- Perthes
Perthes, 1) Johann Georg Justus, Buchhändler, geb. 11. Sept. 1749 in Rudolstadt, widmete sich dem Kaufmannsstand, trat später in die Ettingersche Buchhandlung zu Gotha und gründete daselbst 1785 ein eignes Verlagsgeschäft, das bald in Blüte kam; starb hier 2. Mai 1816. – Sein ältester Sohn, Wilhelm P., geb. 18. Juni 1793 in Gotha, gest. 10. Sept. 1853, ward bei P. 2) in Hamburg für den Buchhandel gebildet, nahm 1813 und 1814 als Leutnant in der hanseatischen Legion am Feldzug in Mecklenburg und Holstein teil, trat dann als Kompagnon in das väterliche Geschäft und übernahm nach des Vaters Tode dasselbe allein. Bald darauf legte er durch Herausgabe des Stielerschen Atlas den Grund zu einem geographischen Verlag, der durch die Verbindung mit andern namhaften Geographen und Kartenzeichnern, wie Berghaus, Diez, Reichard, Spruner, Stülpnagel, Sydow etc., bald große Bedeutung gewann. Zugleich erwarb er sich durch Herausgabe des »Gothaischen Hofkalenders«, der vom Jahrgang 1816 an aus dem Ettingerschen Verlag in den seinigen überging und dem er (seit 1827) das genealogische Taschenbuch der deutschen gräflichen und (seit 1848) auch der freiherrlichen Häuser hinzufügte, um die Genealogie und Statistik namhafte Verdienste. Er hinterließ das Geschäft unter der Firma: Justus P. seinem Sohn Bernhard Wilhelm P., geb. 3. Juli 1821, gest. 27. Okt. 1857, der die geographische Anstalt, deren Erzeugnisse als der Höhepunkt der geographischen Wissenschaft und der kartographischen Technik (Petermann, Vogel, Hassenstein u.a.) betrachtet werden können, namhaft erweiterte. Seit 1855 erscheinen daselbst die von A. Petermann (s. d. 2) begründeten »Mitteilungen aus Justus P.' geographischer Anstalt«, lange Zeit die hervorragendste geographische Zeitschrift Deutschlands (jetzt hrsg. von Supan), seit 1866 das »Geographische Jahrbuch«, begründet von E. Behm, jetzt herausgegeben von H. Wagner. Nach seinem Tode wurde das Geschäft für seine Witwe von Rudolf Besser (gest. 11. Aug. 1883) und Adolf Müller (gest. 1880) verwaltet und ist seit 1881 im Besitz seines Sohnes Bernhard P. (geb. 16. Juli 1858).
2) Friedrich Christoph, namhafter Buchhändler und Patriot, Neffe von P. 1), geb. 21. April 1772 in Rudolstadt, gest. 18. Mai 1843 in Gotha, trat 1787 in Leipzig als Lehrling in die Böhmesche Buchhandlung, ward 1793 Gehilfe in der B. G. Hoffmannschen Buchhandlung in Hamburg und eröffnete 1796 daselbst eine Sortimentshandlung, in die auch sein nachheriger Schwager, Heinrich Besser (geb. 1775 in Quedlinburg, gest. 1826 in Hamburg), als Kompagnon eintrat, und die bald zu einer der geachtetsten Deutschlands sich erhob. Während Besser bald das Sortimentsgeschäft allein führte, wandte dagegen P. seine Tätigkeit immer mehr dem Verlag zu und trat mit vielen ausgezeichneten Männern aller Wissenschaften in Verbindung, so mit seinem nachmaligen Schwiegervater, Matthias Claudius, und mit den Gebrüdern Grafen Stolberg. 1813 trat er begeistert für die Sache der deutschen Freiheit an die Spitze des Aufstandes gegen die Franzosenherrschaft in Hamburg, ward darauf bei der Rückkehr der Franzosen geächtet und nahm dann an den Feldzügen im nordwestlichen Deutschland teil. Als Mitglied des hanseatischen Direktoriums und als Abgeordneter erwirkte er in dem Hauptquartier der Verbündeten zu Frankfurt a. M. die Freiheitsakte der Hansestädte zurück. Als er nach Vernichtung der französischen Herrschaft nach Hamburg zurückkehrte. fand er sein Geschäft ganz daniederliegend; indessen gelang es ihm, die angehäuften Verbindlichkeiten auf ehrenhafte Weise zu lösen. Außerdem war P. auch in mehreren Zweigen des wiederhergestellten Hamburger Gemeindewesens tätig. Nach dem Tode seiner ersten Frau siedelte er 1821 nach Gotha über, indem er sich nur dem Verlagshandel widmete und das Hamburger Geschäft seinem Schwager Besser und dessen Schwiegersohn Johann Heinrich Wilhelm Mauke (geb. 1790 in Schleiz, gest. 1859) überließ. Ein großartiges Unternehmen P.' war Heeren und Ukerts »Geschichte der europäischen Staaten«, für dessen Ausführung er die ausgezeichnetsten Historiker zu gewinnen wußte, und das 1875 unter Leitung W. v. Giesebrechts wieder aufgenommen wurde; gegenwärtig steht K. Lamprecht an der Spitze des Unternehmens. Im deutschen Buchhandel galt P. als Autorität; er wirkte mit in den Angelegenheiten des Nachdrucks, der Preßgesetzgebung sowie bei der Begründung des Börsenvereins. Sein Leben schrieb sein Sohn Klemens Theodor P. (s. unten 3), als Volksschrift W. Baur (2. Aufl., Barmen 1879), O. Berdrow (Gotha 1896), O. Adler (»Friedrich und Karoline P.«, Leipz. 1900).
Das von ihm begründete Verlagsgeschäft wurde nach seinem Tod im Auftrag der Erben unter der alten Firma »Friedrich P.« von seinem Sohn Andreas (geb. 16. Dez. 1813 in Kiel, gest. 1. Jan. 1890 in Eisenach) weitergeführt, der am 1. Jan. 1840 in Gotha eine eigne Verlagshandlung unter der Firma: »Friedrich und Andreas P.« errichtete und beide Handlungen 1854 unter der Firma: Friedrich Andreas P. vereinigte, bis er sie 1874 seinem Sohn Emil, geb. 21. Mai 1841, überließ. Seit 1. Juli 1889 ist das mit Buchdruckerei und andern technischen Zweigen verbundene Verlagsgeschäft im Besitz einer Aktiengesellschaft.
3) Klemens Theodor, Rechtslehrer und Historiker, Sohn von P. 2), geb. 2. März 1809 in Hamburg, gest. 25. Nov. 1867 als Professor der Rechte in Bonn. Er schrieb die Biographie seines Vaters: »Friedrich P.' Leben« (Hamb. u. Gotha 1848–55, 3 Bde.; 7. Aufl. 1892); »Das deutsche Staatsleben vor der Revolution« (Hamb. 1845), »Politische Zustände und Personen in Deutschland zur Zeit der französischen Herrschaft« (Bd. 1, Gotha 1862; Bd. 2, hrsg. von A. Springer, 1869), »Das Herbergswesen der Handwerksgesellen« (das. 1856, 2. Aufl. 1883). 1854 gründete er in Bonn die erste »Herberge zur Heimat«. Sein Briefwechsel mit dem Kriegsminister Grafen v. Roon aus den Jahren 1864–67 erschien in Breslau 1895. – Sein Sohn Hermann Friedrich, geb. 5. Febr. 1840 in Bonn, gest. 13. Juni 1883 in Davos, seit 1868 Rektor des Progymnasiums in Mörs, 1870 Direktor des Gymnasiums in Treptow a. d. Rega, 1873 badischer Geheimer Hofrat und Prinzenerzieher, zuletzt Leiter des von ihm begründeten Heilgymnasiums »Fridericianum« in Davos-Platz, machte sich besonders durch seine Schrift: »Zur Reform des lateinischen Unterrichts« (Berl. 1873–75,4 Hefte) bekannt.
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.