaßt und nicht fähig, die Iranier national zu einigen. Vgl. Schneiderwirth, Die Parther oder das neupersische Reich unter den Arsakiden (Heiligenst. 1874); G. Rawlinson, The sixth great oriental monarchy, or geography, history etc. of Parthia (Lond. 1873) und Parthia (in der »Story of nations«, das. 1893); v. Sallet, Die Nachfolger Alexanders (Berl. 1879); v. Gutschmid, Geschichte Irans (Tübing. 1888); Mommsen, Römische Geschichte, Bd. 5, S. 339 ff.; Justi, Geschichte Irans (im »Grundriß der iranischen Philologie« von Geiger und Kuhn, Bd. 2, Straßb. 1896).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.