Algier

Algier

Algier (franz. Alger, span. Argel, arab. Al Dschesair, d.h. »die Insel«, das alte Icosium, im Mittelalter bei den Arabern Mesrana genannt), Hauptstadt der franz. Kolonie Algerien und des Departements A. (s. unten), erster Kriegs- und Handelsplatz derselben, liegt hart am Mittelmeer unter 36°47´ nördl. Br. und 3°31´ östl. L., an der Westseite eines geräumigen, halbmondförmig gegen S. eingetieften Golfes, zwischen Kap Matifu im O. und der Pointe Pescade im W., und an dem ins Meer abfallenden Nordhang eines 402 m hohen Gebirgszugs. Die Stadt ist von blühenden Ortschaften, Villen und Gärten umgeben und bildet ein ziemlich gleichseitiges. vom Meer aufsteigendes Dreieck, dessen Spitze in 124 m Höhe die Kasba, die alte Burg der Deis, jetzt Kaserne, bildet. Der schon 1525 von Chaireddin Barbarossa angelegte Hafen, der 95 Hektar groß ist, wurde 1836 von französischen Ingenieuren ausgebaut und unter Napoleon III. durch zwei Steindämme von 700 und 1235 m Länge geschützt. Seinen Abschluß im N. erhält das Hafenbecken durch einen aus dem 10. Jahrh. stammenden Verteidigungsdamm, der das Ilot der Marine mit dem Festland verbindet. Neuestens wird auch die Erweiterung des Hafens gegen S. geplant. Am Nordende befindet sich das Marinebassin. Der mit Docks versehene und durch mehrere starke Werke geschützte Hafen vermag 40 Kriegs- und 300 Handelsschiffe aufzunehmen.

Umgebung von Algier.
Umgebung von Algier.

Vom Hafenkai führen Freitreppen und fahrbare Straßen hinauf auf den Boulevard de la République, den eigentlichen Glanzpunkt der Stadt, eine prachtvolle, 2000 m lange Terrasse. Sie ruht auf einer doppelten Reihe von Bogen (ca. 350), deren Hallen zu Verkaufsläden benutzt werden. An diesem Boulevard liegen die palastartigen Gebäude der Bank, der Post, der Justizpalast etc., am Ende desselben die Place de Gouvernement, der schönste Platz der Stadt, mit einer Reiterstatue des Herzogs von Orléans, dem erzbischöflichen Palast, einem ältern maurischen Prachtbau, der Moschee Dschama el Dschedid. Etwa in der Mitte des Boulevard de la République öffnet sich nach W. die große Place Bresson mit dem Nationaltheater. Dicht beim Gouvernementsplatz liegt die kleine Place Bruce mit dem Winterpalast des Gouverneurs und der katholischen Kathedrale. Vordem Tor Bab el Uëd im N. liegt die gleichnamige Vorstadt, auf der Südseite die Vorstadt Agha und weiterhin das Dorf Mustafa, eine reizende Villenkolonie, wo auch der Gouverneur seine Sommerresidenz hat. Die beliebteste Promenade bildet außer dem Boulevard de la République der Jardin Marengo hinter dem Lyzeum.

Als Hauptstadt der Kolonie ist A. Sitz des Generalgouverneurs, eines Präfekten, des Kommandos des 19. Armeekorps, der obersten Behörden für die Kolonie, die Provinz und das Arrondissement A., vieler Konsuln, auch eines deutschen Berufskonsuls, eines Tribunals erster Instanz, Handelsgerichts, eines katholischen Erzbischofs, eines protestantischen Konsistoriums sowie der höhern Geistlichen der Muslims und Juden. A. besitzt verschiedene katholische Kirchen, eine protestantische und eine englische Kirche, mehrere Synagogen und 22 Moscheen und kleinere Bethäuser, darunter als älteste und schönste die Dschama el Kebir. An wissenschaftlichen Anstalten besitzt A. eine Militärakademie und vier Hochschulen (für Rechte, Medizin und Pharmazie, mathematische und Naturwissenschaften, Literatur mit einer orientalischen Sektion und einem öffentlichen Kurs für die arabische Sprache). Die Mohammedaner haben eine Medresse. Außerdem bestehen ein Lyzeum, zwei Lehrerseminare, eine öffentliche Bibliothek, Sternwarte, Historische Gesellschaft, Gesellschaften für Kunst, Agrikultur, philanthropische Zwecke, zwei Theater, Waisen- und Armenhäuser, Militär- und Zivilhospitäler. Es erscheinen mehrere französische und arabische Zeitungen. Die Zahl der Einwohner betrug 1838: 30,395 (darunter 18,400 Eingeborne), 1901: 97,400 (32,893 Franzosen, 10,822 Juden, 26,702 Eingeborne, 26,983 Fremde, darunter 6393 naturalisierte). Die Industrie befindet sich noch in den Anfängen, dagegen ist A. der wichtigste Handelsplatz der Kolonie, in dem zahlreiche Straßen des Binnenlandes und zwei Eisenbahnlinien von Oran und Konstantine zusammenlaufen. Der Handel wird unterstützt durch fünf Banken und eine Handelskammer; sieben französische Dampfergesellschaften vermitteln den Verkehr mit Marseille und Cette, eine spanische mit Alicante und Valencia, drei Kabel führen nach Marseille hinüber. 1898 liefen 8151 Schiffe von 6,867,342 Ton. ein und aus, meist französische. Ausgeführt werden Getreide, Wein, Vieh, Wolle, Leder, Erze, Tabak, Gemüse, Obst, Olivenöl. Neuerdings ist A. auch als klimatischer Kurort sehr in Aufnahme gekommen, der im Winter (Durchschnittstemperatur 12°) zahlreiche brustleidende Europäer anlockt. Vgl. O. Schneider, Der klimatische Kurort A. etc. (Dresd. 1869; weitere 2 Bände, 1872–78, enthalten auch Schilderungen aus der Provinz); Reisehandbücher von Piesse (Par. 1891), Dalles (2. Aufl., Algier 1888), Harris (9. Aufl., Lond. 1898), Meyers Reisebücher: »Riviera, A. etc.« (5. Aufl., Leipz. 1902).

Das Departement A., der mittlere Teil der französischen Kolonie Algerien, umfaßt 170,801 qkm mit (1901) 1,640,985 Einw. und zerfällt in fünf Arrondissements: Orléansville, Miliana, Alger, Tizi-Uzu und Medea. – Über die Geschichte s. Algerien.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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