Wagner [2]

Wagner [2]

Wagner. Gelehrte: 1) Moriz, Reisender und Naturforscher, Bruder von W. 4), geb. 3. Okt. 1813 in Bayreuth, gest. 30. Mai 1887 in München, kam als Kaufmann nach Algerien, studierte dann 1833–1836 in Erlangen und München Naturwissenschaften, besonders Zoologie, bereiste 1836–38 Algerien und machte als Mitglied der wissenschaftlichen Kommission den zweiten Feldzug nach Konstantine mit. Darauf studierte er in Göttingen Geologie, durchzog 1842–1845 die Küstenländer des Schwarzen Meeres, den Kaukasus, Armenien, Kurdistan und Persien, 1852 bis 1855 zusammen mit Scherzer Nord- und Zentralamerika und Westindien und 1857–60 die Anden von Panama bis Ecuador. Seit 1860 Professor an der Universität München und Mitglied der königlich bayrischen Akademie, beschäftigte er sich viel mit tiergeographischen und darwinistischen Studien, indem er der Selektionstheorie Darwins die Migrationstheorie (s. Darwinismus, S. 532) gegenüberstellte. Er veröffentlichte: »Reisen in der Regentschaft Algier« (Leipz. 1841, 3 Bde.); »Der Kaukasus und das Land der Kosaken« (das. 1848, 2 Bde.); »Reise nach dem Ararat und dem Hochlande Armenien« (Stuttg. 1848); »Reise nach Kolchis« (Leipz. 1850); »Reise nach Persien und dem Lande der Kurden« (das. 1852, 2 Bde.); »Reisen in Nordamerika« (das. 1854, 3 Bde.) und »Die Republik Costarica« (das. 1856, beide Werke mit K. Scherzer); »Die Darwinsche Theorie und das Migrationsgesetz« (das. 1868); »Über den Einfluß der geographischen Isolierung und Kolonienbildung auf die morphologischen Veränderungen der Organismen« (Münch. 1871); »Naturwissenschaftliche Reisen im tropischen Amerika« (Stuttg. 1870) u. a. Aus seinem Nachlaß erschien: »Die Entstehung der Arten durch räumliche Sonderung«, gesammelte Aufsätze (mit biographischer Einleitung von Scherzer, Basel 1889).

2) Adolf, deutscher Nationalökonom, geb. 25. März 1835 in Erlangen, Sohn von W. 4), studierte die Rechte und Staatswissenschaften, ward 1858 Lehrer der Nationalökonomie an der Handelsakademie in Wien, 1863 in Hamburg, 1865 ordentlicher Professor in Dorpat, 1868 in Freiburg und 1870 in Berlin. In den ersten Jahren seiner Wirksamkeit war er vorzüglich mit dem Bank- und Währungswesen beschäftigt. Es erschienen von ihm: »Beiträge zur Lehre von den Banken« (Leipz. 1857); »Die Geld- und Kredittheorie der Peelschen Bankakte« (Wien 1862); »Die österreichische Valuta« (das. 1862); »Die Ordnung des österreichischen Staatshaushalts« (das. 1863); »Die russische Papierwährung« (Riga 1868); »System der deutschen Zettelbankgesetzgebung« (Freiburg 1870–1873, 2. Aufl. 1875) und »Die Zettelbankreform im Deutschen Reich« (Berl. 1874). Auch der Statistik wandte er sein Interesse zu, wie sein Werk »Die Gesetzmäßigkeit in den scheinbar willkürlichen menschlichen Handlungen« (Hamb. 1864) zeigt. Großen Erfolg hatte er als Politiker mit der Schrift »Elsaß und Lothringen und ihre Wiedergewinnung für Deutschland« (6. Aufl., Leipz. 1870). Im Oktober 1871 hielt er in der »freien kirchlichen Versammlung evangelischer Männer« einen Vortrag über die soziale Frage, in dem eine tiefe Differenz zwischen seinen Ansichten und denen der deutschen Freihandelsschule hervortrat. H. B. Oppenheim fand in dieser Rede wie in verwandten Kundgebungen den Anlaß zu dem Stichwort »Kathedersozialisten« (s. d.), worauf W. in einem »Offenen Brief« (Berl. 1873) antwortete. Während W. für den von ihm bis 1872 innegehabten Standpunkt an Männern wie Schmoller, Held, Nasse und Brentano eine kräftige Unterstützung fand, ging er bald über dieselben hinaus, so daß er aus dem Vorstande des Vereins für Sozialpolitik austrat und in einem Nachwort zu seinem Gutachten »Die Kommunalsteuerfrage« (Leipz. 1878) seinen abweichenden Standpunkt darlegte. In öffentlichen Versammlungen der verschiedensten Art erklärte er seine Überzeugung von der Notwendigkeit einer durchgreifenden Änderung der bestehenden Wirtschaftsordnung. Seit 1881 nahm W. auch am öffentlichen Leben in staatssozialistischer und christlich-sozialer Richtung teil; 1882–85 war er Mitglied des Abgeordnetenhauses. 1871 begann er die Bearbeitung einer neuen Auflage von K. H. Raus »Lehrbuch der politischen Ökonomie«, von der aber nur ein BandFinanzwissenschaft«, Leipz. u. Heidelb. 1871–72) dem ursprünglichen Plane gemäß erschien. Dagegen gab er mit Rücksicht auf prinzipielle Verschiedenheiten des Standpunktes die weitere Bearbeitung auf und veröffentlichte zuerst mit Nasse, dann mit Buchenberger, Bücher und Dietzel ein selbständiges »Lehr- und Handbuch der politischen Ökonomie«, von dem aus Wagners Feder bisher erschien: Bd. 1. »Grundlegung« (3. Aufl. in 3 Bänden, Leipz. 1892–1893; erster Teil in 4. Aufl. 1907 u. d. T.: »Theoretische Sozialökonomie, eine allgemeine und theoretische Volkswirtschaftslehre«); Bd. 5–7: »Finanzwissenschaft« (1. Teil, 3. Aufl., das. 1883; 2. Teil, 2. Aufl. 1890; 3. Teil 1889; Ergänzungsheft 1896; 4. Teil 1899–1901). In diesem seinem Hauptwerke versucht W. der Volkswirtschaft eine »sozialrechtliche« Grundlage zu geben und die Finanzwissenschaft zu einem Mittel der Sozialpolitik zu gestalten. Von seinen übrigen Schriften seien genannt: »Die neueste Silberkrisis und unser Münzwesen« (Berl. 1894); »Grundriß zu Vorlesungen über Finanzwissenschaft« (das. 1898); »Agrar- und Industriestaat« (2. Aufl., Jena 1902); »Wohnungsnot und städtische Bodenfrage« (Berl. 1901) und die Abhandlungen: Kredit und Bankwesen, Versicherungswesen, Die direkten Steuern, Die Ordnung der Finanzwirtschaft und Der öffentliche Kredit in Schönbergs »Handbuch der politischen Ökonomie« (4. Aufl., Tübing. 1896 f.). Außerdem veröffentlichte W. zahlreiche Artikel, besonders in der zeitweilig auch von ihm redigierten »Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft« und in den »Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik«, sowie viele Flugschriften und gab zusammen mit G. Schumacher-Zarchlin, später mit Theophil Kozak den literarischen Nachlaß von Rodbertus-Jagetzow in 3 Bänden: »Briefe von Ferdinand Lassalle an Karl Rodbertus-Jagetzow« (Berl. 1878), »Das Kapital« (das. 1884) und »Zur Beleuchtung der sozialen Frage« (das. 1885), heraus.

3) Hermann, Geograph und Statistiker, Bruder des vorigen, geb. 23. Juni 1840 in Erlangen, studierte in Erlangen und Göttingen Mathematik und Naturwissenschaften und war 1864–76 Gymnasiallehrer in Gotha. Er trat hier im Jahre 1868 in das geographische Institut von Perthes als Redakteur des statistischen Teils des »Gothaer Almanachs« und gab mit Ernst Behm (s. d.) als Ergänzungshefte zu »Petermanns Mitteilungen« die statistische Publikation: »Die Bevölkerung der Erde« heraus (1.–7. Heft 1872 bis 1882, 8. u. 9. Heft unter Redaktion von W. und Supan 1891 u. 1893). 1874 veröffentlichte W. bei Perthes eine »Wandkarte des Deutschen Reichs und seiner Nachbarländer« in 12 Blättern (6. Aufl. 1902) und 1888 eine Neubearbeitung von Sydows »Methodischem Schulatlas« (13. Aufl. 1907). Außer Arbeiten über die Methodik der Erdkunde in dem »Geographischen Jahrbuch«, dessen Redaktion W. 1879 (Bd. 8–30, Gotha 1881–1907) übernahm, und in »Petermanns Mitteilungen« lieferte er 1879 und 1881/82 eine Neubearbeitung des »Lehrbuchs der Geographie« von Herm. Guthe (s. d. 1), das in 6. Auflage als selbständiges »Lehrbuch der Geographie« (bisher nur 1. Teil: Allgemeine Erdkunde, Hannov. 1894–1900; 7. Aufl. 1903) erschien, ferner wertvolle Beiträge zur Geschichte der Geographie und Kartographie und zahlreiche kritische Arbeiten. 1876 wurde W. als Professor der Geographie nach Königsberg, 1880 als Wappäus' Nachfolger nach Göttingen berufen.

Naturforscher, Mediziner

4) Rudolf, Physiolog, geb. 30. Juni 1805 in. Bayreuth, Bruder von W. 1), gest. 13. Mai 1864 in Göttingen, studierte seit 1822 in Erlangen und Würzburg, dann in Paris vergleichende Anatomie, machte an den Küsten der Normandie und Südfrankreichs Untersuchungen an niedern Tieren, studierte 1828 bei Cagliari die geognostischen Verhältnisse, ward 1829 Privatdozent und 1833 Professor der Zoologie in Erlangen und 1840 Professor der Physiologie und vergleichenden Anatomie und Zoologie in Göttingen. Er schrieb: »Lehrbuch der vergleichenden Anatomie« (Leipz. 1834–35,2 Abtlgn.; 2. Aufl. u. d. T.: »Lehrbuch der Zootomie«, das. 1843–47, 2 Bde.); »Icones physiologicae« (das. 1839–40,3 Hefte; neu bearb. von Ecker, 1851–59,4 Hefte); »Lehrbuch der Physiologie« (das. 1839; 4. Aufl. von Funke, 1857); »Icones zootomicae«. »Handatlas der vergleichenden Anatomie« (das. 1841); »Grundriß der Enzyklopädie und Methodologie der medizinischen Wissenschaften nach geschichtlicher Ansicht« (Erlang. 1838); »Zur vergleichenden Physiologie des Bluts« (Leipz. 1833, Nachträge 1838); auch gab er das epochemachende »Handwörterbuch der Physiologie« (Braunschw. 1842–53, 4 Bde.) heraus. Seine »Neurologischen Untersuchungen« (Götting. 1854), veranlaßt durch Studien über den Zitterrochen, und seine daran sich anschließenden Forschungen über Nervenphysiologie mit Rücksicht auf Psychologie führten zu einem heftigen literarischen Streit besonders mit Karl Vogt, in dem W. die extremste spiritualistische Richtung zu verteidigen suchte. Hierher gehören die Schriften: »Menschenschöpfung und Seelensubstanz« (Götting. 1854); »Über Wissen und Glauben« (das. 1854); »Der Kampf um die Seele vom Standpunkt der Wissenschaft« (das. 1857). 1861 veranlaßte er eine Anthropologenversammlung in Göttingen, die sich über die Methode der Messungen am menschlichen Körper einigte. Die gewonnenen Resultate gab er in einem mit K. E. v. Baer veröffentlichten Bericht (Leipz. 1861) heraus. Auch schrieb er: »Zoologisch-anthropologische Untersuchungen« (Göttingen 1861); »Vorstudien zu einer wissenschaftlichen Morphologie und Physiologie des menschlichen Gehirns« (das. 1860–62, 2 Tle.); »Sömmerrings Leben und Verkehr mit Zeitgenossen« (Leipz. 1844). Mit Will übersetzte er Prichards »Naturgeschichte des Menschengeschlechts« (Leipz. 1840–48, 4 Bde.).

5) Ernst Leberecht, Mediziner, geb. 12. März 1829 in Dehlitz an der Saale, gest. 10. Febr. 1888 in Leipzig, studierte in Leipzig, Prag und Wien, habilitierte sich 1855 in Leipzig als Privatdozent, wurde 1859 außerordentlicher, 1862 ordentlicher Professor der allgemeinen Pathologie und pathologischen Anatomie daselbst, 1867 Prosektor im Jakobshospital und Konservator der pathologisch-anatomischen Sammlung und 1877 Professor der speziellen Pathologie und Therapie und Direktor der medizinischen Klinik. W. schrieb: »Der Gebärmutterkrebs« (Leipz. 1858); »Die Fettmetamorphose des Herzfleisches« (das. 1864); »Das tuberkelähnliche Lymphadenom« (das. 1871); »Handbuch der allgemeinen Pathologie« (mit Uhle, das. 1862; 7. Aufl. 1876); »Morbus Brightii« (in Ziemssens »Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie«, 3. Aufl., das. 1882); »Krankheiten des chylopoetischen Apparats« (mit Vogel und Wendt, ebenda, 2. Aufl. 1878). Auch redigierte er 1860–78 das »Archiv für Heilkunde«.

6) Andreas, Zoolog, s. Wagn.

Technologen und Chemiker

7) Rudolf von, Technolog, geb. 13. Febr. 1822 in Leipzig, gest. 4. Okt. 1880 in Würzburg, studierte in Leipzig, Berlin und Paris, habilitierte sich 1850 als Privatdozent der chemischen Technologie in Leipzig, ward 1851 Professor der technischen Chemie an der Polytechnischen Schule in Nürnberg, 1856 Professor der Technologie in Würzburg, 1858 ordentlicher Professor in der staatswirtschaftlichen Fakultät daselbst und (bis 1868) Ministerialprüfungskommissar der technischen Lehranstalten Bayerns. Als Jurymitglied beteiligte er sich an vielen Ausstellungen, und 1872–74 war er Bevollmächtigter der bayrischen Regierung für die Wiener Weltausstellung. W. schrieb: »Die Chemie faßlich dargestellt« (Leipz. 1850, 6. Aufl. 1873); »Theorie und Praxis der Gewerbe« (das. 1857 bis 1864, 5 Bde.; davon Bd. 2: »Die chemische Fabrikindustrie«, in 2. Aufl. 1869); »Die chemische Technologie faßlich dargestellt« (das. 1850; seit der 8. Aufl. [1871] als »Handbuch der chemischen Technologie«; 15. Aufl. selbständig von F. Fischer, 1900–02, 2 Bde.); »Studien auf der Pariser Ausstellung des Jahres 1867« (das. 1868); »Regesten der Sodafabrikation« (das. 1866). Einen großen Einfluß übte er durch seinen vortrefflichen »Jahresbericht über die Leistungen der chemischen Technologie« (Leipz., seit 1855).

8) Paul, Agrikulturchemiker, geb. 7. März 1843 zu Liebenau in Hannover, studierte in Erlangen und Göttingen, habilitierte sich 1871 als Privatdozent in Göttingen, ging 1872 als Vorsteher der landwirtschaftlichen Versuchsstation nach Darmstadt und wurde 1881 zum Professor ernannt. Seine Haupttätigkeit liegt auf dem Gebiete der Ernährung der Kulturpflanzen, auf dem er neue Forschungsmethoden schuf und neue Lehrsätze aufstellte. Er schrieb: »Lehrbuch der Düngerfabrikation und Anleitung zur chemischen Untersuchung der Handelsdünger« (Braunschw. 1877); »Einige praktisch wichtige Düngungsfragen« (7. Aufl., Berl. 1887); »Der Düngewert und die rationelle Verwendung der Thomasschlacke« (Darmst. 1888); »Die Steigerung der Bodenerträge durch rationelle Stickstoffdüngung« (2. Aufl, das. 1888); »Zur Kali-Phosphatdüngung nach Schultz-Lupitz« (2. Aufl., das. 1889); »Anleitung zu einer rationellen Düngung mit Phosphorsäure« (das. 1889); »Die Stickstoffdüngung« (Berl. 1892); »Düngungsfragen« (das. 1894–1904, 6 Hefte, wiederholt aufgelegt); »Die Anwendung künstlicher Düngemittel« (4. Aufl., das. 1908); »Die Düngung mit schwefelsaurem Ammoniak und organischen Stickstoffdüngern im Vergleich zum Chilisalpeter« (das. 1903); »Die Ausführung von Felddüngungsversuchen nach exakter Methode« (das. 1904); »Versuche über die Kalidüngung der Kulturpflanzen« (das. 1904); »Forschungen auf dem Gebiete der Weinbergdüngung« (das. 1907); »Stickstoffdüngung und Reingewinn« (das. 1907); »Versuche über die Stickstoffdüngung der Kulturpflanzen unter Verwendung von Chilisalpeter, Ammoniaksalz und Kalkstickstoff« (das. 1907).

Dichter und Schriftsteller

9) Heinrich Leopold, Schriftsteller der Sturm- und Drangperiode, geb. 19. Febr. 1747 in Straßburg, gest. 4. März 1779 in Frankfurt, studierte in Straßburg die Rechte, kam 1774, nachdem er kurze Zeit Hofmeister im Hause des Präsidenten v. Günderode in Saarbrücken gewesen war, nach Frankfurt a. M., wo er mit Goethe und dessen Freunden verkehrte und 1776, nachdem er in Straßburg die juristische Doktorwürde erlangt hatte, sich als Advokat niederließ. Er schrieb das Schauspiel »Die Reue nach der Tat« (Frankf. 1775); »Briefe über die Seylerische Gesellschaft und ihre Vorstellungen in Frankfurt a. M.« (das. 1775); die gegen die Kritiker des »Werther« gerichtete Satire »Prometheus, Deukalion und seine Rezensenten« (Leipz. 1775; Neudruck unter anderm in Sauers »Stürmer und Dränger«, Bd. 2) und das Trauerspiel »Die Kindermörderin« (das. 1776; Neudruck, Heilbr. 1883; von K. G. Lessing eigenmächtig neu bearbeitet 1777; von W. selber mit einem glücklichen Ausgang u. d. T.: »Evchen Humbrecht, oder ihr Mütter merkt's euch!« neu hrsg. 1779), sein bestes Werk. Seine Bearbeitung von Merciers »Versuch über die Schauspielkunst« (Leipz. 1776) ist wegen des Anhangs »Aus Goethes Brieftasche« bemerkenswert. Vgl. Erich Schmidt, Heinrich Leopold W., Goethes Jugendgenosse (2. Aufl., Jena 1879); Froitzheim, Goethe und Heinrich Leopold W. (Straßb. 1889).

10) Christian, Bauer und Dichter, geb. 5. Aug. 1835 in Warmbronn (Württemberg), erhielt Dorfschulbildung, besuchte dann kurze Zeit eine Präparandenanstalt, um sich zum Lehrer auszubilden, kehrte aber aus Mangel an Mitteln nach Hause zurück, um seine Eltern im Betrieb der Landwirtschaft zu unterstützen. Er lebt von dem bescheidenen Einkommen seiner Feldarbeit in Warmbronn. Seine Dichtungen, insbes. seine Blumenmärchen, zeigen ihn als den originellsten und tiefsinnigsten unter den sogen. Volksdichtern. Von ihm erschienen: »Märchenerzähler, Bramine und Seher« (Stuttg. 1885; 2. vermehrte Aufl. u. d. T.: »Sonntagsgänge«, 1887); »Balladen und Blumenlieder« (das. 1890); »Weihegeschenke« (das. 1893); »Neue Dichtungen« (Heilbr. 1897); »Ein Blumenstrauß« (Schwäbisch-Hall 1906). Seine buddhistisch-brahmanistische Weltanschauung hat er niedergelegt in »Neuer Glaube« (Stuttg. 1894). Vgl. Weltrich, Christian W., der Bauer und Dichter zu Warmbronn (Stuttg. 1898).

Musiker. Schauspieler

11) Wilhelm Richard, Dichter, Komponist und Musikschriftsteller, geb. 22. Mai 1813 in Leipzig, gest. 13. Febr. 1883 in Venedig, war der Sohn eines Leipziger Polizeiaktuars. Seine Mutter siedelte nach dem bereits fünf Monate nach Wagners Geburt erfolgten Tode des Vaters und ihrer Wiederverheiratung mit dem Dresdener Hofschauspieler Ludwig Geyer nach Dresden über, kehrte aber, nachdem 1820 auch sein Stiefvater gestorben, wieder nach Leipzig zurück, wo W. die Nikolaischule (zuletzt die Thomasschule) und Universität besuchte und unter Leitung des Thomaskantors Weinlig gründliche Studien im Kontrapunkt machte, als deren Früchte eine Sonate und eine Polonäse für Klavier veröffentlicht (erschienen bei Breitkopf u. Härtel als Op. 1 und Op. 2) sowie 1833 eine Symphonie und eine Konzertouvertüre mit Fuge im Gewandhauskonzert unter Beifall zur Ausführung gebracht wurden. Den ersten Schritt in die Dirigentenlaufbahn tat er 1833 als Chordirektor in Würzburg, wo sein älterer Bruder, Albert, als Opernsänger und Regisseur wirkte; hier entstand seine erste Oper: »Die Feen«, deren Text er nach Gozzis »La donna serpente« selbst verfaßt hatte. Seine Bemühungen, dies Werk in Leipzig zur Ausführung zu bringen, blieben erfolglos (es kam erst nach seinem Tode 1888 in München auf die Bühne), und nicht viel besser ging es seiner zweiten Oper: »Das Liebesverbot« (nach Shakespeares »Maß für Maß«), die in Magdeburg, wo W. von 1834–36 als Theaterkapellmeister fungierte, eine einzige, schlecht vorbereitete Ausführung erlebte. Im Januar 1837 ging er als Theaterkapellmeister nach Königsberg (wo er sich mit der Schauspielerin Minna Planer verheiratete), vertauschte diese Stelle noch Ende des Jahres mit der gleichen in Riga und begab sich, da er in dem während seines Rigaer Aufenthalts entworfenen »Rienzi« (nach Bulwers gleichnamigem Roman) einen für Paris geeigneten Stoff gefunden zu haben glaubte, im Sommer 1839 aufs Geratewohl zur See über London nach der französischen Hauptstadt.

Aber auch hier wurden seine Erwartungen nicht erfüllt; ungeachtet der Verwendung Meyerbeers vermochte er weder den 1840 vollendeten »Rienzi« noch auch den im folgenden Jahre vollendeten »Fliegenden Holländer« auf die Bühne zu bringen, und er sah sich genötigt, durch musikalische Handlangerarbeiten seinen Unterhalt zu gewinnen. Da rief ihn im Frühjahr 1842 die Nachricht, daß sein »Rienzi« in Dresden und sein »Holländer« in Berlin zur Ausführung angenommen seien, nach Deutschland zurück. Nach dem glänzenden Erfolge seines »Rienzi« (20. Okt. 1842) und »Holländer« (nicht in Berlin, sondern ebenfalls in Dresden, 2. Jan. 1843) erschien durch die Ernennung zum königlich sächsischen Hofkapellmeister seine materielle Lage gesichert. Doch stellten sich der Verwirklichung seiner künstlerischen Ideale bald Hindernisse entgegen, die ihm schon die Ausführung seines »Tannhäuser« (1845) erschwerten, die des im Winter 1847/48 vollendeten »Lohengrin« sogar unmöglich machten. Obwohl er sich mit seinen Reformplänen nicht vom künstlerischen Boden entfernte (vgl. den »Entwurf zur Organisation eines deutschen Nationaltheaters« in seinen »Gesammelten Schriften und Dichtungen«, Bd. 2, S. 307), so sah er sich doch nach den Wirren der Maitage 1849 durch seine Teilnahme an der revolutionären Bewegung derart kompromittiert, daß er Dresden verließ und erst nach Weimar, dann nach Paris, endlich aber, nachdem ein ihm nachgesandter (noch im Jahre 1853 erneuerter) Steckbrief ihm jede Hoffnung zur Rückkehr benommen, nach Zürich flüchtete.

In den um diese Zeit entstandenen Schriften: »Die Kunst und die Revolution« (1849), »Das Kunstwerk der Zukunft« (1850) und »Oper und Drama« (1851, sämtlich im 3. Bande der »Gesammelten Schriften«), entwickelte er seine Ansichten über die Ursachen des Verfalls der Kunst und die Mittel zu ihrer Hebung. Jene Ursachen aber findet er in der mit dem Untergang der antiken Kunst eingetretenen Trennung der Einzelkünste, deren Wiedervereinigung zu einem gemeinsamen Zweck, und zwar in der einzig dazu geeigneten Kunstform, dem Musikdrama, das Kunstwerk der Zukunft ins Leben zu rufen bestimmt ist. Außer diesen Schriften, die zunächst nur die Aufmerksamkeit der literarischen Kreise erregten, veröffentlichte W. noch während seines Schweizer Aufenthalts seine Dichtung »Der Ring des Nibelungen« (1853; im 5. Bd. der »Schriften«). (Auch die Komposition des »Rheingold« erfolgte schon vom November 1853 bis Mai 1854, und direkt anschließend folgte die »Walküre« bis März 1856. Der 1857 skizzierte »Siegfried« wurde dagegen erst 1869 beendet und die »Götterdämmerung« erst 1874.) Inzwischen aber hatten seine Bühnenwerke, besonders nachdem 22. Aug. 1850 unter Liszts Leitung der »Lohengrin« in Weimar zum erstenmal zur Darstellung gekommen war, die Aufmerksamkeit des deutschen Publikums in hohem Grad erregt und ihn zu erneuter Tätigkeit auf diesem Gebiet angespornt. Unbeirrt durch den Widerspruch der Kritik (z. B. Otto Jahns in seinem 1854 in den Leipziger »Grenzboten« erschienenen Aufsatz über den »Lohengrin«) schritt W. weiter vorwärts mit dem 1859 vollendeten Musikdrama »Tristan und Isolde«, in dem der Bruch mit der bisherigen Opernform bis zu seinen letzten Konsequenzen durchgeführt ist. Auch als Dirigent trat er nunmehr wieder in die Öffentlichkeit, zuerst 1855 in London auf Einladung der alten Philharmonischen Gesellschaft, dann 1860 in Paris, wo er eine Reihe von glänzenden Konzerten im Italienischen Theater veranstaltete. Sein Wunsch, den »Tristan« auf die Bühne zu bringen, sollte freilich so bald noch nicht erfüllt werden, am wenigsten in Paris, dessen Publikum sogar den ungleich verständlichern »Tannhäuser« in der Großen Oper (1861) in rücksichtslosester Weise ablehnte; aber auch in Wien wurde sein Lieblingswerk, nachdem man ihm dort das eifrigste Studium gewidmet, als unausführbar zurückgelegt, und eine in Karlsruhe geplante Ausführung des »Tristan« mußte aus demselben Grund unterbleiben.

So lagen die Verhältnisse, als 1864 König Ludwig II. den bayrischen Thron bestieg und den Meister nach München berief, um ihm hier die Ausführung seiner künstlerischen Reformpläne zu ermöglichen. Schon im folgenden Jahre gelangte endlich »Tristan und Isolde« (unter Mitwirkung des Schnorrschen Ehepaars in den Titelrollen und unter Leitung Hans von Bülows) zur Darstellung (10. Juni 1865), und 1867 erfolgte die Eröffnung der königlichen Musikschule mit Bülow als Direktor, zu der W. in einem »Bericht an S. M. den König von Bayern über eine in München zu errichtende deutsche Musikschule« (»Schriften«, Bd. 8) den Plan angegeben. Wagners Emporkommen erregte heftige Intrigen einer Gegenpartei, und er mußte schon Ende 1865 zur Vermeidung ernster Unruhen seinen Wohnsitz nach Triebschen bei Luzern verlegen; dort beendete er die dem Entwurf nach aus den 1840er Jahren datierenden »Meistersinger von Nürnberg«, deren Erstaufführung er 21. Juni 1868 in der königlichen Loge an der Seite des Königs beiwohnte. Zu Pfingsten 1872 erfolgte die Grundsteinlegung des Festspielhauses in Bayreuth und Wagners Übersiedelung nach dieser Stadt, endlich das größte und erhebendste Ereignis seines Künstlerlebens: die erstmalige Darstellung der Festspieltrilogie »Der Ring des Nibelungen«, die zu Bayreuth 13.–17. Aug. 1876 in Anwesenheit des deutschen Kaisers sowie des Königs von Bayern und andrer deutscher Fürsten, in Gegenwart eines Publikums von Künstlern und Schriftstellern, von Aristokraten des Geistes und der Geburt erfolgte.

Wagners Plan, in Bayreuth eine »Stilbildungsschule« zu begründen, aus der die zukünftigen Darsteller und Dirigenten des Festspieltheaters hervorgehen sollten, kam nicht zur Ausführung; auch der anfangs nur geringe Erfolg der Monatsschrift »Bayreuther Blätter« (s. unten), die er 1878 als eine Art Ersatz dafür ins Leben rief, drückten seine an die Ausführung des »Nibelungenringes« geknüpften Hoffnungen stark danieder. Nichtsdestoweniger ging er mit ungebrochener Kraft an die Komposition eines neuen großen Werkes, des als Dichtung schon 1877 erschienenen »Parsifal«, eines »Bühnenweihfestspiels«, wie er es nannte, bestimmt, seine schöpferische Tätigkeit krönend abzuschließen. Dies 1882 während eines Aufenthalts in Palermo vollendete und in demselben Jahr im Festspielhaus zu Bayreuth vom 25. Juni an 16mal ausgeführte Werk sollte sein Schwanengesang werden, denn schon im folgenden Jahre (13. Febr. 1883) ereilte ihn in Venedig, wo er für sein schon längere Zeit durch Atmungsbeschwerden und Gesichtsrose gestörtes Befinden Heilung gesucht, ein plötzlicher Tod. Seine Leiche wurde nach Bayreuth gebracht und, nachdem ihr bereits auf dem Wege dahin fürstliche Ehren erwiesen waren, unter Teilnahme der von nah und fern herbeigeeilten Freunde des Meisters im Garten seines Hauses »Wahnfried« an der schon lange zuvor von ihm selbst dafür bestimmten Stelle beerdigt. Wagners schon seit 1861 getrennt von ihm in Dresden lebende erste Frau war 1866 gestorben; eine zweite Ehe schloß er mit Liszts Tochter Cosima (s. Agoult), der Gattin Hans v. Bülows, der sein Sohn Siegfried entsproßte (geb. 6. Juni 1869 in Triebschen), der bisher mit den Opern »Der Bärenhäuter« (München 1899), »Herzog Wildfang« (1900), »Kobold« (1904), »Bruder Lustig« (1905), »Sternengebot« (Hamburg 1908) seinem Vater nachstrebte. Wagners Bildnis s. Tafel »Deutsche Tondichter II« (im 14. Band) und Tafel »Medaillen V«, Fig. 6.

Das Kunstschaffen Wagners zeigt wie kaum das eines zweiten Meisters eine bis zu Ende stetig fortgesetzte Höhersteckung der Ziele und eine stetige Steigerung der zu ihrer Erreichung aufgewandten künstlerischen Mittel. Seine Stoffe rücken aus der nüchternen Alltäglichkeit immer weiter weg, seine Heldengestalten erscheinen mehr und mehr vom Zauber der Romantik umwoben, und zwar haben an dieser Wirkung alle Faktoren zugleich Anteil, die dramatische Konzeption, die poetische Diktion und die musikalische Interpretation und Illustration. Obwohl W. zum mindesten seit dem »Holländer« bewußt reformatorische Bahnen verfolgt, so ist er doch zunächst noch in den Ausdrucksformen seiner Vorgänger befangen und ringt sich erst allmählich zu einem eignen und in sich konsequenten Stile durch. Das imponierende Resultat der Gewinnung einer wirklichen thematischen Einheit und damit einer festgehaltenen Grundstimmung für ein Riesenwerk wie die Nibelungen-Tetralogie steht in der Literatur einzig da. Daß dies nur möglich wurde durch Aufgeben der herkömmlichen Zergliederung der Oper in einzeln für sich abgeschlossen dastehenden »Nummern« ist zweifellos; aber freilich ist die Aussicht, daß andre Komponisten mit Glück in Wagners Bahnen weiter wandeln werden, gering. Genies, die imstande wären, derartige gigantische Entwürfe auszuführen, werden immer selten bleiben. So sehr auch die gesamte zeitgenössische Produktion unter dem Einflusse von Wagners Harmonik und orchestraler Farbengebung fleht, so hat er doch einen Nachfolger noch nicht gefunden.

Die Zahl der Werke Wagners ist nur eine kleine; den aufgezählten dramatischen Musikwerken und Jugendkompositionen haben wir ergänzend nachzutragen die bereits 1841 in Paris geschriebene Faust-Ouvertüre, die seiner frühesten Schaffensperiode angehörigen Ouvertüren »Rule Britannia«, »Polonia« und »Columbus«, den für den König von Bayern geschriebenen »Huldigungsmarsch« (1865), den unter den Eindrücken des deutsch-französischen Krieges entstandenen »Kaisermarsch« (1870), den zur Säkularfeier der nordamerikanischen Union komponierten sogen. »Philadelphiamarsch« (1876), das liebliche, aus Motiven der Nibelungentrilogie gestaltete »Siegfried-Idyll« und einige wenige Lieder mit Klavierbegleitung (»Wiegenlied«, »Träume« etc.).

Wagners schriftstellerische Arbeiten erschienen u. d. T.: »Gesammelte Schriften und Dichtungen« in 10 Bänden (Leipz. 1871–83; 4. Aufl., das. 1907). Unter ihnen verdienen außer den schon erwähnten noch besondere Beachtung die Abhandlungen: »Das Judentum in der Musik« (1852); »Zukunftsmusik« (an einen französischen Freund, 1860); »Über Staat und Religion« (1864); »Über das Dirigieren« (1869); »Beethoven« (Festschrift zu dessen 100jähriger Geburtstagsfeier, 1870, 3. Aufl. 1905); »Über die Bestimmung der Oper« (1869; entstanden gelegentlich der Einführung des Autors als Mitglied der Berliner Akademie, beiläufig neben der 1872 erfolgten Ernennung zum Ehrenbürger der Stadt Bologna [infolge der enthusiastischen Aufnahme seines »Lohengrin« daselbst] die einzige äußere Auszeichnung, die W. angenommen hat). Nach Wagners Tod erschien noch ein Band »Entwürfe, Gedanken, Fragmente« aus seinen nachgelassenen Papieren (Leipz. 1885) und »Jesus von Nazareth«, ein dichterischer Entwurf aus dem Jahr 1848 (das. 1887), beide zusammen (mit der Operndichtung »Die Sarazenin«) als »Nachgelassene Schriften und Dichtungen« (das. 1895, 2. Aufl. 1902). Von Briefen erschienen: der »Briefwechsel zwischen W. und Liszt« (Leipz. 1887, 2 Bde.; 2. Aufl. 1900), »R. Wagners Briefe an Theod. Uhlig, Wilh. Fischer, Ferd. Heine« (das. 1888), »Briefe an August Röckel« (das. 1894, 2. Aufl. 1903), »Fünfzehn Briefe von Richard W., nebst Erinnerungen und Erläuterungen von Eliza Wille« (Berl. 1894), »Briefe an Emil Heckel. Zur Entstehungsgeschichte der Bühnenfestspiele in Bayreuth« (Berl. 1899); »Richard W. an Mathilde Wesendonck« (1.–18. Aufl., das. 1904) und »Briefe an Otto Wesendonck« (neue vollständige Ausg., das. 1905); Wagners »Bayreuther Briefe 1871–1883« (das. 1907), »Familienbriefe 1832–1874« (das. 1907) und »Richard W. an Minna W.« (Wagners Briefe an seine erste Gattin, hrsg. von H. v. Wolzogen, das. 1908). Vgl. Altmann, R. Wagners Briefe nach Zeitfolge und Inhalt (Leipz. 1905).

Aus der biographischen Literatur vgl. Glasenapp, Das Leben R. Wagners (4. Aufl., Leipz. 1906–07, 6 Bde.); Chamberlain, Richard W. (4. Aufl., Münch. 1907); Kienzl, Richard W. (in dem Sammelwerk »Weltgeschichte in Karakterbildern«, Münch. 1904); Max Koch, Richard W. (1. Teil, Bd. 55 u. 56 der »Geisteshelden«, Berl. 1907); G. Adler, Richard W. (Vorlesungen, Leipz. 1904); Bürkner, Richard W., sein Leben und seine Werke (Jena 1906); A. Jullien, Richard W.; sa vie et ses œuvres (Par. 1886); Finck, W. and his work (Lond. 1893, 2 Bde.; deutsch, 2. Ausg., Bresl. 1906); Lichtenberger, Richard W., poète et penseur (Par. 1898; deutsch, 2. Ausg., Dresd. 1904). Von den zahlreichen kritischästhetischen Schriften über W. sind zu nennen: Glasenapp, Wagner-Enzyklopädie (Leipz. 1891, 2 Bde.); Schuré, Le drame musical (6. Aufl., Par. 1906; deutsch von H. v. Wolzogen, 3. Aufl., Leipz. 1888, 2 Tle.); R. Pohl, Gesammelte Schriften, Bd. 1: Richard W., Studien und Kritiken (Leipz. 1882); Chamberlain, Das Drama R. Wagners (das. 1892, 2. Aufl. 1906); Dinger, R. Wagners geistige Entwickelung (Bd. 1: Die Weltanschauung Wagners, das. 1892); A. Ernst, L'art de W. (Par. 1893); Lavignac, Le voyage artistique à Bayreuth (das. 1897); Thomas, Die Instrumentation der Meistersinger etc. (2. Aufl., Leipz. 1907, 2 Tle.); Moos, Richard W. als Ästhetiker (Berl. 1906); Führer durch die Musikdramen Wagners schrieben Hans v. Wolzogen (»Thematische Leitfaden«), Heintz, Chop, Gjellerup, A. Jahn, Flüggen, Pfohl, Porges, Kufferath u. a. Vgl. Kastner, Wagner-Katalog (Offenb. 1878); »Richard Wagner-Jahrbuch«, herausgegeben von Frankenstein (Leipz. 1906, Bd. 1).

Der aus dem »Patronatsverein zur Pflege und Erhaltung der Festspiele in Bayreuth« (gegründet 1876) hervorgegangene Allgemeine Richard Wagner- Verein hat in allen größern Städten Deutschlands Zweigvereine. Organ des Vereins sind die oben erwähnten »Bayreuther Blätter« (redigiert von H. v. Wolzogen), Vorstand ist der Verwaltungsrat der Festspiele in Bayreuth. Ein Richard Wagner-Museum, begründet von Nik. Oesterlein in Wien, befindet sich seit 1895 in Eisenach. Vgl. darüber Oesterlein, Katalog einer Richard Wagner-Bibliothek (Leipz. 1882–94, 4 Bde.), und den Bericht von J. Kürschner (Eisenach 1897).

12) Johanna, Opernsängerin, Nichte des vorigen, geb. 13. Okt. 1828 in der Nähe von Hannover, gest. 6. Okt. 1894 in Würzburg, war die Tochter des ehemaligen Regisseurs an der Berliner Hofoper. Albert W., der sie, nachdem sie schon in Kinderrollen die Bühne betreten hatte, zur Sängerin ausbildete. Sie debütierte 1841 in Bernburg und wurde 1844 von ihrem Oheim Richard W., der inzwischen Kapellmeister in Dresden geworden war, bei der dortigen Hofbühne engagiert. Hier gewann die Schröder-Devrient nachhaltigen Einfluß auf ihre Entwickelung. Nachdem die Stellung R. Wagners in Dresden unmöglich geworden, verließ auch sie die dortige Bühne und nahm 1849 ein Engagement in Hamburg an. Später sang sie mit ausgezeichnetem Erfolg in Wien und Berlin und wurde in letzterer Stadt auf zehn Jahre engagiert, auch 1853 zur königlichen Kammersängerin ernannt. 1859 verheiratete sie sich mit dem Landrat Jachmann und trat von der Bühne zurück, wurde aber zwei Jahre später im königlichen Schauspielhaus wieder angestellt und wirkte daselbst bis zu ihrer Pensionierung 1872. Neben den Werken Glucks waren es vorzugsweise die Musikdramen Richard Wagners, in denen sie Ausgezeichnetes leistete. Im Schauspiel gehörten Antigone, Iphigenia, Brunhilde und Lady Macbeth zu ihren hervorragendsten Leistungen.

13) Joseph, Schauspieler, geb. 15. März 1818 in Wien, gest. daselbst 5. Juni 1870, wendete sich, nachdem er anfangs Schriftsteller gewesen, 1835 der Bühne zu und wurde für die damals vereinigten Theater in der Josephstadt und in Baden bei Wien verpflichtet. 1837 ging er nach Prag, später nach Pest und Preßburg, und seit April 1845 war er unter Marrs Leitung am Stadttheater in Leipzig tätig, wo er als jugendlicher, ideal gerichteter Heldendarsteller, besonders in Schillerschen und Shakespearischen Rollen (Hamlet), große Erfolge erzielte. Nachdem er als Gast in Hamburg, Wien und Berlin aufgetreten war, wurde er 1848 an das Berliner Hoftheater engagiert, wo er sich 1849 mit Berta Unzelmann (s. d.) verheiratete. Er folgte aber schon 1850 einem Ruf an das Wiener Burgtheater, dem er, ein Meister glühender tragischer Leidenschaft (Othello, Macbeth, Lear), aber auch ein vollendeter Darsteller tiefbeseelter Gestalten von stiller Größe, bis zu seinem Tod angehörte.

Bildhauer, Maler, Architekten

14) Johann Martin von, Bildhauer, geb. 24. Juni 1777 in Würzburg, gest. 8. Aug. 1858 in Rom, Sohn des würzburgischen Hofbildhauers Johann Peter Alexander W. (1730–1809; Biographie von Lempertz, Köln 1904), widmete sich anfangs in Wien auf der Akademie bei Füger der Malerei und ging 1804 nach Paris und 1805 nach Rom. Dort führte ihn Kronprinz Ludwig von Bayern der Plastik zu und schickte ihn zweimal zum Einkauf von Antiken nach Griechenland. Hier erwarb W. die äginetischen Gruppen, die Thorwaldsen unter Wagners Beirat restaurierte. König Ludwig ernannte ihn 1841 zum Galeriedirektor in München. Aber den Künstler zog es wieder nach Rom, wo ihm der König in der Villa Malta Wohnung und Atelier eingeräumt hatte. Seine Hauptwerke sind: das eleusinische Fest, der das Leben der alten Germanen darstellende Fries der Walhalla (92 m lang; in Lichtdruck herausgegeben, 65 Tafeln, Würzb. 1889), die Bavaria mit dem Löwenviergespann, die sechs Viktorien und sämtliche Reliefs auf dem Siegestor in München, das Giebelfeld der Glyptothek und die Reliefs an der Reitschule daselbst. Sein Ideal war die Antike, in deren Verständnis er tief eingedrungen war. Seine Zeichnungen des Frieses vom Apollontempel in Phigalia, gestochen von Ruscheweyh, erschienen zu Rom 1814 in 25 Blättern. Von Wagners Schriften sind »Über die Niobidengruppe« und »Über die Dioskuren auf dem Quirinal« hervorzuheben. Vgl. Urlichs, J. M. v. W (Würzb. 1866).

15) Alexander von, ungar. Maler, geb. 16. April 1838 in Pest, studierte zuerst zwei Jahre lang auf der Kunstakademie in Wien und ging dann nach München, wo er in die Schule Pilotys eintrat und sich dort zum Genre- und Historienmaler ausbildete. Seinen ersten Erfolg errang er 1859 mit einem Bild aus der Geschichte seiner Heimat: Isabella Zapolya nimmt Abschied von Siebenbürgen, worauf er zwei Wandgemälde im bayrischen Nationalmuseum zu München: Gustav Adolfs Einzug in Aschaffenburg und Vermählung Ottos von Bayern, ausführte. 1866 wurde er zum Hilfslehrer und später zum Professor der Maltechnik an der Akademie in München ernannt. Nach seinem Erstlingsbild hat er noch eine Reihe von Darstellungen aus der ungarischen Geschichte gemalt, darunter: der Opfertod des Titus Duchovics und König Matthias auf der Jagd (beide im Nationalmuseum zu Pest), die Fresken: Gastmahl des Attila und König Matthias als Sieger im Turnier (im Retoudengebäude zu Pest) und die Taufe des heil. Stephan. Im Anfang der 1870er Jahre wandte er sich der Darstellung des Pferdes und andrer Tiere in wildbewegten Szenen zu und malte unter anderm das Czikosrennen in Debreczin, ein römisches Wagenrennen, ein antikes Stiergefecht, Mazeppa, Pferdetrieb in der Hortopágyer Pußta, Budapester Wochenmarkt (1891), Markt bei Veszprém. Die Frucht einer Reise in Spanien sind die Genrebilder: Picadores im Stiergefecht, spanische Post vor Toledo, am Stadttor von Cordoba, Casa del Garbon in Granada, aus maurischer Zeit und auf der Straße nach Sevilla, sowie die Illustrationen zu dem Werk über Spanien von Th. Simons, dessen Kulturbilder »Aus altrömischer Zeit« W. ebenfalls illustriert hat. Auch hat er ein Panorama: Das alte Rom mit dem Triumphzug Konstantins nach einem architektonischen Entwurf von J. Bühlmann (1887 bis 1888) gemalt.

16) Otto, Architekt, geb. 13. Juli 1841 in Penzing bei Wien, studierte auf dem Polytechnikum und auf der Kunstakademie daselbst und später auf der Bauakademie in Berlin und kehrte dann nach Wien zurück, wo er sich mit Glück an zahlreichen Konkurrenzen beteiligte, und wo ihm auch infolge der baulichen Erweiterungen der Stadt, bei der Donauregulierung und den Verkehrsanlagen, besonders der Stadtbahn, hervorragende Aufgaben zufielen. Neben mehreren Privathäusern und Villen erbaute er in Wien das Dianabad und die Länderbank, das Postsparkassengebäude und die Kirche der Heil- und Pflegeanstalt und in Budapest die Synagoge und beteiligte sich mit Auszeichnung an mehreren Festdekorationen der Stadt Wien. Für den Entwurf zu einem Parlamentsgebäude in Budapest erhielt W. die kleine goldene Medaille der Berliner Kunstausstellung. Er ist k. k. Oberbaurat und seit 1894 Professor an der Wiener Kunstakademie. Er gab heraus: »Einige Skizzen, Projekte und ausgeführte Bauwerke« (Wien 1891–1906, 3 Bde.) und »Moderne Architektur« (3. Aufl., das. 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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