Ammonĭak

Ammonĭak

Ammonĭak NH3, gasförmige Verbindung von Stickstoff mit Wasserstoff, findet sich im freien Zustand kaum in der Natur, aber Verbindungen desselben mit Säuren, die Ammoniaksalze, sind sehr verbreitet in der Luft, im Boden und in den Gewässern. Kohlensaures A. liegt unter dem Guano der Chinchainseln, schwefelsaures A. findet sich im Dampf der Fumarolen von Toskana und Chlorammonium im Krater des Vesuvs und andrer Vulkane, auch in der Nähe brennender Kohlenfelder. Schwefelammonium ist ein Bestandteil der übelriechenden Fäulnisgase. Der Harn der Vögel und Reptilien besteht aus harnsaurem A. Der Harn der Säugetiere enthält nur geringe Mengen von Ammoniaksalzen. A. entsteht aus einem Gemenge von Stickstoff und Wasserstoff beim Durchschlagen elektrischer Funken, ein Gemenge von Stickstoff, Wasserstoff und Chlorwasserstoff gibt Ammoniumchlorid. Ammoniumnitrit entsteht beim Verbrennen von Wasserstoff an der Luft, und da die Brennmaterialien Wasserstoff enthalten, so findet sich salpetrigsaures und neben ihm salpetersaures A. auch unter den Verbrennungsprodukten derselben. Stickstoffsauerstoffverbindungen werden unter verschiedenen Verhältnissen durch Wasserstoff zu A. reduziert. A. entsteht z. B. beim Erhitzen von Salpeter mit Ätzkali und Eisenfeilspänen, und wenn Stickoxyd mit Wasserstoff über glühendes Platin geleitet wird. Wenn organische Stickstoffverbindungen mit Alkalien oder mit rauchender Schwefelsäure erhitzt werden, geht meist ihr gesamter Stickstoff in A. über. Auch bei der Reinigung von Ätznatron durch Chilisalpeter wird A. gebildet, ferner bei trockner Destillation stickstoffhaltiger organischer Stoffe (Horn, Knochen, Steinkohlen) sowie bei Behandlung eiweißartiger Stoffe mit Kali, Kalk etc. (z. B. in den Rübenzuckerfabriken beim Klären des Saftes mit Kalk; auf 2 kg Rüben ist etwa 0,2 kg schwefelsaures A. zu rechnen). A. entsteht auch aus Cyan (einer Verbindung von Kohlenstoff mit Stickstoff) und findet sich daher in den Gichtgasen der Hochöfen. Man gewann A. ursprünglich aus Kamelmist, später aus faulendem Harn (der Harnstoff zerfällt bei der Fäulnis des Harns in A., Kohlensäure und Wasser), dann durch trockne Destillation von Knochen und Hornabfällen (Hirschhornsalz) und noch jetzt in den Schweineschlächtereien Chicagos aus den Tankwässern. Hauptquelle des Ammoniaks ist gegenwärtig aber die Steinkohle, die bei trockner Destillation neben Leuchtgas und Teer Ammoniakwasser liefert.

A. ist ein farbloses Gas, riecht höchst stechend und zu Tränen reizend, schmeckt brennend-ätzend alkalisch, färbt Lackmuspapier blau und hat ein spezifisches Gewicht von 0,589. Bei -40° (33,7°) oder bei 10° unter einem Druck von 6,5 Atmosphären wird es zu einer farblosen Flüssigkeit vom spez. Gew. 0,6234 verdichtet, die ungemein schnell verdunstet und dabei starke Kälte erzeugt, zu einer weißen, geruchlosen Masse erstarrt, bei -75° schmilzt und bei -33,7° siedet. Die kritische Temperatur des flüssigen Ammoniaks liegt bei 130°. A. ist sehr löslich in Wasser und Alkohol; 1 Volumen Wasser absorbiert bei 0° 1050, bei 15° 727, bei 20° 654 Volumina A., wobei es sich erwärmt, an Volumen bedeutend zunimmt und spezifisch leichter wird. 1 g Wasser löst bei 760 mm Druck bei

Tabelle

Den bei 14° gefundenen spezifischen Gewichten der Lösung von A. in Wasser entspricht der Prozentgehalt:

Tabelle

A. zerfällt im glühenden Rohr unter Verdoppelung des Volumens in Stickstoff und Wasserstoff, es brennt in der Luft nur, wenn es erhitzt wurde, verbrennt aber in Sauerstoff auch ohne Erhitzen zu Wasser und Stickstoff, wenig Stickstoffoxyd und salpetriger Säure. Metalloxyde werden beim Erhitzen in A. reduziert. Manche Metalle bilden mit A. Metallamide, andre zersetzen das A. vollständig, und bisweilen entstehen Stickstoffmetalle. Leitet man A. über glühende Kohlen, so entstehen Cyanammonium NH4CN und Wasserstoff; auch bildet sich die Cyanverbindung aus Kohlenoxyd und A. In Chlor brennt A. mit roter und weißer Flamme unter Bildung von Chlorammonium und Stickstoff. Leitet man Chlor in wässerige Lösung von A., so kann explosiver Chlorstickstoff entstehen, Jod erzeugt explosiven Jodstickstoff. Ein mit verdünnter Salzsäure befeuchteter Glasstab zeigt Spuren von A. an, indem sich um denselben Nebel von Salmiak bilden. Mit gewissen Metallverbindungen bildet A. mehr oder weniger beständige Verbindungen.

[Darstellung von Ammoniak.] Wässerige Ammoniaklösung (Ammoniakflüssigkeit, Ätzammoniak, Salmiakspiritus, Salmiakgeist) wird dargestellt, indem man Salmiak oder schwefelsaures A. mit staubigem Kalkhydrat in einem eisernen Destillationsgefäß mit wenig Wasser zu einem dicken Brei mischt, gelind erwärmt, das entweichende Gas in wenig Wasser wäscht und dann in destilliertes Wasser leitet. 1 kg Salmiak verwandelt 1 kg Wasser in 30proz. Ammoniakflüssigkeit. Im großen gewinnt man A. aus dem Ammoniakwasser der Gasanstalten und als Nebenprodukt bei der Koksbereitung.

Grünebergs Apparat zur Darstellung von Ammoniakflüssigkeit und schwefelsaurem Ammoniak.
Grünebergs Apparat zur Darstellung von Ammoniakflüssigkeit und schwefelsaurem Ammoniak.

Das Ammoniakwasser enthält im Liter 5–20 g A., von dem aber nur ein Teil beim Kochen sich verflüchtigt, während der Rest in Form nicht flüchtiger Verbindungen vorhanden ist. Um diese zu zersetzen, destilliert man das Ammoniakwasser, das viel Schwefelammonium und kohlensaures A. enthält, mit Ätzkalk, und benutzt Destillierapparate nach dem Prinzip der in der Spiritusfabrikation gebräuchlichen Rektifikationsapparate, wobei die Wasserdämpfe teilweise kondensiert werden und in den Kessel zurückfließen, während mit A. gesättigter Dampf in den Kühlapparat gelangt. In dem Apparat von Grüneberg (s. Abbildung) gelangt das Gaswasser durch das Rohr a in den Vorwärmer B und aus diesem durch das Rohr b in die Destillationskolonne A. Es fließt dann durch ein den Kessel F, in den mittels der Kalkpumpe C durch das Rohr c Kalk eingepumpt wird, und durch f in den Schlammkessel g, aus dem die Kalkreste von Zeit zu Zeit durch das untere Ventil abgelassen werden. Das Ammoniakwasser läuft bei h über und auf der Treppenkolonne i abwärts, wird dann in G durch das Dampfrohr d zum Kochen gebracht und fließt endlich, abgetrieben durch k, nach dem hydraulischen Abfluß t. Der Dampf steigt, durch die konzentrischen Ringe l gezwungen, an der Treppenkolonne, dann durch die Rohre m auf und durchstreicht, durch die Rohre n geführt, die mit Kalkmilch versetzte Flüssigkeit in F. Wasser- und Ammoniakdämpfe treten dann durch o in die Kolonne und verlassen den Apparat über E durch das Rohr p, das in den mit Schwefelsäure gefüllten Kasten D mündet. Die sich hier entwickelnden übelriechenden Gase und Dämpfe treten unter die Glocke q und gelangen durch r in den Kanal s zum Vorwärmer B und von diesem in die Feuerung. Soll Ammoniakflüssigkeit dargestellt werden, so gehen die Gase aus p durch einen Rückflußkühler, werden mit Kalkmilch gewaschen, um Kohlensäure und Schwefelwasserstoff zu beseitigen, und gelangen dann durch ein Holzkohlenfilter, worin sie von empyreumatischen Stoffen befreit werden, in die gut gekühlten, mit destilliertem oder gewöhnlichem Wasser beschickten Absorptionsgefäße. Der Apparat verarbeitet in 24 Stunden bis 40,000 Lit. und macht das Wasser fast ammoniakfrei. Der gewöhnliche Salmiakgeist des Handels wird nach Gehalt an Gewichtsprozenten A. verkauft. Löst man 3–5 Teile stearinsaures Natron in 10 Teilen Ammoniakflüssigkeit und gießt die Lösung in 85–90 Teile 30proz. A. von 40°, so erhält man eine parassinartige Masse (festes A.), die ihr A. leicht und vollständig abgibt.

Von großer Wichtigkeit ist das Problem, den Stickstoff der atmosphärischen Luft in A. zu verwandeln. Leitet man Wasserdampf und Luft bei 300° über ein inniges Gemisch von Baryt und Kohle, so entsteht Cyanbaryum, das durch den Wasserdampf in A. und kohlensauren Baryt zersetzt wird. Leitet man Luft über glühende Kohlen, so wird der Sauerstoff in Kohlenoxyd verwandelt, und wenn man dann das Gemisch von Kohlenoxyd und Stickstoff auf glühendes Kalkhydrat einwirken läßt, so entstehen A. und kohlensaurer Kalk.

Die Ammoniakflüssigkeit des Handels enthält 20 bis 30 Proz. A. Die stärkste heißt Eisgeist. Die offizinelle Ammoniakflüssigkeit (Liquor Ammonii caustici) vom spez. Gew. 0,96 enthält 10 Proz. A. Ammoniakflüssigkeit riecht und schmeckt wie A., verliert an der Luft und namentlich beim Erhitzen A.; konzentrierte Ammoniakflüssigkeit wird bei -38 bis 41° fest. Sie löst Zink unter Entwickelung von Wasserstoff, Kupfer nur bei Luftzutritt. Sie verhält sich in chemischer Hinsicht der Kalilauge sehr ähnlich und neutralisiert namentlich auch Säuren vollständig unter Bildung von Ammoniumsalzen (Ammoniaksalzen). Wie in der Kalilauge Kaliumhydroxyd KOH, so (kann man annehmen) ist in der Ammoniakflüssigkeit das Hydroxyd des hypothetischen Ammoniums (s. d.) NH4, also NH4.OH, gelöst, das sich gegen Säuren wie Kaliumhydroxyd verhält. Setzt man zu einem Ammoniumsalz Kalilauge, so entsteht das Kaliumsalz und Ammoniumhydroxyd; aber in dem Moment, wo letzteres frei wird, zerfällt es in A. und Wasser: NH4OH = NH3+H2O. Kommt eine Wasserstoffsäure mit A. zusammen, so entsteht ein Haloidsalz, aus Chlorwasserstoffsäure HCl und NH3 wird Chlorammonium NH4Cl. Über die Bildung großer Klassen von Kohlenstoffverbindungen durch Ersetzung des Wasserstoffs im A. s. Amide und Basen, organische.

A. ist giftig, es wirkt auf der Haut ätzend, in Verdünnung eingeatmet erzeugt es Hyperämie und vermehrte Absonderung der Bronchialschleimhaut, in konzentriertem Zustand heftigen Husten und Stimmritzenkrampf. In kleinen Mengen wirkt es innerlich flüchtig erregend, steigert Atemgröße, Blutdruck und Schweißabsonderung. Größere Mengen erzeugen Gastroenteritis, Erstickungsanfälle, Krämpfe, Herzlähmung. In Luft, die nur 0,05 Proz. A. enthält, zeigen sich schon Reizerscheinungen. Bei einiger Gewöhnung ertragen Menschen 0,03–0,05 Proz.

Mon benutzt A. als starke Base, wo seine Flüchtigkeit gegenüber dem Kali oder Natron Vorteile gewährt. Überdies hat eine 17proz. Ammoniakflüssigkeit gleichen chemischen Wert wie eine 31proz. Natronlauge. Ein Überschuß von A., der bei der Verwendung der Ammoniakflüssigkeit entstanden ist, kann durch Erwärmen beseitigt werden, auch sind die Ammoniaksalze durch Erhitzen zu entfernen. A. dient daher statt Natronlauge und Seife in Waschanstalten und Bleichereien, in der Färberei und Wollwäscherei, zum Entfernen von Flecken (durch Säuren auf schwarzen Stoffen erzeugte rote Flecke verschwinden beim Betupfen mit A. sofort), ferner als Antichlor, zur Darstellung von Soda (Ammoniaksoda) und Ammoniaksalzen, Indigo, in der Lack- und Farbenfabrikation, zum Ertrahieren von Chlorsilber aus den Erzen, zur Schnupftabakfabrikation etc. Die starke Kälte, die das durch Druck verflüssigte A. beim Verdunsten erzeugt, benutzt man in den Eismaschinen, und der Druck, den es bei gewöhnlicher Temperatur ausübt (7 Atmosphären), ist zum Betrieb von Kraftmaschinen verwendbar. In der Medizin läßt man A. einatmen, um durch einen starken Reiz auf die Nasenschleimhaut reflektorisch Atembewegungen auszulösen. Eine zu heftige Einwirkung kann aber höchst schädliche Folgen haben. Äußerlich benutzt man das A. namentlich in Verbindunhg mit Öl als Linimentum ammoniatum volatile (flüchtiges Liniment, flüchtige Salbe) bei Rheumatismus und Kontusionen, in Amerika innerlich und äußerlich gegen Schlangenbiß, bei uns auch gegen Bienenstich, wobei es genügt, die betreffende Stelle mit A. zu bestreichen. – Das A. hat seinen Namen vom Salmiak, der zuerst Sal armeniacum oder ammoniacum hieß (s. Ammoniumchlorid); Kunckel kannte das A. und verglich es mit Ätzlauge, Priestley fing es 1774 über Quecksilber auf und nannte es alkalische Luft. Andre nannten es flüchtiges Alkali und Bergman 1782 Ammoniacum. Berthollet erkannte 1785 seine Zusammensetzung. Vgl. Tellier, L'ammoniaque dans l'industrie (Par. 1867); Fehrmann, Das Ammoniakwasser und seine Verarbeitung (Braunschw. 1887); Arnold, A. und Ammoniakpräparate (Berl. 1888); Lunge, Taschenbuch für die Soda-, Pottasche- und Ammoniakfabrikation (3. Aufl., das. 1900); Derselbe, Die Industrie des Steinkohlenteers und Ammoniaks (4. Aufl. von Köhler, Braunschw. 1900).


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