Mercier

Mercier

Mercier (spr. merßjē, Mercerius), 1) Josias M. des Bordes, Philolog, geb. um 1560 in Uzès im Languedoc, gest. 5. Dez. 1626 in Paris, wurde Staatsrat unter Heinrich IV. und war Schwiegervater des berühmten Salmasius (1623). Von großer Divinationsgabe zeugt seine Ausgabe des Nonius (Par. 1583, 1614; Leipz. 1826); sonst nennen wir die Ausgaben des Aristänetos (Par. 1595, zuletzt 1639) und von Apulejus' »De deo Socratis« (das. 1625).

2) Sébastien, franz. Schriftsteller, geb. 6. Juni 1740 in Paris, gest. daselbst 25. April 1814, war Professor der Rhetorik in Bordeaux und lebte dann in Paris. Als das Theâtre Français die Ausführung eines seiner Dramen verweigerte, suchte er Hilfe bei den Gerichten und wurde selbst Advokat, um seinen Prozeß besser zu verfechten. Die heftige Sprache seines »Tableau de Paris« zwang ihn zur Flucht nach der Schweiz und nach Deutschland; erst mit dem Beginn der Revolution kehrte er zurück. Als Konventsdeputierter stimmte er für lebenslängliche Gefangenschaft Ludwigs XVI., wurde darauf eingekerkert und erst durch den 9. Thermidor befreit. Dann wurde er in den Rat der Fünfhundert gewählt, erhielt eine Geschichtsprofessur an der Zentralschule und wurde Mitglied des Instituts. Geistvoll und originell, aber so sehr das Paradoxe liebend, daß man ihn Rousseaus Affen genannt hat, vereinigte M. auch in seinem Stil Eleganz und Übertreibung. Das beweist am besten sein »Tableau de Paris« (1781–89, 12 Bde.), eine Schilderung nicht der Sitten, sondern des Lasters. Aber der Erfolg war, besonders in Deutschland, ein ungeheurer. Auszüge daraus veröffentlichten Desnoiresterres (s. unten) und Lacour (1862, 2 Bde.). Die Fortsetzung: »Le nouveau Paris« (Braunschw. 1800, 6 Bde.), eine Schilderung der Revolutionszeit, ist womöglich noch maßloser. Charakteristisch sind noch die Werke: »L'essai sur l'art dramatique« (Amsterd. 1773), in dem die Angriffe gegen den Klassizismus systematisch zusammengefaßt und Racine und Boileau, ja sogar Moliere aufs äußerste bekämpft werden, und »L'an 2440« (das. 1770; 1793, 3 Bde.), eine Phantasie über Umgestaltung des sozialen Lebens. Die seinen Theorien entsprechenden Dramen Merciers sind vereinigt im »Théâtre de M.« (Amsterd. 1778–84, 4 Bde.). Er besorgte auch eine Ausgabe von J. J. Rousseaus Werken (mit Anmerkungen, 1788–93, 38 Bde.) und gab die erste Übersetzung von Schillers »Jungfrau von Orléans« (1802) heraus. Vgl. Desnoiresterres, Tableau de Paris. Études sur la vie et les ouvrages de M. (Par. 1852); Zollinger, S. M. als Dramatiker (Zürich 1899); Béclard, Sébastien M. (Par. 1903). 3) Auguste, franz. General, geb. 8. Dez. 1833 in Arras, wurde 1856 Leutnant der Artillerie, machte den Feldzug in Mexiko mit Auszeichnung mit, war während des deutsch-französischen Krieges Artilleriehauptmann bei der Rheinarmee unter Bazaine in Metz, wurde nach der Kapitulation der Festung in Bonn interniert, befehligte im Kampf gegen die Kommune in Paris eine Batterie, ward 1884 Brigadegeneral und Kommandeur des 12. Korps in Limoges und wurde 1888 vom Kriegsminister Freycinet als Direktor der Verwaltungsangelegenheiten ins Ministerium berufen. 1893 befehligte er das 18. Korps in Bordeaux. 1893–95 war er Kriegsminister, veranlaßte 1894 den Verratsprozeß gegen den Generalstabshauptmann Dreyfus und führte, wie er 1899 vor dem Kassationshof eingestand, dessen Verurteilung durch Mitteilung geheimer Aktenstücke an das Kriegsgericht herbei, von denen weder der Angeklagte noch sein Verteidiger Kenntnis erhielten; auch verbreitete er die Kunde von einem angeblichen Geständnis des Verurteilten. Nach seinem Rücktritt vom Ministerium ward er im Februar 1895 zum Kommandeur des 4. Korps in Le Mans ernannt. Im Dezember 1898 nahm er, da er die Altersgrenze erreicht hatte, seinen Abschied. 1899 trug er durch leidenschaftliche Parteinahme wesentlich zur abermaligen Verurteilung Dreyfus' in Rennes bei. Zum Lohn dafür wurde er 1900 von den Klerikalen und Nationalisten in Nantes zum Senator gewählt.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Mercier — (French, notions dealer or haberdasher) is a common family name in France, in French speaking regions of Belgium, Canada and Switzerland, and is found elsewhere where French speaking people have settled. List of persons with the surname Armand… …   Wikipedia

  • mercier — mercier, ière [ mɛrsje, jɛr ] n. • XIIe « marchand »; de l a. fr. merz (Xe) « marchandise », lat. merx ♦ Personne qui vend des articles de mercerie. ● mercier, mercière nom (ancien fra …   Encyclopédie Universelle

  • Mercier — steht für die Einwohner von Mercien ein Radsport Profiteam (Mercier (Radsportteam)) eine französische Fahrradmarke, Mercier (Fahrrad) ein bedeutendes, 1858 gegründetes Champagnerhaus in Épernay, siehe Mercier (Champagner) die 1830 gegründete… …   Deutsch Wikipedia

  • Mercier — es un nombre oriundo de Francia que puede hacer referencia a: Personas Auguste Mercier (1833 1921), militar y político francés, general y ministro de Guerra; Barthélemy Mercier de Saint Léger, (1734 1799), bibliógrafo francés; Camille Le Mercier… …   Wikipedia Español

  • mercier — mercier, ière (mèr sié, siè r ) s. m. et f. 1°   Celui, celle qui vend toutes sortes de menues marchandises, surtout de celles qui servent à l habillement. Petit, menu mercier.    Adjectivement. Marchand mercier. 2°   Porteballe qui va par les… …   Dictionnaire de la Langue Française d'Émile Littré

  • MERCIER (L. S.) — MERCIER LOUIS SÉBASTIEN (1740 1814) Écrivain fécond, dont la nature bouillante et les idées audacieuses font parfois penser à Diderot. À vingt ans, Louis Sébastien Mercier débute dans la littérature par des Héroïdes , mais ne réussit pas et en… …   Encyclopédie Universelle

  • MERCIER (D. J.) — MERCIER DÉSIRÉ JOSEPH (1851 1926) Archevêque de Malines, l’un des promoteurs du renouveau thomiste dès la fin du XIXe siècle, ainsi que du mouvement œcuménique, notamment avec les «Conversations de Malines». Né à Braine l’Alleud, gros bourg du… …   Encyclopédie Universelle

  • MERCIER (P.) — MERCIER PHILIPPE (1689 1760) C’est à peine si l’on peut considérer Philippe Mercier comme un peintre français. Né à Berlin, il s’y forme auprès d’Antoine Pesne, lequel, Français de naissance, a lui même fait presque toute sa carrière en Allemagne …   Encyclopédie Universelle

  • mercier — Mercier, [merci]ere. s. Marchand qui a droit de vendre en gros & en detail toutes sortes de marchandises, & qui fait principalement commerce de marchandises de soye & de plusieurs choses servant à l habillement & à la parure. Le Corps des… …   Dictionnaire de l'Académie française

  • Mercier — (spr. Mersieh), Louis Sebastian, geb. 1740 in Paris, war erst dramatischer Dichter u. wurde, als ihm die Pariser Schauspieler die Aufführung seiner Stücke versagten, Advocat, um sie vor Gericht zu bekämpfen; er ging dann nach der Schweiz u.… …   Pierer's Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”