- Dioskūren
Dioskūren (»Söhne des Zeus«), Name der Heroen Kastor und Polydeukes (Pollux), der Zwillingssöhne der Leda und Brüder der Helena und Klytämnestra. Bei Homer heißen sie Tyndariden als Söhne des Tyndareos, des Gemahls der Leda, bei Hesiod Söhne des Zeus. Nach der später geläufigsten Sage hatte Kastor den Tyndareos zum Vater, Polydeukes dagegen Zeus, der Leda in Gestalt eines Schwanes genaht war; daher ist jener sterblich, dieser unsterblich. Heimat wie Grab der D. ist in Lakonien. Die Sage gedenkt besonders ihres Zuges nach Attika zur Befreiung der von Theseus geraubten Helena, ihrer Teilnahme am Argonautenzug und an der kalydonischen Jagd, ihres Kampfes mit den Söhnen des Aphareus, Idas und Lynkeus, wegen des Raubes der Phöbe und Hilaeira, der Töchter des Leukippos. Als dabei Kastor fiel, bat der unsterbliche Polydeukes Zeus, mit jenem die Unsterblichkeit teilen zu dürfen, indem beide einen Tag in der Oberwelt, den andern in der Unterwelt zubrächten. Aber Zeus setzte zum Lohn für ihre Bruderliebe beide als Zwillinge oder als Morgen- und Abendstern an den Himmel. Polydeukes ist als Faustkämpfer, Kastor als Rossebändiger ausgezeichnet; doch erscheinen auch beide als Reiter oder Wagenlenker. Als Idealbilder kriegerischer Tapferkeit und Gewandtheit sind sie Schirmer der streitbaren Jugend. Auch als Erfinder der kriegerischen Weisen und Tänze und als reisige Mitkämpfer in der Schlacht gelten sie. Ihr uraltes Symbol, zwei parallele, durch Querhölzer verbundene Balken, führten die Spartaner stets mit ins Feld. In Sparta und Olympia wurden sie neben Herakles und andern Heroen der Agone verehrt, in Athen als Anakes (Schirmherren). Auch zur See waren sie Helfer; den Schiffern galten Flämmchen auf den Masten (das sogen. St. Elmsfeuer) als Zeichen ihrer rettenden Nähe und baldigen Aufhörens des Sturmes. Als Seegötter wurden sie später mit den samothrakischen Kabiren (s. d.) vermischt. Als Schirmherren der Reisenden waren sie Beschützer der Gastfreundschaft und Stifter der Theoxenien (s. d.). Bei den italischen Völkern fand der Kult der D. früh Verbreitung; besondere Verehrung genossen sie in Tusculum und Rom, wo für ihre Hilfe in der Schlacht am See Regillus, 484 v. Chr., auf dem Forum der Kastortempel erbaut (die drei erhaltenen Säulen gehören dem unter Tiberius erfolgten Neubau an) und ihnen zu Ehren 15. Juli die feierliche Musterung der Ritter abgehalten wurde. – Die Kunst pflegte die D. darzustellen als Jünglinge von schlanken, aber kräftigen Formen, meist nackt oder nur mit leichter Chlamys. Ihr Merkzeichen ist gewöhnlich der halbeiförmige Hut, an der Spitze mit einem Stern. Fast immer treten sie in Verbindung mit ihren weiß vorgestellten Rossen Xanthos u. Kytharos auf, neben ihnen stehend oder als Reiter. Die bekannteste Darstellung aus dem Altertum sind die 6 m hohen, wahrscheinlich nach griechischen Originalen der nachlysippischen Kunst gearbeiteten Marmorstatuen nebst den dazu gehörigen Rossen auf dem früher nach ihnen Monte Cavallo (jetzt Piazza del Quirinale) genannten Platz in Rom.
Als Faustkämpfer erscheint Polydeukes auf der Ficoronischen Cista (s. d.) und in einer schönen Bronze im Britischen Museum. Auf Münzen finden die D. Darstellung als Reiter mit Palmen in den Händen (s. Abbildung). Vgl. Albert, Le culte de Castor et Polluxen Italie (Par. 1883); Löwenfeld, Die D. in der bildenden Kunst (Münch. 1891).
http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.